Die Deutsche Kolonie Chortitz (Chortiz)


Die Kolonie Chortitz (Chortitza, Gortiz) mit ihren deutschen Dörfern im Großraum Saporoschje vom Zeitraum 1790- 1943

Dem Ruf des zaristischen Russlands nach deutschen Kolonisten folgten vorallem die Mennoniten. Die neuen Siedler niederländisch-niederdeutscher Herkunft, versehen mit Privilegien wie Religionsfreiheit und Aussicht auf Landerwerb, sollten die von den Türken zurückeroberten Landstriche urbar machen und den ukrainischen Nachbarn als Muster-Landwirte dienen. Im Laufe einiger Jahrzehnte gründeten die Russland-Mennoniten in ihrer neuen Heimat am Dnjepr zwei große "Mutterkolonien" mit insgesamt fast hundert Dörfern. Die erste, auch "Alt-Kolonie" genannt, ist als die Chortitzaer Ansiedlung bekannt geworden.


Ein deutsch-mennonitisches Haus im heutigen Chortitza ,im Hintergrund Hochhäuser von Saporoschje

Die Russlandmennoniten, die sich im 16. und 17. Jahrhundert im westpreußischen Weichseldelta angesiedelt haben, waren später für ca. 200 Jahre in der Ukraine zuhause und haben sich dann anschließend in verschiedenen Migrationswellen über den gesamten Erdball vor allem Südamerika verstreut.


die Mädchenschule im heutigen Rosental

Die eigentliche Sprache der Russlandmennoniten ist Plautdietsch, als eine westpreußische Varietät des Niederdeutschen. Diese Sprache ist im Weichseldelta als Verschmelzung von verschiedenen mitgebrachten (niederländischen, friesischen und flämischen) Dialekten und niederpreußischen Dialekten entstanden und wird heute noch weltweit von ca. einer halben Million Menschen gesprochen. Ein großer Teil der Russlandmennoniten bekennt sich heute nicht mehr zu den ursprünglichen Glaubensüberzeugungen der Mennoniten.


die Schulzenfabrik im heutigen Osterwick

Die Russlandmennoniten stellen als ethno-religiöse Gruppe, mit der gemeinsamen westpreußischen Sprache Plautdietsch, eine weltweit verstreute ethnische Minderheit dar. In Deutschland leben heute ca. 200.000 russlanddeutsche Aussiedler mit plautdietschem bzw. russlandmennonitischem Hintergrund. Das zweite mennonitische Siedlungszentrum, entsprechend als "Neu-Kolonie" bezeichnet, lag an einem kleinen Fluss namens Molotschna und wurde daher Molotschnaer Ansiedlung genannt. In diesen Kolonien wurde ziemlich bald der Landmangel, der in der Erbteilungstradition begründet war, zu einem großen Problem. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (und später) entstanden daher unzählige "Tochterkolonien", die über weite Gebiete des Russischen Reiches verstreut lagen. Eine solche Tochterkolonie war die als Barnauler Siedlung bekannt gewordene Mennonitenansiedlung im Altai.

Da sich am Ende des 18. Jahrhunderts in der Kirchensprache Westpreußens gerade ein Wandel vom Niederländischen zum Deutschen hin vollzog, nahmen die Auswanderer größtenteils schon deutsche Bibeln und Gesangbücher mit in die Kolonie Chortitz. In den folgenden Jahrhunderten war nun Hochdeutsch die Sprache für Kirche und Schule; Plautdietsch blieb nicht nur Umgangssprache, es wurde neben den religiösen Traditionen auch zu einem Faktor, der wichtig für Identität und Selbstbewusstsein wurde. Dieser gemeinsame westpreußische Dialekt war ein starkes Bindeglied und deutliches Erkennungsmerkmal einerseits, aber es bot auch eine hauptsächlich aus religiösen Gründen erwünschte Abgrenzung von den übrigen deutschstämmigen Siedlern in Russland.

Chortitz wurde 1789 von mennonitischen Siedlern aus Westpreußen gegründet und bestand aus mehreren Dörfern. Sie war die erste Siedlung der Mennoniten in Russland, der später weitere folgen sollten. Nach dem Umzug und der Deportation der Deutschen Ende des 2. Weltkriegs leben in diesen Dörfern, soweit sie heute noch existieren, mehrheitlich Ukrainer und auch Russen.

Etwa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts lebten in Westpreußen Mennoniten. Weil sie sich dort stark vermehrten, brauchten sie ständig neues Land. Als Westpreußen 1772 im Zuge der polnischen Teilungen preußisch wurde, wurden von der preußischen Regierung Gesetze erlassen, die den Landerwerb für die Mennoniten erschwerten. Dadurch verarmten große Teile der mennonitischen Bevölkerung und waren gezwungen in die umliegenden Städte zu ziehen, vor allem nach Danzig.

1763 erließ Katharina II. ein Manifest zur Einladung deutscher Bauern nach Russland. Danach bereisten Werber Deutschland um diese Einladung überall bekannt zu machen. Einer davon war Georg von Trappe, der 1786 die Mennoniten in Danzig besuchte. Auf seine Vermittlung wurden zwei Abgesandte nach Russland geschickt: Jakob Höppner und Johann Bartsch. Nach Verhandlungen mit der russischen Regierung wurden u.a. folgende Bedingungen vereinbart:

Religionsfreiheit
Befreiung von Wehrdienst
65 Desjatinen freies Land für jede Familie

Die Ansiedlung sollte am Dnjepr-Ufer stattfinden, in der Nähe der heutigen Stadt Cherson. Diese Ländereien kamen erst kurz davor unter russische Herrschaft. Nach der Rückkehr der Abgesandten machten sich im Winter 1787/88 mennonitische Siedler nach Russland auf. Insgesamt kamen 228 Familien im Herbst 1788 in Dubrowno (heute in Weißrussland) an, wo sie überwinterten. Im Frühjahr 1789 reisten sie dann auf dem Fluss Dnjepr zur Siedlungsstätte. Da der ursprünglich vereinbarte Ort zu nahe am Kriegsschauplatz lag, mussten sie nun an einer anderen Stelle siedeln. Sie bekamen Land gegenüber der Insel Chortitza, in der nähe der heutigen Stadt Saporoshje (damals Alexandrowsk) Von dieser Insel bekam die gesamte Kolonie ihren Namen. In den nächsten Jahren kamen weitere Siedler - bis 1797 sollen insgesamt etwa 400 Familien von Westpreußen nach Russland gekommen sein.

Der Beginn der Ansiedlung verlief unter schwierigen Bedingungen. Einerseits kamen die Hilfen der russischen Regierung nur schleppend an, andererseits waren die Ansiedler innerlich zerstritten und ohne geistige Führung. Im Laufe der Zeit wurden 21 Dörfer gegründet.

1. Blumengart ,gegründet 1824
2. Burwalde ,gegründet 1803
3. Chortitza ,gegründet 1789
4. Einlage ,gegründet 1789
5. Gerhardstal 1860
6. Insel Chortitza ,gegründet 1789
7. Kronsfeld ,gegründet 1880
8. Kronsgarten ,gegründet 1809
9. Mariental
10. Alt-Kronsweide ,gegründet 1789
11. Neu-Kronsweide ,gegründet 1833
12. Neuenburg ,gegründet 1789
13. Neuhorst ,gegründet 1824
14. Rosenbach
15. Alt Rosengart ,gegründet 1824
16. Neu Rosengart ,gegründet 1878-80
17. Osterwick ,gegründet 1812
18. Rosental ,gegründet 1789
19. Schöneberg ,gegründet 1816
20. Schönhorst ,gegründet,1789
21. Schönwiese ,gegründet 1797

Als 1803 die nächste mennonitische Siedlerwelle nach Russland kam um die Siedlung Molotschna zu gründen, überwinterten die neuen Siedler bei ihren Glaubensbrüdern in Chortitz (Chortitza). Weil sie dort Geld ausgaben, half das auch der Siedlung Chortitza. Schließlich kam die Wirtschaft in Chortitza in Gang und die Siedlung erblühte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts vervielfachte sich die Bevölkerung von Chortitz, so dass Tochterkolonien gegründet wurden. Ein Teil zog auch nach 1870 nach Kanada. Da Chortitz als erste mennonitische Siedlung gegründet wurde, wird sie auch Alt-Kolonie genannt. Die Nachkommen der Auswanderer aus Chortitz in Nordamerika werden manchmal Old-Colonier genannt, sie sind konservativer als die meisten anderen mennonitischen Einwanderer aus Russland in Nordamerika.

Es waren bei der Gründung viele Handwerker nach Chortitz gekommen , die nun als die Siedlung die ersten wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwand, ihr Handwerk ausüben konnten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Industrie in Chortitz, vor allem Mühlenwesen, Landmaschinen- und Uhrenherstellung.


ehemaliges Fabrikgebäude Lepp & Wallmann(heute ein Transportbetrieb

In den Fabriken konnte auch die anwachsende landlose Bevölkerung Arbeit finden. Drei große Fabriken: Lepp & Wallmann, Abram J. Koop, Hildebrand & Pries und zwei kleinere Fabriken Thiessen und Rempel stellten in Chortitz und Rosental landwirtschaftliche Maschinen her. Die hergestellten Landmaschinen waren nicht nur zum Eigenverbrauch der Mennoniten in Russland bestimmt. Aus einer Vereinigung von drei großen Fabriken ging ein Betrieb hervor, in dem später (nach der Revolution 1917) Traktoren und Autos der Marke Saporoschetz hergestellt wurden. Heute gehört der Betrieb zu AvtoZAZ-Daewoo. Die ehemaligen mennonitischen Besitzer wurden von der Bolschewiki natürlich schon kurz nach 1917 enteignet.

Nach einer langen Prosperität brachte der 1. Weltkrieg 1914-1918 und der anschließende Bürgerkrieg einen Einschnitt in das Leben der Einwohner von Chortitz. Während des Kriegs mussten die Mennoniten als Sanitäter dienen. Sie versorgten dort verletzte Soldaten. Nach dem Krieg wurde die Ukraine und damit auch die Siedlung Chortitz kurze Zeit von der deutschen Armee besetzt. Als Deutschland Ende 1918 den Krieg gegen die Entente verlor, mussten die Soldaten abgezogen werden. Von der deutschen Armee wurde deshalb der russlanddeutsche Selbstschutz organisiert und mit Waffen versorgt. An dem Selbstschutz nahmen auch Mennoniten teil, obwohl sie ursprünglich aus religiösen Gründen gegen den Waffendienst waren. Wegen der kommunistischen Machtübernahme 1917 entstand der Bürgerkrieg, der bis etwa 1921 dauerte. Während dieser Zeit herrschten in der Ukraine chaotische Zustände. Die wohlhabenden deutschen Kolonien wurden von verschiedenen Banden angegriffen. Besonders "ausgezeichnet" hat sich dabei Nestor Machnos Bandenarmee. Eine Zeit lang versuchte man sich mit Hilfe der Selbstschutzorganisation zu verteidigen. Als sich schließlich Machno mit den Sowjets verbündete, musste man aufgeben. Die mennonitischen Siedlungen waren zur Ausraubung freigegeben. Die Machno-Leute morderten, raubten und vergewaltigten. Allein 1919 wurden in Chortitz 144 Menschen ermordet.

Nachdem die Kommunisten Kontrolle über das Gebiet übernommen hatten, begannen sie die Landbevölkerung mit Nahrungsmittelkontributionen auszupressen. Schließlich fingen die Menschen zu hungern an und es breiteten sich Epidemien aus. In dieser Zeit begann man die Auswanderung der Mennoniten nach Kanada zu organisieren. Auch als sich die Situation im Rahmen der Sowjetdiktatur "normalisierte" wanderten in den 1920-ern viele Menschen aus. Beim Bau des Dneprogres Staudamms am Dnjepr 1926 musste das Dorf Einlage wegen Überflutung verlegt werden. Wie viele andere Mennoniten musste man auch in Chortitz unter Entkulakisierung in den 1920-ern und Kollektiwierung 1930 leiden.

Die reichsdeutsche Einwanderungszentralstelle (EWZ) bearbeitete in den Jahren 1939-45 ca.110.000 Anträge von Deutschen aus Russland, die sich um die deutsche Staatsangehörigkeit beworben haben. Sie siedelten in der Zeit nach dem Hitler Stalin Pakt, 1939/40 in die wiedergewonnenen Reichsgebiete im Wartheland und Westpreußen um und erhielten staatliche Unterstützung.


Viele Kolonien von Choritz befinden sich heute im Stadtgebiet Saporoshjes

Als der 2. Weltkrieg 1941 begann sollten die übrigen Einwohner von Chortitz nach dem Willen der Sowjetregierung nach Sibirien deportiert werden. Da die Wehrmacht so schnell voranschritt, konnten diese Pläne nicht verwirklicht werden. Unter der deutschen Besatzung konnte sich die Bevölkerung von Chortitz etwas erholen. Aber schon 1943 musste die deutsche Bevölkerung nach Warthegau evakuiert werden, da die Wehrmacht sich aus der Sowjetunion zurückziehen musste. Bei ihrem Einmarsch in Deutschland bekam die Rote Armee diese Flüchtlinge zu fassen. Einige konnten sich weiter ins Landesinnere retten. Aber auch sie mussten von den Alliierten als sowjetische Bürger an die Sowjetunion ausgeliefert werden. So wurden mit wenigen Ausnahmen die ehemaligen Einwohner von Chortitz nach Sibirien und Kasachstan deportiert. Dort wurden sie vielfach in der nackten Steppe ausgesetzt. Viele überlebten das nicht. Sie mussten das Schicksal der anderen Russlanddeutschen teilen. Nach der Abschaffung der Kommandatur 1956 (Beschränkungen der Reisefreiheit), kehrten nur wenige in ihre alte Heimat Chortitz zurück. Dort leben heute Ukrainer und Russen. Die wenigen Mennoniten, die noch dort leben, haben entweder russische Elternteile oder Ehepartner. In Kasachstan sammelten sich die Mennoniten vielfach in den entstehenden Industriestädten wie Karaganda.

Ende der 1980-er Jahre begann schließlich die Auswanderung nach Deutschland. Heute befinden sich die meisten noch lebenden ehemaligen Einwohner von Chortitz und ihre Nachkommen in Deutschland.

Primärquelle: Wikipedia

Kolonie Molotschna



Die Mennonitenansiedlung Molotschna ist eine ehemalige russlandmennonitische Siedlung auf dem Territorium der Provinz Saporoschje in der Ukraine. Das Gebiet der Siedlung wird im Westen vom Fluss Molotschnaja begrenzt. Von diesem bekam die Siedlung ihren Namen.Die nächste größere Stadt ist Melitopol südwestlich von Molotschna. Molotschna wurde 1804 von mennonitischen Siedlern aus Westpreussen gegründet und bestand aus 57 Dörfern. Es war die zweite (nach Chortitza) und größte Siedlung der Mennoniten in Russland. Nach dem Umzug und der Deportation der Deutschen Ende des 2. Weltkriegs leben in diesen Dörfern, soweit sie heute noch existieren, mehrheitlich Ukrainer und Russen.


Kolonie Molotschna mit seinen 57 Dörfern

Nachdem 1789 die Siedlung Chortitza gegründet wurde, besuchten Mennoniten aus Westpreußen Chortitza. Obwohl die Siedler in Chortitza Schwierigkeiten hatten, erschien den Mennoniten angesichts der Situation in Westpreußen die Auswanderung nach Russland verlockend. Auch die russische Regierung wollte weitere Gruppen der als Musterwirte geltenden Mennoniten ansiedeln.


mennonitisches Gehöft in Molotschna

1800 erließ der russische Zar Paul I. ein Privileg an die Mennoniten in dem sie "auf ewige Zeiten" vom Wehrdienst befreit sein sollten. In Westpreußen erschwerte dagegen der preußische König Friedrich Wilhelm III. den Landerwerb für Mennoniten, die keinen Wehrdienst leisten wollten. Ein weiterer Grund könnte auch Furcht vor Veränderungen im Zuge der französischen Revolution gewesen sein. Man suchte die Zuflucht im vermeintlich sicheren Russland.


deutsche Siedlerfrau mit Tochter aus Prangenau (Molotschna)

1803 kamen die ersten Siedler in der schon bestehenden Siedlung Chortitza an und überwinterten dort. 1804 wurden dann die ersten Dörfer gegründet. Für die Siedler wurde von der russischen Regierung ein Stück Land am Fluss Molotschnaja reserviert. Jeder Siedler konnte 65 Desjatinen Land bekommen. Im Gegensatz zur Ansiedlung in Chortitza wanderten jetzt auch vermögende Mennoniten aus. Sie verkauften ihre Höfe und brachten das Geld (nach einer Abzugssteuer in Preußen) nach Russland.


Das Bethaus von Gnadenfeld (Gnadenfels), Molotschna

Sie konnten deshalb ihre Wirtschaften leichter aufbauen. In den Jahren 1803-1806 kamen 365 Familien nach Molotschna. Durch die napoleonischen Kriege wurde eine weitere Auswanderung erst einmal verhindert. 1819-20 kamen weitere 254 Familien nach Molotschna. Als 1835 die Einwanderung nach Molotschna beendet wurde, waren insgesamt 1200 Familien mit etwa 6000 Personen eingewandert. Die Siedlung besaß etwa 120.000 Desjatinen Land. Ein Teil davon sollte nicht verteilt werden und für die zukünftigen Generationen reserviert werden. Damit sollte die wachsende Anzahl an Familien versorgt werden.
Auch in Molotschna gab es ziemlich bald Landmangel, der in der Erbteilungstradition begründet war, und wurde zu einem großen Problem. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (und später) entstanden daher unzählige "Tochterkolonien", die aber über weite Gebiete des Russischen Reiches verstreut lagen.


1942 besuchte sogar Himmler Molotschna, ein Jahr später hatte sich die Kriegslage verschlechtert, Molotschna, wurde wie Chortitz evakuiert


Die Parade der Molotschnaer Jugend zu Himmlers Besuch

Insgesamt wurden in der Kolonie Molotschna 57 Dörfer gegründet, wie Halbstadt, Neu-Halbstadt, Schönau ,Fischau ,Lindenau ,Lichtenau oder Blumstein. Die deutschen Siedler in Molotschna teilten das Schicksal der Chortitzaer Ansiedlung, sie wurden 1943 in den Warthegau evakuiert und später von den Sowjets bei ihrem Einmarsch nach Deutschland zurück in die Sowjetunion deportiert. Dort wurden sie über Sibirien und Kasachstan verstreut. Im Jahr 2004 fanden in Molotschna Jubiläumsveranstaltungen zur Erinnerung an das Gründungsjahr 1804 statt.

Primärquelle: Wikipedia

Deutsche in und um St. Petersburg



Als Peter I. (1689–1725) seine neue Hauptstadt Sankt Petersburg erbauen ließ(1703), wanderten die ersten Deutschen über die Newa nach Russland ein, hauptsächlich als Handwerker. Sie sollten Peters Traum verwirklichen seiner neuen Hauptstadt ein europäisches Aussehen zu geben. Viele blieben für immer dort und lebten mit Deutsch-Balten direkt in dieser neuen Stadt. Viele Deutsch-Balten sind Nachfahren aus der kurländisch und livländischen Zeit des Deutschen Ordens, dessen Gebiete unter russische Herrschaft kamen. Neben dem Zugang zur Ostsee wollte Peter I. auch die nördliche Schwarzmeerküste erobern, was jedoch erst Kaiserin Katharina II. wirklich gelang.

Schon in den Jahren 1764–1767 wanderten rund 30.000 Deutsche – inklusive einer kleineren Anzahl von Franzosen, Niederländern und Schweden – nach Russland aus. Tausende überlebten die Strapazen, den Hunger und die Krankheiten während der langen Reise nicht. Erst bei der Ankunft wurde vielen klar, dass sie nicht mehr zu der Sorte von Einwanderern gehören sollten, die sich die Zaren in den Jahrhunderten zuvor ins Land geholt hatten. Weder durften die Handwerker unter ihnen ihren erlernten Beruf in den Städten ausüben, noch durften die Bauern sich selbst den Flecken Erde wählen, an dem sie sich niederließen. Stattdessen wurden einige dieser ersten Siedler in die ländliche Region um St. Petersburg, der überwiegende Teil aber ins Wolgagebiet bei Saratow geführt, wo alle dazu bestimmt waren, eine landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.


Von tausenden deutschen Handwerkern erbaut: St. Petersburg

Von denen die in St. Petersburg bleiben durften, haben sich viele auch als Soldaten für Peter dem Großen verdingt, der seine Neuerwerbungen an der Ostsee auch militärisch sichern musste. Johann Friedrich Ostermann war einer von ihnen. Er kam 1704 nach Petersburg und hieß nun Andrej Iwanowitsch. Er lernte die russische Sprache und stieg zu solchen Höhen staatlicher Macht empor, dass er für viele seiner Landsleute als anfeuerndes Beispiel dienen konnte, denn die sahen jetzt, dass auch Deutsche in Russland erfolgreich sein konnten.

Natürlich kamen auch Tausende deutscher Techniker, Handwerker, Kaufleute, Fabrikanten, Offiziere, Ärzte und andere Meister ihres Faches (Baumeister, Künstler, Musiker, Gartenbauarchitekten, usw.), die Peter der Große nach Russland holte. Er holte die Deutschen um eventuell kommende Probleme lösen zu können. Typische Berufe der Deutschen waren Arzt und Apotheker. Das hat sich zum Teil bis heute gehalten. Besonders die Ärzte waren sehr hoch angesehen, weshalb die Zaren nur deutsche Leibärzte hatten.


auch um Peterhof existierten vier deutsche Kolonie-Dörfer

Weitere Gebiete, in denen die Deutschen aktiv waren, waren der Fleischhandel und die Bäckereien. Dadurch bekamen die Deutschen den Spitznamen „Wurstler“. Die Deutschen waren für die Russen sehr wichtig. Ein Autor schrieb: „ Es ist Ihnen wohl aufgefallen, dass fast alle Zahnärzte in Petersburg Heim oder Stein heißen, …, dass fast alle Bäcker Müller oder Weber heißen, ebenfalls deutscher Herkunft; dann haben Sie vielleicht auch bemerkt, dass alle Apotheker der hiesigen Hauptstadt entweder Poehl oder Strauch oder Gauger oder so ähnlich heißen und nicht etwa Uschakow, Brjuchow oder Rasderischin; auch
dafür sind die Russen noch nicht reif genug.“

Die Deutschen wohnten in der ganzen Stadt verteilt und lebten sich gut ein. Natürlich bauten sie eine deutsche Kirche, deutsche Schule, Druckereien und Buchhandlungen für Zeitungen und Zeitschriften, Theater, Berufsverbände (Zünfte und Gilden), Gesellschaften, Clubs und Restaurants, Vergnügungsorte, Verbände und Vereine aller Art. All das wurde mit der Zeit zum unentbehrlichen Bestandteil St. Petersburgs.
Die Deutschen übernahmen auch russische Bräuche und freundeten sich mit russischen Staatsbürgern an. So kam es, dass viele Deutsche die russische Staatsbürgerschaft annahmen und im 19. Jahrhundert der größte Teil die russische Staatsbürgerschaft besaß.

Manche wechselten auch die Religion und gehörten nun zur russisch-orthodoxen Kirche. Die meisten blieben jedoch evangelisch oder katholisch. Margarete Busch stellte Tabellen auf und stellte fest, dass 37% der Deutschen zum Kleinbürgertum gehörten und 13% zum Adel. Auch wenn sich dieser Teil klein anhört, unbedeutend war er nicht. Problemlos passten sich die Deutschen an die Kultur und ihre Traditionen an. Sie
brachten jedoch auch ihre Besonderheiten mit. So waren sie wie heute noch für Sauberkeit, Ordentlichkeit, Arbeitseifer und Fleiß bekannt. Man sagte sogar „ordentlich wie ein Deutscher“. So könnte man sagen, dass diese Eigenschaften das besondere Bild von St. Petersburg geprägt haben.

Man muss auch beachten, dass die Deutschen für Russland nicht nur gearbeitet, sondern auch gekämpft haben. Doch leider wurde das nicht von allen akzeptiert und respektiert. So kam es zu Diskriminierungen und Anfeindungen. Nicht nur im Volk, auch in der Politik, z. B. unter Alexander dem III.. Man nannte diesen Prozess auch Russifizierung. Deshalb dachten viele Deutsche darüber nach in ihre alte Heimat zurück zu kehren.

Doch die wirklich schweren Zeiten kamen mit den Weltkriegen. Die Russen wurden gegenüber den Deutschen immer skeptischer. Sie sahen in jedem Deutschen einen Spion. Es kam dazu, dass es verboten war in der Öffentlichkeit Deutsch zu sprechen. Im Dezember 1914 wurden endgültig alle deutschen Zeitungen eingestellt, fast alle deutschen Institutionen wurden geschlossen. Der Krieg hat leider zunächst dazu geführt, dass die Russen das Vertrauen in die Deutschen verloren haben.

Zwischen Russland und Deutschland existierten jedoch auch lange dynastische Beziehungen. Den Anfang machten die Kinder von Peter dem Großen. Ein Sohn heiratete die Prinzessin von Braunschweig und eine Tochter den Herzog von Holstein. Die Prinzessin von Anhalt-Zerbst, Sophie Friederike Auguste, wurde die russische Zarin Katharina II.. Ihre Herrschaft ist eine wichtige Epoche in der russischen Geschichte. Viele Frauen russischer Zaren waren Deutsche. So ist es kein Wunder, dass die Deutschen am Zarenhof eine bedeutende Rolle spielten und Karriere machten. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass viele von ihnen eine glänzende Ausbildung und einen harten Charakter hatten. Einige Namen sind bis heute sehr bekannt, andere weniger. Einige sind vor allem Dank ihrer riesigen Macht und ihrem Einfluss in die Geschichte
eingegangen. Beispiele sind der Günstling der Zarin Anna, E. Biron, der faktisch 10 Jahre über das Land herrschte, der allmächtige Militärgouverneur St. Petersburgs, P. Palen, der den
Komplott gegen Paul I. leitete, der Chef der Gendarmerie, A. Benkendorf, der das uneingeschränkte Vertrauen Nikolajs I. genoss, und viele andere mehr.

Eine wichtige Funktion hatten die Deutschen im 19. und 19. Jahrhundert im Militärbereich. Sie stellten einen bedeutenden Teil der Offiziere und Generäle der russischen Garde. Wenn man die in der Militärgalerie des Winterpalastes ausgestellten Portraits der Feldherren betrachtet, überzeugt man sich davon, dass viele Namen deutscher Herkunft sind.

Mariental an der Wolga


Mariental bei Saratow

Nach der Veröffentlichung des Einwanderungsmanifests der Kaiserin Katharina II. von Rußland im Jahre 1763 kamen nach 1764 entsprechend den Angaben der einen Forscher etwa 23 000 Ansiedler an die Wolga, andere sprechen von 27 000. Der Historiker W. M. Kabusan meint sogar, dass sich im Zeitraum von 1763 bis 1774 etwa 32000 Emigranten in den Kolonien an der Wolga im Gouvernement Saratow niederließen. Doch erscheint diese Zahl als zu hoch gegriffen, wenn man bedenkt, dass im Jahre 1782 etwa 28 200 deutsche Ansiedler in dem genannten Gouvernement gezählt wurden. Wenn auch von Verlusten durch Krankheiten und Gewalt (Kasachen-Einfälle, Pugatschow-Aufstand) in den ersten Jahren nach der Gründung der Kolonien ausgegangen werden muss, so dürften sie doch nicht solche Ausmaße angenommen haben, dass ein Rückgang der Bevölkerungszahl um fast 4000 angenommen werden muss. In den Quellen finden sich Nachrichten über ein beträchtliches Bevölkerungswachstum bei den deutschen Kolonisten.

Im Jahre 1852 erinnerte sich der Siedler Anton Schneider aus der Wolgakolonie Tonkoschurowka mit diesen Worten an die massenhafte Ausreise deutscher Siedler nach Russland in den Jahren 1764 bis 1767. Er bringt diese Massenauswanderung in Verbindung mit einem anderen Ereignis: der Flucht von etwa 200 000 französischer Protestanten, der Hugenotten, ins Ausland. Im Jahre 1685 hob König Ludwig XIV. von Frankreich, der »Sonnenkönig«, das Edikt von Nantes aus dem Jahre 1598 auf, das den Protestanten religiöse und politische Autonomie in Frankreich versprochen hatte. Zwangsbekehrungen zum Katholizismus setzten ein. Jene Hugenotten, die an ihrem Glauben fest-halten wollten, mussten das Land verlassen. Mehr als 30 000 von ihnen siedelten sich in deutschen Territorien an, davon etwa 20 000 in den Ländern des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg.

Anton Schneider betrachtete es als einen glücklichen Umstand, dass die »Landsleute« der Kaiserin Katharina II. (1729-1796), der geborenen Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, gerade ihrem Ruf folgen und nach Russland zogen. Sicher wusste er von den großen Schwierigkeiten, die die ersten Siedler an der Wolga zu überwinden hatten. Doch 1852 ging es den Wolgakolonisten im Vergleich zu den Anfangsjahren bereits wesentlich besser. Neue Generationen waren bei ihnen herangewachsen, die Erfahrungen bei der Bewirtschaftung des ISodens, der Viehhaltung und der Anlage der Kolonien gesam-melt hatten.
Schließlich nannte Anton Schneider die drei wichtigsten Zielländer für deutsche Emigranten nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763): Russland, Ungarn und Nordamerika. Es gab noch weitere europäische Staaten, die in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts Kolonisten aufnehmen wollten und zu diesem Zweck Werber in das »Heilige Römische Reich deutscher Nation« entsandten, dem Hauptschauplatz des Siebenjährigen Krieges. In dieser Zeit war ein wahrer »Wettbewerb« um die Gewinnung deutscher Kolonisten entbrannt. Man könnte fragen, warum es so viele Ausreisewillige auf sich nahmen, einer völlig ungewissen Zukunft in einem fremden Lande entgegenzureisen, das fern in Asien lag.


Mariental im 20. Jahrhundert - Der Ort wurde am 16. Juni 1766 zuerst unter dem Namen Pfannenstiel von deutschen Siedlern gegründet. Die Siedlung war auf einer Wiese am rechten Ufer des Großen Karaman angelegt, wurde aber weniger als ein Jahr später wegen Hochwasser auf die andere Flussseite übertragen. Am Anfang mussten die Siedler in kleinen Erdhütten wohnen und mit wenig Land, Holz und Vieh auskommen. Außerdem wurde das Dorf regelmäßig von nomadischen Kirgisen und Kalmyken angegriffen. Mehr als 200 Siedler gerieten dabei in die Unfreiheit und nur wenige davon wurden aus der Sklaverei befreit. Ende des 18. Jahrhunderts beruhigte sich endgültig die Lage. Unter den deutlich verbesserten Lebensbedingungen fing die Kolonie an zu entwickeln. Es wurden 14 Windmühlen, ein Krankenhaus und eine Schule gebaut, die kleine Maria-Himmelfahrt-Kirche wurde durch eine neue größere ersetzt, und die Einwohnerzahl wuchs bis zum Anfang der 1920er Jahre.

Die 1762 durch einen Staatsstreich an die Macht gelangte Zarin Katharina II. betrieb eine gezielte Einwanderungspolitik, wie die Regierungen der meisten anderen europäischen Staaten zur gleichen Zeit auch. Die Vorgänger der aufgeklärten Selbstherrscherin auf dem russischen Zarenthron hatten ebenfalls Ausländer ins Land gerufen, darunter nicht wenige Deutsche. Das Neue bei der Berufung von Kolonisten in der Regierungszeit Katharinas II. bestand darin, dass sich jetzt nicht nur einzelne Fremde oder Gruppen von Spezialisten in den russischen Städten niederließen, sondern dass nun auf dem Lande relativ geschlossene Siedlungsgebiete entstanden, in denen Ackerbau und Viehzucht von den Ausländern betrieben werden.

Primärquelle: Schippan, Striegnitz, Wolgadeutsche
Wikipedia

Die deutschen Nowgorod-Kolonien


Nowgorod im 2. Weltkrieg - Bereits zur Hansezeit wohnten und arbeiteten hunderte Deutsche in der Stadt

Deutsche hatten sich schon seit Jahrhunderten in dem großen Reich im Osten Europas zeitweilig oder ständig angesiedelt. In der nordrussischen Handelsstadt Groß-Nowgorod (Naugard), die am Ausfluß des Flusses Wolchow aus dem Ilmensee liegt - zu unterscheiden von Nishni Nowgorod an der Wolga (1932-1990 Gorki) -, richteten deutsche Hansekaufleute ein Kontor ein. Der »Deutsche Hof« oder »Gotenhof« war der Sitz der Kaufmänner. Seit dem ausgehenden 12. und dem 13. Jahrhundert liefen über Nowgorod ausgedehnte Handelsverbindungen der europäischen Länder mit dem russischen Landesinnern.

Ursprünglich logierten die Hansekaufleute auf dem Olafshof, dem Handelshof der Gotländer in Nowgorod. Dieser existierte bereits seit dem 11. Jahrhundert und bekam seinen Namen von der dortigen Kirche St. Olaf. Im 12. und 13. Jahrhundert schlossen Deutsche und Gotländer vielfach gemeinsam Verträge mit den Nowgorodern ab. 1199 erhielten sie ein erstes gemeinsames Handelsprivileg. Wohl schon zuvor gründeten die Deutschen ein eigenes Kontor, den Peterhof, der erstmals in einem Vertrag von 1259 erwähnt wurde. Die russische Historikerin und Archäologin Elena Rybina datiert die Gründung schlüssig auf das Jahr 1192. 1583 soll der Hof eine Grundfläche von 1960 Quadratmetern gehabt haben, was den Ausmaßen eines damaligen Bojarenhofes entspräche. Während des 14. und 15. Jahrhunderts hielten sich bis zu zweihundert Deutsche gleichzeitig in Nowgorod auf. Der Hof lag auf der östlichen Seite des Flusses Wolchow, der sogenannten Marktseite. Die Nowgoroder bezeichneten ihn als den Berghof, weil er auf einer Anhöhe lag. Zum Hof gehörten zahlreiche hölzerne Wohnhäuser, Kaufläden und Lagerschuppen, sowie eine Bäckerei, ein Brauhaus, eine Krankenstube, ein Bad und ein Gefängnis. Das Zentrum des mit starken Holzpfählen gesicherten Geländes bildete die Kirche St. Peter. Das dreischiffige Steingebäude diente aufgrund seiner Feuerfestigkeit als Aufbewahrungsort für wertvollere Handelsgüter und beherbergte die Hofkasse, sowie Kontorarchiv und -siegel. Der kleine Kirchenschatz bestand aus einem kostbaren Gemälde, einem Kelch und sechs silbernen Schalen

Aus Flandern, Deutschland, England, Italien und Polen wurden Tuche, Garne, Zwirne und Nadeln, Salz, Heringe und Getreide eingeführt und anschließend von Nowgorod aus weiterbefördert. Wichtigstes russisches Ausfuhrgut waren wertvolle Pelze, mit denen ganz Europa versorgt wurde. In der Regierungszeit des Großfürsten Iwan III. (1462-1505) verlor die Handelsstadt viele ihrer Privilegien. 1494 wurde der »Deutsche Hof« in Nowgorod geschlossen.


Alexander Kolonie

Ein weiterer Ortsname der Kolonie war Aleksandrowkaja. Die Kolonie lag etwa 50 km im Nordosten von Nowgorod. Das Gründungsjahr war 1836, der Kolonietyp war der einer Tochterkolonie. Die Gründerfamilien kamen aus Neu-Saratowka, Kipen, Ishora und Strelna. Die Gemeinde gehörte zum Kirchspiel Nowgorod. Die Konfession in der Gemeinde war evangelisch. Administrativ gehörte die Alexander Kolonie zum Gouvernement Nowgorod. Die Einwohnerzahlen betrugen im Jahr 1848 239, 1905 500 und 1926 630 Personen.


Nicolai Kolonie

Die Kolonie lag etwa 10 km im Nordosten von Nowgorod. Das Gründungsjahr war 1835, der Kolonietyp war der einer Tochterkolonie. Die Gründerfamilien kamen aus Neu-Saratowka. Die Gemeinde gehörte zum Kirchspiel Nowgorod. Die Konfession in der Kolonie war evangelisch. Administrativ gehörte die Nikolai Kolonie zum Gouvernement Nowgorod. Die Einwohnerzahlen betrugen im Jahr 1848 579, 1905 1599 und 1926 756 Personen.

Primärquelle: Schippan, Striegnitz, Wolgadeutsche
Wikipedia
https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...wgorod-kolonien
Herde, Die Nowgorodfahrer. Die deutsche Hanse in Nowgorod

Jamburg bei Jekaterinoslav


Jekaterinoslaw 1942

Das im frühen 19. Jahrhundert von deutschen Einwanderern besiedelte Dorf mit dem damaligen Namen Jamburg gehörte zur Schwedenkolonie bei Jekaterinoslaw. Ein weiterer Ortsname der Kolonie war Jekaterinoslav (1915-18). Die Kolonie lag etwa 20 km im Süden von Dnjepropetrowsk. Das Gründungsjahr war 1789/ 92, der Kolonietyp war der einer Mutterkolonie.

Gebietsmäßig gehörte die Kolonie zum Schwarzmeergebiet, administrativ zum Gebiet Dnjepropetrowsk. Die Landflächennutzung belief sich auf 1.784 Desjatinen. Die Einwohnerzahl betrug 1859 2228, 1918 1.902, 1926 1031- und 1941 746 Personen. Die Konfession in der Kolonie war katholisch.

Die Kolonisten stammten ihrem Dialekt nach aus Bayern/Oberpfalz (Velburg, Burgenland, Hemau), von wo sie der französische Anwerber Leroi schon 1765/1766 nach Russland ausgeführt hatte. Sie gründeten die Kolonie Jamburg im Gouvernement St.Petersburg, wurden aber bald nach Jamburg in der Ukraine, südlich von Dnjepropetrowsk umgesiedelt. Die Kirchengemeinde gehörte zum Dekanat Jekaterinoslaw.


Jamburg und weitere deutsche Kolonien in der Ukraine und auf der Krim

Zur Pfarrei Jamburg gehörten die Filialen Chortitza, Katharinenhof, Mariewka, Nowo Alexandrowka, Rybalsk und Sorotschino. 1914 gab es in der Pfarrei insgesamt 3.042 katholische Gläubige. Die erste Pfarrkirche wurde 1798 aus Holz gebaut. Sie brannte 1897 ab. Ein Neubau aus Steinen wurde um 1900 fertiggestellt. Im Ort gab es eine 7-klassige Mittelschule. Ab 1927 war Deutsch die Unterrichtssprache, ab 1938 war es Russisch, Deutsch wurde als Fremdsprache ab der 5. Klasse unterrichtet. Jamburg war die einzige Kolonie,in der bayerischer Dialekt gesprochen wurde. Im Ort gab es elektrischen Strom und eine Kinoapparatur.

Die medizinische Versorgung erfolgte im Krankenhaus des Ortes, welches 15 Betten hatte. 1914 wurden 2.403 ha von 200 Höfen bewirtschaftet. Es gab 17 Brunnen, die Trinkwasser führten. Brauchwasser wurde aus dem Fluß Dnjepr entnommen. Auf 24 ha wurde Obst, auf 70 ha Gemüse und auf 4,8 ha Wein angebaut. Die Gebäude waren zumeist aus Ziegeln gebaut und mit Ziegeldächern versehen. Das Dorfamt befand sich im Schulgebäude.

Unter sowjetischer Herrschaft wurde die deutschstämmige Bevölkerung vertrieben und das Dorf wurde in Dniprowe umbenannt.

Primärquelle: Wikipedia
https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...burg-noworossio
Bild: https://gorod.dp.ua/image2.php?art_id=1&news_id=172599&n=5

Kolpin (Kolpino) bei Petersburg


Kolpin bei Peterburg, wo viele deutsche Siedler wohnten

Die Kolonie lag etwa 20 km im Südosten von Petersburg am rechtsseitigen Ufer des Flusses Ishora. Die Kolonie wurde 1765 von 28 deutschen Kolonisten-Familien gegründet (28.er Kolonie). Die Konfession in der Kolonie war evangelisch. Die untere Kolonie, bestehend aus 16 Höfen, lag im Gebiet der heutigen Straße Ulitsa Anisimova in Kolpiono. Die obere Kolonie, bestehend aus 12 Höfen, lag im Gebiet der heutigen Ortschaft Telmana. Die gesamte Landfläche betrug 660 Desjatinen.


Deutsche Siedler bei Petersburg (1920)

Nach den Aufzeichnungen des Jahres 1805 wohnten in beiden Kolonien 33 Familien mit 244 Bewohnern. 1862 hatte die obere Kolonie bereits 308 und die unteren Kolonie 401 Einwohner. Die Einwohnerzahl wuchs bis 1904 auf 800, bis 1926 auf 1443 Bewohner. 1926 gab es im Ort eine 4-klassige Schule. Im Zuge der russischen Revolution, des Bürgerkrieges und des 2. Weltkrieges nahm die Anzahl der Bewohner ab. In den Jahren des "Großen Terrors" (1937-38) wurden allein im Bereich Kolpino über 50 Eigentümer verhaftet, der größte Teil von ihnen erschossen.

Vom 17. bis zum 21. März 1942 wurden auf einen Regierungsentscheid vom 29. August 1941 „ Aussiedlung der deutschstämmigen und finnischstämmigen Bevölkerung aus den Leningrader Vororten“ 26000 Deutsche aus dem Leningrader Gebiet und zwar aus Kolpino wie auch aus Graschdanka, Neu-Saratowka, Srednja Rogatka, Neu-Pargolowo, Neu Alexandrowska nach Sibirien abtransportiert. Kolpino war von September 1941 bis Januar 1944 Frontstadt.


Kolpin vor dem 2. Weltkrieg - Die deutsche Kolonistengeschichte dieser Stadt werden heute totgeschwiegen.

Aufgrund der ansässigen Rüstungsindustrie war die Stadt Ziel schwerer Luft- und Artilleriebombardements. Die Deutschen Kolonisten bewahrten über einen großen Zeitraum ihre Sprache, ihre Sitten und Gebräuche sowie die Elemente ihrer Volkstracht. Sie waren hervorragende Gemüsebauern und versorgten Kolpino und Petersburg mit Gemüse. Die Historiker beschreiben ein akkurates Aussehen der deutschen Siedlungen, die „mit ihren Bauten die besten russischen Siedlungen weit übertrafen und es gibt Häuser, die der Zierde der Kreisstadt dienen können“.

Primärquelle: https://paperpaper.ru/dw/kolonisty/
https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...olonien/kolpino

Neu Saratowka - Die Schlüsselburger Kolonie

Die weiteren Ortsnamen sind Nowo-Saratowskaja Kolonija, Novaja Saratowka, (60.er Kolonie), Schlüsselburger Kolonie. Die Kolonie lag etwa 7 km im SO von St. Petersburg am orographisch rechtsseitigen Ufer der Newa. Neu-Saratowka gehörte administrativ zum "Ujesd St. Petersburg". Das Gründungsjahr ist 1765, der Kolonietyp war Mutterkolonie.

Die Konfession in der Kolonie war evangelisch. Die Kolonie erhielt, da die Ansiedler ja eigentlich für Saratov an der Wolga bestimmt gewesen waren, den Namen Novo-Saratovskaja Kolonija - deutsch: Neu-Saratowka. Die Landflächennutzung betrug 4.341 Desjatinen. Die Einwohnerzahl betrug im Jahr 1801 411, im Jahr 1838 1.091 und im Jahr 1912 1.264 Personen.


ein altes deutsches Kolonistenhaus in Neu Saratowka

Im Herbst 1765 wurde unter den angereisten Kolonisten/Aussiedlern in Oranienbaum für eine Niederlassung/Kolonierung in der Umgebung von St. Petersburg geworben. 110 Familien schlossen dafür Verträge ab. Für 60 evangelische Familien, vorwiegend aus Brandenburg und Württemberg, wurden am rechten Ufer der Newa auf Staatsland, sowie auf dem Land mit verschiedenen Bestimmungen (u. a. Häuser und Ziegeleien der Kaiserin) und auf dem Land mehrerer bereits bestehender Siedlungen eine deutsche Bauernkolonie gegründet, im Volksmund bis ins 19. Jahrhundert "Sechziger Kolonie" genannt.

Jeder Familie wurden 35 Desjatinen zugeteilt. Der Kirche, die bereits zu Beginn der Kolonie gebaut wurde, erhielt 50 Desjatinen Land. 1766 wurde das Kirchspiel Neu-Saratowka gegründet. 1905 gehörten ihm 4.800 Eingepfarrte an. Im Dorf gab es auch eine Windmühle. Ursprünglich erhielten die Kolonisten 10 Freijahre, das heißt die Befreiung von Abgaben und einer Rückzahlung der Staatsschuld an die Krone. Tatsächlich begannen die Rückzahlungen aber erst 1793. Je Wirtschaft sollten pro Jahr 5 Rubel Schuld und je Desjatine 61,25 Kopeken Abgaben entrichtet werden.

Nach 1805 wurden die auf dem Land lastenden Abgaben jedoch verdoppelt. Die jährliche Abzahlungsrate erhöhte sich auf 20 Rubel. 1824 hatte Neu-Saratowka 60 Wirtschaften mit 411 männlichen „Seelen“ und eine Gesamtschuld von 76.325 Rubel, für die die jährliche Tilgungsrate auf 30 Rubel erhöht wurde.


Die Kirche St. Katharina in Neu-Saratowka. Unter bolschewistischer Herrschaft wurde am 21. September 1935, fast ein Jahrhundert nach der Weihe, die Kirche von den Sowjets geschlossen.

Bereits ab 1827 begannen die ersten Abwanderungen aus Neu-Saratowka auf gekaufte Landflächen zwischen Leznoe und Murino und im Umkreis des Peterhofer Weges. So kauften zwei Walliser je 7,5 Desjatinen, 1830 ein A. Walliser 7,5 Desj. und ein Vogelgesang 15 Desj. (alles von Voroncov, letzterer auch von Frau Bykova). Die Kolonie war, wie auch andere deutsche Kolonien im Petersburger Gouvernement, führend im Anbau von Kartoffeln.

Nach 1928 bestand der Bereich des Dorfsowjets Neu-Saratowka aus 5 bewohnten Punkten mit 482 Wirtschaften und 2 Kolchosen. 1928 wurde in der Kolonie 33 % des Landes mit Getreide, 29 % mit Kartoffeln bepflanzt, 35 % wurden als Grünland genutzt. 1926 betrug die Einwohnerzahl 1730 Personen.

Vom 17. bis zum 21. März 1942 wurden gem. eines Regierungsentscheides der UdSSR vom 29. August 1941 die „Aussiedlung der deutschstämmigen und finnischstämmigen Bevölkerung aus den Leningrader Vororten vorgenommen. 26000 Deutsche aus dem Leningrader Gebiet, und zwar aus Graschdanka, Neu-Saratowka, Sredne Rogatka, Neu-Pargolowo, Neu-Alexandrowka und Kolpino wurden nach Sibirien deportiert, so nach Kansk, Jakutsk und Tjumen. Damit wurde die deutsche Kolonistengeschichte rund um Petersburg mit Gewalt beendet. Nur wenige von ihnen hatten das Glück zu überleben.


Primärquelle: https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...onien/saratowka
http://forum.wolgadeutsche.net/viewtopic.php?t=12652

Kolonie Srednja Rogatka


Srednja Rogatka

Die Kolonie lag etwa 5 km im Süden von St. Petersburg. Sie wurde für 22 Familien aus Hessen-Darmstadt an der Straße von Petersburg nach Zarskoje Selo, am „mittleren Schlagbaum“ auf dem Land des Schlossgutes Zarskoje Selo angelegt. Mundartlich wurde die Kolonie auch als 22.er Kolonie benannt. Die Kolonie wurde 1765 von 22 Kolonistenfamilien aus Brandenburg und Württemberg gegründet. Administrativ gehörte Srednja Rogatka zum Gouvernement St. Petersburg/Gebiet Leningrad. Die Kolonie war vom Typ her eine Mutterkolonie. Die Konfession der Anwohner war evangelisch.

Die gesamte Landflächennutzung betrug 660 Desjatinen. Die Einwohnerzahl betrug 1829 359,1838 409, 1864 571, 1915 665 und 1926 1.476 Personen. Jeder Familie wurden 30 Desjatinen zugewiesen.

1792/93 wurde eine Abgabe von 61,25 Kopeken je Desjatine Land und 10 Rubel als Rückzahlung der Staatsschuld für diese Kolonie festgelegt. 1797 erhielt die Kolonie noch 226 Desjatinen Land von dem russischen Dorf Kamenka zugeteilt, um jeder Familie zusätzlich 30 Desjatinen (1 Joch) zuzuweisen.

1805 wurde die Tilgungsrate der Staatsschuld pro Jahr auf 20 Rubel erhöht. 1824 hatte die Kolonie 26 Häuser und 136 männliche Seelen. Die jährliche Tilgungsrate wurde auf 40 Rubel erhöht.

Seit 1830 verzogen Kolonisten aus Srednjaja Rogatka in Tochterkolonien im Umkreis von St. Petersburg (Graschdanka im Wolost Murino). Später wurden Einzelhöfe oder Kleinsiedlungen (bis 4 Höfe) auf Kaufland in der näheren und weiteren Umgebung gebildet. Durch den Wegzug von Kolonisten zwischen 1825 und 1846 erhöhte sich die Einwohnerzahl nur langsam. Diese Kolonisten liessen sich auf Kaufland am Peterhofer Wege nieder und zwar auf Einzelhöfen.

Im Jahre 1825 kauften Herlemann und Bauer je 38 Dej. des Buxhövedenschen Dorfes Solomina, welches auch Bukseeva genannt wurde. 1836 kaufte G. Schäfer 90 Desj. am Peterhofe Weg. 1838 kauften A. Bertsch und der gleiche Schäfer 62 Desj., 1849 kauften P. und J. Bertsch 72 Desj. Land.

1829 lebten in der Kolonie 38 Familien mit 174 männlichen und 185 weiblichen Angehörigen. Es gab 53 Kolonistenhäuser. Im Durchschnitt bestand eine Familie aus 9,4 Angehörigen. Es gab ein lutherisches Bethaus und eine Dorfschule. Der Kartoffelanbau war eine Haupteinnahmequelle, daneben wurden verschiedene Hausgewerbe betrieben. Die Gemeinde gehörte zum Kirchspiel Neu-Saratowka. Im Zuge einer russischen Verwaltungsneugliederung im Jahre 1927 wurde der Wolost in einen der Stadt Leningrad unterstehenden Rayon eingegliedert und bildete nun einen eigenen Dorfsowjet mit 6 bewohnten Orten und 453 Wirtschaften.

In der Kolonie wurde ein Kolchos „Thälmann“ gebildet, der wirtschaftlich zu den führenden im Gebiet Leningrad gehörte.

Primärquelle: https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...srednja-rogatka

Kolonie Iswara



Iswara, oder das, was davon übrig geblieben ist

Die Kolonie lag ca. 80 Kilometer südwestlich von St. Petersburg in der Nähe des Städtchens Wolosowo. Administrativ gehörte Isawara zum Rayon Wolossowa. Der ursprüngliche Besitzer der Ländereien war Graf Semyou Worontsow, ein russischer Gesandter während der Regentschaft Katharinas der Großen und Zar Pauls I. Er hatte seinen Besitz nach seinen Reisen durch Indien "Iswara" getauft. Dieses ist ein Wort aus dem Sanskrit und bedeutet "Herr" oder "Göttlicher Geist". Gegen diese Legende spricht, dass dieses Dorf schon auf der Karte von Ingermanland A. I. Bergengheim erscheint, die aus schwedischen Materialien von 1676 zusammengesetzt wurde und darauf das Dorf Iswar benennt. Auf der schwedischen "Generalkarte der Provinz Ingermanland" von 1704, findet sich ein Ort Iswarhof.


das heutige Iswara

Das Gründungsjahr der Kolonie Iswara war 1809. Vom Kolonie - Typ war Iswara der einer Mutterkolonie. Die Konfession in der Kolonie war evangelisch.

Die Kolonie soll geographisch nicht mehr eindeutig nachweisbar sein. Die Gründerfamilien der Kolonie kamen aus Baden, Württemberg und Preußen. Aus der deutschen Kolonistenstadt Grömbach bei Lodz zogen die Familien Biess, Buch, Ziebarth nach Iswara.

Die Kolonie ist 1811 erloschen, da die Siedler in andere Kolonien im Gouvernement Petersburg verzogen. Nach den Statistiken der nationalen Wirtschaft des Zarskoselski-Bezirks im Jahre 1888 gehörten 3630 Quadratmeter dieser Kolonie der Frau des Notars M.V. Roerich, das Land wurde in Teilen 1872 und 1875 für 42.500 Rubel gekauft. Die Schmiede und das Gasthaus wurden vermietet. Als Konstantin Christoph Traugott Glaubert Roerich in Kurland geboren, entstammte Roerich einer baltendeutschen Familie.

Primärquelle: https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...kolonien/iswara
https://foto-planeta.com/photo/927019.html
https://foto-planeta.com/photo/927023.html

Kolonie Oranienbaum


die Hauptstraße von Oranienbaum

Bereits am 30. September 1765 wurden 110 Kolonistenfamilien erlaubt sich im St. Petersburgischen Gouvernement anzusiedeln. Oranienbaum wurden die Stadtrechte im Jahr 1780 verliehen. Das Gründungsjahr der deutschen "Kolonie Oranienbaum" war 1812, der Kolonietyp war der einer Mutterkolonie. 1848 gab es in Oranienbaum 6344 deutschsprachige Siedler. Die Konfession der Kolonie war evangelisch. Die Gemeinde gehörte zum Kirchspiel Strelna. Die Gründerfamilien kamen aus Iswar. Es heißt, dass Menschikow die Ansiedlung nach den in der Orangerie des Schlosses gezüchteten Orangenbäumen benannte, weswegen der deutsche Name zuerst Orangenbaum lautete.

Die Kolonie trug ihren Namen bis 1948, danach wurde die Ansiedlung Lomonossow (russisch Ломоносов) benannt. Administrativ gehörte Oranienbaum zu Sankt Petersburg. Der Ort liegt 40 km westlich des Stadtzentrums an der Newabucht der Ostsee und unmittelbar südlich der Insel Kotlin im Rajon Petrodworez.


Bis zum Jahr 1998 war Lomonossov eine selbständige Stadt, wurde dann aber zusammen mit anderen Vororten unter die städtische Verwaltung von Sankt Petersburg gestellt. Lomonossow hatte 42.505 Einwohner (Stand Oktober 2010). Das Ensemble aus Schlössern, Pavillons, dem Schlosspark sowie der historischen Altstadt wurde 1990 von der UNESCO in die Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Menschheit aufgenommen.


Kolonie Kronstadt

Die Kolonie, bestand aus 6 Häusern und lag etwa 30 km im Westen von St. Petersburg. Der russische Ortsname erinnert an die ehemalige Grundeigentümerin, von der die Gründer das Land kauften.

Der Ortsname war "Kronstädter Kolonie", ein weiterer Ortsname war Klutschinskij. Das Gründungsjahr der Kolonie war 1809, vom Kolonietyp war es eine Mutterkolonie. Die Kolonisten kamen aus Inowlodz, Gouvernement Warschau. Sie trafen in Kronstadt bis August 1809 ein und bestanden aus 18 deutschen Familien. Die Einwohnerzahlen waren 47 (1848), 57 (1859), 81 (1904) und 101 (1926). Die Konfession in der Kolonie war evangelisch.

Primärquelle: https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...ien/oranienbaum
Wikipedia

Die Kolonie Peterhof


Ein weiterer Ortsname dieser Kolonie war Krasnenka. Die Kolonie lag etwa 15 km im Westen von St. Petersburg an der Küste der Newabucht des Finnischen Meerbusens. Das Gründungsjahr war 1812. Vom Kolonietyp her war Peterhof eine Mutterkolonie.


Die evangelische Kirche der Kolonie Peterhof

Die Gründerfamilien kamen unter anderem aus Hessen. Im Jahre 1849 wurde das Kirchspiel Peterhof gegründet, die Konfession war evangelisch. Die Einwohnerzahlen betrugen im Jahr 1848 27 und 1926 36 Personen. 1904 gehörten diesem Kirchspiel 650 Eingepfarrte (Deutsche, Esten, Letten und Schweden) an.


Deutsche Soldaten mit Blick auf Peterhof (1943)


Peterhof 1943

Bekannt ist die Stadt Peterhof heute vor allem durch den dort befindlichen Palastkomplex Peterhof, der 1723 erbaut wurde und zur Zeit des Russischen Reiches als Sommerresidenz des Zaren diente. Das ganze Ensemble von Schloss, Park, Pavillonen und der historischen Altstadt wurde 1990 von der UNESCO in die Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Menschheit aufgenommen.

Primärquelle: https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...onien/petershof

Die Kolonie Strelna


Strelna zur Zarenzeit

Weitere Ortsnamen von Strelna sind "Deutsche Kolonie", "Nemezkaja", "Neudorf", "Strelnaja Kolonie". Diese Mutterkolonie lag etwa 15 km im Südwesten von Petersburg an der Südküste der Newabucht, sowie unmittelbar östlich der ebenfalls zum Petersburger Stadtgebiet zählenden Stadt Peterhof.

Die Gründerfamilien Strelna's kamen ursprünglich aus Baden, Württemberg und Preußen. Die Kolonisten siedelten zunächst in Iswar. Strelna bestand zur Gründungszeit aus 2 Dörfern: Neudorf und Neuhausen. Das evangelische Kirchspiel Strelna wurde 1812 gegründet. Ab 1847 wurde das Ensemble des Konstantinpalastes von Großfürst Konstantin Nikolajewitsch als Sommersitz genutzt.

Noch bis zur russischen Februarrevolution 1917 behielt Strelna den Status einer Kaiserresidenz. Zusätzlich entstand hier ab dem frühen 19. Jahrhundert eine bei wohlhabenden Petersburgern beliebte Datschengegend. 1926 gab es im Ort eine 4-klassige Schule. Die Einwohnerzahlen betrug 1848 323, 1857 405 und 1926 581 Personen. Heute ist Strelna (russisch Стрельна) eine zu Sankt Petersburg (Russland) zählende Siedlung mit 12.452 Einwohnern (Stand Oktober 2010).

Strelna gehört zusammen mit Peterhof und Lomonossow zum Stadt Rayon Petrodworez. In der Nähe von Strelna findet sich noch ein evangelischer Friedhof mit den Gräbern der hier früher lebenden Kolonistenfamilien. Die Grabinschriften zeugen von der Anwesenheit der deutschen Kolonisten und deren Nachkommen.

Primärquelle: https://www.deutsche-kolonien-spb.com/de...olonien/strelna

Moskaus "Deutsche Vorstadt"



In der Regierungszeit Iwans IV entstand vor den Toren Moskaus eine Ausländervorstadt, die von den Russen als »Deutsche Siedlung« (Nemezkaja sloboda) bezeichnet wurde. Das Wort »Nemez« (Deutscher) wurde von den Russen zu jener Zeit für die meisten Westeuropäer gebraucht, auch wenn sie anderer Nationalität waren. Immerhin dominierte aber die deutsche Sprache in dieser Siedlung. Als Lebensraum wurde den überwiegend deutschen Fachkräften eine besondere Örtlichkeit am anderen Ufer des Flusses Jausa etwa zwei Kilometer nordöstlich vom Zentrum Moskaus entfernt zugewiesen. Hier wurde die erste Apotheke Russlands eröffnet. In der Sloboda war Hochdeutsch Umgangssprache. Die Bewohner der Sloboda konnten seit deren Gründung nach ihren eigenen Sitten und Gebräuchen leben und ungestört ihren Gottesdienst abhalten.



In ihr ließen sich auch deutsche Kriegsgefangene nieder, die während des Livländischen Krieges im Ostseeraum von den Truppen Iwans IV. gefangengenommen worden waren. Zu ihnen stießen ausländische Offiziere, Kaufleute, Handwerker und Wissenschaftler, die vom Zaren nach Russland gerufen wurden. Erst mit der Wahl des ersten Zaren aus der Dynastie der Romanow, Michail Fjodorowitsch, im Jahre 1613 war die sogenannte »Zeit der Wirren« (Smuta) beendet, in deren Verlauf auch die deutsche Siedlung bei Moskau zerstört worden war.

Die „Deutsche Vorstadt“ wurde auch Sloboda Kukui (слобода Кукуй) genannt und gehört heute im Nordosten Moskaus zum Stadtteil Lefortowo. Nach der Hofzählung 1665 gab es in der Deutschen Vorstadt 206 Höfe mit etwa 1200 Ausländern. Im Jahre 1725 betrug ihre Zahl schon 2500, aber anteilmäßig machten sie nur 2 % der Gesamtbevölkerung der Stadt aus. Zur Zeit Peters I. spielte die Sloboda eine große Rolle als Zentrum des modernen Lebensstils. Auch seine erste Geliebte, Anna Mons, fand der Zar hier. Peter Müller, der Eisenhüttenbesitzer, versammelte in seinem Haus die Emissäre des Pietismus und wickelte die Geschäfte mit August Hermann Francke in Halle über sein Kontor ab.

Das späte 17. Jahrhundert war die Blütezeit des deutschen Vororts. Zu diesem Zeitpunkt war der deutsche Vorort bereits eine echte nichtrussische Stadt mit sauberen geraden Straßen, einer Böschung, Gärten, gemütlichen und aufgeräumten Häusern mit Blumenbeeten. Bernhard Leopold Tanner schrieb über Moskaus "Deutsche", dass "sie" beim Bau ihrer Stadt auf Ordnung achteten und alle neuen Häuser schön und kalkulierend bauten.

Peter I. lernte dort als junger Großfürst (seine Halbschwester Sofia war Regentin) Carsten Brant, einen holländischen Zimmermann, den späteren „Großvater der Russischen Flotte“ kennen. Mit ihm reparierte der spätere Zar ein Boot und träumte von einem Hafen für Russland. Dort lernte er auch den Schweizer François Le Fort kennen, den späteren Admiral der Kriegsflotte. Einige Bewohner der Vororte besuchten den Auhenthaltsort des jungen Zaren Peter I. der ein häufiger Besucher dieses Vororts war. Hier traf er auch Patrick Gordon, einen weiteren zukünftige Weggefährten des Zars. Doch unter Zar Peter verloren die deutschen Vororte ihre Autonomie und begannen, sich der Burmister-Kammer zu unterwerfen. Der deutsche Vorort wurde durch einen Brand im September 1812 schwer beschädigt, bei dem fast das gesamte Gebiet abbrannte. Nach dem napoleonischen Pogrom von 1812 wurde der ehemalige deutsche Vorort hauptsächlich von Kaufleuten und Bürgern bewohnt. Vom deutschen Vorort blieb nur noch eine "Deutsche Straße", ab 1918 - "Baumann Straße" genannt.

Primärquelle: Schippan, Striegnitz, Wolgadeutsche
Wikipedia

Frühe Kolonistenprojekte für Russland

Im Jahre 1758 verfiel der sächsische General von Weisbach auf ein Mittel, den Preußenkönig Friedrich II. als gemeinsamen Kriegsgegner Russlands und Österreichs nachhaltig zu schädigen. Die Kriegslasten hatten dazu geführt, dass viele Bauern aus den zu Preußen gehörenden Landesteilen Vorpommern, Ostpreußen und Schlesien nach Polen flüchteten, wo sie freilich »vom Regen in die Traufe gerieten«. Weisbach wollte nun diese Menschen sowie Deserteure der preußischen Armee für eine Niederlassung im Zarenreich gewinnen. Die Bedingungen ähnelten in vielem jenen, die später Katharina II. den ansiedlungswilligen Ausländern verkündete: Religionsfreiheit, eigene Gerichtsbarkeit und Verwaltung durch gewählte Älteste, Freiheit von Steuern für sechs Freijahre, Befreiung von Rekruten- und Militärpferdestellung, Recht auf Branntweinbrennen und Bierbrauen. Der Getreidehandel mit Türken und Tataren sollte durch die Kolonisten in Gang gebracht werden. Unverhohlen betonte aber Weisbach neben dem wirtschaftlichen Nutzen der Ansiedlung von preußischen Kolonisten auch das Ziel, Friedrich II. einen großen Schaden an Menschen und Einkünften zuzufügen.

In Preußen hatte man schon frühzeitig erkannt, welchen Wert die Arbeitskraft bäuerlicher Produzenten hatte. In seiner Unbedenklichkeit bei der Verfügung über Menschen brachte der Vater Friedrich II., der »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), den »Reichtum an Menschen« vor allem mit der Unterhaltung seines großen Heeres in Verbindung. Nachdem die Pest in den Jahren 1709/10 in Ostpreußen und Preußisch-Litauen besonders viele Menschenleben gefordert hatte, begann der 1713 zur Macht gelangte »Soldatenkönig« mit der planmäßigen Ansiedlung von Kolonisten in diesen Gebieten.

Bis zum Machtantritt Friedrich II. im Jahre 1740 stieg so die Bevölkerungszahl in Preußen um 150 000 Menschen an. 1721 verbot der Preußenkönig bei Todesstrafe das unerlaubte Verlassen des Landes. In seiner unbeholfenen, unnachahmlichen Orthographie schrieb er am 17. August 1723 seinem Freunde, dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau (dem »Alten Dessauer«): »... aber das Landt wierdt bebauet sein und ist dazu guht wen die Kinder erwachsen. und mein Sohn krigt bekomet das Ihm an Menschen nit fehlet das ist auch ein reichthum, Menschen halte vor den gröhsten Reichtum (hervorgehoben vom Autor)«

So gegensätzlich die Ansichten von Vater und Sohn auf dem preußischen Königsthron sonst in vielerlei Hinsicht auch waren, in einem stimmten sie überein: Der Reichtum an Menschen ist der eigentliche Reichtum des Landes und ist durch planmäßige Kolonisation zu mehren. Zwischen dem zweiten Schlesischen Krieg, der 1745 zu Ende ging, und dem 1756 eingeleiteten Siebenjährigen Krieg wurde unter Leitung Friedrich II. vor allem 1747 bis 1753 das Niederoderbruchgebiet entwässert und mit Kolonisten besiedelt. Der König versprach den Emigranten aus anderen Ländern ebenso wie sein Vater die Religionsfreiheit. Dass diese Verheißung im 18. Jahrhundert, dem »Jahrhundert der Aufklärung«, von großer Zugkraft war, bezeugt auch die Tatsche, dass sich nach 1732 etwa 15 000 vom Salzburger Erzbischof verbliebene Protestanten in dem durch die Pest entvölkerten Ostpreußen niederlassen konnten und dort den Landesausbau betrieben.


Die gebürtige Deutsche Katharina, die Große - Erst zu ihrer Herrschaftszeit wurden massiv deutsche Kolonisten nach Russland gerufen

Die Besiedlungspolitik durch die Preußenkönige war wohl die wichtigste praktische Anregung aus dem Ausland, die Katharina II. aufgreifen und für ihre Regierungspolitik nutzen sollte. Wenn der Plan des Generals von Weisach aus dem Jahre 1758 ebenfalls nicht realisiert werden konnte, so lag dies an dem Zustand der russischen Staatsfinanzen, die durch die Kriegsausgaben sehr belastet wurden. Friedrich II. hatte die Gefahr einer russischen Kolonisten Werbung durchaus erkannt. Nachdem es den Werbern Katharinas gelungen war, Menschen aus den östlichen Landesteilen Preußens für eine Niederlassung an der Wolga zu gewinnen, schärfte ein erneuter Erlass des Königs 1766 den Untertanen ein, ohne Erlaubnis das Land nicht verlassen zu dürfen.Eine Politik, die 200 Jahre später die DDR mit Mauer, Selbstschussanlagen und Schießbefehl noch Jahrzehnte lang gegen die eigenen deutschen Bürger mit verbrecherischer Energie umgesetzt hat!

1756-1757 war ein gewisser de Lariviere nach Deutschland entsandt worden, um Militärpferde für die russische Armee anzukaufen. Er musste recht viel herumgekommen sein und das »Ohr an der Masse« gehabt haben, denn er teilte dem russischen Gesandten in Wien, Graf Keyserlingk, mit, dass er von 1000 durch den Krieg verarmten deutschen Familien die Erklärung erhalten habe, nach Russland ziehen und dort Kolonien anlegen zu wollen. Da er für diesen unerwarteten Fall keine Instruktion erhalten hatte und der Gesandte Keyserlingk auch nichts ohne Auftrag unternehmen wollte, wurde die russische Regierung informiert.

Während des Siebenjährigen Krieges hatte die zum Regieren nicht gerade befähigte Kaiserin eine »Konferenz beim Allerhöchsten Hof« als Beratungsorgan eingerichtet, die sich aus den höchsten Würdenträgern des Reiches zusammensetzte. Am 2. Mai 1759 beschloss die Konferenz: Für den Fall, dass sich wieder Ausreisewillige in Deutschland bei den russischen Beauftragten melden sollten, sei ihnen zu erklären, dass sie im russischen Reich völlige Religionsfreiheit genießen würden und dass ihr Ansinnen begrüßt werde, sich im Lande niederzulassen, sie sollten Land erhalten und eine Reihe von Jahren völlige Abgabenfreiheit genießen. Doch angesichts des andauernden schweren Krieges könne ihnen jetzt kein Vorschuss für ihre Übersiedlung nach Russland gewährt werden. De Lariviere solle sich von Zeit zu Zeit von seinem jeweiligen Aufenthaltsort wieder melden.

Der aus Polsingen in Mittelfranken gebürtige Pastor Johann Georg Eisen (1717-1779), der zu einem Vorkämpfer der Bauernbefreiung in Russland werden sollte, erschien zu jener Zeit in St. Petersburg. Seit 1745 Prediger im livländischen Torma, machte er sich Gedanken über eine Reform der Agrarverhältnisse und eine Besserung des Loses der leibeigenen Bauern. Von seinen Erfindungen sei hier ein Verfahren zum Trocknen von Gemüse erwähnt, an dem naturgemäß besonders die russischen Militärs interessiert waren. Eisen wurde mit seinem »getrockneten Schtschi«, das in ganz Europa Berühmtheit erlangte, und anderen Präparaten zu einem Begründer der Konservenindustrie.

Diesem vielseitigen Geistlichen bewegten aber auch Kolonisationspläne. Von Peter III. erhielt er den »Befehl, einen Plan zu machen, wie man Livland mit Teutschen bevölkern könne«. Der Kaiser erhoffte sich dadurch freilich eine Vermehrung des »Menschenmaterials« für deutsche Streitkräfte in Rußland, die ihm die Macht sichern sollten. Die deutschbaltischen Adligen wollten von einer Ansiedlung freier deutscher Bauern in ihren Provinzen nichts wissen, weil sie eine Gefahr für die in Livland und Estland besonders strengen leibeigenschaftlichen Verhältnisse dargestellt hätten. Die Barone hintertrieben den Plan. Hingegen hatten sie nichts gegen eine Beschäftigung Eisens mit der Anlage von Kolonien an der Wolga, und zwar bei Kasan. Im Oktober 1763 empfing die Kaiserin Katharina II. den Pastor zu einer längeren Audienz. Da war aber ihre Entscheidung für die Gründung deutscher Kolonien an der Wolga bereits gefallen.


Primärquelle: Schippan, Striegnitz, Wolgadeutsche