Projekt Urschöpfungsmythos

Zahllose Schöpfungsmythen existieren auf der Erde und wer zumindest einen Teil liest, dem fallen viele Gemeinsamkeiten auf. Dabei wird so gut wie in allen Mythen, die über die Erschaffung der Erde berichten das Element Wasser erwähnt. Die sogenannte Schöpfung beginnt also nicht im Weltraum, sondern meist von einem himmlischen Ort aus, der sich über oder in mitten von Wasser befand. Besonders die Mythen in der Neuen Welt erzählen von einer Erde, die anfangs nur unbelebt von Wasser bedeckt war. War also die Erde tatsächlich einmal eine Wasserwelt, in der es lange Zeit überhaupt kein Leben gab?


War die Erde zuerst eine Wasserwelt OHNE Leben?
Bild Hervé Piraud, Wikimedia Commons, CC-BY-2.5

In diesem Wasser landete anschließend eine Schöpfergottheit in einem Weltenei, oder erschuf inmitten des Ozeans eine künstliche Insel, von der er aus die Lebewesen der Erde schuf. Diese Insel lässt sich deshalb auch mit Enkis Wasserhaus Ea gleichsetzen, das auch als "Nudimmud" dem "Menschenformer" bekannt wurde. Enki erschuf darauf seine Menschheit, sonst aber nichts. Dieses Wasserhaus war aber nicht das einzige seiner Art, den bevor Enki auf der Erde wirkte, kam schon Jahrtausende zuvor ein anderes Wasserhaus an, was als erstes seiner Art "Nanna" genannt wurde. Es unterstand zwei Gottheiten, die am meisten als Alalu und Ištar bekannt wurden. In welchem Verhältnis sie wirklich zu einander standen, verliert sich im Nebel der Zeit, gemeinhin wird jedoch von einem Paar ausgegangen, dass mindesten zwei Abkömmlinge hinterließ. Erdgeboren und in den Mythen global abgeglichen, handelte es sich dabei um Inanna und ihren Bruder Utu, die beide auch unter anderen Namen ihre Spuren auf der Erde hinterlassen haben.

So oder so ähnlich beginnen auch andere Mythen, wobei vermeintlich andersartige Inhalte bei genauer Analyse sich nur als Varianten darstellen.

Die Ankunft "Nannas"

Besonders in Indien beginnen Schöpfungsmythen mit der Ankunft von einem Weltenei, selbst wenn sie wie über Manu und Brahma handelnd, sich eher auf die Ankunft des letzten Welteneis bezieht, dem "Danu-System". Bisher will man bei einem Weltenei nichts von einem gegenständlichen Objekt wissen, sondern erklärt es nur kosmologisch als den "absoluten Urzustand des Universums." Das würde aber voraussetzen, dass alle Weltenei-Mythen einer Zeit entstammen, wo die Erzähler alle den gleichen astrophysikalischen Wissensstand besaßen und über die Kontinente hinweg, die gleichen Vorstellungen über das Weltenei entwickelten. Also von Indien aus rund um die Welt, in Kalifornien, Polynesien, Finnland, dem Baltikum oder auch in den klassischen Hochkultur-Regionen, wie in Ägypten, China, Japan oder in Griechenland ("Phanes"). Und wo man glaubt es nicht nachweisen zu können, hat es auch als abgesetzter Dilmun seine Spuren hinterlassen, sei es als Urhügel vor dem Nil oder als Wasserhaus (Ea) vor dem Euphrat.


Schlange und Ei - das Weltenei der griechischen Orphicer
gemeinfreies Bild, Wikimedia Commons

Hinter den ältesten Weltenei-Mythen verbirgt sich zuerst die Verbannung Enilis auf die Erde, weil er zuvor Ninlil gleich mehrere Male "vergewaltigt" hätte. Als Folge dieses gewaltsamen Geschlechtsverkehr wurde der Mondgott "Nanna" gezeugt, was jedoch nichts anderes, als seinen Bau als erstes Dilmun-System durch Enlil beschreibt. Die eigentliche Geburt "Nannas" fand erst nach Enlils Verbannung auf der Erde statt, wo mit ihm das gesamte "Nanna"-System als Weltenei im Abzu landete. Als sich das Weltenei in zwei Hälften aufspaltete, wurde der untere Teil auf vier Beine vor die Mündung des Euphrat abgesetzt und wurde seit dem als Mondgott "Nanna" verehrt. Ein Name der sich ebenfalls rund um den Globus nachweisen lässt!


Enlils Reittier "Mušḫuššu" ist zwar auch als Drache überliefert, konkret war es aber nur das himmlische Trägersystem für "Nanna", dass regelmäßig sein gereinigtes Wasser absaugte.
Bild Mark Ahsman, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Weitere nachfolgende Kinder sollen dem Mythos nach schließlich Enlil erlaubt haben in den Himmel zurückzukehren, was sich jedoch nur auf die Rückkehr des himmlischen Weltenei-Elements bezieht. Dieses Teilsystem ist auch namentlich als Enlils Reittier "Mušḫuššu" überliefert und gilt dort auch als Schlangendrache. Die für Ninlil stehende Ištar folgte ebenfalls auf die Erde, wo sie als "Mutter" von "Nanna", den Dilmun übernahm und ab dieser Zeit die globalen Erdmutterkulte begründete. "Nachfolgende Kinder" wird sich dazu auch auf die Geburt oder wenigstens die Ankunft von Ninurta, dem Drachenjäger beziehen, der als Tišpak einmal gegen "Mušḫuššu" gekämpft hätte. Neben seiner ausgeschmückten Beschreibung, wonach er 50 Meilen lang und eine Meile breit wäre, ist im Prinzip nur das Wissen um seinen Schwanz wichtig, der einmal angehoben bis in den Himmel reichte. Damit wird nichts anderes als das regelmäßige Absaugen von Süßwasser aus "Nanna" beschrieben, wofür anschließend noch regelmäßig Enlil als Himmelsgott in die Unterwelt zurückkehrte. In seiner Darstellung als „rotes Schlangenmischwesen“ lässt es sich zudem noch mit vielen weiteren Himmelsgottheiten verknüpfen, die man seit alters her mit einer roten Farbe darstellte.

Die göttlichen Zwillinge

Bereits Mythenforscher wie Friedrich Ratzel und sein Schüler Hermann Baumann gingen von einem "Weltmythos" aus, der zwischen Nil und Indus entstand und sich dann wellenartig bis nach China, Afrika und Amerika verbreitete. Zu den wichtigsten Motiven dieses Weltmythos zählen nach diesen Forschern der Sonnengott, die göttlichen Zwillinge und das Weltenei. Unbedingt dazu gehört aber auch die Vorstellung von einer weiblichen Mondgottheit, die gleichzeitig als Fruchtbarkeitsgöttin der Erde auftritt, der weltweite Säulenkult, Mythen von gekrönten und doppelköpfigen Schlangen und die Verbreitung von bestimmten Symbolen, wie das Himmelsauge, die Swastika und das Spiralmuster. Sie alle zusammen erzählen nicht von Gottheiten, die man heute gern von Naturphänomenen herleitet, sondern von der mehrfach beobachteten Landung eines Welteneis, dass sich unmittelbar danach in zwei gleich aussehende Hälften aufspaltete. Schon dieser Vorgang alleine brachte die sogenannten "Göttlichen Zwillinge" hervor, nach denen auch das Sternbild Zwillinge benannt ist. Während das Weltenei noch geschlechtslos ist, entstand mit seinen Hälften auch die Vorstellung von einem männlichen und weiblichen Geschlecht, die nach einer wichtigen Variante jeweils im Himmel platziert für eine männliche Sonnengottheit und auf der Erde platziert für eine weibliche Muttergottheit standen. Eine zweite wichtige Variante entstand ebenfalls aus der sichtbaren Teilung des Welteneis, wobei seine fast identisch weiß aussehenden Hälften für Kriegerzwillinge oder göttliche Zwillinge angesehen wurden.


Die weißen Zwillinge Kastor und Polydeukes auf einem Bild von Giovanni Battista Cipriani, 1783
Bild gemeinfrei, Wikimedia Commons

Ein recht gutes Beispiel über göttliche Zwillinge ist die Geschichte von Kastor und Polydeukes, die als unzertrennliche Zwillingsbrüder überliefert sind. Nach ihrem Mythos empfing ihre Mutter, Leda den Kastor von ihrem Ehemann, König Tyndareos von Sparta, und Polydeukes von niemand anderem als Zeus, der sich ihr in der Gestalt eines Schwans näherte. Dazu sei bemerkt, dass der Schwan als Sonnenvogel gilt und besonders in Begleitung des Apollon gesehen wurde. Diese ungewöhnliche Zeugung hatte jedenfalls zur Folge, dass Kastor nachsagte menschlich und sterblich zu sein, während Polydeukes von göttlicher Herkunft für unsterblich gehalten wurde.


Kastor und Polydeukes auf einem römischen Weihrelief, wobei beide geflügelt dargestellt werden.
Bild Hermann Junghans, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0CC-BY-SA-3.0-DE


Die Brüder schlossen sich Iason und den Argonauten bei deren Suche nach dem goldenen Vlies an und erlebten zahlreiche Abenteuer. Aus einem Streit mit ihren Weggefährten, den Zwillingsbrüdern Lynkeus und Idas, ging nur Pollux (Polydeukes) als einziger Überlebender hervor. Er wandte sich an seinen göttlichen Vater und bat ihn, seine eigene Unsterblichkeit mit Kastor teilen zu dürfen. Fortan verbringen die Brüder ihre Tage abwechselnd im Hades oder auf dem Olymp und wurden als Sternbild am Himmel verewigt. Was also dieser Mythos wirklich erzählt ist nur ein Pendelverkehrt zwischen Himmel und Unterwelt, wobei die Unterwelt aus Sicht der Asen, immer nur für die Erde stand. Auf ihre Unzertrennlichkeit bezogen, wird also nur von einem Weltenei als Ganzes erzählt, dass abwechselnd im Himmel und auf der Erde zu sehen war. Als wahrer Besitzer dieses Welteneis galt in diesem Mythos Zeus, der überwiegend mit Marduk gleichgesetzt werden kann. Der angebliche Wettstreit der Zwillinge mit Lynkeus und Idas bestätig im Prinzip nur eine Trennungssequenz eines Dilmuns-Systems, wobei Idas auf einen Stammvater Aiolos zurückgeht, der unter gleichem Namen auch als Windgott auftrat. Lynkeus dagegen hatte angeblich solch scharfe Augen, dass er durch Mauern und bis in das Erdinnere schauen konnte. Damit lässt er sich von seinem Blickwinkel aus mit einem Himmelsauge (= Saugkopf) vergleichen, dass auf der Unterseite einer Himmelsscheibe platziert, immer auf die Erde herabschaute.