Unternehmen »Zeppelin«

Wer in unserer heutigen Zeit von ewigen Remakes und Dauerwiederholungen im Kino und TV genervt ist, dem wird diese wahre deutsche Story auf der Zunge zergehen. Auch wir auf deutscher Seite hatten unsere Jamens Bonds, die Weltgeschichte geschrieben hätten, wenn denn ihre Pläne geglückt wären. Geradezu ans Utopische grenzende Vorstellungen hatten auf seiten des Reiches einen Plan reifen lassen, der mit unbeirrbarer Konsequenz perfektioniert und dann tatsächlich ausgeführt wurde...

Es geschah immer wieder, dass die Einsatzleitung des KG 200 aufgefordert wurde, geeignete Flugzeuge für Lan­dungen im feindlichen Hinterland bereitzustellen. Für den Bereich der Westfront mussten solche Forderungen abge­lehnt werden - einfach deswegen, weil die dichte Besiedlung dieses Raums und die geographischen Gegebenheiten sol­che Unternehmungen nur in extremen Ausnahmefällen zu­gelassen hätten.
Wie gesagt, es war damals nicht immer leicht, den fliegerischen Laien im RSHA und auch bei der militärischen Abwehr so etwas klar zu machen.

Anders war die Situation in den riesigen Weiten Russlands. Dort gab es genügend ausgedehnte Flächen, die sich ohne besondere Vorbereitungen für die unbemerkte Landung eines Flugzeugs eigneten. Es gab dort Räume, welche so dünn besiedelt waren, dass unter der Voraussetzung einer sorgfältigen Auswahl des Landestreifens und Gewährlei­stung absoluter Geheimhaltung sowohl die Landung wie auch der Wiederstart einer Maschine durchgeführt werden konnte, bevor der Gegner in der Lage war zuzugreifen.

Im Juli 1944 wurde der Verbindungsoffizier des KG 200 zum Reichssicherheitshauptamt nach Berlin gerufen.

Geheimbesprechung!

Das brauchte nicht unbedingt etwas Außergewöhnliches zu bedeuten. Der Offizier kannte diese Besprechungen aus vielen Anläs­sen. Sicher war auf alle Fälle, dass man mehr von ihm fordern würde, als das Geschwader in der Lage war zu erfüllen. Im RSHA wurde der Oberstleutnant direkt in das Zimmer des Chefs geführt. Dieser forderte ihn auf Platz zu nehmen. Die Türe hinter seinem Rücken wurde geschlossen. Nur die beiden Männer waren im Raum.


Chef des Attentatsplans Dr. Ernst Kaltenbrunner

Kaltenbrunner begann mit einem Räuspern. Er habe eine Angelegenheit zu besprechen, die aller höchste Geheimhaltung unterliege. Außer ihm selbst wisse niemand im Hause Bescheid, auch jetzt könne er keine Einzelheiten nennen. Nun, das war noch nicht ungewöhnlich. Selten kam es vor, dass die Führung und die fliegenden Besatzungen des KG 200 etwas über den Auftrag der geheimnisvollen Fallschirm­springer erfuhren, die sie über feindlichem Gebiet abzusetzen hatten. Sie waren auch nicht mehr neugierig, was diese Aufträge anbetraf. Gewöhnung stumpft ab. Wenn jedoch der allgewaltige Chef des RSHA persönlich in Erscheinung trat, dann handelte es sich um keine gewöhnli­che Angelegenheit mehr sondern um größte Bedeutung und Dringlichkeit...

»Das KG 200 hat ein Flugzeug bereitzustellen, das in der Lage ist, bis kurz vor Moskau zu fliegen, dort zu landen und eine größere Last unbemerkt und sicher abzusetzen - und außerdem noch eine oder zwei Personen. Das geplante Unternehmen ist kriegswichtig, vielleicht sogar kriegsent­scheidend! Durchführung möglichst bald, zumindest aber bevor herbstliches oder gar winterliches Wetter einsetzt. Der Landeplatz darf nicht weiter als 100 Kilometer von Moskau entfernt sein. In der Nähe des Landeplatzes muss eine Straße sein, welche direkt nach Moskau führt.«

Kaltenbrunner dämpfte seine Stimme: »Ihr Auftrag ist es, einen Mann abzusetzen, der in Moskau selbst tätig werden soll. Dieser Mann soll die Strecke vom Landeplatz des Flug­zeugs bis Moskau mit einem Kraftfahrzeug zurücklegen, das im Flugzeug mitzuführen ist. Sie müssen wenigstens diese Einzelheit kennen, weil Sie das bereitzustellende Flugzeug entsprechend wählen müssen.« Und nach einer kleinen Pause:
»Glauben Sie, dass das zu machen ist? Für Ihre Vorbereitun­gen müssen vier Wochen ausreichen, weil aller höchste Füh­rungsstellen dem Auftrag die größte Dringlichkeit beimes­sen.«

Im weiteren Verlauf der Besprechung konnte es nicht aus­bleiben, dass der Einsatzleiter des KG 200 doch mehr erfuhr, als der Auftraggeber eigentlich preisgeben wollte. Nach allem, was da mehr oder weniger andeutungsweise ge­sprochen wurde, konnte es sich nur um ein Attentat auf die Person Stalins handeln!


Die Zielperson: der bolschewistische Diktator J.Stalin

Dieses Unternehmen war gründlich vorbereitet worden. Man hatte einen übergelaufenen russischen Offi­zier für die Aufgabe gewonnen. Dieser hatte sich freiwillig bereit erklärt, den »roten Zaren« zu töten. Auf deutscher Seite mag man sich von dieser Tat eine Sig­nalwirkung versprochen haben. Man hoffte die westlichen Kriegsgegner würden ihr Bündnis mit den Sowjets einer kritischen Prüfung unterziehen und womöglich revidieren oder sogar aufkündi­gen. Und: eine so veränderte politische Lage könnte Anlaß für die behutsame Einleitung von Verhandlungen mit dem Ziel eines Waffenstillstandes sein.

Man hoffte wohl auch, das Schwergewicht dann an die Ost­front verlegen und die heranstürmenden russischen Massen aufhalten und schlagen zu können.


eine viermotorige Arado Ar 232 wurde für das Unternehmen ausgewählt - Wegen ihres Fahrwerks konnte sie auf jedem ebenen Feld landen

»Was das rein fliegerische Problem angeht«, sagte schließlich der Einsatzleiter des KG 200, »so sollte die Sache zu ma­chen sein. Das Geschwader verfügt über einige Kampftrans­porter vom Typ Arado Ar 232A und Ar 232B. Diese zwei- bzw. viermotorigen Flugzeuge können bis zu vier Tonnen Zula­dung tragen. Das Heckteil des großen Rumpfes kann so nach unten geklappt werden, dass es als Beladungsrampe dient. Auch größere Fahrzeuge können über diese Rampe direkt in den Rumpf gefahren werden. Die Entladung ist ge­nauso problemlos. Das Fahrwerk der Arado 232 ist so kon­struiert, dass Landungen auch auf unvorbereiteten Plätzen möglich sind. Damit kommen auch regelrechte Buckelwie­sen als Landeplätze in Frage. Es handelt sich um ein Haupt­fahrwerk von drei größeren Rädern und 22 kleineren Rä­dern, die der Maschine den Spitznamen »Tatzelwurm« ein­getragen haben und es dem großen Flugzeug erlauben, auf Flächen zu landen, wo jedes andere Flugzeug zu Bruch ge­hen würde ... auch die Reichweite bis in den Großraum Moskau müsste zu schaffen sein.«

Kaltenbrunner: »Sie halten diesen Auftrag also mit bereits vorhandenem Gerät für durchführbar?«

»Von der fliegerischen Seite aus: ja - allerdings hängen Ein­zelfragen wie genaue Zeiten für Anflug, Landung und Rückflug in erster Linie von dem gewählten Landeplatz ab, der erst noch zu erkunden wäre ... auch die Wetterlage kann den Ausschlag geben. Es wäre zum Beispiel denkbar, eine tiefliegende Wolkendecke für Hin- und Rückflug aus­zunützen. Das Flugzeug brauchte dann nur für Landung und Wiederstart die Wolken zu durchstoßen, vorausgesetzt, dass das Auffinden des Landeplatzes ohne Schwierigkeiten möglich ist... eine Landung in heller Mondnacht ist auch denkbar, setzt jedoch ein Gelände voraus, das schon bei­nahe einem normalen Flugplatz gleichkommt. Auch die erste Morgendämmerung bietet Chancen, einigermaßen un­auffällig zu landen. Schwierig wird dann allerdings der Rückflug bei vollem Tageslicht. Wenn keine geschlossene Wolkendecke vorhanden ist, worin sich das Flugzeug gegen Sicht verstecken kann, dann wird es zur sicheren Beute der russischen Luftabwehr - irgendwo auf dieser langen Strecke von über 600 Kilometern - und das würde dann bedeuten, daß der Erfolg des ganzen Unternehmens zum Scheitern verdammt oder wenigstens in Frage gestellt wäre. Bevor also die Frage nach Durchführbarkeit und Termin beantwortet werden kann, muß das Geschwader eine ganze Reihe von Fragen klären und Vorbereitungen treffen.«

Wohl oder übel mußte sich der Chef des RSHA, so unge­duldig er auch war, damit einverstanden erklären, daß »schnellstmöglich« ein Vorschlag für die Durchführung die­ser schwierigen fliegerischen Aufgabe vorgelegt würde. Dann erst könne man weiter sehen. Ein wochenlanges Hickhack folgte...

Die Flieger mussten sich immer wieder gegen unwirkliche Vorstellungen der SS zur Wehr setzen. Schließlich einigte man sich auf einen Landeplatz in der Nähe der berühmten »Rollbahn« zwischen Smolensk und Moskau sowie einen Ausweichplatz in der Umgebung von Rschew und deren ge­nauer Erkundung durch ein Vorauskommando.

Dieses Kommando sollte »sofort« mit Fallschirm abgesetzt werden und Kleinorientierung betreiben: feststellen, was sich seit Abzug der Deutschen in dieser Gegend verändert hatte -nicht nur geländemäßig sondern auch im Hinblick auf Be­völkerung und geltende Maßnahmen am Ort. Es galt vor allem zu erkunden, ob die Aktion an dem ge­wählten Platz unbemerkt ablaufen konnte. Dies war in dem vergleichsweise dicht besiedelten Raum nahe der Haupt­stadt und unweit einer Hauptstraße und einer wichtigen Eisenbahnlinie nicht ohne weiteres zu erwarten. In großer Eile wurden geeignete Freiwillige, meist russische Kriegsgefangene, deren Zuverläßigkeit seit langem über­prüft wurde, für das Vorauskommando ausgewählt und überhastet für ihre Aufgabe ausgerüstet.

Ihre Verbringung an den Einsatzort war dann für das KG 200 quasi alltägliche Routine. Nach überraschend kurzer Zeit meldete der Führer des Vor­auskommandos die Erfüllung seines Auftrags. Er hatte ostwärts Smolensk einen Platz gefunden, der alle Vorausset­zungen für eine unbemerkte sichere Landung erfüllte. Nach seiner Beschreibung war es möglich, die »Rollbahn« in Richtung Moskau mit einem Kraftfahrzeug von dort aus ohne weiteres zu erreichen. Ähnlich günstige Verhältnisse bot der erkundete Ausweich­platz, der etwa fünfzig Kilometer weiter nordostwärts gefun­den war. Hier allerdings befand man sich schon in recht be­denklicher Nähe von Moskau.

Deshalb sollte dieser Platz auch nur in einem Notfall benutzt werden. Die Arbeit des Vorkommandos konnte dank einer gut funk­tionierenden Funkverbindung, dank ausgezeichneter Lan­deskenntnisse der Männer und dank günstiger Wetterbedin­gungen schneller, als zu befürchten war, abgeschlossen wer­den. Lediglich in größeren Abständen wurden noch kurze Funksprüche gewechselt. Man interessierte sich für das Wetter im Zielraum, aber mehr noch für alle Umstände, die sich auf die Sicherheit des Flugzeugs und des Agenten mit seinem »kriegsentscheidenden« Auftrag auswirken konn­ten.

Natürlich hatten diese Funksprüche auch eine Kontrollfunk­tion. Oft genug war es ja vorgekommen, daß Spionage- und Sabotage-Agenten früher oder später ein falsches Spiel trie­ben - gezwungen oder aus Opportunität -, dass sie, vom Gegner entdeckt, zum Schein weiterarbeiteten, mit dem Ziel der Desinformation, der direkten Irreführung oder auch, um dem einstigen Auftraggeber wichtige Informationen zu ent­locken. Mittlerweile waren seitens des KG 200 alle Vorbereitungen abgeschlossen worden, um das Unternehmen »Zeppelin«, wie man es inzwischen getauft hatte, ablaufen zu lassen.


der viermotorige Kampftransporter Ar 232 B

Ein Flugzeug vom Typ Ar 232 B stand bereit. Aus Gründen der Sicherheit hatte man die viermotorige Version der zwei­motorigen vorgezogen. Eine Besatzung unter Führung eines Oberleutnants hielt sich für den Flug zur Verfügung. Sie war nur soweit in den Auftrag eingeweiht, wie es die Durchführung der schwieri­gen fliegerischen Aufgabe erforderlich machte: Sie kannte den vorgesehenen Landeplatz und den ausgewählten Ausweichplatz von Landkarten und allen erdenklichen sonsti­gen Unterlagen her genau. Sie wusste, dass ein Mann - viel­leicht begleitet von einer Frau - zusammen mit einem schweren Motorrad mit Beiwagen unbemerkt abzusetzen sei. Sie hatte den Befehl, nach dem Ausladen des Agenten und seines fahrbaren Untersatzes sofort wieder zu starten, ohne sich um diesen und sein weiteres Schicksal zu küm­mern. Je kürzer der Aufenthalt am Boden, desto besser...


Primärquelle: Stahl, Geheimgeschwader KG 200

Unternehmen Zeppelin - Vor und nach dem Start


Alle fliegenden Besatzungen der I./KG 200 waren beileibe keine »Todesflieger«, die sich freiwillig zu Sonderaufträgen wie beim Unternehmen Zeppelin mit Ungewissem Ausgang gemeldet hatten. Sie waren Soldaten wie jeder andere Flieger auch. Ihr Schicksal hatte sie eben zu diesem Verband der deutschen Luftwaffe verschlagen, der ungewöhnliche fliegerische Mis­sionen zu erledigen hatte. Der eine oder andere mag diesem »Schicksal« vielleicht etwas nachgeholfen haben, weil er sich besonders interessante Erlebnisse erhoffte oder weil er glaubte, dass diese Art von Fliegerei mit Geheimauftrag be­sonders honoriert würde. Sicher ist, dass im Regelfall die Eignung, die fliegerische Qualifikation für eine Versetzung zum KG 200 ausschlaggebend war.

Das Risiko für Leib und Leben war eher geringer als zu dieser Zeit bei den »normalen« Verbänden der Kampfflieger, Jagdflieger, Aufklärer oder Transportflieger, weil Feindbe­rührungen ja unter allen Umständen vermieden werden soll­ten. Für den Fall einer Gefangennahme durch feindliche Truppen hatten KG 200-Besatzungen allerdings mit der Möglichkeit zu rechnen, dass sie zunächst die gleiche Behandlung erfah­ren würden wie die von ihnen transportierten Spione und Saboteure. Falls es ihnen also nicht gelang, glaubhaft zu ma­chen, dass sie mit diesen und ihren Aufträgen eigentlich nichts zu tun hatten, drohte ein Exekutionskommando.

Dies galt natürlich ganz besonders für Einsätze hinter die Ostfront, wo bekannt war, dass die Sowjets schon mit normalen Kriegsgefangenen nicht gerade zimperlich umgingen.
Bis zum Jahr 1942 überlebte gar nur jeder zehnte deutsche Soldat die Gefangennahme durch die Bolschewisten. Man konnte allerdings insoweit von Freiwilligkeit sprechen, als ein Flugzeugführer und seine Besatzung durchaus die Möglichkeit hatten, sich von einem befohlenen Einsatz befreien zu lassen. Allerdings musste die Begründung stichhaltig sein: die gestellte Aufgabe musste ihre Fähigkeiten über­steigen.

So gesehen bestand also die Besatzung für »Zeppelin« aus ganz normalen Soldaten im Kriegseinsatz. Lediglich ihre Er­fahrung und ihr Können mag sie von anderen unterschieden haben. Als Absprungplatz wurde ein Flugplatz im Baltikum, in der Nähe von Riga, gewählt. Dort befanden sich noch eigene Truppen. Der Flugweg betrug von dort etwa 600 Kilometer. Es war die kürzeste, zu jener Zeit noch mögliche Strecke. Dieser Gesichtspunkt war wichtig, weil jeder längere An­flugweg auf Kosten der Zuladung des Flugzeugs gegangen wäre. Man hätte soviel Treibstoff mehr gebraucht, daß an der »Nutzlast« Abzüge notwendig geworden wären. Flugzeug, Besatzung und das dazugehörige technische Per­sonal wurden auf den Einsatzplatz verlegt und hielten sich dort zur Verfügung.

Alle Vorbereitungen waren mit gewohnter Routine und unter Wahrung strengster Geheimhaltung abgewickelt wor­den. In Berlin beim Geschwaderstab einerseits und bei den Pla­nern der SS andererseits ging es jetzt nur noch um die Fest­legung des Zeitpunkts. Auch die Auftraggeber im RSHA hatten einen kleinen Einsatzstab auf den Flugplatz bei Riga verlegt. Der notwendige Kontakt zwischen diesem und dem kleinen Einsatzkom­mando des KG 200 war hergestellt worden. Dabei hatte die Besatzung der Ar 232 B notwendigerweise eine ganze Menge von dem streng geheimen und bisher bestens behüteten Unternehmen »Zeppelin« erfahren.


Links der deutsche Instrukteur Georg Greif, rechts der sowjetische Major Tavrin, der Stalin töten wollte

Sie lernten einen russischen Major kennen, der ihr »Flug­gast« sein würde, und eine junge Russin, die angeblich Leutnant in der Roten Armee gewesen war und ebenfalls mit dem Major bei Smolensk abgesetzt werden sollte. Die unauffällige junge Frau war erst nachträglich in das Unternehmen aufgenommen worden. Ihre Aufgabe sollte es sein, den Funkverkehr mit der »Zentrale« in Deutschland durchzuführen. Während der Vorbereitungen und der Aus­bildung hatte sich zwischen beiden ein so enges Verhältnis herausgebildet, dass sie dann spontan geheiratet hatten.

Mit dem Ehepaar wurde das Beladen und Entladen des Flugzeugs geübt, um mit einem Minimum an Zeit klarzu­kommen und das Risiko einer vorzeitigen Entdeckung des gelandeten Flugzeugs so klein wie möglich zu halten und außerdem sicherzustellen, dass sie den gefährdeten Lande­platz ohne Verzug verließen.


Mit an Bord: ein russisches Motorad des Typs M 72, was nichts anderes war als eine von Russen abkopierte deutsche BMW R71

Das Fahrzeug, mit dem sie als Angehörige der Roten Armee getarnt Moskau erreichen sollten, war also eine russische Beutemaschine vom Typ M 72. Im Beiwagen waren alle Dinge verstaut, die für die Durch­führung des Auftrags notwendig waren. Waffen natürlich, und auch Sprengmittel. Außerdem das Funkgerät und Le­bensmittel. Das nervenaufreibende Warten auf eine günstige Wetterlage dauerte diesmal nicht lange. Eine ausgedehnte Schlechtwet­terfront, die von Westen heranzog, schien genau die Bedin­gungen zu schaffen, dass der Hin- und der Rückflug »un­sichtbar« in den Wolken erfolgen konnte.


Major Tavrin und seine Ehefrau Lydia Shilova

In der Nacht vom 5. zum 6. September war es soweit. Der Zielraum meldete eine geschlossene Wolkendecke mit einer Untergrenze von nur wenigen hundert Metern über Grund. Ideal für eine unbemerkte Landung im ersten Morgen­grauen. Der Pilot und sein Navigator berieten sich noch einmal eingehend mit dem Meteorologen auf der Flugwetterwarte. Windrichtung und Windstärke für Anflug und Landung mussten möglichst genau bekannt sein. Außerdem ging es um die Frage, in welcher Höhe mit Vereisung der Tragflä­chen zu rechnen war.

Als Hilfe für die Navigation stand leider kein günstig gelegenes eigenes Funkfeuer zur Verfügung; lediglich der Rundfunksender Petrosawodsk am Ladogasee konnte zu Funkpeilungen herangezogen werden. »Besser als nichts«, sagten die Flieger, »auch wenn es wegen der großen Entfernung und ungünstigen Peilwinkel fast un­möglich sein wird, genaue Peilungen durchzuführen!« Auf die Minute genau hob die schwere Maschine vom Bo­den ab und stieg langsam in die Nacht hinein. Das Geräusch der Motoren wurde schnell schwächer...

Das Unternehmen »Zeppelin« lief! Und niemand konnte es mehr anhalten.

Die wenigen Eingeweihten, die dem Start zugesehen hatten, suchten fröstelnd den provisorischen Gefechtsstand auf. Sie sahen zur Uhr und wussten, dass sie mindestens fünf Stunden warten mussten, ehe Erfolg oder Misserfolg fest­stand. Der Pilot hatte die vollkommen überflüssige Weisung, am Ziel keinerlei Risiko einzugehen und umzukehren, wenn ihm am Landeplatz etwas auffallen sollte, das die sichere Durchführung seiner Aufgabe gefährden könnte. Jeglicher Funkverkehr war untersagt. Es bestand nur Hörbereitschaft auf beiden Seiten. Endlich zog die Morgendämmerung herauf. Konturen der Umgebung des Flugplatzes wurden erkennbar. Graue tiefhängende Wolken bedeckten den Himmel.

Dann kam der Zeitpunkt der frühesten Rückkehrmöglich­keit. Aber die Zeit verstrich. Kein Motorengeräusch war zu hören, kein Funkspruch kündigte die baldige Landung an. Die Spannung wuchs, während die Uhr unerbittlich weiter­lief. Auch in Berlin waren die Nerven zum Zerreißen ge­spannt.


Mit Im Gepäck des Kommandos: eine Mini Panzerfaust, die 45 mm starkes Panzerblech durchschlagen konnte!


die mit geführte Spezialausrüstung des Kommandotrupps

Bisher lag dort nur der Funkspruch vor: »Unternehmen Zeppelin gestartet.« Der war vor Stunden eingegangen. Beim Einsatzkommando des KG 200 auf dem Flugplatz bei Riga musste man sich eingestehen, dass die Arado 232 B ihren Treibstoff inzwischen längst aufgebraucht hatte und dass mit ihrer Rückkehr nicht mehr gerechnet werden konnte, es sei denn, dass sich das Flugzeug nach der Lan­dung im Feindgebiet doch länger am Boden aufgehalten hatte...

Man konnte nichts tun als warten.

Schließlich entschloss man sich, trotz strikt befohlener Funk­stille, zu einer Funkanfrage an die überfällige Besatzung.

Keine Antwort...

Auch keine Antwort auf weitere Anfragen. Man fragte Flugplätze, soweit es überhaupt noch welche gab, die in denkbarer Reichweite des Flugzeugs lagen, nach dem Verbleib der Arado. Ergebnislos...

Endlich, nach langen Stunden, eine Nachricht aus Berlin.

Beim RSHA war ein Funkspruch des Majors eingegangen: »Das Flugzeug hat bei der Landung Bruch gemacht, alle Be­satzungsmitglieder sind unverletzt. Besatzung hat sich in zwei Gruppen geteilt und will versuchen, sich nach Westen durchzuschlagen. Wir sind mit unserem Motorrad unter­wegs nach Moskau. Bis jetzt ohne Behinderung.« Damit war Klarheit geschaffen.

Beim KG 200 musste man den Oberleutnant und seine fünf Männer als vermisst betrachten. Nur weltfremde Optimisten konnten daran glauben, dass es ihnen gelingen könnte, sechshundert Kilometer - Luftlinie! - zu Fuß zurückzule­gen, ohne entdeckt zu werden. Zu viele Flüsse und andere Hindernisse waren da zu überwinden, wo es einfach unmög­lich war, sich zu bewegen, ohne vom Feind bemerkt zu wer­den.


Major Tavrin bei der Schießausbildung


...und mit dem später mitgeführten Motorrad M 72

Gewiss, die Flieger waren für einen solchen Fall ausgebildet und auch ausgerüstet. Sie hatten genügend russisches Geld bei sich. Sogar original-russische Zigaretten und Lebensmit­telrationen hatte man ihnen mitgegeben, damit sie sich im Ernstfall notdürftig »tarnen« konnten. Sie trugen Karten am Körper, die ihnen die Orientierung auf einem Rückmarsch erleichtern sollten. Rußlandkenner, deren es in der deutschen Wehrmacht wahrhaftig genug gab, hatten sie beraten und geschult, haben aus eigener Erfahrung Hinweise gege­ben für Überlebensmöglichkeiten, haben Ratschläge erteilt über Verhalten im feindlichen Hinterland, haben gewarnt und geraten - dies war ein selbstverständlicher Teil der Vor­bereitung dieses Einsatzes gewesen.

Ganz bewusst hatte man jedoch darauf verzichtet, ihnen fal­sche Ausweise - etwa russische - mitzugeben. Diese hätten schon allein deswegen nichts genützt, weil die Flieger dazu auch Kenner der russischen Sprache oder zumindest einer Sprache aus dem baltischen Raum hätten sein müssen. Außerdem durfte keinem regulären Soldaten (und das waren die Flieger ja) zugemutet werden, dass er sich außerhalb der Haager Landkriegsordnung oder der Genfer Konvention stellt, die ihn auch in der Gefangenschaft schützten.


Primärquelle: Stahl, Geheimgeschwader KG 200

Schicksal des Attentäterkommandos

Die einzige Hoffnung auf ein Lebenszeichen der Besatzung lag jetzt noch darin, daß sie sich mit Hilfe eines tragbaren Funkgeräts melden würde, das zu ihrer Ausrüstung gehörte. Nicht nur zu den vereinbarten Zeiten sondern ohne Pause saßen deshalb in den großen Funkzentralen Soldaten an den Geräten und hörten alle denkbaren Frequenzen nach einem Zeichen der Arado-Besatzung ab. Tatsächlich kam 24 Stunden später eine Verbindung zustan­de. Sie bestätigte in einem kurzen Spruch die Meldung des russischen »Majors«: »Bei Landung auf Ausweichplatz Flugzeug beschädigt. Rückmarsch in zwei Gruppen zu Fuß.«

Aber dann kam keine Botschaft mehr.

Nach mehreren Ta­gen ergebnislosen Wartens musste damit gerechnet werden, dass die Flieger in Gefangenschaft geraten waren. In Briefen an die Angehörigen hieß es dann: »... muß ich Ihnen leider mitteilen, daß Ihr Sohn ...« Inzwischen meldete aber der »Stalintöter« einen fast reibungslosen Ablauf seiner Mission. Er sei unbehelligt nach Moskau gekommen. Er habe den vorbereiteten Unterschlupf bezogen. Der Kontakt zu einem Mittelsmann, der als deutscher Agent im Kreml saß, sei aufgenommen. Er bereite nunmehr die Durchführung des Auftrags sorg­fältig vor.




Wrackfotos vom Arado-Kampftransporter

Es lief alles fast ein bißchen zu schön, um wahr zu sein, so dass einige Leute im RSHA doch etwas misstrauisch wur­den. Man stellte Kontroll- und Fangfragen. Man wandte alle jene Tricks an, die einen vom Feind gesteuerten Funkverkehr als solchen entlarven. Es dauerte nicht lange, bis man nicht mehr umhin konnte, das Unternehmen »Zeppelin« als gescheitert anzusehen.

Die Meldungen des »Majors« und seiner Frau waren falsch. Sie waren möglicherweise unter dem Druck des Gegners ab­gegeben worden, der die Agenten gefasst hatte. Sie mussten schon kurz nach der Landung in die Hand der Russen gefal­len sein. Irgend etwas war schief gelaufen. Aber was?

Das Funkspiel wurde kurzerhand abgebrochen. Monate später brachte der Bericht eines zurückgekehrten V-Mannes etwas Licht in die ungeklärte Angelegenheit: der Mann - ein Kriegsgefangener, freiwillig für die deutsche Abwehr tätig - war als Angehöriger des Vorauskommandos für das Unternehmen »Zeppelin« mit dem Fallschirm im Raum Smolensk abgesetzt worden. Es war ihm gelungen, sich zu Fuß durchzuschlagen und die deutschen Linien wie­der zu erreichen. Er berichtete nun, dass bereits das Vorauskommando zur Er­kundung geeigneter Landeplätze vom Feind erkannt worden war. Die Agenten wurden gezwungen, ihren Auftrag durchzuführen, als ob sie nicht geschnappt worden wären.

Sie mussten also die Funkverbindung mit Berlin weiterführen, und zwar so, dass gar kein Verdacht aufkommen konnte. Als die Meldungen über die Lage und Beschaffenheit der erkundeten Plätze in Berlin einliefen, ahnte dort niemand, dass gleichzeitig alle Vorbereitungen getroffen wurden, um nach Landung des Flugzeugs dessen Besatzung zu überwältigen und sich dann auch der »Fracht« anzunehmen, von der auch die Russen noch nicht wussten, in was sie bestehen sollte.

Die Beteuerungen des Vorkommandos, nichts über den Zweck und auch nicht über den Zeitpunkt einer etwa ge­planten Aktion zu wissen, wurden zuerst nicht geglaubt, mussten schließlich aber hingenommen werden. Man behielt die Leute in der Nähe des gewählten Landeplatzes, an dem nun ein starkes Kommando zusammengezogen wurde. Es war groß genug, um ein Entkommen des Flugzeugs auf jeden Fall zu verhindern. Als dann in der Morgendämme­rung des 6. September die Arado aus den Wolken tauchte und sich zur Landung anschickte, muss wohl eine Panne pas­siert sein. Plötzlich nämlich schoss die russische Flak aus allen Rohren und vertrieb das Flugzeug wieder, das man schon sicher in der Hand zu haben glaubte.

Dem zurückgekehrten Agenten - so sagte er - sei es dann gelungen, in der allgemeinen Verwirrung zu entkommen und auf abenteuerliche Weise nach monatelangen Irrwegen die deutsche Seite wieder zu erreichen.

Man konnte sich jetzt nur den Kopf darüber zerbrechen, weshalb der Pilot der Arado nicht sofort kehrt gemacht und mit seiner brisanten Fracht eben unverrichteter Dinge nach Hause geflogen ist - immer unter der Annahme, dass er nicht von der Flak abgeschossen wurde. Es bleibt sein Ge­heimnis, warum er nicht auf den Gedanken kam, dass er auch auf dem Ausweichplatz dem Feind in die offenen Arme fliegen würde.


deutsche Funkspezialisten der Abwehr bei ihrer Arbeit

Natürlich wurde seitens des KG 200 sofort überlegt, was man zur Rettung der Besatzung tun könnte. Eine schnelle Ju 188 flog über das Zielgebiet. Unter hefti­gem Beschuss vom Boden her konnte sie zwar das Wrack der Ar 232 B entdecken. Von der geflüchteten Besatzung fand man jedoch keine Spur. Nach dem Krieg ist in der Ostpresse über den Fall berichtet worden. Mit allem Vorbehalt sei hier der Rest des Geschehens - aus russischer Sicht - wiedergegeben. Er entbehrt nicht einer pikanten Note.

Die Arado hatte tatsächlich den Ausweichplatz angeflogen, und dieser war nicht bewacht! Die Russen haben wohl zu fest daran geglaubt, dass ihnen der Fisch dort ins Netz gehen würde, wo sie sich so perfekt für seine Ankunft vorbereitet hatten. Dass die Flak geschossen hatte, muss ein Missverständnis ge­wesen sein - die Befehlswege und Zuständigkeiten waren dort in solchen Fällen anscheinend genauso mehrdeutig wie auf unserer Seite. Der Pilot der Arado hatte abgedreht und flog nun in Richtung auf den Ausweichplatz. Östlich Wjasma wurde er erneut erfasst - er war auf den Luftvertei­digungsriegel vor Moskau gestoßen.

Er musste nach Norden fliegen und dann wieder nach Westen. Die Luftabwehrstellen hatten das mit ständigen Kurskorrekturen fliegende Flugzeug unter Kontrolle. Das ganze Ver­halten zeigte, dass es sich bei dem Piloten um einen erfahre­nen Fuchs handelte. Schon wollte man die Jagdabwehr auf die Arado ansetzen, als die russischen Sicherheitsorgane sich einschalten und durchsetzen konnten: das Flugzeug wurde nur genau weiterverfolgt. Ein eventueller Landeplatz sollte jedoch sofort gemeldet werden.

Etwa gegen 03.00 Uhr Ortszeit war festzustellen, dass das Flugzeug in der Nähe von Karmanowo niederging. Dies wurde der nächstgelegenen Abwehrstelle mitgeteilt. Ein starker Trupp machte sich auf den Weg. Das Auffinden der Landestelle wurde durch einen Feuerschein erleichtert. Dann stießen sie auf das Flugzeug. Offensichtlich hatte die Landestrecke nicht ausgereicht, und die Maschine war beim Ausrollen mit der rechten Tragfläche von einem Baum ge­stoppt worden. Der rechte Außenmotor war herausgerissen und nach vorne geschleudert worden. Er hatte gebrannt und den Weg gewiesen.

Aber die Szene war leer. Keine Spur von einer Besatzung. Eine Suche in der Umgebung blieb erfolglos ...

Inzwischen bewegte sich ein Beiwagenkrad mit zwei ver­mummten Gestalten auf Rschew zu. Die Sicht war schlecht. Plötzlich tauchte eine Straßensperre auf. Der Fahrer war zu einer Vollbremsung gezwungen. Die schwere Maschine kreiselte auf der nassen Fahrbahn. Ein fröstelnder Posten forderte die Papiere. Der Fahrer wies Soldbücher auf die Namen Major Tawrin und Unterleutnant Schilowa vor, Fronturlaubscheine, Fahrzeugpapiere für das Motorrad. Sie schienen in Ordnung zu sein. Beim Hervorholen der Papiere hatte der Posten auf der Uniformbluse des Majors den Orden eines »Helden der Sowjetunion« aufblitzen sehen.

Der Posten wollte schon die Papiere zurückgeben, da machte der Major die schicksalhafte Bemerkung: »Beeilen Sie sich bitte, wir sind schon die ganze Nacht unterwegs!« Der Posten stutzte. Es hatte bis vor kurzem wie in Strömen geregnet. Die Bekleidung der Motorradfahrer und ihr Fahr­zeug waren jedoch auffallend trocken und sauber... Der Posten alarmierte die Wache, und das war dann das Ende der Unternehmung »Zeppelin«.


Vor Rschew (Aufnahme 1943) scheiterte das Unternehmen Zeppelin endgültig...Nach einer Version soll ein russischer Offizier das Richtung Rschew fahrende Motorrad zunächst auf einen Fahrrad verfolgt haben...

Ein einziger lächerlicher Satz ließ letztlich alles scheitern, obwohl die Agenten lange und gründlich vorbereitet worden waren. In Moskau stand eine Unterkunft für sie bereit. Sie führten konventionelle Waffen und Giftgeschosse, Magnetminen und Funkzünder mit sich, verfügten über 428 000 Rubel in echten Scheinen, über 116 echte und falsche Stempel, For­mulare und unausgefüllte Personalpapiere.
Sie hatten alles, was für einen solchen Auftrag erforderlich war. Nur kein Glück...

Oder sollte es daran gelegen haben, dass es »bei Preußens« für einen Schirrmeister und einen Kammerfeldwebel immer noch undenkbar war, Fahrzeuge und Sachen abzuliefern, die nicht vorher ordentlich und gründlich gereinigt waren? Na, sie konnten und durften ja nicht wissen, wofür die Dinge gebraucht wurden! Man hätte die Planung dieser Sache nicht ausschließlich den Militärs überlassen sollen. Bei einer so fantastischen Ange­legenheit hätte es eines Filmregisseurs bedurft. Der hätte bestimmt daran gedacht, die Maschine - und die Uniformen - vor der Verladung noch mit der entsprechen­den Patina zu überziehen... [...]

Primärquelle: Stahl, Geheimgeschwader KG 200

Wenn Tavrin und Shilowa Erfolg gehabt hätten


Nehmen wir also an, dass der Kommandotrupp des Majors und dessen Begleiterin Erfolg gehabt hätte, selbst wenn die Chancen dafür gering waren. Immerhin hatten sie nur ihre Pistolen dabei, die andere Spezialausrüstung wurde im Umfeld des bruchgelandeten Kampftransporters von den Russen entdeckt...

Der Posten vor Rschew lies beide weiterfahren, weil der Major bei der Kontrolle nicht diesen Satz sagte, dass man seit Stunden im Regenwetter unterwegs war und die Uniformen augenscheinlich kaum durchnässt waren. Sie kamen anstandslos durch Rschew und konnten bei Einbruch der Nacht in der Großstadt Moskau untertauchen. Ein Leninorden an der Uniform machte eben vieles einfacher. Der Kontakt zum V-Mann wurde aufgenommen und die vorbereitete Wohnung bezogen. Es folgten Wochen des Observierens, wie man an Stalin herankommen könnte. Obwohl man bereits schwankte, einfach mit dem Geld das Kriegsende abzuwarten, fand sich trotz Fahndung nach untergetauchten Terroristen schließlich eine überraschende Gelegenheit, wie man Stalin ausschalten konnte...


Dieses Bild war mit Glück schon 1944 möglich, wenn das deutsche Attentäterkommando erfolgreich gewesen wäre. Rechts im Bild trägt NKWD Chef Berija (Hut mit Brille) den Sarg des Diktators im Jahr 1953 zu dessen realer Beerdigung.

Mitte Oktober 1944 senkte sich das große Schweigen über das Sowjetreich und es dauerte einige Zeit bis erst innoffiziell dann über TASS verbreitet wurde, daß der große Sowjetführer Josef Stalin bei einem unglücklichen PKW Unfall ums Leben gekommen wäre. In Wahrheit hatte das deutsche Kommandopaar Stalins Fahrzeug bei einer Fahrt per beschaffter Mine in die Luft gesprengt. Nun glühten die diplomatischen Drähte hinter den Kulissen der Feindmächte. Wer wird Stalins Nachfolger und welche Akzente setzte dieser in der Kriegspolitik?


NKWD Terrorchef Lawrenti Pawlowitsch Berija mit seiner Tochter Svetlana bei Stalin. Wenn Stalin Opfer eines Attentats geworden wäre, kam zu dieser Zeit nur er als einzig vorstellbarer Nachfolger in Frage.

Aussichtsreichster Kandidat war Lawrenti Pawlowitsch Berija , Chef des NKWD, der rote Terrorchef im Sowjetreich. Beria war der maßgebliche Verantwortliche für die NKWD Massaker in Katyn (26.500) , Lemberg und Witebsk mit weit über 30000 polnischen Kriegsgefangenen und ukrainischen Regimegegnern! Als die Eroberung Moskaus durch die Deutsche Wehrmacht drohte ließ Berijas NKWD Schergen, wie in Lemberg tausende von Gefangenen in den Hinterhöfen ermorden! 1941 erfolgten auch die Massendeportationen des NKWD von Wolgadeutschen, Tschtschenen, Tataren und Inguscheten aus ihrer angestammten Heimat nach Kirgisien und Kasachstan mit abermals über 1,5 Millionen Opfern. Hinter der Ostfront standen bewaffnete NKWD Trupps und exekutierten jeden russischen Deserteur man schätzt die Zahl der erschossenen Deserteuer auch weit jenseits der Millionengrenze.

Berija verfügte in jedem Moskauer Gefängnis über ein Büro, in dem er Folterungen von Verhafteten beiwohnte. Mit Wissen Stalins gingen diese Folterungen in Berijas Privathaus weiter und wurden von Beria persönlich vorgenommen. 1980 wurden in einem unterirdisch verlaufenden Gang zwischen seinem Haus und der Unterkunft seiner Leibwächter menschliche Skelette aufgefunden.

Berija hatte die Wahl...

Kann man davon ausgehen, dass Berija Stalins Politik fortgesetzt hätte, und wenn ja mit welcher Konsequenz?

Um diese Frage zu klären muss man Stalins Wirken ab Herbst 1944 bis zur Nachkriegszeit beurteilen, aber auch die Person Berija privat beleuchten. Stalin hat zum Beispiel maßgeblich dafür gesorgt die Winteroffensive am 9.Januar aus dem Baranow-Weichselbrückenkopf vorzuverlegen. Im Ergebnis hat er die durch die deutsche Ardennenoffensive abgewürgte alliierte Westoffensive wieder ins Rollen gebracht.

Berija war ein ungleich radikalerer Mensch. Rief jemand um Hilfe, hätte er erstmal abgewogen welchen Nutzen man daraus ziehen konnte und dann sich dann auch dementsprechend entschieden. Anders als Stalin hätte Berija einen Teufel getan, der alliierten Bitte entsprochen die eigene Winteroffensive vorzuverlegen, denn die viel geforderte zweite Front kam auch erst im Sommer 1944 zu Stande. Als Militär hätte er militärisch entschieden und als ehemaliger Geheimdienstler schnell erkannt, dass eine vorzeitige Winteroffensive zwar den gleichen Erfolg gehabt hätte, aber die Beute am Deutschen Reich deutlich minimiert hätte.

Mit der Belassung von deutschen Einheiten im Westen, die sonst unter Zugzwang der Baranow-Offensive in die Osten verlegt wurden, muss man klar feststellen: Ein Remagen-Brücken Szenario für die Amerikaner hätte es jedenfalls so nicht gegeben! Erstens hätte man erst viel später den Rhein forciert und zweitens hatte die deutsche Seite so mehr Zeit auch diese Brücke zu sprengen!


Die von US Truppen im Handstreich eroberte "Ludendorff-Brücke" als "Brücke von Remagen" - dieses Szenario hätte es ohne Stalins vorgezogene Baranow-Winteroffensive nie gegeben

Die um fünf Tage vorverlegte Winteroffensive hätte es also unter einen Radikalsi Berija wohl nicht gegeben. Im Ergebnis wäre die Demarkationslinie viel weiter westlich verlaufen und wahrscheinlich hätte es auch keine westlichen Sektoren in Berlin gegeben. Und falls sie doch entstanden wären, hätte Berija ein Blockade Westberlins wesentlich länger und viel konsequenter ausgereizt!

Wenn überhaupt hätte eine westliche Atombombendrohung Berija vermutlich weniger geschockt als Stalin. Dazu kommt noch die Fallstudie, dass statt den Amerikanern die Russen deutsche Atombomben (oder Technologie) erbeutet hätten, was wiederum keine Atombomben-Einsätze gegen Japan nach sich gezogen hätte. Den Amerikanern fehlten eben noch im April 1945 entsprechende Zünder, die sie erst in Deutschland erbeutet hätten.

Schließlich hatte such Berija unter Stalin selbst mit dem Bau einer sowjetrussischen Atombombe befassen müssen. Erbeutete deutsche Atombomben in Berijas Besitz hätten zudem eine deutlich stärkere sowjetische Verhandlungsposition in Jalta ermöglicht.

Jalta ohne Stalin

Stalins Ausfall hätte sich auf Jalta bemerkbar gemacht. Vermutlich hätte es Jalta nicht einmal als Konferenzort gegeben, weil dieser Ort ein Wunsch Stalins war. Die Grenzdiskussionen und auch die Zonengrenzen hätten etwas andere Ergebnisse hervorgebracht, als wie in Potsdam endgültig festgelegt. Wobei auch der Kriegsausgang mit veränderten Demarkationslinien und ein sicher späteres Kriegsende eine Rolle gespielt hätte.

Das Missverständnis Lausitzer und Glatzer Neisse, dass mit der Person Stalin zusammenhing, hätte es wohl nicht gegeben. Die Nachkriegs-DDR wäre also viel größer gewesen und Polen weniger deutsches Gebiet geraubt, als mit einem lebenden Stalin. Also weder Stettin mit Umland und auch kein Breslau wären jemals polnisch geworden! Riesengebirge und Niederschlesien mit Liegnitz wären heute immer noch deutsch. Das ganze Oderhaff mit Stettin und Swienemünde ebenfalls deutsch...


Ohne Stalin hätte Nachkriegsdeutschland noch ein Bundesland Niederschlesien...

Ob eine etwas größere DDR länger existiert hätte, sei einmal dahin gestellt. Insgesamt wäre der Zusammenbruch des SED Regimes so oder so gekommen. Gehen wir also davon aus, dass der Westen nicht der große Gewinner eines Stalinattentats geworden wäre, weil ein weit größerer Teil des Deutschen Reiches unter kommunistische Herrschaft fiel (keine Berlinblockade, weil es keine Berliner Stadtzonen gegeben hätte), wäre sogar die Option drin gewesen, dass es nie eine Teilung gegeben hätte, wenn die Russen bis zum Rhein vorgestoßen wären.


Falls Stalin durch die Zeppelin-Attentäter getötet worden wäre, hätte er im Sommer 1944 nicht diese Grenze für Nachkriegsdeutschland fixiert! Hier hatte also nur sein vermutete Nachfolger Berija das Sagen!

Das Stalinmachtvakuum hätte auch im Fernen Osten erhebliche Auswirkungen. Gesetzt dem Fall, dass die Alsos Teams der Amerikaner keine deutsche Atombombentechnologie (Zünder) erbeutet hätten, fanden Los Alamos, Hiroshima und Nagasaki keinen Eingang in die Geschichte, die sich mit den ersten gezündeten Atombomben verbindet. Den Alliierten drohte eine blutige Invasion des japanischen Mutterlandes, der Krieg hätte noch zum Jahreswechsel 1945/46 getobt.
Ein beispielloser Opfergang drohte den Amerikanern und Berija hätte sich die Hände gerieben. Das Kriegsende wäre für Japan das gleiche gewesen, doch mit viel gewaltigeren Kriegsschäden, als ohne Heimatkrieg.

Ohne sowjetrussische Kriegserklärung wäre jedoch Südsachalin und die Kurileninselkette heute noch immer japanisch. Mao hätte ohne sowjetrussische Hilfe keinen Erfolg in China gehabt, dafür aber Tschiang Kai shek, der die Chinesen auf westlichen Kurs gebracht hätte. Taiwan wäre nie selbstständig geworden, wahrscheinlich gebe es heute auch ein selbständiges Tibet!


Ohne Stalin hätte es keinen Angriffskrieg gegen Japan gegeben, wäre nicht Mao in China an die Macht gekommen, sondern General Tschiang Kai shek!

In der Folge eines nichtkommunistischen Chinas hätte es auch niemals ein kommunistisches Nordkorea gegeben, sondern gleich einen koreanischen Einheitsstaat und auch die kommunistische Nordvietnamepisode hätte es in der Geschichte nie gegeben, inclusive dem maoistischen Massenmörder Pol Pot in Kambodscha. Und US Truppen hätten niemals Südostasien betreten, weil es dort keinen Kommunismus gegeben hätte...


Und ohne Stalin und Mao hätte es diese Kreaturen auch nicht gegeben: Massenmörder Pol Pot


und auch keinen kommunistischen Vietkongdiktator Ho chi minh, der zumindest der USA eine peinliche Niederlage beibrachte

Insgesamt gesehen hätte ein erfolgreiches deutsches Attentat auf Stalin der Welt sehr viel Leid erspart.


Kartenquelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausl...otobox_1_411214