Fast ein strategisches Geschenk: Leningrad

Der russische Raum Osteuropas öffnet sich trichterförmig nach Osten, und ein riesiges Sumpfgebiet (Pripjet) von 600 km Länge und 200 km Breite - am westlichen Rand etwa in der Mitte gele­gen - teilt ihn in zwei Hälften. Einem militärischen Angreifer drängt diese geographische Eigenart eo ipso eine Flügelstrategie auf - mit einem empfohlenen Vorstoß nach Nordosten und Südosten.

Ehe sich das Land zwischen Ostsee (Finnischer Meer­busen) und Schwarzem Meer (Krim, Kaukasus) ostwärts in endlo­sen Weiten auszudehnen beginnt, fangen es die Flussbarrieren des Dnjepr im Süden und der Düna im Norden noch einmal auf und begrenzen es. Der Angreifer wird somit seine Operationen in dem noch überschaubaren, ausmessbaren Gebiet westlich der beiden Flüsse vollenden wollen; gelingt ihm das nicht, kann er sich zwi­schen Kaukasus und Weißem Meer (sie liegen ca. 3000 km von­einander entfernt) selbst mit großem Militärpotential hoffnungslos verlieren.


Der Angriffsplan auf Leningrad - Nur die Finnen spielten später nicht mit - sie blieben auf der alten Grenze stehen, um die Eroberung Leningrads deutscherseits erst einmal abzuwarten...

Die Flügelstrategie soll sich auch auf den Faktor Raum an sich ein­stellen: ungeheuerlich groß, mit weit auseinander liegenden Lebens- und Kraftzentren, die einen einzigen Angriffsschwerpunkt ausschließen. Der Angreifer muss mit einem Doppelschwerpunkt seiner Kräfte reagieren und seine Armeen strategisch trennen; anders kann er eine schnelle Entscheidung nicht erzielen. Schwerpunkte auf zwei Seiten - und einen weiteren Schwerpunkt in der Mitte? Nur dann, wenn der dritte vorübergehender Natur ist und dazu dient, die feindliche Front zentral aufzubrechen, um den Feind an den Flügeln aus seinem eigenen Landesinneren von hin­ten zu packen! Auf welchem Flügel winkt dem deutschen Angreifer der schnelle­re, leichtere Erfolg? Im Norden - mit Leningrad!

Keine andere Stadt in der Sowjetunion, von der Größe und Bedeutung, bietet günstigere Eroberungsmöglichkeiten. Von der deutschen Grenze 1941 etwa 750 km entfernt, von der finni­schen sogar nur 150-170 km, lässt sich das Stadtgebiet auf natürli­che Weise umfassen und isolieren. Im Norden der finnische Bundesgenosse, im Westen das Meer, im Süden, Südwesten und Südosten die deutschen Panzerarmeen: sie sperren die Landbrücke zwischen Peipussee und Narwa, zwischen Peipussee und dem großen Wolchowfluss; diesseits von Wiborg schließen die Finnen das karelische Gebiet zwischen dem Meerbusen und Ladogasee ab. Müheloser als es ein nach Westen und Osten offenes Landgebiet zulassen würde, können die Angreifer diesen geografischen Schlauch abschnüren. Die Verteidiger sind von vornherein benach­teiligt. Nicht nur wird Leningrad von der Sowjetunion getrennt - nein, die Sowjetunion durch die Eroberung der Stadt vom ganzen Ostseeraum.

Der Raum Leningrad gewährt mit der im Westen vorgelagerten Ostseeinsel Kronstadt der Baltischen Rotbannerflotte eine feste Basis. Wer die Stadt erobert, schneidet der Flotte die Lebensadern durch. Das Meer wird feindfrei: für die Angreifer von immenser Bedeutung!


Rollte direkt aus den Panzerwerken bei Leningrad an die Front: der überschwere KW-1

Leningrad besaß die modernsten Produktionsstätten für Panzer, Artillerie und Munition. Hier stellten die Sowjets ihre überschwe­ren KW-1-Panzer her, die den deutschen Panzern überlegen waren. Ja, sie erzeugten in den übergroßen Fabriken in und um der Stadt einen wesentlichen Teil dessen, was ihre Armeen zu ihrer Schlagkräftigkeit bedurften. Auch das Hinterland wird von der Stadt abgetrennt, wenn die deut­schen Angreifer die wichtige Eisenbahnlinie Moskau - Leningrad durchschneiden, die fast schnurgerade in der kürzesten Städteverbindung diagonal über 600 km verläuft. Das bedeutet: keine Truppenverstärkung von der Hauptstadt und vom Vorland zur Ostseemetropole, keine Waffenlieferungen von dort zur Hauptstadt mit Vorland!

Über Warschau, Ostpreußen östlich passierend, geht eine direkte Eisenbahnlinie nach Leningrad. Ist das Baltikum besetzt und die Zielstadt der Heeresgruppe Nord eingenommen, besteht ein zuver­lässiger, schneller Kontakt zu den Finnen und zur nördlichsten Front am Eismeer:alle kriegsnotwendigen Lieferungen, Verstärkungen und Versorgungen des Waffengefährten und der eigenen Truppen sind gesichert; der Seeweg, Luftweg, Landweg im Norden Russlands ist für Deutsche und Finnen frei!

Leningrad symbolisierte die sowjetische Ideologie. Hier flammte 1917 die Oktoberrevolution auf, von hier aus breitete sich der Bolschewismus im ganzen Lande aus. Die Stadt war „Exponent der Revolution"; ihre Einnahme mußte Fanalwirkung haben. Wie spä­ter Stalingrad die Wende zur Niederlage wurde, so würde Leningrad die Eröffnung des Sieges - der stärkeren Weltanschauung über die schwächere; die Welt würde es so verste­hen. Bei der russischen Mentalität, nach seelischen Aufschwüngen rasch in Apathie und Niedergeschlagenheit zu versinken, musste eine militärisch bedingte Depression, ausgelöst durch den uner­wartet schnellen Fall der ideologisch bedeutsamen Stadt, verhäng­nisvolle Folgen haben.

So war Leningrad ein exponiertes strategisches Angebot wie nirgendwo anders im fremden Lande; es auszuschlagen - eine opera­tive Todsünde! Hitler ordnete daher an, in erster Linie diese Stadt einzunehmen, „in möglichst kurzer Frist", so schnell wie möglich. Er begriff: diese Aufgabe war zeitlich und kräftemäßig überschau­bar; und sie war vor allen anderen weit schwierigeren Aufgaben zuerst zu bewältigen. Hier im nahen Norden Russlands schienen für seine Truppen „Kräftemaß und Möglichkeiten günstiger zu liegen" als anderswo.

Konnten seine schnellen Panzer, drangen sie überraschend und den Feind verwirrend vor, nicht täglich 75 km zurücklegen? Würden sie in schwerere Kämpfe verwickelt, mochte die tägliche Strecke etwas kürzer ausfallen. Doch der Feldherr war überzeugt: Wenn wir alles daransetzen, werden wir in drei Wochen in Petersburg sein (er hatte Lenin für sich schon besiegt)! Hitler sah es vor sich: Vom Norden her geschützt (Finnen), wie auch vom Westen (deut­sche Marine), vom Süden (Eisenbahn- und Straßenverbindung zur nahen deutschen Heimat) und vom Südwesten (befreites, befreun­detes Baltikum) - war die deutsche Truppe in einer stabilen Position, an einem „festen Platz": winterfest, gut eingebunden, vor dem Feind sicher. [...]



Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Geforderte Beweglichkeit

Der deutsche Angreifer wusste: In Russland werden sich die Fronten weit ausdehnen, das Land ist riesig. Das verschafft jeder Durchbruchsoperation mehr Bewegungsraum als beispielsweise in Westeuropa, wo der Frankreichfeldzug ein Jahr zuvor mit dem flankierenden Panzervorstoß durch die Ardennen so glänzend gelungen war. Hier im „wilden Osten" fehlen die natürlichen Bewegungsbegrenzungen, die den fliehenden Gegner festhalten, nach Art des zwischen England und Frankreich verlaufenden Ärmelkanals.

Anders bei Leningrad. Die Grenze, die den Feind bannt, ist die überlange, mehrfach eingebuchtete Ostseeküste. Sie weist dem deutschen Vormarsch die Richtung, begrenzt ihn auf natürliche Weise und unterstützt ihn, indem sie, einen Auslauf ins Weite und Leere verhindernd, der operativen Bewegung ihre innere, geballte Kraft bewahrt. Klotzen, nicht kleckern, hieß es in der Soldatensprache Guderians. Ein massi­ver Stoß der Panzer im (nahen) Norden schneidet fünf feindliche Armeen ab; er drängt sie nach Westen zur Ostseeküste. Dieser Stoß besitzt eine klare Ziellinie: die Nordküste Estlands (Reval - Narwa), Leningrad, die Front der entgegenkommenden Finnen.


deutsche Panzertruppen in Reval - damit erreichte man die lange estnische Ostseeküste zum finnischen Meerbusen

Je schneller und entschlossener die deutschen Panzer die baltischen Länder durchfahren, um so mehr schwindet ihre Gefährdung, weil sie dort, wo sie hinwollen, Schutz und Verstärkung erhalten und sich nach dem kühnen Stoß, der eher kurz als lang ist, bereits am Ziel wissen können. Gibt es in der Sowjetunion einen Blitzfeldzug, dann hier im Norden! Ein weit in den feindlichen Raum sich vorwagender Panzerkeil stellt ein Risiko dar. Doch seine Sicherheit beruht gerade darauf, in Bewegung zu bleiben, dem Gegner keine Zeit zu lassen, neue Kräfte heranzuführen; er soll Verwirrung und Panik in die rück­wärtigen Gebiete bringen. Nur so kann das feindliche Führungsnetz zerrissen und eine planmäßige sowjetische Kräfteansammlung verhindert werden.

Der deutsche Vorstoß aus Ostpreußen bietet (auf den ersten Blick) keine allzu großen Schwierigkeiten. Die Ostsee im Nordwesten erlaubt auf baltischem Boden kaum großräumige Feind­bewegungen. Die Angreifer müssen nur schnell genug über die Düna hinauskommen, nordwestwärts in den Bereich Opotschka und die Sowjets daran hindern, sich nach Osten abzusetzen.

Der Operationsplan sah zudem drei Seitenarme vor, die aus dem nordostwärts zielenden Hauptstoß nordwärts vorstoßen und das Land durchschneiden: der erste in Richtung Riga, der zweite in Richtung Reval, der dritte in Richtung Narwa: drei verwegene, aber solide Möglichkeiten, die feindlichen Armeen voneinander zu trennen, sie auseinander zu treiben, zu isolieren und an den Küsten zu erdrücken.

Wo bot der russische Raum noch solche strategischen Chancen?


Die bessere Versorgung


war vor Partisanenüberfälle relativ sicher - das Schienensystem im Baltikum

Die Versorgungslage der Heeresgruppe Nord würde bei weitem besser sein als an der übrigen Ostfront. Das Gelände im Baltikum gleicht dem in Ostpreußen, es ist den Deutschen vertraut; es ist flach, nur gelegentlich hügelig. Die wenigen, brauchbaren Straßen reichen aus, um ins Land einzudringen. Das Gelände ist für Motorenfahrzeuge leichter zu bewältigen als anderswo; nur östlich des Peipussees im Ingermanland wird die Gegend waldreicher und unwegsamer. Doch die Landenge im Norden des Sees, zur Narwabucht hin, bie­tet Raum genug, solche Schwierigkeiten zu vermeiden.

Das Eisenbahnnetz ist noch günstiger als das Straßennetz. Dichter als im mittleren oder südlichen Russland verlaufen die Verbindungslinien von den größeren Hafenstädten ins Landes­innere - von Libau, Windau, Riga, Reval, Narva ins Kurland, Livland, Ingermanland, ausgehend von der Hauptlinie Ostpreußen - Leningrad. Ein Angreifer, der nicht nur über das Land, sondern auch über das Meer vorging, konnte die Eisenbahnverbindungen zwischen den Seehäfen und den Landstädten nutzen; er konnte seine Truppen vom Osten und vom Westen über die Bahn versor­gen.

Sollte es den Verteidigern gelingen, Gleise aufzureißen, Schienen zu sprengen, Waggons und Bahnhöfe zu zerstören , wie später den Partisanenbanden an der Mittelfront): Mit der Eroberung der baltischen Häfen würden Seetransporte die Landverbindungen entlasten. So war das Urteil der vorausblickenden Versorgungsexperten der deutschen Wehrmacht optimistisch: Die Heeresgruppe Nord ist wegen der besseren Bahnverbindungen und der Zufuhr über die Ostsee begünstigt! Auch die leistungsfähige „Rollbahn" (Land- und Verkehrsstraße), die von Lübeck, Stettin, Königsberg unmittelbar bis Reval und Leningrad verläuft, verschafft dem Angreifer Vorteile.

Hitler wusste, warum ihm der unbehinderte Seeweg im Norden (und auch im Süden, wie wir sehen werden) so wichtig war: Ein zügig rollender Nachschub wäre der Schlüssel zum Sieg! - zumal wenn er sich aus Straße, Schiene und Wasserweg addiert; er wird so noch sicherer. Drum bestand der Führer bereits in einer Besprechung des Wehrmachtführungsstabes am 03.02.1941 dar­auf: Die deutsche Marine muss beschleunigt die Nachschubwege nach den baltischen Häfen öffnen! - Warum sollten die Kräfte der dritten Waffengattung nicht mit eingespannt werden? Der erwarte­te totale Landkrieg macht ihren Einsatz für den Gegner eher zur Überraschung!

Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Seeherrschaft über die Ostsee

Nur eine starke russische Flotte konnte diese bestechende Lösung des deutschen Nachschubproblems blockieren. Wie stand es um die Stärke der Seekräfte auf beiden Seiten?


Wäre die Ostsee im September 1941 feindfrei geworden hätte man alle aufgeführten deutschen Ostsee-Einheiten, inklusive der wertvollen Schnellboote auf andere Kriegsschauplätze eingesetzt werden können! Für die zahlenmäßig schwache Kriegsmarine ganz besonders wichtig!


28 deutsche Schnellboote hätten zum Beispiel ab Spätherbst 1941 die deutschen S-Flottillen am Ärmelkanal verstärken können!

Die Deutschen konnten in der Ostsee über 28 Schnellboote verfü­gen, über 5 U-Boote, 10 Minenschiffe, 3 Flottillen moder­ner Minensuchboote; über 5 Fischdampferflottillen, 2 Räumbootflottillen, 3 Sperrbrecher zum Räumen von Magnetminen, 2 Minenräumschiffe mit Motorbooten an Bord.

Und die Finnen: über zwei Küstenpanzer, sechs Schnellboote, fünf U-Boote und einige Minensuch- und Vorpostenfahrzeuge.

Nach einer anderen Aufstellung, auf den Bestand von 1944 bezo­gen, besaßen die Deutschen: drei Minensuchflottillen, 34 M-Boote, 15 Minenräumboote, sechs Boote eines kleineren Typs, 120 Fischdampfer, Kriegsfischkutter, Walfangboote, Dampflogger und einige alte Minensuchboote aus dem 1. Weltkrieg. Gut geeignet für Transportaufgaben waren 40 Marine-Fährprähmen.


das sowjetische Schlachtschiff Marat - bedrohlich aber bereits veraltet, als der Krieg begann

Und die Sowjets (überhaupt): zwei Schlachtschiffe, drei Kreuzer, 35 Zerstörer und Torpedoboote, 96 U-Boote, 110 Schnellboote. Wie wichtig dem Feind die Beherrschung der Ostsee war, sieht man daran, welche Bestände er von der Gesamtflotte (Schwarzes Meer, Pazifik (Wladiwostok)) allein im finnischen Meerbusen sta­tionierte, nämlich: zwei Schlachtschiffe, zwei Kreuzer, 40 Zerstörer, sechs Torpedoboote, mehr als 100 leichte Torpedoboote und 93 U-Boote!

Nach einer anderen Aufstellung hatten die Sowjets in Kronstadt: ein Schlachtschiff, zwei Kreuzer, elf Zerstörer, sechs Torpedoboote.


Der vernichtende Bombenangriff Rudels auf die Marat - sie ging nicht restlos unter. Später wurden einige Geschütze wieder soweit hergerichtet, um auf deutsche Positionen zu feuern...

Auf dem Papier eine beachtliche Streitmacht, mit deutlicher Über­legenheit gegenüber den Finnen und Deutschen! Doch die bloße Zahlenstärke bedeutet wenig. Vielfach waren die russischen Schiffe veraltet, schlecht bewaffnet und schwerfällig. Der Russe ist von Hause kein Seemann; er hat weder den Ehrgeiz noch die Fähigkeit dazu. Die deutschen Marineoffiziere aus dem Ersten Weltkrieg bekundeten vor der russischen Flotte wenig Respekt, und sie wurden darin keines Besseren belehrt.


Auch der Schlachtkreuzer Maxim Gorki lag in Kronstadt und beschoß von dort trotz Bombentreffer die deutschen Stellungen - er und die gesamte weitere Baltenflotte der Sowjets wären vernichtet worden, wenn Leningrad erobert worden wäre

Die sowjetische Marine erwies sich als außerstande, operative und taktische Lagen, die auf See schnell wechseln, rechtzeitig und entschlossen zu erfas­sen und auszunutzen. So besaß die deutsche Kriegsflotte gute Chancen, die Ostsee schnell zu beherrschen. Von Luftstreitkräften unterstützt und der finnischen Südküste als Ausgangspunkt, konnte sie sich auch auf kühne Unternehmungen einlassen. Doch in Hitlers Weisung heißt es: „Da nach dem Erreichen von Leningrad der russischen Ostseeflotte der letzte Stützpunkt genom­men und diese dann in hoffnungsloser Lage sein wird, sind vorher größere Seeoperationen zu vermeiden." - In dem Fall bedrohen die Finnen die Feindflotte von ihrer Südküste und den vorgelager­ten Inseln aus; die deutsche Flotte sorgt dafür, dass der Feind nicht nach Südwesten ausbrechen kann.

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Die Ostsee befriedet hieß auch: keine sowjetische U-Boot Gefahr mehr. Und völlig egal wie der Krieg bei einer Eroberung Leningrads ausgegangen wäre: eine Versenkung der Gustloff wäre nie geschehen!

Ist die Ostsee „befriedet", soll der Nachschubverkehr über See mit Küstenmotorschiffen und kleineren Fahrzeugen ablaufen; beson­ders die kleinen Minenräumboote eignen sich dazu. Sie sind wen­dig und flachgehend, rutschen gefahrlos über die meisten Minensperren hinweg. Sie können Geleite sichern, Munition beför­dern, Verwundete zurückbringen; auf einfachen langgestreckten Fähr-Prähmen werden Panzer verladen, mindestens drei auf einer Prähme. Man kann sie auch mit Granaten vollpacken, mit Geschützen und Gewehren; Versorgungsboote bringen Medika­mente, Verbandsstoffe, auch Nachschub an kampffähigen Männern.

Größere, stärker bewaffnete Schiffe sollen in die Landkämpfe ein­greifen, die Küsten und Häfen beschießen und sie nach ihrer Einnahme über Land vor feindlichen Angriffen schützen.[...]

Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Sichere Erztransporte


Im Jahre 1939 führte Deutschland insgesamt etwa 56 Millionen Tonnen an Rohstoffen und Gebrauchsmaterialien ein; davon kamen ca. 30 Millionen Tonnen über See ins Land.

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die strategisch wichtige Erzbahn von Kiruna nach Narvik

Der für die Kriegsführung wichtigste Anteil waren die Eisenerze aus Schweden, von den Gruben bei Kiruna - etwa 300 km nordwest­lich des nördlichen Ausläufers des Bottnischen Meerbusens, oder ca. 200 km südöstlich der Stadt Narvik, wo im Narviker Fjord während der Wintermonate die Erzverschiffung stattfand; im Sommer ging es hinüber zur Ostsee, über die Eisenbahnverbindung zum Ostseehafen Lulea im genannten Meerbusen; und zwar nach Deutschland elf Millionen Tonnen jährlich. Sie wurden dort drin­gend zur Stahlerzeugung gebraucht - und damit für alles Kriegsgerät! Generalstabschef Halder rechnete: Sind die sowjetischen Ostseehäfen im Baltikum ausgeschaltet, ist die sowjetische U-Bootflotte erledigt, und schafft man das in vier Wochen - dann bedeutet dieser Zeitraum für Deutschland den Gewinn von zwei Millionen Tonnen Erzen!

Wie lebenswichtig für Hitlers Beurteilung der Versorgungslage die Lieferungen aus Narvik waren, zeigt das Norwegenunternehmen im Frühjahr 1940. Der Feldherr riskierte den Einsatz von zunächst 2.000, später 4.000 Gebirgsjägern, die gegen eine zehnfache engli­sche Übermacht das Gebiet um Narvik besetzten und verteidigten. So war es für ihn ein logischer Schritt, im nördlichen Skandinavien nach der Winterseite auch die Sommerseite der Erztransporte abzu­sichern - die Route bestand schon 1940.

Das Barbarossa-Unternehmen gab ihm die Gelegenheit dazu: die Sowjets mussten aus den Häfen Libau, Windau, Riga, Reval und Narva vertrieben werden, ebenso von den Inseln Ösel und Dagö; nur so waren die kriegswichtigen Transportzüge aus Schweden ungefährdet. Hitlers Rüstungsindustrie bedurfte noch eines besonderen Rohstoffes aus dem Norden: des Nickels.

Der deutsche Vorrat an Nickel reichte nur für zehn Monate, 95 % des Bedarfs mussten aus Finnland bezogen werden. Im Kriege fielen die Lieferungen aus Übersee aus. Die deutsche Rüstungsindustrie war auf Nickelerze angewiesen; hochwertiger Stahl ließ sich ohne Nickel nicht her­stellen, Stahlplatten und Granaten brauchten Nickel.

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deutsche Truppen in Kirkenes

In Kirkenes, dem stärksten großdeutschen Seestützpunkt am Eismeer, einem eigentlich pri­mitiven norwegischen Hafen am Varangerfjord, wurde das wert­volle Metall verschifft. In kleinen Geleitzügen gelangte es um die Nordspitze Norwegens durch die Nordsee nach Deutschland. Zu Hitlers Verdruß waren die Transporte stets durch starke englische Seekräfte gefährdet.

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Lagekarte an der Barent-See 1940/41 mit der Nickel- und Eismeerstraße

Ein gemeinsames Vorgehen mit den Finnen, ein In-Schach-Halten der Sowjets im Norden der Halbinsel Kola musste den Abtransport des Erzes über die Eismeerstraße in Finnland - die Route gab es ebenfalls schon 1940 - nach Rovaniemi sichern, zu den finnischen Häfen Tornio oder Kemi, am Bottnischen Meerbusen, nordöstlich von Lulea.

Voraussetzung wäre natürlich: eine feindfreie Ostsee.

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Im Juli 1941 begann das Unternehmen Silberfuchs, um Murmansk zu erobern - mit völlig unzureichenden Kräften! Das Kartenmaterial zeigte angebliche Wege auf, die sich als Telegrafenleitungen herausstellten...


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Entladen von "Valentine"-Panzern im Hafen von Archangelsk (Anfang November 1941) - das Nahkriegsziel hieß jedoch Murmansk, denn der Hafen war ganzjährig eisfrei

Wenn im September 1941 Leningrad erobert worden wäre, hätten sehr viel mehr Kräfte zur Verfügung gestanden diesen einzigen eisfreien Hafen der Sowjets zu erobern. Das viel weiter entfernte Archangelsk war dagegen nur 6 Monate eisfrei - sehr unwahrscheinlich, ob diese ineffektive alliierte Nachschubroute überhaupt noch befahren worden wäre, wenn in Murmansk schwere deutsche Überwassereinheiten, wie die "Tirpitz" auf der Lauer gelegen hätten...

Wäre Murmansk noch 1941 gefallen (oder bis Sommer 1942), hätten die Sowjets den Krieg an der strategischen Murmanbahn verloren - mit weitreichenden Konsequenzen für die Nachschublage der Sowjets. Britische Matilda Tanks wären jedenfalls nicht mehr in Murmansk angekommen!

Und Hitler konnte noch mehr tun, um die Erzlieferungen zu garan­tieren. Die Nickelgruben lagen in der Nähe des finnischen Ortes Petsamo; wie bei Ploesti auf die rumänischen Ölanlagen fürchtete er auch hier feindliche Luftangriffe auf die Bergwerke. Um seine Öllieferungen zu schützen, mußte er mehrere sowjetische Armeen in der Südukraine vernichten; hier brauchte er nur zwei sowjetische Divisionen im 100 km entfernten Murmansk zu schlagen! [...]


Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Die Ostsee als Übungsplatz der Kriegsmarine

Hitler setzte auf den U-Bootkrieg; U-Boote herzustellen war billi­ger als große Schlachtschiffe zu bauen, zumal sich Deutschland mit der Überwasserflotte der großen Seemächte wie England und den USA nicht messen konnte. Am 13.04.1942 erklärte der Oberkommandierende gegenüber Admiral Raeder, der Sieg hänge davon ab, eine möglichst große Anzahl alliierter Schiffe durch U-Boote zu versenken!


Kronstadt aus der Luft - die Leningrad vorgelagerte Stadtinsel wäre der ideale Ausbildungs-Stützpunkt der Kriegsmarine geworden. Nicht nur wenn der Ostkrieg bis spätestens Ende 1942 entschieden worden wäre, sondern auch solange, wie man die Ostsee feindfrei halten konnte. Kein britischer Bomber hätte zu dieser Zeit diese Basis erreicht.


Der Einsatz der U-Boote musste länger und intensiver geübt werden als die Tätigkeit auf den großen Schlachtschiffen; schon die Raumenge verlangte exakt praktizierten Gemeinschaftsgeist und die genaue Abstimmung aller Handgriffe in Kampfsituationen. Für diesen Zweck bot sich die Ostsee auf ideale Weise als Übungs­gebiet an. Nach Anfangssiegen und Torpedokrise gegen die Engländer im Unterwasserkrieg musste die deutsche Marine Rückschläge hinnehmen. Der Feind hatte ein Ortungssystem entwickelt, das die deutschen U-Boote selbst noch in tieferen Gewässern aufspürte; die Verluste stiegen an.


elektrische Walter -U-Boote, wie die U-793 wären in viel größerer Zahl noch zum Einsatz gekommen - einfach aus dem Grund, dass eine Eroberung Leningrads mit Kronstadt, den Ostkrieg mindestens wesentlich verlängert oder gleich ganz zu Gunsten Deutschlands entschieden hätte


Die Kriegsmarine versuchte den Schlag zu parieren und arbeitete an Booten, die über viele Wochen nicht aufzutauchen brauch­ten und die obendrein mit Elektroantrieb fuhren; Hitler setzte große Hoffnungen auf sie. So beteuerte er im Juli 1944, während eines Lagevortrages auf dem Obersalzberg: Wenn er den U-Boot-Krieg nicht wieder aufnehmen könne, müsse er den Krieg beenden!


U-Boot Stützpunkt Pillau - Im Unterschied zu Kronstadt rückte Pillau im Laufe des Krieges in Operationsreichweite alliierter Bomber. Im September 1943 bombardierten 11 britische Mosquitos Gotenhafen und Pillau und im April 1944 griffen 36 Mosquito-Bomber den ostpreußischen Hafen an.

Dabei dachte er an die Ostsee als Übungsraum für seine jüngsten Marinemänner, und er dachte an Pillau in der Danziger Bucht, dem Hauptstützpunkt für die U-Boot-Ausbildung. Kronstadt und Leningrad lagen jedoch soweit weg, dass man dort wesentlich länger völlig ungestört ausbilden konnte und gleichzeitig die eroberten Werfen und Docks für die Kriegsmarine nutzen konnte.


Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Die Gunst des Baltikums


Die Sowjets waren in den baltischen Staaten, wo sie 1940 einrück­ten, zum Schrecken der Bevölkerung geworden. Stalin ließ Massenverschleppungen und Hinrichtungen durchführen, denen Tausende von Intellektuellen (Professoren, Lehrer, Geistliche, höhere Beamte) zum Opfer fielen. Bis zum 22.06.1941 wurden aus Litauen 34.200 Personen verschleppt, aus Lettland 14.693 und aus Estland 10.200; die Zahl der gleichzeitig Hingerichteten ist unbe­kannt geblieben. In Lettland und Estland - Litauen war eher polnisch durchsetzt - leb­ten viele Volksdeutsche und Deutschstämmige. Besonders das Esten-Volk sei zur Hälfte germanisch, von dänischem, deutschem und schwedischem Blut. Die ersteren durften, wenn sie wollten, nach einer deutsch-sowjet­ischen Vereinbarung in die deutsche Heimat zurückkehren, die anderen nicht; aber ihre Blicke richteten sich sehnsüchtig nach Südwesten zum Hoffnungsträger Großdeutsches Reich.


Deutsche Truppen 1941 in Wilna - In Litauen scheiterte im März 1943 der Versuch, Freiwillige zu einer litauischen SS-Legion einzuberufen; nur jeder fünfte ließ sich mustern. Als schließlich Anfang 1944 doch ein Freiwilligenverband aufgestellt wurde, musste er im Mai 1944 wieder aufgelöst werden, weil die litauischen Einheiten sich weigerten, einen Eid auf Hitler abzulegen. Die litauische Freiwilligenwerbung hätte anders ausgesehen, wenn der Ostkrieg erfolgreicher verlaufen wäre - inklusive eine erfolgreiche Eroberung Leningrads, den Geburtsort der bolschewistischen Revolution!

Die Balten hatten schon immer eine große Neigung zum deutschen Volk besessen; ihre 700-jährige Geschichte verpflichtete sie Mitteleuropa, und fast alle dachten deutschfreundlich. Die Volksdeutschen, die unter ihnen lebten, genossen ein gutes Ansehen. Auch sprachlich bestand keine Barriere; viele Einwoh­ner sprachen fließend deutsch. So machten sich diese Länder berechtigte Hoffnungen, unter Deutschlands Führung gut zu leben, und dabei eine selbständige Provinz des Großdeutschen Reiches zu verkörpern. Das Verhältnis der Bevölkerung zu den deutschen Soldaten war qualitativ anders als in den besetzten Gebieten der Sowjetunion.


Riga wird von den Sowjets befreit - die deutschen Soldaten werden dementsprechend gefeiert! Die Gesamtzahl der Letten, die in Polizei, SS- und Wehrmachtseinheiten kämpften, wird auf rund 110.000 geschätzt, darunter 2 lettische Divisionen der Waffen-SS

Die Balten, keine Slawen wie Russen, Ukrainer und andere, dach­ten von Natur antislawisch, antisowjetisch, und sie waren nach Hitlers Meinung dazu bestimmt, den Wall gegen das asiatische Moskowitentum mitzubilden. Ihnen gebührte daher der Status eines geachteten Bundesgenossen. Schien es nicht ein unerwartet günstiger Umstand für den deutschen Führer, den übermächtigen Feind durch „Freundesland" hin­durch angreifen zu können - und so den Weg nach Leningrad auf 150 km pures Feindesland , daß erst hinter dem Narwa-Grenzfluss Estlands begann - zu verkürzen?

War bei diesem Vormarsch nicht sogleich mit Unterstützung zu rechnen?


Noch während der deutschen Befreiung Revals, setzten sich erste estnische Freiwillige auf deutsche Panzer. Ca 70000 estnische Freiwillige kämpften auf deutscher Seite gegen die Sowjets

In den kommenden Jahren genossen die Balten viele Bevorzugungen. Deutsche und einheimische Verwaltungsorgane ergänzten sich, die allgemeine Wirtschaftslage entwickelte sich besser, als die Kriegszeiten erwarten ließen. Die Lebensmittelpreise lagen niedriger als anderswo im Osten, und man baute wertvollere Feldfrüchte an; Kulturgüter wurden gepflegt, Universitäten, Schulen, Museen, Bibliotheken unterhal­ten. Als Mitglieder des deutschen Neuordnungsbereichs rangierten die Balten erheblich oberhalb des Niveaus, das die deutsche Besatzungsmacht sonst für die Ostländer gestatteten.

Allerdings wurde die sowjetische Verstaatlichung von Wirtschaftsunternehmen beibehalten, und die Deutschen übernahmen die Kontrollfunktionen. Auch die Siedlungsplanungen sprachen gegen einen vollen Erfolg der deutschen Politik. Nach Himmlers Vorstellungen sollten Deutsche angesiedelt, „rassisch Minderwertigere" vertrieben, andere assimi­liert, germanisiert oder gar vernichtet werden. So wären die der­zeitigen Bewohner nicht die eigentlichen Nutznießer eines Anschlusses ans westliche Europa geworden.

Die militärischen Konsequenzen der sich anbahnenden Annäherung: der den Balten zugesagte Autonomiestatus berechtigte die deutsche Wehrmacht, insbesondere die Waffen-SS, unter den Einheimischen Kriegsfreiwillige in eigenen Verbänden anzuwer­ben. Neben rassischen und ideologischen Bedingungen, die diese jungen Letten und Esten - die Litauer weniger - zu erfüllen hatten, durften sie nie in der Roten Armee gedient haben.


Pernau 1942 - egal wo man hinkam in Estland, in jeder Stadt wehte die estnische Fahne!

Der Reichsminister SS Heinrich Himmler, der sich persönlich enga­gierte, war von ihrer militärischer Tauglichkeit sehr angetan; er wollte über die Freiwilligkeit hinaus eine generelle Mobilmachung durchsetzen, und es gelang auch, einige SS-Brigaden und SS-Divisionen aufzustellen, die zu den besten der auf deutscher Seite kämpfenden verbündeten Soldaten gehörten. Selbst noch im Februar 1944, in aussichtsloser Lage, verteidigten diese Elite­verbände die Hafenstadt Narwa gegen die angreifenden Sowjets! Himmlers Werber rekrutierten ca. 30.000 Balten - erstaunlich in Zeiten militärischer Unsicherheiten und deutscher Niederlagen, wo es noch nicht entschieden war, welcher Seite sich der Endsieg zunei­gen würde!

Doch wie viele kampffreudige Freiwillige, Angeworbene und Eingezogene wären es wohl gewesen - nach einem schnellen Fall Leningrads, nach einer frühzeitig geklärten Lage an der nördlich­sten Front in Nordfinnland? Hunderttausende Esten und Letten hätten begeistert militärische Ordnungs-, Schutz- und Sicherungsaufgaben im eigenen Lande übernommen! Darüber hin­aus hätten sie an den weiteren Kämpfen gegen den verhassten, nun schon angeschlagenen Feind siegbesessen teilnehmen wollen. Ein starker linker Flügel der Hitlerschen Flügelstrategie könnte sich als „Erlösungspotenz" erwiesen haben, die zum Kampf befreite! Schnelle Panzerdivisionen wurden in den anderen russischen Kampfzonen dringend für den Vormarsch gebraucht; hier im Norden wären sie nach einem frühen Fall Leningrads frei geworden, denn hinter dieser Stadt warteten nur Sümpfe und unwegsames Gebiet.

Und Hitler wollte ohnehin die regulären Truppen herausnehmen und nach der Abschnürung und „Befriedung" des ganzen baltischen Raumes nur kräftesparende Landwehrdivisionen einsetzen. [...]


Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Der vermiedene Partisanenkrieg


Auf dem östlichen Kriegsschauplatz, den Balkan eingeschlossen, belasteten Partisanenbanden das Kampfgeschehen. Sie traten stets im Rücken der Front auf und bildeten wenn möglich geschlossene Einheiten, die auch mit schweren Waffen ausgerüstet waren. Niemand auf deutscher Seite, schon gar nicht die Aufklärung Fremde Heere Ost, ahnte die Ausmaße der Schäden, die diese heimtückische Kriegsführung anrichten würde; niemand schätzte die Gefahren angemessen ein, die für die deutschen Heerestruppen entstehen sollten. Überfälle aus dem Hinterhalt fesselten die deut­schen Verbände, und bald nach Beginn des Partisanenkrieges in Russland waren schon sechs Divisionen gebunden, die an der Front und im Ersatz fehlten. Die deutsche Heeresleitung, besonders Generaloberst Halder, weigerte sich, darin eine ernstzunehmende „Bedrohung des Operationsablaufes" zu sehen. - Man sollte sich gründlich täuschen.

Unter welchen Bedingungen entwickelten sich Partisanen­bewegungen? Sie mussten in der Bewohnerschaft eines Landes Rückhalt haben; die Unzufriedenheit mit dem Herrschaftssystem, unter dem die Sowjetbürger seit mehr als zwei Jahrzehnten ver­geblich auf wirtschaftliche Besserungen und gesellschaftliche Freiheiten hofften, musste von der Unzufriedenheit unter dem System der Besatzer übertroffen werden.

Bekanntlich enttäuschten die Deutschen besonders die ukrainische Freiheitsbewegung. Sie behielten das Kolchossystem bei, das Privatbesitz in der Güterproduktion verhinderte, und beuteten im Sinne der Kriegswirtschaft rigoros die besetzten Gebiete aus. Der Ernährungsstand der Bevölkerung wurde immer bedrohlicher, und sie weigerte sich vielfach, ihren Abgabe­verpflichtungen nachzukommen. Zeitgleich wurde der Partisanenkrieg von Stalin generalstabsmäßig geplant und gewaltsam umgesetzt. Partisanenbanden raubten die eigene Bevölkerung aus, um sich zu versorgen. Wer sich verweigerte wurde ermordet. Im Bandengebiet leben zu müssen, bedeutete die letzte Kuh herzugeben, den Nachbar zu bespitzeln, die eigenen Söhne für die Banden herzugeben, selbst wenn sie minderjährig waren. In der Ukraine bildeten sich reine ukrainische Banden, die ausschließlich sowjetische Banden und später noch polnische Banden bekämpften, während man gefangene deutsche Soldaten nur entwaffnete und dann laufen lies.

Bei der rückwärtigen Bandenbekämpfung wurde der rote Bandenterror mit entsprechenden Gegenterror bekämpft, der eine weitgehende Befriedung des Gebietes verhinderte. Sowjetische Partisanen wurden im Verlauf des Krieges politisch geschult und von Kommissaren geführt. Waffen wurden entweder erbeutet oder von den Sowjets abgeworfen. Viele Bandengebiete hatten sogar geheime Flugplätze, wo ein regelrechter Pendelverkehr aufgebaut war.

Um sich von dem unangenehmen Geruch zu befreien, mit dem Feind kollaboriert zu haben, wurde mit äußerster Brutalität gegen deutsche Gefangene und auch gegen die eigene Bevölkerung vorgegangen. Eine Verhaltensweise, die besonders zu Kriegsende in Prag einen traurigen Höhepunkt erreichte, als ein tschechischer Mob in einem blutigen Pogrom über die deutsche Stadtbevölkerung Prags herfiel!


Hinter der Heeresgruppe Mitte: Partisanenbanden sprengen Schienenstränge...

Sogleich zu Beginn des Ostkrieges, am 3. Juli 1941, rief Stalin in einer Rundfunkrede aus Moskau die Zivilbevölkerung in den über­rannten und bedrohten Gebieten zum totalen Partisanenkrieg auf. Partisanen sollten zu Fuß oder zu Pferde den Feind bekämpfen; sollten Brücken und Straßen spren­gen, Telefon- und Telegrafenleitungen zerstören, Vorratslager und Eisenbahnzüge in Brand stecken. Der sowjetische Diktator erwar­tete offenbar keine spontanen Widerstandsreaktionen seiner Landsleute; er gründete in der Hauptstadt einen zentralen Partisanenstab, der überall den gewünschten Widerstandswillen anstacheln sollte.


Wurde man bei den Partisanenbanden der Kollaboration bezichtigt, folgte augenblicklich die Todesstrafe!

Zwei Tage vorher, am 1. Juli 1941, hatte das Zentralkomitee der kommunistischen Partei Weißrußlands eine Direktive formuliert, die die Aufgaben eines Partisanen mit weiteren Übeltaten beschrieb: Kraftfahrzeuge und Flugzeuge anzünden, Treibstofflager vernichten, den Feind töten mit Beilen, Sensen, Brecheisen, Heugabeln, Messern ... Bald arbeiteten Partisanen und Rote Armee zusammen und eröff­neten den „Krieg auf dem Schienenstrang" (relsowaja woina). Russische Transportflugzeuge warfen an Fallschirmen große Mengen Sprengstoff ab, und die Partisanen ließen Tausende von Sprengsätzen detonieren, die die Bahngleise zerstörten und die Eisenbahnverbindungen der deutschen Wehrmacht unterbrachen. Mitglieder der kommunistischen Untergrundorganisation blieben befehlsgemäß zurück und ließen sich vom deutschen Vormarsch überrollen; um sich sammeln und verstecken zu können, bevor­zugten sie undurchdringliche Wälder, Inseln in Sümpfen, größere, nur schwer kontrollierbare Wald- und Sumpfgebiete. Hier legten sie ihre Verpflegungslager an, stapelten Waffen und drillten Neulinge in mörderischen Einsatztechniken. Je stärker sie im Laufe des Krieges wurden, um so mehr verfügten sie über eigene Panzer, Feldgeschütze, Flugplätze, Lastensegler.


Fotografiert in einem weißrussischen Bandengebiet 1942. Eine Partisanenbande hat ein deutsches Fahrzeug überfallen, alle Deutschen ermordet und plünderten danach die Leichname bis auf die nackte Haut aus!

Sie überfielen Wachtposten, Meldefahrer, Nachschubfahrer, Sanitätsfahrzeuge, manchmal sogar kleinere Wehrmachtseinheiten - bevor sie sich später in regelrechte Schlachten wagten. Ca 500.000 Personen wurden auf diese Weise getötet: Soldaten, Offiziere, Polizisten, aber auch russische Antikommunisten.

Welche Gebieten der Sowjetunion waren Bandengebiete?


Partisanengefahr - Hinweisschilder drohen mit der Todesstrafe

Man kann die Antwort an den sechs großen Operationen ablesen, die die deutsche Wehrmacht gegen deren Stützpunkte im Winter, als die Sümpfe zufroren, durchführte: westlich von Bobruisk, zwi­schen Minsk und Gomel, im Gebiet Tscherwen-Osipawichi; bei Slonim in Weißrußland, ca. 100 km südlich der litauischen Grenze; im ehemaligen Ostpolen; östlich von Pinsk, in den Pripjet-Sümpfen, in dem Riesengebiet beiderseits der Eisenbahn Brest -Gomel; in der Nähe von Borissow, nördlich von Minsk, bis an die Bahnlinie Minsk - Moskau; im Norden bis Polotsk, nordwestlich von Witebsk, an der Bahn Moskau - Riga, in einem straßenlosen Gebiet von Seen und Sümpfen.

Alle Bandengebiete dieser Größe und dieser Bedeutung lagen ausnahmslos im Frontgebiet der Heeresgruppe Mitte, die auf dem Weg nach Moskau war - an deren langem Nachschubweg! Hier, fast nur hier, agierten die Partisanen in Divisionsstärke, waren sie erstklassig ausgerüstet, standen unter kundiger Führung und richteten den größten Schaden an!In den baltischen Staaten kämpften kaum Partisanen; erst außer­halb ihrer Grenzen konnten sie ihr Unwesen treiben, auch bald im Süden Leningrads, nördlich von Pleskau, zwischen Peipussee und llmensee.


Im Raum Leningrad von Partisanen vernichteter deutscher Somua-Beutepanzer (1943)

Die Sowjets richteten in Leningrad eine Partisanenschule ein, in der die geeigneten Männer in Sabotage- und Spionageaktionen ausgebildet wurden. Sie töteten bis zum März 1943 fast 17.000 deutsche Wehrmachtsangehörige - im Umfeld der belagerten Stadt. Mit anderen Worten: sie löschten fast eine vollständige Division aus! Diese Verluste wären in dieser Größenordnung niemals entstanden, wenn Leningrad Mitte September erobert worden wäre!


der unfähige Reichskommissar Erich Koch

Auch in der flachen, wenig bewaldeten Südukraine konnten die Partisanen nicht viel ausrichten - obwohl gerade hier der unfähige Reichskommissar Koch wirkte. Und natür­lich fand auch im industriellen Donezbecken kein Partisanenkrieg statt. Und das war insgesamt der Kampfplatz auf dem südlichen Flügel! In den ersten Monaten des Ostkrieges erzielten die sowjetischen Widerstandskämpfer nur geringe Erfolge; vor Mai 1942 konnten, da die beschriebenen Voraussetzungen fehlten, noch keine Kämpfe hinter der Front ausbrechen; kam das vor, dann handelte es sich um Einzelaktionen, wiederum nur an der Mittelfront, an der Eisenbahnlinie nach Moskau! Anders betrachtet: die Flügelstrategie des Urplans hätte den blu­tigen, verlustreichen Partisanenkrieg weitgehend vermieden!

Die Gründe:

Der Flügelplan lässt dem Gegner keine Zeit und Gelegenheit, größere Siege zu erzielen; Erwartungen an eine zurückkehrende Rote Armee entstehen nicht. Stalins Appell beginnt erst zu wirken, als seine Armee offensiv wird; selbst deren erste Großoffensive, im Winter 1941/42, hätte der Urplan unterlaufen. - Partisanen treten erst auf, als die deutsche Mittelfront im Dezember 41 die vorgeschobene Position bei Tula/Orel preisgibt.

In den deutschfreundlichen Gebieten des Nordens und Südens finden Partisanen unter der Bevölkerung keinen Widerhall. Die Einheimischen entwaffnen Widerständler sofort, treiben sie ausein­ander, zwingen sie zur Übergabe.

Hitler wollte gerade die Heeresgruppe Mitte in der zweiten Kampfphase kurzhalten, wollte ihre Angriffsaufgaben mindern, womit er Notwendigkeiten des gefährdeten Nachschubs über Land verringern wollte. Der Nachschub über die Meere schließt aber Partisanenüberfälle aus; er senkt das Risiko der notwendigen Straßen- und Bahntransporte.

Der Krieg im Osten wäre im besten Fall nach Einnahme des wichtigen Hafens Leningrad im Oktober 41 zu Ende gegangen - mindestens ein halbes Jahr vor Beginn des roten Bandenkrieges!
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Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Bindeglied im Eis: Murmansk


Die Russen hatten Murmansk im hohen Norden zu einer See­festung ausgebaut, 20 km landeinwärts am Ostufer des Kolafjords. Sie sicherten ihre Bastion zur Seeseite durch den Kriegshafen Poljarnoja, wo ihre Eismeerflotte lag; noch weiter vorgelagert, als gut ausgebaute Flankenstellung: die Fischerhalbinsel.


deckungsloses Gelände und starke Sowjet-Stützpunkte - die deutsche Norwegen-Armee hätte wesentlich verstärkt werden müssen, um Murmansk zu erobern!

Im Westen schützte eine Berg- und Seenkette mit starken Feldbefesti­gungen. Rund um Murmansk hatten sie 15 Flugplätze angelegt, von denen die roten Kampfmaschinen aufstiegen, um notfalls die Versorgungsstraße von Murmansk bis zum Lizafluß abzuschirmen. Die Landschaft zeigt hier ein abweisendes Gesicht: leere, endlose, schneebedeckte Tundra im langen Winter - sumpfiges, wegloses Ödland, felsig, ohne Bäume und größere Sträucher im Sommer. In dieser Jahreszeit geht sechs Wochen lang die Sonne nicht unter, und das Land versagt einem Angreifer den Schutz der Dunkelheit. Murmansk ist das ganze Jahr hindurch eisfrei, eine stets benutzba­re Versorgungsbasis.


ein angloamerikanischer Konvoi in Murmansk 1942 - nach dem Fall von Leningrad im September 1941 hätte die deutsche Norwegen-Armee Dietls wesentlich vertärkt werden können. Noch im gleichen Jahr wäre es dann kräftemäßig möglich gewesen den eisfreien Hafen zu erobern!

Die Russen hatten mit der 1.415 km langen Murmanbahn und dem Weißmeerkanal eine sichere Verbindung zum Hinterland geschaffen und zusätzlich den Hafen Archangelsk in der Dwinabucht im Süden des Weißen Meeres über eine fast 500 km lange Eisenbahnnebenstrecke angebunden. 60.000 sowjetische Soldaten sicherten Murmansk und Umgebung, ausgerüstet mit schwerer Artillerie und speziellen Granatwerfern, die kilometer­weit feuern konnten. Angreifer, die nicht bereits in den breiten Minenfeldern im Vorgelände liegenbleiben, sind deckungslos aus­geliefert, im freien Felsengelände unfähig, sich in ein schützendes Erdloch einzugraben.


ein erobertes Murmansk hätte die sowjetische U-Boot Gefahr im Nordmeer wesentlich verringert. Gleichzeitig hätte die Kriegsmarine ihrerseits U-Boot Gruppen nach Murmansk verlegen können - viel idealer als die nordnorwegischen Basen.

Die Sowjets verfügten über alle Reserven in der Kampf- und Nahrungsversorgung, über Zuführungen aller Art zu Lande (Eisenbahn), in der Luft und über das Wasser (Schiffsverkehr im Weißen Meer). Jetzt war Krieg, und dieser starke Verteidiger konnte obendrein mit ausländischer Unterstützung an Kriegsmaterialien rechnen. Vom europäischen Nordmeer, um das Nordkap herum, glitten die engli­schen Versorgungsschiffe durch die Barentssee, von Kriegsschiffen beschirmt. Churchill, englischer Premierminister seit 10.05.1940 hatte den Russen zugesagt, alles zu tun, um Transporte mit Kriegsmaterialien nach Archangelsk zu bringen. Große Konvois sammelten sich in Reykjavik auf dem okkupierten Island und gingen alle 20 Tage auf die Reise; die dauerte bis zum Zielhafen etwa 10 bis 12 Tage.


nur die Luftwaffe erreichte Murmansk...

Bereits im Sommer und Herbst 1941 waren sieben englische Geleitzüge unterwegs nach Murmansk und Archangelsk. Als die Sowjetunion unter den deutschen Schlägen nicht zusammenbrach (man rechnete mit der russischen Niederlage bis Oktober 1941), verstärkten die Alliierten ihre Anstrengungen. Und nun beteiligten sich auch die Amerikaner an den Kriegslieferungen.


ein über Murmansk abgeschossener deutscher Pilot...

Etwa 1/4 der US-Kriegsmaterialien kamen über die Nordroute; zumeist in Geleitzügen mit 30 und mehr Handelsschiffen. Allein vom August 1944 bis zum Kriegsende verschifften die Westmächte mehr als eine Million Tonnen Kriegsmaterial! Die Zuführungen über den Iran und Wladiwostok mitgerechnet, erhielten die Sowjets insgesamt: ca. 14.800 US-Flugzeuge und 427.284 Lkws; aber auch Panzer, Kleidungsstücke und Nahrungsmittel - soviel Kriegsausrüstung, wie das deutsche Ostheer niemals besessen hatte! Die westalliierten Lieferungen verstärkten die Schlagkraft der Roten Armee, erhöhten ihre Beweglichkeit und befähigten sie zu großen Offensiv­operationen!



Im OKW bestand die Ansicht, diese kriegsnotwendige Versorgungslinie der UdSSR erfordere den Einsatz der deutschen Norwegen-Armee; Hitler glaubte zudem, die Unterbrechung der wichtigen Verbindungslinie müsste in London und Moskau auch eine psychologische Wirkung hervorrufen. Doch es gab auch eine Sekundärlösung. Gelang es den Deutschen nicht, den Westanschluss nach Murmansk und Archangelsk zu unterbrechen, auch nicht die beiden Hafenstädte vom russischen Hinterland abzutrennen, dann blieb als letzte Möglichkeit: die Stadt Wologda zu erobern - und hier die Eisenbahnlinie nach Archangelsk zu durchschneiden.


Die Angriffsoperation auf Tichwin hatte es nur gegeben, um einen doppelten Belagerungsring um Leningrad zu legen - wäre aber Leningrad im September 1941 erobert worden, wären auch die finnischen Truppen über den Swir hinausgestoßen, um über Tichwin hinaus auf Wologda vorzustoßen - zusammen mit der kompletten 18.Armee, deren Rückraum das eroberte Leningrad war!

Eine ähnliche Ersatzlösung bestand auch an der Südfront: die Eisenbahnlinie bei Maikop zu blockieren; hier passierten die Versorgungszüge aus dem Iran. Man wußte also um die Bedeutung dieser sowjetrussischen Achillesversen - wenn sie durchtrennt waren fällt das Koloss Sowjetrußland um...


Ein Fernspähtrupp der 6. SS-Gebirgs-Division "Nord" vor dem Aufbruch hinter die Karelienfront - Sprengungen an der Murmanbahn unterbrachen die Eisenbahnlinie nur kurzzeitig - nur ein Vorstoß zum Weißen Meer hätte die Murmanbahn dauerhaft ausgeschaltet!

Hitler hatte noch einen weiteren Grund, im hohen Norden Rußlands wachsam zu sein: Der westalliierte Feind konnte in der Barentssee auch selber aggressiv werden! Bereits im April 1941 rechnete der Führer mit einer Operation zusammengefaßter englischer, amerikanischer und russischer Kräfte. Im Krieg gegen die Sowjetunion bot das Gebiet, in dem nördliches Lappland und nördliche Kolahalbinsel ineinander übergingen, die einzige Stelle Europas, wo sich die westlichen Gegner Deutsch­lands mit dem östlichen Gegner die Hand reichen konnten. Der erste massive und erfolgreiche Einbruch dort hätte zudem Hitlerdeutschland seiner Nickelversorgung bei Petsamo in Nordfinnland und der nahen Erzgruben bei Kolosjoki beraubt. Ohne Nickel kein verwendbarer Stahl, ohne Stahl keine Waffen, ohne Waffen kein Sieg!


Nach einer Eroberung Leningrads hatte die 18.Armee nur noch ein wichtiges Fernziel: Wologda, das strategisch wichtige Eisenbahnkreuz der Murman- und Kirowbahn.

Noch 1942 plagte Hitler die Furcht vor einem Landeunternehmen der Alliierten im hohen Norden. Hatten sich nicht die Engländer als höchst aggressiv erwiesen, stets bereit, eine Schwäche des Gegners auszunutzen, an einer für sie günstigen Örtlichkeit einen neuen Kriegsschauplatz zu eröffnen, wie in Norwegen oder auf den Balkan? Würden sie nun von Schottland aus gegen Nordfinnland vorgehen, im Bewußtsein der Überlegenheit ihrer Flotte? Immerhin hatten sie am 10.05.1940 Island und die dänischen Faröer Inseln okkupiert und kontrollierten von dort den Atlantik.

Als die Amerikaner in den Krieg eingriffen, verschlechterte sich die Situation für die Deutschen noch weiterhin. Die USA über­ließen den Briten Kriegsmaterialien und wollten deren Abholung auch noch mit ihren Kriegsschiffen sichern, indem sie den Geleitschutz englischer Konvois im Atlantik übernahmen. Der Status der Neutralität war damit schon längst erledigt! 1941 errichteten sie einen Militärstützpunkt auf dem dänischen Grönland und schoben ihre Sicherheitszone bis zum 26. Grad Westlänge vor. Westlich die­ser Linie beschatteten sie alle deutschen und italienischen Schiffe und meldeten deren Standorte per Funk den Engländern. Schließlich trafen sie mit Churchill und der isländischen Regierung eine neue Vereinbarung gegen Deutschland: die Stationierung von US-Truppen auf der Insel!

Am 07.07.1941 landeten amerikanische Marinesoldaten in Reykjavik auf Island - offiziell mit dem Auftrag, die amerikani­schen Lieferungen nach Britannien zu schützen und alle amerikanischen, englischen und isländischen Schiffe gegen Angriffe der Achsenmächte zu verteidigen. Nur befand sich Island nicht im Krieg gegen die Achse eine angebliche von Engländern herbeigeredete Invasion hätte es deutscherseits niemals gegeben, weil die Mittel der Kriegsmarine dazu schon fehlten! Mit der kriegsparteilichen Besetzung Islands rückten die USA dem (2 Wochen alten) Russlandkrieg beträchtlich näher - dreimal so nah wie über Abadan am persischen Golf, von wo aus sie durch den Iran den Sowjets Waffen lieferten. Hitler wusste, welche strategische Bedeutung der Insel zukam, und in welcher Weise eine Militärmacht von dort über die ganze Region ostwärts Kontrollfunktionen wahrnehmen konnte. So schreckte ihn jetzt die Vorstellung, die Amerikaner könnten über ca. 1.500 km hinweg in Nordnorwegen eingreifen und hier mit einer Großlandung eine zweite Front errichten.


Juli 1941 - US Truppentransporter laufen Island an - nach einem Sieg über die Sowjets wollte Hitler die US Truppen auf Island verjagen. Wahrscheinlich wäre das aber nie geschehen, weil die Mittel fehlten und auch keinerlei zwingende Notwendigkeit mehr vorlag. Viel eher ist vorstellbar, dass Deutschland dieses Problem in einem allgemeinen Friedensvertrag mit dem Westen gelöst hätte.


Mit dieser Befürchtung stand er nicht allein. Selbst ein strate­gischer Fuchs wie Generaloberst Dietl, der das Narvikunternehmen gemeistert hatte, teilte Hitlers Auffassung.


Generaloberst Dietl - der Held von Narvik hatte im Ostkrieg nur ein primäres Kriegsziel: Murmansk. Mit einer verstärkten Norwegen-Armee wäre das möglich gewesen und er wäre als Eroberer von Murmansk in die Geschichte eingegangen. Danach wäre die Stadt unter großfinnischer Verwaltung gekommen.

Merkwürdigerweise hing das Schicksal der Eismeerfront auch von den Japanern ab. Gelang es denen, einen Ölkrieg mit den USA zu vermeiden, und die kriegsentschlossene Rooseveltregierung kam im fernen Osten nicht zum Zuge, dann bot sich den Amerikanern der hohe Norden Europas als geographisch günstigster Kriegseinstieg an, den verbündeten Engländern und Russen militärisch zu Hilfe zu kommen. Und "zu Hilfe kommen" bedeutete für die USA konkret einen anderen Anlass zu konstruieren, als er später in Pearl Harbor geschah! Denn ohne Anlass würde der US Kongress mehrheitlich keinen Krieg mit Deutschland herbeiführen. Es war deshalb für Hitler ein konsequenter Gedanke (der sich aus dem Flügelplan ergab), die Japaner einzuladen (am 15.07. im Gespräch mit dem Botschafter Oshima), nach einem gemeinsamen Sieg über die Sowjetunion geschlossen gegen die USA vorzugehen und sie aus Island zu vertreiben. Wie man das aber mit der zahlenmäßig schwachen Kriegsmarine umgesetzt hätte, wäre das große Rätsel geblieben. Schließlich herrschte seit Kriegsbeginn der totale Baustopp an der "Z-Flotte".

Der Zeitpunkt des deutschen Sieges konnte schneller kommen, als die Welt erwartete. Hitler, mußte nur radikal die drei großen alliierten Versorgungsrouten durchtrennen, durch die der russische Koloss von draußen Lebensstoffe empfing. Und er mußte ihm im die landeseigenen Lebensstoffe entziehen: Stalins Sowjetreich würde trotz seiner Riesenhaftigkeit und seines Waffengepränges schnell stür­zen!
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Finnland - Ein starker Bundesgenosse

Wie konnte Hitler die Stärkung der Sowjetunion über die Barentssee verhindern? Er musste die Nordflanke der europäischen Ostfront in Nordfinnland und Nordnorwegen durch schwere Seestreitkräfte absichern; die Sicherungskräfte in Norwegen durch motorisierte Divisionen und Panzerdivisionen verstärken. Aber wichtiger noch: Er musste - „mit möglichst starken Kräften" - die Sowjets in Murmansk schlagen, auf der Fischerhalbinsel, in der Poljarny-Bucht, an der Murmanbahn bei Kandalakscha, am Weißmeerkanal, in der Onegabucht und in der Dwinabucht bei Archangelsk. Archangelsk war neben Astrachan am Kaspischen Meer der Endpunkt des Barbarossa-Unternehmens.


Auswertung des Fernkriegsziels Archangelsk, dem nordöstlichsten Punkt der Barbarossa-Linie - nur war eine Eroberung nicht unbedingt notwendig für einen Sieg. Viel wichtiger war es die über 1000 Kilometer lange Murman-Front zu beseitigen, indem man auf großer Breite das Weiße Meer erreicht hätte. Eine Aufgabe die den im Waldkampf spezialisierten finnischen Armeekorps zugefallen wäre. Archangelsk wäre damit entscheidend neutralisiert worden.

Dafür reichten allerdings die deutschen Land- und Seestreitkräfte nicht aus; auch das Versorgungs- und Nachschubproblem wäre, ohne fremde Hilfe, kaum lösbar gewesen. Dazu brauchte die Wehrmacht den finnischen Bundesgenossen, der sich in den unwegsamen Gebieten auskannte, der in den karelischen Wäldern zu Hause war, seine Kräfte zur Unterstützung anbot und frei war von allzu großen Nachschubsorgen.
Die Finnen galten als ein artverwandtes Volk, das begann, sich auf die Rassemerkmale der nordischen Rasse zu besinnen. Daneben bestand eine beträchtliche Interessenübereinstimmung. Mehrere Momente sprachen für die Finnen: Im finnisch-russischen Krieg vom Winter 1939/40 waren sie geschlagen worden und muss­ten Gebietsverluste hinnehmen. Nun sannen sie darauf, die verlo­renen Quadratkilometer wieder zurückzuholen!

Im November 1940 hatten sie aufmerksam Molotows Besuch in Berlin verfolgt und erfahren, dass auch Finnland Gegenstand der Verhandlungen gewesen war. Doch erst am 20. Mai 1941, als der Gesandte Schnurre, persönlicher Sonderemissionär Hitlers, dem finnischen Staatspräsidenten Ryti einen Besuch abstattete, wurden sie über die bedrohlichen Forderungen des sowjetischen Außenministers infor­miert. Nun mussten sie sogar den Eindruck haben, Stalin drohe offen mit einer zweiten Invasion und fühlten sich in ihren Revancheplänen gerechtfertigt.

Trat Finnland an Deutschlands Seite von Anfang an in einen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion ein und nicht erst nach zögerndem Abwarten - wozu es dann wirklich kam , so sicherten sich die beiden Mächte den Überraschungsfaktor, der größere Opfer der deutschen Gebirgstruppe verhindern würde.


deutsche Soldaten der Lappland-Armee

Generaloberst von Falkenhorst, der das Armeeoberkommando Norwegen befehligte, General Dietl war Oberbefehlshaber aller Truppen im Polarbereich, zweifelte nicht daran: Würde der deutsch-finnische Angriff überraschend geführt, müsste er erfolg­reich sein.


Kandalakscha und die hier durchführende Murmanbahn am Weißen Meer - wenn hier im Herbst 1941 deutsch-finnische Truppen vorgedrungen wären, hätte das die Kolahalbinsel, samt Murmansk von Sowjetreich abgetrennt! Auch hier war die angesetzte Kräftegruppe zu schwach, um ihr Kriegsziel zu erreichen.


Kandalakscha das südliche Fernziel des deutschen Unternehmens Silberfuchs

Die Strecke, die zu überwinden war, um den Feind auszuschalten, machte kaum mehr als 100 km aus. Das galt für den Weg von der finnischen Grenze bis nach Murmansk, aber auch für den Durchbruch von der finnischen Grenze zur Murmanbahn bei Kandalakscha, etwa 250 km südlich von Murmansk; von hier aus konnten die Angreifer die Stadt vom Süden her umschließen.


Und auch in Karelien, war die russische Panzerübermacht spürbar - hier ein vernichteter T-28

General Dietl hob vor seinen Korpskommandeuren die Faust und verkündete: „In 3 Tagen in Murmansk!" Bei Deutschen und Finnen herrschte Zuversicht: zweimal 100 km, von verschiedenen Truppenverbänden bewältigt - und die Sowjets sind von der gefährlichsten Westverbindung abgeschnitten; die deutsch-finni­sche Nickelversorgung endgültig sicher, und die Deutschen haben auf russischem Boden eine stabile Position gewonnen, gut und fest angebunden ans deutschbesetzte Norwegen, ans befreundete Finnland und neutrale Schweden!

Der Finne war ein hervorragender Soldat, dem Russen und (hier) dem Deutschen überlegen: tapfer, ausdauernd, zäh, listenreich, ein unüberwindlicher Einzel- und Nahkämpfer; die Sowjets hatten mit ihm im Winterkrieg 1939/40 eine böse Überraschung erlebt.


und der finnische Soldat war auch exzellent mit russischen Beutewaffen vertraut

Die Finnen, mit erstklassig geschulten Scharfschützen, legten unpassierbare Minenfelder an, versteckten Sprengladungen unauf­findbar in den Stützpfeilern ihrer Brücken; sie kamen mit den Unwirtlichkeiten ihres düsteren Landes zurecht, viel besser als Deutsche oder Russen; sie waren auf die Seen und Sümpfe mit ihrer Mückenplage eingestellt, aber auch auf lange Tage und kurze Nächte, die kaum ausreichend Schlaf zuließen. Die Deutschen nahmen staunend die kämpferischen Qualitäten des Bundesgenossen wahr und ließen sich bald (ab Januar 42) eine Reihe von Lehrgängen einrichten, in denen sie die notwendigen Siegerfähigkeiten lernen wollten: im Kleinkrieg und Waldkampf zu bestehen. Von Männern dieses Schlages hatte der finnische Oberbefehlshaber Feldmarschall Mannerheim eine Menge unter den 500.000, die er befehligte, davon allein 300.000 an der Nordfront Finnlands (die Deutschen brachten unter Dietls Befehl zwei Divisionen dazu).

Hitler hatte es verstanden, bei maßgeblichen finnischen Persönlichkeiten die Lust auf Raumgewinn zu wecken, den der Gedanke in strategisch sicheren Grenzen zu leben, war seit der bolschewistischen Oktoberrevolution latent. Wollten also alle Finnen zukünftig in sicheren Grenzen leben und die Gewähr haben als Volk, über Generationen hinaus von einem Angriff des Russentums verschont zu bleiben, musste man den großfinnischen Traum verwirklichen. Dann galt es, der abendländischen Kultur ganz Karelien mit seinem rasseverwandten Volk dem bolschewistischen Reich zu entreißen und kurze Landgrenzen zu erzwingen. Und die konnte man ja, wie die Mannerheimlinie hervorragend befestigen.


Das finnische Kriegsziel Großfinnland hatte nur einen primären Grundgedanken - je kürzer die Landgrenzen, umso besser ist das Land zu verteidigen!

Finnland musste um dieses Ziel zu erreichen Ostkarelien, die Kolahalbinsel und Weißmeer-Karelien erobern. Nur so könne ein strategisch viel leichter zu verteidigendes Groß-Finnland entstehen. Hitlers Suggestion fand aufnahmebereite Herzen, den seit der finnischen Unabhängigkeit gab es großfinnische Interessensvereine. In der ersten Siegesstimmung sprach man auch in Regierungskreisen Helsinkis davon, über die frühere Grenze von 1939 hinauszumarschieren und sich „das Seinige zuzüglich Zinsen" zurückzuholen. So bezeichne­te Präsident Ryti gegenüber deutschen Politikern aus Berlin die Linie „Neva - Ladogasee - Swir - Onegasee - Weißes Meer und Glacis davor" als die zukünftige südliche Grenze Finnlands; Leningrad sollte als Großstadt und Industriestadt vom Erdboden verschwinden. Nördlich der genannten Abgrenzung sollte das ostkarelische Land bis zur Weißmeerküste und die ganze Kolahalbinsel zu Finnland gehören!

War das nicht ein Kampfgefährte nach Wunsch und Maß für Großdeutschland und seiner zahlenmäßig dürftig besetzten Korps im Nordwesten Russlands? Hochmotiviert durch Vergeltungslust - sich zum wie­derholten Male vom selben Feind bedroht fühlend - schon nahe am Feind wartend - kampferprobt und vertraut mit den künftigen Schlachtfeldern - bereit, den Deutschen mit allen Mitteln zu helfen voller Drang zur revanchierenden Landnahme?! Helsinkis unbescheidene Perspektiven mussten es Berlin noch mehr verpflichten und den bevorstehenden Kampf auf beiden Seiten zu einem verschworenen Schicksalskampf machen.

Brauchten also die Finnen ein Gebiet wie die Kolahalbinsel als natürliche territoriale Arrondierung ihres Landes, als Gewinn einer langen Küste zur Barentssee und als Sicherung der riesigen Weißmeerbucht; und konnte der Führer sie ermutigen, ihre Grenzen so weit vorzuschieben, dass sie dieses Meer nahezu umschlossen: mussten sie dann nicht selber die größten Anstrengungen unternehmen, den ersehnten Raum zu erobern? Murmansk auf dieser Halbinsel würde dann, zuallererst und vordringlich, durch den Einsatz finnischer Soldaten genommen werden müssen - ehe es militärisch, nicht geographisch, den Deutschen zufiel?

Einen motivierteren Bundesgenossen zur Bereinigung der strategischen Situation im Nordraum Russlands konnte sich Hitler jedenfalls nicht vorstellen. Und welchen Status ein erobertes Murmansk nach dem Krieg hatte lag ohnehin auf der Hand: finnischer Hafen mit deutschen Nutzungsrecht...

Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Der Schlüssel zum Ostsieg: Leningrad

In einer Phase des Krieges, die den Finnen noch keine Gewissheit über die deutschen Siegeschancen verschaffte, blieben die Warnungen der Westmächte vor einer allzu offensiven Kriegsführung mit Eroberungsgewinnen nicht ohne Wirkung. Die Finnen zögerten, doch Hitler bestand auf operativer Zusammenarbeit. Nicht nur gegen Murmansk wollte er mit dem Waffengefährten vorgehen - auch gegen Leningrad hoffte er auf finnische Divisionen; und zwar sollten diese östlich des Ladogasees den Swir überschreiten und die Stadt auch vom Osten bedrohen. Zusammen mit dem finnischen Vorgehen westlich des Ladogasees, das Leningrad vom Norden angeht, und dem deutschen Aufmarsch vom Süden käme es so zu einer „weiträumigen Einschließungsoperation gegen Leningrad".


Erst wenn deutscherseits Leningrad erobert war, wollte Mannerheim wieder das gesamte finnische Heer angreifen lassen - und die Stadt hätte man auch nicht zerstört, sondern als entscheidend notwendigen Rückraum für die 18.Armee genutzt!

Auch der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nord, von Leeb, vertrat eine optimistische Auffassung. „Würde die finnische Armee ihren Angriff auf Leningrad fortsetzen, so wäre die Schlacht bei Leningrad in wenigen Tagen zu Gunsten der verbündeten Armeen entschieden und das Gebiet um Leningrad und damit der Erfolg der bisherigen finnischen Kämpfe auch für die Zukunft endgültig gesichert." Doch Mannerheim verweigerte seine Zustimmung. Er wollte weder östlich noch westlich des Ladogasees zu weit vorrücken; er hatte sich gegenüber seinem Präsidenten festgelegt, sich an einer Offensive dieses Ausmaßes nicht zu beteiligen.

Der Hauptgrund kommt in Mannerheims Forderung an die deutsche Seite zum Ausdruck: Es sei Aufgabe der deutschen Truppen, Leningrad, das die Finnen als erobertes Terrain verschmähten, ein­zunehmen! Und die Deutschen müssten auch die Vereinigung mit ihnen von sich aus erzielen! Es war wie zur gleichen Zeit bei den Türken und Japanern, die ebenso gespannt, unruhig und drängend auf einen deutschen Teilsieg warteten. Die Angst vor einem ungewissen Abenteuer, die Angst vor einer Bestrafung durch den womöglich siegreichen, übermächtigen Gegner bestimmte sie. Wäre die Situation an der finnischen Südfront mit der Einnahme Leningrads durch deutsche Verbände geklärt, so Mannerheim wei­ter, dann - erst dann - sei er zu einer Offensive an der finnischen Nordfront bereit! Um seine Offerte zu bekräftigen, stellten seine Soldaten die Offensive ein; man wartete ab und ging zur Verteidigung über.

Jetzt galt es die Gunst der Situation deutscherseits zu nutzen!


Finnische Truppen mit einer 20mmm Panzerbüchse - sie wären noch ab September 1941 wieder offensiv geworden, wenn Leningrad gefallen wäre. Allein nördlich Leningrads standen zwei Armeekorps untätig auf der Höhe der alten Vor-Winterkriegsgrenze...

Die unnachgiebige Bedingung der Finnen, die sie den Deutschen stellten, schnellstens Leningrad einzunehmen, sich auf dem Schlachtfeld mit ihnen zu vereinigen, war nichts anderes als das, was die Deutschen selber für sich woll­ten bzw. wollen sollten. Der äußere Zwang, der sie jetzt kränkte, war der eigene innere Zwang, der sie bestärkte; der Druck, unter den die deutschen Divisionen gesetzt wurden, war die auf andere verla­gerte Intensität seines eigenen Entschlusses. Hitlers ursprünglicher Ostkriegsplan passte so genau in die Spuren der Wirklichkeit, dass diese selbst dazu auf­forderte, ihn einzuhalten! Erfüllte der Führer nur diese eine Bedingung, die die seiner eige­nen Einsicht war - „zuallererst Leningrad" - , siegte er zweifach; Leningrad war der Schlüssel: er öffnete das Tor zum Sieg auch an der nördlichsten Front und war der „Schlüssel für die ganze deutsch-­finnische Front". Es für die Finnen das Ziel ihr Land nordöstlich des Onegasees nur noch kräftesparend auf wenige hunderte Kilometer Länge verteidigen zu können. An der Westküste des Weißen Meer herrschend, verminderte sich die Chance alliierter Konvois die Russen in den Sommermonaten mit Kriegsmaterial zu unterstützen, im Winter war das wegen des Eises ohnehin nicht möglich.

Nach dem Fall der Stadt und der damit schnell möglichen Vereinigung der Fronten am Swir und auf der Ladogalandenge würde „die finnische Armee mit den dadurch freigewordenen Kräften weiteren deut­schen Angriffswünschen in Richtung Sorokka-Murman-Bahn und Nordrußland entsprechen!" Die finnische Argumentation entsprach vollkommen der strategi­schen Vernunft; die „zwei hochwichtigen Operationsziele" Leningrad und Murmanbahn konnten/mussten nacheinander ange­strebt werden. Die britisch-amerikanische Versorgung der Sowjets über Murmansk lief erst allmählich an, wurde erst kriegswichtig; ein Einschreiten hatte Zeit.


Das von Holzbohlenstrassen durchzogene Soroki (Belomorsk) am Weißen Meer befand sich in Schlagreichweite finnischer Truppen - Leningrad erobert und Mannerheim hätte sie zum Weißen Meer durchstoßen lassen! Bis dahin haben sie sich beharrlich geweigert zum Weißen Meer durchzustoßen und diesen Ort zu erobern...

Und dann: der von den Finnen vor­geschlagene Ort Soroki (Sorokka) war in der Tat die empfindlichste Stelle der Murmanbahn. Hier, in der Südwestecke des Weißen Meeres, gab es eine Verbindungsstrecke zur Archangelskbahn und die Finnen standen im Spätherbst 1941 in günstigster Position davor: am Nordrand des Onegasees.


Die Standpunkte waren bekannt, die Ziele identisch im Nordraum - Hitler und Marschall Mannerheim bei einem Treffen

Hitler brauchte die Finnen nicht durch die Aussicht auf Land­nahme zu motivieren, sie motivierten sich selbst durch ein erober­tes Leningrad! Bedurfte es noch weiterer Bestätigung? Generaloberst Dietl, den Hitler als echten Offizier seines Geistes hochschätzte und ihn allen anderen Offizieren seines Generalstabes vorzog, entwickelte die „Kategorie" Leningrad aus seiner Erfahrung noch praktikabler. Er kannte alle Transport­schwierigkeiten an der Nordfront, die Verkehrsnöte im Nachschub und in der Versorgung der Truppe, die überlangen, gefährdeten Wege; den mangelnden Schiffsraum für Verstärkungen, die Probleme der Nordsee- und Eismeerüberwindung, aber auch die der beschwerlichen Straßen zu Lande. Wie konnte er seine Truppen im nördlichsten Finnland und Russland kontinuierlich verstärken oder auffrischen?

Ja, eben: Nach dem Fall von Leningrad, so schrieb er an Jodl, den Chef des Wehrmachtführungsstabes im OKW, würde ein neuer Eisenbahnweg über Wiborg frei, und der tauge für Truppentransporte: die Linie über Leningrad und Wiborg, zwi­schen den Seen in Südfinnland, nordwärts in Richtung Rovaniemi! - eine Strecke, die die Deutschen nur dann nutzen konnten, wenn sie den karelischen Hals westlich das Ladogasees passieren durf­ten; und das hing vom Besitz Leningrads ab! Und natürlich: diese Eisenbahnlinie war auch in umgekehrter Richtung von Nutzen - „vom Norden auf Leningrad herunterzustoßen und die Stadt aus ihrer unbeschützten Rückfront zu erobern". So hätte ein erobertes Leningrad die deutsche Seite doppelt gestärkt: die Finnen im hohen Norden und die Deutschen dort, die nun so viel Nachschub an Waffen und Männern erhielten, wie Reserven und freier Landweg erlaubten.

Dass die Deutschen die Stadt Leningrad auch allein hätten einneh­men können und dazu also die Finnen tatsächlich nicht brauchten, zeigt die spätere Entwicklung des Kampfgeschehens.[...]

Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Plan und Ablauf: Krieg des armen Mannes

Unter General von Manstein erreichten die deutschen motorisierten Verbände in vier Tagen die Düna, 300 km von der ostpreußischen Grenze entfernt, und nahmen die wichtigen Brücken ein. Nach dem zweiten Ansturm - er verlief bis Ostrow/ Pleskau - waren mehrere feindliche Divisionen vernichtet.


im eroberten Pleskau - zu dieser Zeit glaubte jeder Landser der HG Nord, dass die Eroberung Leningrads primäres Kriegsziel war, niemand verschwendete auch nur einen Gedanken, dass deutscherseits einmal freiwillig darauf verzichtet würde - zu einer Zeit, wo die Sowjets unfähig gewesen wären, Leningrad zu verteidigen!

Mit dem Erreichen des Ilmensees hatten die deutschen Verbände die halbe Distanz auf dem Wege nach Leningrad zurückgelegt, und Hitler wollte den Vorstoß auf seine Zielstadt von den Luga-Brückenköpfen aus fortsetzen. Hier hatte der deutsche Panzerkeil über panzergünstiges Gelände die Linie Nowgorod - Kingisepp, vor der Narwabucht, erreicht. Weiter westlich, im Westen des Peipussees, drangen die Deutschen in Richtung Taps vor und näherten sich der Hafenstadt Reval. Auch die Luftlage entwickelte sich günstig. Fast 90 % der sowje­tischen Luftstreitkräfte wurden vernichtet, die meisten noch untätig auf ihren Flugplätzen.

Die deutschen Seestreitkräfte waren ebenfalls erfolgreich. Sie stießen in den finnischen Meerbusen vor, wirkten mit, die balti­schen Inseln zu erobern, die von sowjetischen Marinesoldaten besetzt waren; sie transportierten Landungstruppen, vertrieben die sowjetische Flotte, beseitigten Minensperren und griffen in die Landkämpfe ein, indem sie von See sowjetische Stellungen beschossen. Die sowjetischen See- und Luftstreitkräfte wagten nur „schwächli­che Angriffe", sie wurden jedes mal abgeschlagen. Allein bei der Räumung Revals verlor der angeschlagene Feind zwölf Kriegsschiffe und 35 Handelsfahrzeuge; die Verluste der deutschen Kriegsmarine waren minimal.

So weit, so gut - strategisch gesehen; das war die eine Seite. Auch sie enthielt schon Schwachpunkte. Admiral Ruge, nach dem Krieg Militärschriftsteller, stellte die Frage, warum die Deutschen ihre Marinekräfte nicht stärker für den Nordvormarsch selbst ausge­nutzt hätten. Warum also hat man nicht grundsätzlich die baltischen Hafenstädte über die See angegriffen, Landungstruppen abgesetzt, um dann über die Eisenbahnlinien ins Land einzudringen - gleichzeitig mit den von der anderen Seite vorgehenden, entgegenkommenden Infanterietruppen? Mehrere Abschnürungen feindlicher Verbände hätten so gelingen müssen. Doch das deutsche Heer hatte nur wenig Erfahrung mit gekoppelter Land- und Wasserstrategie, nur in Norwegen hatte man teilweise diese Strategie umgesetzt. Offenbar hatte aber die kritische Schlacht um Narvik einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Hitler wollte zudem die deutsche Ostseeflotte schonen. Sie sollte nicht in Kämpfe mit russischen Seekräften verwickelt werden, weil diese, auf Kronstadt zurückgedrängt, durch die Einnahme Leningrads ohnehin lahmgelegt würden. Der zurückweichende, ungeschlagen bleibende Feind musste Hitler keine großen Sorgen machen. Sein Plan bot noch zwei „Sicherheitsnetze". Er wusste, er würde zum geeigneten Zeitpunkt aus der Mittelfront ausschwenken lassen und mit überraschend auffahrenden Panzerverbänden den Feind packen. Könnte der sich auch jetzt noch der Vernichtung entziehen, käme die Ölwaffe zum Einsatz: am Endziel des Südflügels würde er jegliche Ölzufuhr an die Russen unterbinden und so ihre Mobilität aufheben.


Narwa in deutscher Hand - Als die Stadt am 17. August 1941 fiel war Leningrad noch immer das erklärte Kriegsziel der HG Nord.

Doch jeder Plan kann auch auf der Seite der Planer blockiert wer­den. Die „fixe Idee Moskau" lähmte die Flügel des Angreifers, zuerst den Nordflügel. Der deutsche Vormarsch hatte die rechte Flanke der Angriffsrichtung Leningrad überdehnen müssen, so dass sich den Sowjets hier Konterchancen boten. Die Deutschen befürchteten, die Russen könnten hinter ihrem Rücken in die Lücke zwischen Cholm und Staraja Russa hineinstoßen und so den Angriff auf Leningrad anhalten. Der Feind besaß dabei den Vorteil, von den Waldaihöhen aus vorzudringen, die die Angreifer unberührt neben ihrem Vormarschgebiet liegenlassen wollten. So entstand am Südflügel der Nordgruppe, im Südosten des Ilmensees, eine schwierige Lage. Wollte die Heeresgruppe dort ihre Abwehr verstärken, musste sie Kräfte einsetzen, die ihr an der nordwestlichen Angriffsfront fehlen würden.

Halder weigerte sich, für die Heeresgruppe Mitte sprechend, mit schnellen Verbänden aus der Mittelfront auszuhelfen. Hitler griff ein und konnte wenig­stens Teile aus der dritten Panzergruppe nach Norden abziehen. Dennoch sah sich die Nordgruppe veranlasst, mit eigenen Panzern an dem gefährdeten Südflügel einzugreifen. Dafür musste sie ihren Angriff an der Front bei Luga - Narwa bremsen. Wiederum lehnte Halder ab, Kräfte auszuleihen, um dort die geschwächte Angriffsfront zu stärken. Er wollte den Angriff über Nowgorod am Ilmensee fortgeführt sehen. Der Vormarsch gelang tatsächlich, und die deutschen Verbände erzielten im Norden noch einmal große Siege. Sie erreichten bei schwierigen Gelände Tschudowo und unterbrachen dort die wich­tige Bahnlinie Moskau - Leningrad.

Deutsche Panzer drangen bis zur Newa vor, den Verbindungsfluß Leningrad - Ladogasee, und standen damit 30 km vor dem Stadtrand Leningrads.

Inzwischen eroberte die finnische Armee unter General Heinrichs das Gebiet zwischen Ladogasee und Onegasee, besetzte Petrosawodsk und drängte zum Swir. Die Russen, in heilloser Flucht, befürchteten, der nördliche finnische Feind würde am Südostufer des Ladogasees entlangstoßen und sich Leningrad vom Osten nähern. Während General Reinhardt das Gelände um Duderhof bei Leningrad gewann, Oberst Hoppe Schlüsselburg am südlichsten Zipfel des Ladogasees einnahm, kamen die Finnen aus Karelien weniger als 50 km an die nordwestlichen Vorstädte Leningrads heran. Keitel wandte sich an Mannerheim, in kühl beherrschter Erregung, er möge den Vormarsch auf beiden Landengen, westlich und östlich des Ladogasees, fortsetzen! Er tat es und „Leningrad war damit auf allen Seiten abgeriegelt" (8. Sept. 1941).

Ein paar Tage später stürzten sich Stukageschwader auf Kronstadt, um die sowjetische Ostseeflotte zu erledigen. Doch der deutsche Sieg durfte nicht vollendet werden: Das Panzerkorps Reinhardt wurde gestoppt. Und zwar nicht weil es die Feindlage erzwang, sondern aus freien Stücken, ohne Not und ohne verständlichen Sinn!


ein Kreuzer der Sowjets feuert auf deutsche Stellungen vor Leningrad - Ende September 1941 hätte es diese Flotte der Sowjets nicht mehr gegeben, wenn das OKW unmittelbar vor der Einnahme Leningrads plötzlich Moskau erobern wollte! Niemand bei den Fronttruppen verstand diese Befehle, die den Sieg verschenkten!


Die reale Frontlage im Dezember 1941, wie sie aus eigenem verschulden herbeigeführt wurde. Wenn jedoch Leningrad schon im September erobert worden wäre, hätte man zweifellos sofort das Oberkommando der 18.Armee in die Stadt verlegt, von wo man die weiteren Operationen über den Wolchow hinaus führen konnte - und zwar mit der gesamten Armee! Auch ohne Hoepners Panzergruppe hätte man dann Tichwin, später sogar Wologda erreicht und gehalten....

Reinhardt schreibt später, in niedergedrückter Stimmung, über seine Truppe an Feldmarschall von Leeb: „Vor ihnen liegt die Stadt, und niemand hindert sie, hin­einzugehen."
Das russische Oberkommando wollte dort schon die Räumung anordnen....

Die Panzergruppe Hoepner wurde abgezo­gen, dazu zahlreiche Sturmgeschützabteilungen, die schwere Heeresartillerie, das erfolgreiche (VIII.) Fliegerkorps. Die Heeresgruppe verlor die gesamte bewegliche motorisierte Stoßkraft; die Truppenstärke schrumpfte dermaßen, dass sie selbst zu reinen Verteidigungsaufgaben nicht ausgereicht hätte. Generaloberst von Leeb, der immer wieder umgruppieren musste, weil es überall an Waffen und Männern mangelte, sprach vom „Krieg des armen Mannes". Das OKH, Generalfeldmarschall von Brauschitsch, erteilte den Abzugsbefehl: Moskau sei das eigentliche Ziel; die Entscheidung würde nach der Eroberung der russischen Hauptstadt auch den Flügelgruppen zugute kommen.

So konnte Leningrad nicht eingenommen werden, weil die militäri­schen Kräfte, die dazu fähig waren, an der Mittelfront festklebten (das unterbliebene Ausschwenken der Panzer), die schon vorhan­denen Kräfte obendrein nach dort abtransportiert wurden; und die rote Ostseeflotte, die in Kronstadt vor Leningrad lag, konnte nicht ausge­schaltet werden, weil Leningrad nicht fiel.

Der Industrieort Leningrad blieb den Sowjets erhalten: Artilleriemunition, Waffen, Fahrzeuge, Panzer wurden produziert und konnten noch im Dezember des gleichen Jahres vor Moskau eingesetzt werden, denn natürlich gelang es der Wehrmacht auch nicht, die Eisenbahnlinie dauerhaft zu unterbrechen. So kämpfte das Heer in aussichtsloser Lage gegen etwas, das sie in aus­sichtsreicher Lage zu zerstören versäumt hatte.


Staraja Russa - Bereits am 9. August 1941 erobert, wurde die Stadt im Januar 1942 vergeblich von den Sowjets angegriffen. Die zeit- und materialfressende Sowjetoffensive wäre nicht möglich gewesen, wenn Leningrad im Herbst 1941 gefallen wäre.

Ihrer Stoßkraft entblößt, war die Nordgruppe gezwungen, die über den Wolchow bis Tichwin vorgedrungenen Divisionen zurückzu­nehmen; damit schwand die Chance, sich mit den Finnen vor dem Swir zu treffen. Nicht die Wehrmacht konnte nach einem Sieg im Norden ihre Elitetruppen abziehen, die Russen zogen umgekehrt Truppen vom äußeren Belagerungsring Leningrads zurück. Und die störten dann bei Staraja Russa an der Wolchowfront - besonders schmerzhaft während der deutschen Moskauoffensive! Wie leicht hätten die Deutschen - rechtzeitig, dem Urplan entsprechend - den Südflügel der Heeresgruppe Nord schützen können, wenn sie aus der Heeresgruppe Mitte heraus überraschend den Gegner von hinten attackiert hätten! Das wäre sogar zum Schutz der Mitteloffensive nötig gewesen!

Die Sowjets bauten ihre Marineflugwaffe aus, und bald schwirrten fast 1.000 Maschinen über der Ostsee und den östlich angrenzen­den Gebieten. Starke fliegende Verbände griffen die deutschen Patrouillenboote und Minenleger an, und es zeigte sich, dass es den Deutschen auf die Dauer nicht gelang, die Minenfelder und Netzsperren im finnischen Meerbusen ausreichend zu bewachen. Die Rote Flotte operierte wieder, räumte die Minensperren und stieß in die westliche Ostsee vor. Als die Zeit zu einer großen Landoffensive gekommen war (1944), griff sie mit ihrer Schiffsartillerie in die Heeresoperation ein.

So zeigte der Feind den Deutschen, wie diese den Krieg hätten führen müssen. Und auf die Idee Hoepners Panzergruppe abzuziehen, wäre man ohnehin nicht gekommen, wenn Guderian ab Mitte August auf Moskau vorgestoßen wäre, statt auf Kiew... So gesehen wären fast zeitgleich Leningrad und Moskau im September 1941 erobert worden! Nach diesen Siegen hätte man dann alles an Panzerkräften in die Ukraine verlegen können, um weit über den Don vorzustoßen. Man muss ohnehin davon ausgehen, dass nach dem Verlust von Leningrad und Moskau Stalin um Waffenstillstand nachgesucht hätte oder sich freiwillig hinter der Wolga zurückgezogen hätte. Diesen Vorschlag hatte Stalin tatsächlich gemacht, als nach der verlorenen Doppelschlacht bei Wjasma und Brjansk Guderian unaufhaltsam auf Moskau zuhielt, bevor die Schlammzeit begann...[...]

Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Wenn Dietls Hilferuf erhört worden wäre


Deutsche Gebirgsjäger in der deckungslosen Tundra im Sommer 1941 - Deutscherseits reichten die Kräfte nicht aus nach Murmansk vorzudringen.

Im deckungslosen Gelände der nördlichsten Front, mit unzurei­chenden Kräften, ohne Reserven, ohne Luftunterstützung, ohne Artillerie, blieben die Deutschen bald am Grenzfluss der Liza lie­gen. Die Russen setzten die gefürchteten Granatwerfer ein und überflogen die deutschen Angreifer, die vergeblich Schutz suchten, mit ihren Schlachtfliegern. Nachdem die Gebirgsjäger General Dietls das Ostufer erkämpft hatten, mussten sie wieder auf das Westufer zurückgehen; sie konnten sich in der vorgeschobenen Stellung nicht halten. Dietls Prognose man werde in drei Tage in Murmansk sein, scheiterte an den zu schwach dimensionierten Kräftegruppen für das Unternehmen Silberfuchs.

Inzwischen landeten in der Lizabucht, auf dem Westufer, im Rücken der Deutschen, sowjetische Marineverbände: aus drei Wachschiffen, drei Minensuchbooten und zehn U-Jägern traten 1.600 Elitekämpfer zum Angriff an. Zwei Tage später trafen drei weitere Wachschiffe mit einem neuen Bataillon ein. Doch auch nach 21 Angriffen hatten die Sowjets noch immer nicht die schwa­che deutsche Front durchbrechen können.


An der Liza-Front - Die Wehrmacht schrieb zu diesem Bild: Das nördlichste Geschütz an der Ostfront. Hier wird ein schweres Geschütz der Küstenartillerie in Stellung gebracht „Während ich mich hier aufhielt", schreibt dazu Kriegsberichter Waske. „das heißt während einer guten halben Stunde, konnte das Rohr nur einige Meter weiter gezogen werden. Der Wagen, auf dem das Rohr be­fördert wurde, musste auf Schienen über das Geröll transportiert werden. Hatten die Räder die nur einige Meter lange Schiene passiert, so wurde der Wagen mit Hebebäumen angehoben und die Schienen von neuem gelegt, eine außerordentlich mühselige und zeitraubende Arbeit."


Auf beiden Seiten wurde mit erstaunlich geringen Kräften bis zur völligen Erschöpfung gekämpft.

Am 19. Juli 1941 erklärte Dietl in einem Ferngespräch, die Russen seien ebenso wie sein Korps am Ende; jetzt wäre der Zeitpunkt, neue Kräfte mindestens in Stärke einer Division zuzuführen - um dann die Russen zu überrennen und das geplante Angriffsziel doch noch im Nachschlagen zu errei­chen ... Nur eine Division, und der Angriff in Richtung Murmansk habe einen sicheren Erfolg!

Das OKH reagierte. Dietl wurde die 6. Gebirgs-Division unterstellt, die die abgekämpfte 3. Gebirgs-Division ablöstet. Nur deren Gebirgs-Jäger-Regiment 139 blieb an der Lapplandfront. Außerdem wurden ihm das Infanterie-Regiment 388 und das SS-Infanterie-Regiment 9 aus Norwegen zugewiesen. Eine faktische Verstärkung war das jedoch nicht, denn der Anmarsch der 6. Gebirgs-Division wurde durch alliierte Angriffe auf deutsche Transport- und Nachschubschiffe so behindert, dass diese Division erst im Oktober den Kampfraum erreichte.

Der Generalstabschef Halder hielt derweil die Sowjets bereits für besiegt; das deutsche Heer war ja an allen Fronten in Russland im Vormarsch geblieben und hatte dem Feind ungeheure, schmerzhafte Verluste abgezwungen. Was nun noch zu tun sei, wäre nicht mehr als „Aufräumungsarbeit". So blieb der dringend benötigte Nachschub aus. Das Urteil des Militärschriftstellers dazu: „Die Versagung dieser einen Division für das Gebirgskorps Dietl muss als einer der Wendepunkte im Russlandfeldzug bezeichnet werden!"

Gewiss hätte diese eine Division erst nach starkem Artillerie­beschuss antreten dürfen, um die feindlichen Bunkerbefestigungen und Feldstellungen niederringen zu können; und den angreifenden Gebirgsjägern mussten Stukaangriffe vorausgehen, um die Russen aus ihren Abwehranlagen herauszubomben. Ohne die verlangten Zuführungen gingen die Kämpfe, die zu den härtesten des ganzen Ostkrieges zählen, unter blutigen Verlusten verloren. Die zweite Hälfte der Wegstrecke von der Liza bis nach Murmansk - das waren 50 Kilometer- war einfach nicht zu schaffen. Sie war so wenig zu bewältigen, wie ein paar Monate später die 50 km-Strecke vor Moskau, vor der die deutschen Angreifer erschöpft liegenblieben.

Wenn das OKH der Einsicht gewesen wäre, Dietls Hilferuf nach einer einzigen Division noch im Juli so zu entsprechen, dass sie noch im Sommer 1941 den Kampfraum erreicht hätte, wäre Murmansk bis September 1941 erobert worden, jener Monat wo auch Leningrad gefallen wäre, wenn das OKH nicht darauf verzichtet hätte! Der sicherste, nur von einer deutschen Division genutzte Weg war jener über Schweden gewesen, die 6. GD musste einen anderen nehmen.

Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg

Karelien doch kein Nebenkriegsschauplatz


Nach Ansicht der Heeresleitung Ost und des Generalstabs kämpf­ten die deutschen Divisionen in Nordfinnland, obwohl ihnen eigentlich mit Murmansk und Murmanbahn wichtige strategische Kriegsziele gesetzt waren, auf einem weniger bedeutungsvollen „Nebenkriegsschauplatz".


Generaloberst Franz Halder war die große Fehlbesetzung im OKH. Er hat im großen Maße die Fehlschläge vor Murmansk, Murmanbahn und Leningrad zu verantworten! Nach seiner Einschätzung war der Russe im Sommer 1941 bereits besiegt und für das Unternehmen Silberfuchs hatte er zu schwache Kräftegruppen zusammengestellt. Für Fehlschläge hatte er dazu auch keinerlei Alternativen vorbereitet.

Bereits im Stadium der Kriegsplanung, im Mai 1941, hatte Halder es abgelehnt, einer „weiträumigen offensiven Kriegsführung auf dem nördlichen Flügel aus Skandinavien heraus" zuzustimmen. Während Hitler sich zu Recht von der Eroberung Murmansks „entscheiden­de Rückwirkungen auf die sowjetische Kriegsführung" versprach, sah der Generalstab des Heeres in einem solchen Einsatz mehrerer Großverbände nur Kräfteverzettelung, das Unterlassen einer ech­ten Schwerpunktbildung, ein exzentrisches Unternehmen.

Was die konventionellen Theoretiker nicht begriffen: das ganze Nordunternehmen (Leningrad, Murmansk) bildete mit dem ganzen Südunternehmen (Ukraine, Kaukasus) eine strategische Einheit: das gesamte kriegswirtschaftliche Potential des Gegners war das Angriffsobjekt; der Gegner war nur indirekt über dieses Potential zu schlagen, nicht direkt über das seiner Menschen- und Materialmassen. Zerstört bildlich Hitler den Blutkreislauf des Goliath, so sinkt dessen zum Schlag erhobene Hand herab, seine zu festem Stand angespannten Knie knicken ein, und der Riesenkörper fällt um.

Die britische Führung dachte genauso konzentrisch wie Hitler. Sie schickte 1941/42 Verbindungsoffiziere ihrer Flotte nach Murmansk, Archangelsk und an das Schwarze Meer.

Woran sei das nördlichste Unternehmen nach Meinung der Militärexperten gescheitert? Vorweg an Kräftemangel; an den Schwierigkeiten bei der Versorgung angesichts des gewaltigen Bedarfs der Truppe, an den ungewöhnlichen klimatischen und geo­graphischen Bedingungen des Kampfgebietes; am flüchtigen Aufmarsch und ungenügender Bereitstellung von Reserven, am Fehlen einer gemeinsamen deutsch-finnischen Koalitionskriegsführung unter einem einheitlichen Oberbefehl, an unzureichender Luft- und Marineunterstützung und an der falschen Einschätzung des Gegners.

Nun, die Vernachlässigung des Aufmarsches mit der nötigen Versorgung der Truppe, ihrer Ausrüstung und ihrer Reserven, geht auf das abweichende Feldzugkonzept des deutschen Generalstabs zurück; die unbefriedigende Zusammenarbeit mit den Finnen hätte eine entschlossene Wegnahme Leningrads verbessert, mit der Konsequenz, daß sich der Waffengefährte an der nördlichsten Front stärker engagiert hätte. Auf den wider Erwarten viel zäheren und besser gerüsteten Gegner hätte man mit der rechtzeitigen Zuführung neuer Truppen und Waffen reagieren können: von der nach einem Sieg entlasteten Leningradfront, über die gewonnene Eisenbahnstrecke Leningrad - Wyborg - Rovaniemi!


Ein einziges Ziel hätte mit allen vorhandenen deutschen Divisionen erreicht werden können - also entweder Murmansk oder Kandalakscha. Die Auswirkungen auf die Murmanbahn wären die gleichen gewesen. Da man die finnischen Nickelgruben ohnehin absichern musste, hätte sich angeboten, die SS Kampfgruppe Nord komplett nach Petsamo zu verlegen, um dort Dietls Offensive auf Murmansk zu verstärken!

Von dort hätte man die schwächlichen Kräftegruppen verstärken können, um Murmansk und Kandalakscha zu erobern. Auch die Sowjets kochten mit Wasser: Sie kamen nicht auf den Gedanken, das Nickelgebiet von Petsamo und die langen deutschen Nachschubwege zu bombardieren. Interessant ist, dass russischerseits ausreichend Kräfte genau dort den deutschen Truppen gegenüberstanden, wo der deutsche Angriff stattfand. Jeder kann sich aber ausrechnen, was passiert wäre, wenn die Finnen ihre beiden vor Leningrad freigewordenen Armeekorps auf Kandalakscha oder Murmansk mit angesetzt hätten. Man hätte auf großer Breite zwischen Kandalakscha und Soroki das Weiße Meer erreicht, was den Totalausfalle der Murmanbahn bedeutet hätte. Und schon zum Jahresende hin wäre noch Archangelsk wegen Packeis ebenfalls ausgefallen. Das so ausgeschaltete Murmansk wäre danach ohne Zeitnot von Dietl und den Finnen erobert worden und die Kolahalbinsel besetzt worden. Von diesen Positionen aus hätten eventuelle alliierte Konvois gewaltige Verluste einstecken müssen, da man um nach Archangelsk zu kommen, fast komplett die Halbinsel Kola umfahren musste. In der Endkonsequenz hätten die Alliierten diese Route wohl nicht mehr befahren, sie wäre ein Fass ohne Boden geworden.

Und noch eine Chance eröffnete sich für die Achsenmächte im Spätherbst 1941. Das auf Kandalakscha zielende Unternehmen Polarfuchs hatte zwar östlich von Salla nicht den Durchbruch zum Weißen Meer geschafft, doch das zur Absicherung südlich davon operierende III. finnische Korps, hauptsächlich bestehend aus der finnischen 3. Division griff in zwei Kampfgruppen gegliedert die Städte Kiestinki und Uchta an und sollten danach dann weiter auf Kem und Loukhi vorrücken, um dort die Eisenbahnstrecke nach Murmansk unterbrechen. Die finnischen Truppen standen deswegen unter deutschem Oberkommando. Auch hier hatten die deutschen Truppen von Anfang an Probleme mit dem schweren Terrain. Zusätzlich entpuppte sich die SS-Division „Nord“ als sehr ungeeignet für die arktische Kriegführung. Den Deutschen gegenüber standen drei sowjetische Divisionen: die 122. Schützen-Division, die 104. Schützen-Division und die 1. Panzer-Division. Auch die Deutschen hatten hier ihre 1. Panzerdivision konzentriert und man darf angesichts des Verrats im OKH Umkreis durchaus feststellen, dass das kein Zufall war!


Salla im Juli 1941 nach der Eroberung

Der deutsche Vormarsch begann langsam, gegen schweren Widerstand wurde Salla am 8. Juli 1941 eingenommen. Danach wurden die Deutschen bei den Städten Alakurtti und Kayrala gestoppt, weitere Angriffe im Juli scheiterten. Die finnischen Truppen im Süden kamen wesentlich besser mit dem Terrain zurecht und rückten schnell vor. Ihnen gegenüber stand die sowjetische 54. Schützen-Division. Die Finnen kesselten mehrere sowjetische Einheiten ein und fügten diesen große Verluste zu.


Finnische und SS-Kampfgruppe Nord auf einem Schienenwagen in Kiestinki, Karelien, 22. August 1941.

Am 7. August wurde Kestenga (Kiestinki) eingenommen und der Vorstoß weiter Richtung Osten fortgesetzt. Der Angriff auf Uchta dagegen wurde zurückgeschlagen und die Sowjets verlegten mehrere Einheiten (u. a. die 88. Schützen-Division) in das Gebiet. Aufgrund der guten finnischen Fortschritte wurde die SS-Division „Nord“ nach Süden verlegt, um die Finnen zu unterstützen. Am 30. Oktober begann eine neue Offensive östlich von Kestenga (Kiestinki), bei der ein sowjetisches Regiment einkesselt wurde. Die Kämpfe dauerten bis zum 13. November. Aufgrund diplomatischen Drucks seitens der USA ließ Finnland seinen Angriff am 17. November einstellen. Nur was ging damals den noch neutralen USA der finnische Angriff östlich von Kiestinki an? Was stand zu dieser Zeit hier auf dem Spiel? Zuvor meldeten die die Finnen noch von der Front zurück, dass sie noch weiter vorstoßen könnten. Offensichtlich hatten die Sowjets in diesem Raum keine greifbaren Reserven mehr. Heute weiß man, dass US-Diplomaten Finnland vor einer Unterbrechung ihrer Lieferungen an die Sowjets warnten, was schwerwiegende Folgen für Finnland nachziehen würde. Daraufhin stellten die Finnen den Angriff ein, wohl wissend, dass diese Entscheidung zum eigenen Nachteil war. Man blieb nur 30 km vor der Murmanbahn stehen und die Sowjets bekamen die Möglichkeit diese Frontlücke wieder zu schließen. Doch was wäre geschehen, wenn den Finnen das egal gewesen wäre, denn in diesem Krieg ging es um das Schicksal ihres Landes. Man weiß heute was der Ausfall nur eines alliierten Konvois für die Sowjets bedeutete und wenn man noch in Betracht zieht, dass bereits das Weiße Meer nicht mehr zu dieser Zeit befahren werden konnte, wären die Wintergegenoffensiven der Sowjets so nicht möglich gewesen, die vor Leningrad erst im Januar und vor Moskau am 6. Dezember 1941 stattfand. Der Moskauer Gegenangriff wurde sogar erst am 25.11.41 geplant, was sicher mit der Unterbrechung der Murmanbahn entweder überhaupt nicht oder unter völlig anderen Voraussetzungen geschehen wäre. Was auch immer die USA den Finnen angedroht hatten: die nachfolgende Einstellung der deutsch-finnischen Kiestinki-Offensive war kriegsentscheidend!

Mit den hier aufgeführten möglichen Erfolgen brauchte man auch deutscherseits das weit entfernte Archangelsk überhaupt nicht mehr zu erobern. Der Krieg am Weißen Meer wäre bis Jahresende 1941/42 mit einem kriegsentscheidenden Erfolg im Norden beendet worden. Die bekannten Konvoischlachten dieser Jahre wären nie geschlagen worden und der ganze Kriegsschauplatz hätte dramatisch an Bedeutung verloren, zum Vorteil der Achsenmächte. Und Finnland hätte bis auf Sicherung der erreichten Positionen, den Krieg ebenfalls beenden können, während die deutsche Seite, weitere Kräfte für den Ostkrieg freimachen konnte. Dazu gehörte auch die gesamte 18. Armee nach einer gewollten Eroberung Leningrads.

Primärquelle: Zürner, Der verschenkte Sieg
https://www.facebook.com/worldwarincolor...50986408364475/
Wikipedia

Was die Sowjets in Leningrad zerstören wollten


Leningrad in den Tagen des deutschen Ansturms, letzte Kräfte werden mobilisiert... nur Siegeszuversicht sieht anders aus

Das Zentrum Leningrads liegt von Ssussanino aus genau fünfzig Kilometer nördlich. Dort tagte am 9. September 1941 der sowjetische „Militärrat der Front". In diese Besprechung hinein platzte G. K. Schukow, der von Stalin selbst dorthin beordert worden war, mit den Worten: „Fahren Sie in den Raum Leningrad. Leningrad ist in äußerst schwierigem Zustand. Die Deutschen können, wenn sie Leningrad nehmen und sich mit den Finnen verbinden, von Nordosten aus Moskau umgehen; dann wird die Lage noch komplizierter."

Schukow in seinen „Erinnerungen und Gedanken":
„Am 9. September 1941 flog ich mit Generalleutnant M. S. Chosin und Generalmajor I. I. Fedjuninski in das belagerte Leningrad. Damals machten die Leningrader wirklich schlimme Tage durch... Wir flogen von Moskau zum Ladoga-See unter „günstigen" Witterungsverhältnissen: Regen und niedrige Wolken. Die Jagdflieger des Gegners konnten bei diesem Wetter nicht aufsteigen, und wir flogen ungestört und ohne Sicherung. Als wir uns dem Ladoga-See näherten, klärte sich das Wetter auf, und wir mussten eine Jagdfliegerstaffel zur Sicherung anfordern. Wir dröhnten im Tiefflug über den See, verfolgt von zwei Messerschmitt-Maschinen. Bald darauf landeten wir wohlbehalten auf einem Flugplatz der Stadt. Warum unsere Begleiter die Jäger des Gegners nicht vertrieben, blieb ungeklärt. Wir beeilten uns, den Smolny, den Stab der Leningrader Front zu erreichen... Vom Smolny erfuhren wir dann, dass man Maßnahmen diskutierte, die ergriffen werden sollten, falls Leningrad nicht mehr zu halten sei. Diese Maßnahmen (ich will sie hier nicht aufzählen) sahen die Zerstörung der wichtigsten militärischen Objekte vor.

Jetzt, ein Vierteljahrhundert später, scheinen diese Pläne unglaublich. Aber damals? Damals war Leningrad, die Wiege der Oktoberrevolution, in äußerster Gefahr; auf Leben und Tod wurde um die Stadt gekämpft. Nach einer kurzen Aussprache mit K. J. Woroschilow, A. A. Schdanow, A. A. Kusnezow und anderen Mitgliedern des Militärrats beschlossen wir, die Sitzung zu schließen und die Anwesenden darauf hinzuweisen, dass vorläufig nichts für eine Übergabe der Stadt unternommen werden sollte. Wir wollten Leningrad bis zum letzten Mann verteidigen.

Am 10. September übernahm ich den Befehl über die Leningrader Front. Woroschilow flog am 11. September im Auftrag Stalins zur 54. Armee von Marschall Kulik. Generalleutnant Chosin sollte sofort Oberst N. W. Gorodezki als Stabschef der Front ersetzen, und General I.I. Fedjuninski brach am gleichen Tag auf, um die Verteidigungsstellung der 42. Armee bei Urizk und auf den Höhen von Pulkowo zu überprüfen."


wäre fast von deutschen Jägern abgeschossen worden: Marschall Schukow. Er war auch bereit Leningrad aufzugeben...

So war das also damals - der spätere Marschall Schukow wurde von den deutschen Jägern nicht abgeschossen, er wurde vielmehr zum Retter Leningrads und war dann im Januar 1943 in der zweiten Schlacht südlich des Ladoga-Sees auch tatsächlich der sowjetische Heerführer, der wieder die Koordination der russischen Armeen vornahm und die Blockade Leningrads durchbrach. Bis machte sich Schukow einen ganz besonderen Namen innerhalb der bolschewistischen Diktatur. Im Sinne Stalins, der sich jede „Gefühlsduselei“ verbat, erklärte Schukow seinen Soldaten, „dass die Familien aller, die sich dem Feind ergeben, erschossen werden, ebenso sie selbst, wenn sie aus der Gefangenschaft zurückkehren“. Eine halbe Million Zivilisten wurde zwangsverpflichtet, um Sperren und Festungswerke anzulegen. Zugleich errichtete der NKWD in der Stadt ein Terrorregime, das jeden mit dem Tode bedrohte, der als feindlicher Agent, Defätist oder Konterrevolutionär identifiziert werden konnte.


Deutsche Artillerie beschießt Leningrad - Noch wusste deutscherseits niemand, dass ein Stadtangriff auf Leningrad abgeblasen wurde, weil man angeblich nicht wusste, wie man die Leningrader Bevölkerung ernähren sollte...


In Leningrad am 8.September 1941: Falls die deutsche Eroberung erfolgt wäre, hätte man nach Schukows Erinnerungen die wichtigsten militärischen Objekte selbst zerstört

Frontlage am 8. September 1941:
„ ... hatte die Heeresgruppe Nord, nach der Einnahme von Schlüsselburg, Leningrad vom Festland aus, längs der Newa bis Kolpino und weiter bis Jam Ishora, Ladoga, Ssussanino, Parizy und Iljino belagert. Die Küsten-Operativgruppe zog sich zurück und befestigte sich auf der Linie Peterhof—Ust Rudizy—Morskoje Pobereschje. Leningrad konnte sich mit dieser operativen Gruppe nur auf dem See-und Luftwege in Verbindung setzen. Auf der karelischen Landenge, an unserer alten Staatsgrenze, standen finnische Truppen in Erwartung des passenden Augenblicks, um sich von Norden her auf Leningrad zu stürzen. Als einzige Verbindung Leningrads mit dem Hinterland blieben der Ladoga-See und der Luftweg."


Primärquelle: Husemann, Die guten Glaubens waren - Geschichte der SS-Polizei-Division

Mansteins Plan um Leningrad im Herbst 1942 zu erobern

Schlechte Vorzeichen: Die 11.Armee wird auseinandergerissen...


Manstein mit Hitler bei einer Lagebesprechung


Manstein: "Während sich die Divisionen der 11. Armee auf der Krim von den Mühsalen der hinter uns liegenden Kämpfe erholten und ich auf Urlaub in Rumänien weilte, war von den Stäben der Übergang über die Meer­enge von Kertsch vorzubereiten. Er sollte die Einleitung der anschließenden Teilnahme der Armee an der inzwischen bereits angelaufenen großen Offensive des deutschen Südflügels bilden.
Ich selbst wurde auch in Predeal über die Vorbereitungen durch Besuche meines Ia, Oberst Busse, auf dem laufenden gehalten. Leider sollte es sich bei die­sen Arbeiten wieder einmal um unnützes Papier handeln. Hitler, der wie immer zu vielen Zielen zugleich nachjagte und die Anfangserfolge unse­rer Offensive überschätzte, ging von dem ursprünglichen Plan ab, auch die 11. Armee an dieser Offensive zu beteiligen.

Als ich am 12. August auf die Krim zurückkehrte, fand ich zu meinem Bedauern eine neue Weisung der obersten Führung vor. Der Plan, die Armee bei Kertsch übergehen zu lassen, war fallengelassen worden. Nur das Gen.Kdo. 42 und die 46. Division sollten zusammen mit rumänischen Kräften diese Operation durchführen. Die 11. Armee selbst war dagegen für eine Wegnahme von Leningrad vorgesehen, wohin schon die Angriffsartillerie von Sewastopol unterwegs war.


auch die Dora wurde nach Leningrad verlegt, man versprach sich von ihr einen schlachtentscheidenden Einsatz. Damit weiß man aber auch, wo die Dora sonst zum Einsatz gekommen wäre, wenn die 11.Armee im Süden geblieben wäre: vor Stalingrad!


eine Dora Sprenggranate - was hätte sie vor Leningrad bewirkt?

Die Vernichtung letzter sowjetrussischer Positionen durch die 7,1 Tonnen schweren Granaten, die bis zu 30 Meter tief in das Erdreich eindringen konnten, wäre schon vor Stalingrad tatsächlich schlachtentscheidend gewesen. Das Kanalssystem Stalingrads, über den der rote Nachschub an die bedrängten Stadtfronten lief wäre durch diesen Beschuss zerschmettert worden. Leider wurden jedoch noch drei weitere Divisionen abgesplittert. Die 50. Division sollte auf der Krim bleiben.

Die 22. Division, erneut zur Luftlande-Division umgestellt, kam nach Kreta, wo sie - eine unserer besten Divisionen - bis zum Ende des Krieges mehr oder weniger lahmgelegt blieb. Aus der Transportbewegung wurde weiterhin noch die 72. Division zur Heeresgruppe Mitte abge­dreht, um dort eine örtliche Krise zu beheben. So verblieben dem AOK schließlich für seine künftige Aufgabe von den alten Verbänden nur die Gen.Kdos. 54 und 30, sowie die 24., 132., 170. Inf.- und die 28. Jäger-Division.

Diese Zerreißung einer Armee, in der unter dem AOK so lange die gleichen Gen.-Kdos. und Divisionen zusammengearbeitet hatten, war in jedem Fall bedauerlich, welche Gründe auch immer die oberste Füh­rung dazu bewegen mochten. Die gegenseitige Kenntnis, das in schweren Kämpfen erworbene Vertrauen, sind Momente, die im Kriege schwer wiegen und die man niemals außer acht lassen sollte.

Ganz abgesehen von dieser Frage tauchte eine andere, noch wichtige­re, auf. War es zu diesem Zeitpunkt überhaupt vertretbar, die auf der Krim frei gewordene 11. Armee vom Südflügel der Ostfront wegzuneh­men, um sie an ein fraglos weniger wichtiges Ziel, die Eroberung von Leningrad, zu setzen? Deutscherseits wurde doch die Entscheidung in jenem Sommer 1942 auf dem Südflügel der Ostfront gesucht. Zu dieser Entscheidung aber konnte man nicht stark genug sein. Dies um so mehr, als auf Grund der von Hitler angestrebten Ziele von vornherein zu übersehen war, dass die deutsche Offensive in zwei Richtungen - auf Stalingrad und den Kaukasus - auseinanderfallen würde und dass, je weiter sie nach Osten fortschritt, sich eine um so längere Nordflanke des Stoßkeils ergeben musste.

Der Verlauf der Ereignisse hat gezeigt, wie notwendig die 11. Armee weiterhin auf dem Südflügel gewesen wäre. Mochte sie nun über die Meerenge von Kertsch angesetzt werden, um dem Gegner das Zurück­weichen auf den Kaukasus zu verwehren, oder mochte sie den angrei­fenden Heeresgruppen zunächst als operative Reserve folgen. Als ich auf dem Fluge nach Norden zur Besprechung der neuen Auf­gabe im FHQ Winniza war, habe ich diese Frage mit dem Chef des Ge­neralstabs, Generaloberst Halder, eingehend besprochen. Halder brach­te dabei klar zum Ausdruck, dass der Gedanke Hitlers, neben der Offen­sive im Süden noch die Eroberung von Leningrad anzustreben, seiner Auffassung widersprach. Hitler habe jedoch darauf bestanden und wer­de von seiner Absicht nicht abgehen.

Auf meine Frage, ob er, Halder, denn glaube, auf dem Südflügel überhaupt ohne die 11. Armee auskom­men zu können, antwortete er allerdings bejahend. Ich selbst blieb skeptisch, konnte jedoch diese Ansicht des Generalstabschefs im voraus nicht widerlegen. Bei dieser Gelegenheit musste ich mit Erschrecken feststellen, wie schlecht das Verhältnis zwischen Hitler und seinem Generalstabschef war. Beim Lagevortrag ergab sich, dass bei der Heeresgruppe Mitte durch eine sowjetische Teiloffensive eine örtliche Krise entstanden war, zu deren Behebung unsere 72. Division dorthin abgedreht wurde. Als Hitler sich aus diesem Anlass in Angriffen auf die dort kämpfende Trup­pe erging, widersprach ihm der Generalstabschef nachdrücklich. Er wies darauf hin, dass die Kräfte der Truppe eben seit langer Zeit über­spannt seien, dass insbesondere der hohe Ausfall an Offizieren und Un­teroffizieren nicht ohne Rückwirkung bleiben könne.

Diese, von Halder in durchaus sachlicher Form vorgetragenen Einwände hatten einen Wutausbruch Hitlers zur Folge. Übrigens der einzige, der sich in meiner Gegenwart ereignet hat. In taktloser Form zog Hitler die Berechtigung des Generalstabschefs zu solchem Urteil ihm gegenüber in Zweifel. Er, Hitler, könne dies weit besser beurteilen, da er im Ersten Weltkrieg als Infanterist an der Front gestanden habe, während dies bei General Hal­der nicht der Fall gewesen sei.

Die ganze Szene war so unwürdig, dass ich ostentativ den Kartentisch verließ und erst auf Aufforderung Hit­lers, nachdem er sich beruhigt hatte, zum Vortrag zurückkehrte. Ich sah mich veranlasst, anschließend mit dem Chef des Personalamts, General Schmundt, der zugleich Adjutant der Wehrmacht bei Hitler war, zu sprechen. Ich sagte ihm, dass ein derartiges Verhältnis zwischen dem Oberbefehlshaber und dem Chef des Generalstabes des Heeres eine völ­lige Unmöglichkeit sei. Entweder müsse Hitler auf seinen Generalstabs­chef hören und ihm gegenüber die selbstverständlichen Formen wahren oder letzterer müsse die Konsequenzen ziehen. Leider geschah nichts dergleichen, bis dann sechs Wochen später die Trennung der beiden Männer durch Verabschiedung des Generaloberst Halder erfolgte.

Am 27. August traf das AOK an der Leningrader Front ein, um hier im Abschnitt der 18. Armee die Angriffsmöglichkeiten zu erkunden und den Plan für die Angriffsführung gegen Leningrad festzulegen. Es war beabsichtigt, dass das AOK als dann von der 18. Armee deren nach Nor­den gerichtete Front übernehmen sollte, während letzterer ihre Ost­front am Wolchow verblieb.

Die für die 11. Armee vorgesehene Nord­front gliederte sich in den Newa-Abschnitt vom Ladoga-See bis südostwärts Leningrad, die eigentliche Angriffsfront südlich Leningrad und die Front, welche den von den Sowjets noch gehaltenen, ausgedehnten Landekopf am Südufer des Finnischen Meerbusens um Oranienbaum abschloss. Neben der sehr starken, zum Teil von Sewastopol herangeführten An­griffsartillerie sollte das AOK insgesamt über 12 Divisionen, darunter die spanische „Blaue Division", eine Pz.- und eine Geb.Div., sowie eine SS-Brigade verfügen. Von diesen Kräften fielen jedoch für den Angriff auf Leningrad je zwei Divisionen an der Newa- und an der Oranienbaumer Front aus, so dass für ersteren nur neuneinhalb Divisionen verblei­ben würden. Sicherlich nicht allzuviel Kräfte angesichts der Tatsache, dass der Gegner im Bereich von Leningrad über eine Armee von 19 Schützen-Divisionen, 1 Schützen-Brigade, 1 Grenzwacht-Brigade und 1 bis 2 Pz.-Brigaden verfügte.

Angesichts dieses Kräfteverhältnisses wäre es naturgemäß von wesent­licher Bedeutung gewesen, wenn die Finnen, die das Gebiet von Lenin­grad in der karelischen Landenge im Norden abriegelten, sich an dem Angriff beteiligen würden. Zum mindesten um die vor ihnen stehenden fünfeinhalb sowjetischen Divisionen zu binden. Eine diesbezügliche Anregung bei dem deutschen General im Finnischen HQ, General Erfurth, ergab jedoch, dass das Finnische Oberkommando eine solche Be­teiligung ablehnte.


General Waldemar Erfurth

General Erfurth erläuterte den finnischen Stand­punkt dahin, dass seit 1918 Finnland stets den Standpunkt vertreten habe, seine Existenz werde niemals eine Bedrohung Leningrads darstel­len. Aus diesen Gründen sei ein finnischer Beitrag an einem Angriff auf die Stadt ausgeschlossen. So sah sich das AOK für die ihm gestellte Aufgabe allein auf die eigenen Kräfte angewiesen. Wir waren uns durchaus darüber im kla­ren, dass das Gelingen dieser Operation einigermaßen problematisch sein würde. Dass sie im übrigen überflüssig hätte sein können, trug nicht gerade dazu bei, sie uns besonders schmackhaft zu machen.


In der Not nutzte die belagerte Stadtbevölkerung jeden nutzbaren Boden für die Selbstversorgung, selbst innerhalb der Stadt, nahe der Isaak Kathedrale


Im Sommer 1941 hatte wohl sicher eine Möglichkeit bestanden, Lenin­grad überraschend zu nehmen. Die baldige Wegnahme dieser Stadt hatte gerade in der Konzeption Hitlers ursprünglich mit an erster Stel­le gestanden. Die damals gegebene Chance war, aus welchen Gründen auch immer, nicht genutzt worden. Dann hatte Hitler geglaubt, Lenin­grad mitsamt seiner Bevölkerung aushungern zu können. Die Sowjets hatten durch diese Rechnung einen Strich gemacht, indem sie die Stadt über den Ladoga-See, im Sommer mit Schiffen, im Winter mit­tels einer über das Eis gelegten Bahn versorgten. Geblieben war eine für die deutsche Seite kräftezehrende Front vom Ladoga-See bis west­lich Oranienbaum. Ihre Beseitigung war sicherlich sehr erwünscht. Fraglich war nur, ob der Angriff jetzt angesichts der Tatsache, dass wir zugleich die Entscheidung auf dem Südflügel der Ostfront suchten, zu verantworten war.

Das Wort „Was Du von der Minute ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit zurück" schien über dem Unternehmen gegen Leningrad zu stehen. Indessen, wir hatten den uns zugewiesenen Angriff in jedem Falle aufs beste vorzubereiten. Bei den Erkundungen an der Front südlich Lenin­grad lag die Stadt, geschützt allerdings durch ein tiefgegliedertes Netz von Feldbefestigungen, anscheinend zum Greifen nahe vor uns. Man sah das große Werk von Kolpino an der Newa, in dem noch immer Panzer fabriziert wurden. Man sah die Werften von Pulkowo am Finnischen Meerbusen. In der Ferne zeichnete sich die Silhouette der Isaaks-Kathedrale und der spitze Turm der Admiralität, sowie die Peter-Paul-Festung ab. Bei klarem Wetter konnte man auf der Newa auch einen lahmgeschossenen Panzerkreuzer erkennen. Er war eines unserer 10 000-Tonnen-Panzerschiffe, das 1940 an die Russen verkauft worden war. Be­trüblich war für mich festzustellen, dass die mir aus dem Jahre 1931 bekannten Zarenschlösser, das schöne Katharinen-Palais in Zarskoje Szelo, wie auch das vom letzten Zaren dort bewohnte kleinere Schloß und das reizende Peterhof am Finnischen Meerbusen dem Kriege zum Opfer gefallen waren. Sowjetische Artillerie hatte sie in Brand geschos­sen.

Auf Grund unserer Erkundungen sahen wir ein, dass die Armee sich unter keinen Umständen in einen Kampf im Stadtgebiet von Leningrad einlassen dürfe, in dem die eigenen Kräfte in jedem Fall schnell verzehrt werden würden. Die Ansicht Hitlers, dass man Leningrad durch Terror­angriffe des hierfür vorgesehenen 8. Flieger-Korps zur Übergabe zwin­gen könne, teilten wir ebenso wenig wie dessen erfahrener Befehlsha­ber, Generaloberst v. Richthofen. Die Absicht des AOK ging dementsprechend dahin, die feindliche Front südlich Leningrad zunächst unter Ausnutzung stärkster Artillerie-und Luftwaffenwirkung mit drei Korps zu durchbrechen, jedoch danach nur bis an den Südrand der eigentlichen Stadt durchzustoßen. Als dann sollten zwei Korps nach Osten eindrehen, um überraschend die Newa südostwärts der Stadt zu überschreiten. Sie sollten die zwischen ihr und dem Ladoga-See stehenden Feindkräfte vernichten, den Nachschub über den Ladoga-See abschneiden und die Stadt auch von Osten her abschließen. Dann würde ihr Fall, ähnlich wie s. Z. der von Warschau wohl schnell und ohne schwere Häuserkämpfe zu erreichen sein...[...]

Primärquelle: Manstein, Verlorene Siege