Wendische Besunzane: Wächter auf der Landeskrone

Bisher wird behauptet, dass die einzig im Bayerischen Geographen benannten Besunzane ein "westslawischer" Stamm wären, obwohl davon nichts überliefert ist. Weiter ist auch nichts von ihrem einstigen Siedlungsgebiet zwischen zwischen 850 und 900 überliefert, weswegen man anhand bekannterer Siedlungsgebiete anderer Stämme und der Listungsstelle im Bayerischen Geographen eine Rekonstruktion versuchte.

Anhand den Hinweisen und den so ermittelten Bezugspunkten, werden die Besunzane im nördlichen Böhmen vermutet. Etwas präzisiert soll sich ihr Siedlungsgebiet sogar nördlich von Böhmen im Neißetal befunden haben, oder innerhalb des Dresdner Elbtalkessels. Sie befanden sich damit in Nachbarschaft zu den Milzane, Sleenzane, Lunsizi und Dadosesani. Die Namensendung der Besunzane, geht wie bei den Milzane, Sleenzane und Dadosesani auf das germanische "san" zurück, was sie allesamt als Wächter (=Senner, Hirte) ausweist. Damit werden sie als Abkömmlinge von Kriegerkasten ausgewiesen, die ursprünglich Asen-Clans angehörten.

Gegen das Neißetal als Siedlungsgebiet der Besunzane spricht vor allem eine Urkunde aus dem Jahr 1071, in der Bischof Benno von Meißen Land in der „villa goreliz in pagus milsca“ - im Gutshof/Dorf Görlitz im Gau der Milzener - erhält. Die Besunzane müssten demnach ihre territoriale und politische Selbständigkeit im 10. oder 11. Jahrhundert verloren haben. Das 1071 erstmals erwähnte Görlitz, soll angeblich ein "slawisches Dorf" gewesen sein, doch die Geschichte des Neißelandes ist seit Anfang der 960er Jahre mit dem Markgraf der Sächsischen Ostmark Gero verbunden, der zu dieser Zeit die Niederlausitz unterwarf. Mit seinem Namen wird sich auch der Stadtname von Görlitz verbinden, was sicher nach Gero benannt wurde. Der zweite Teil bezieht sich entweder auf das althochdeutsche Elisāzāri, womit sich unter Gero an der Neiße Elsässer angesiedelt haben könnten, oder der von Gero eroberte Heidenort wurde von seinen Gelehrten grob den Helisii zugeordnet.


Für das Neißetal spricht neben dem namenkundlichen Bezug von Besunzane zu businc, bisenzc und weiter zum heutigen Ort Biesnitz, die Existenz eines durch die Königshainer Berge geographisch von den Milzenern geschiedenen heidnischen Siedlungsgebietes im Neißetal. Deswegen folgt die Literatur heute weitestgehend der Lokalisierung durch Richard Jecht, der jedoch die Bewohner fälschlich als "Slawen" bezeichnete. Denn wie der Stammesname insgesamt zu deuten ist, lässt sich im 10. und 11. Jahrhundert mit dem indogermanischen Wort "bʰēso" für Raubvogel, womit sie insgesamt als "Raubwächter" gedeutet werden könnten. Auf das Umfeld bezogen, wo von Schlesien her Überfälle von Wikingern drohten, wäre das nachzuvollziehen, denn man brauchte dafür nur der Neiße hochzuziehen.


Die Landeskrone war um 1000 offensichtlich eine Befestigung der Milzener, die von hier aus, das Neißetal vor Raubüberfälle schützten. Zu diesem Kontext passen die Besunzane als Wächtername

Im Bayerischen Geographen werden weiterhin für die Besunzane zwei civitates genannt. Eine dieser civitates ist wahrscheinlich auf der Landeskrone zu suchen. Die Besiedlung auf der Landeskrone lässt sich bis in die jüngere Bronzezeit zurückverfolgen, wie Funde der bronze- und früheisenzeitlichen Lausitzer Kultur im Bereich des 3.000 m² umfassenden so genannten oberen Burgwalls belegen. Um oder bald nach 900 wurde zusätzlich zu einer Befestigung zwischen den beiden Gipfeln des Berges noch eine weitere halbkreisförmige Wehranlage am Südhang des Berges errichtet. Diese sicherte eine Fläche von rund 10.000 m² und wurde durch Rudolf Virchow 1870 durch kleinere Ausgrabungen erstmals genauer erforscht. Die nachgewiesene steinerne Wehrmauer hat eine Stärke von immerhin bis zu 8 Meter. Weitere archäologische Untersuchungen im Jahr 1909, in den 1920er und 1930er Jahren sowie 1969/1970 brachten unter anderem diverse Keramikscherben, aber auch Spuren von Eisenverarbeitung und Pechsiederei zum Vorschein. Diese Funde berechtigen zu der Annahme, die Landeskrone sei Zentralort des lediglich in der Völkertafel des Bayerischen Geographen erwähnten Stammes der Besunzane gewesen. Noch weiter geht Jasper von Richthofen, der auf der Landeskrone gar eine frühstädtische Siedlung allerdings der Milzener vermutet, zu deren Gebiet durch eine Urkunde belegt zumindest die Gegend um die heutige Stadt Görlitz spätestens seit 1071 gehörte. Die Essenz dieser Forschungen könnte deshalb auch lauten, dass die Besunzane auf der Landeskrone nur ein Funktionsname einer Burgbesatzung der Milzane sind, von wo aus das Neißetal bis nach Görlitz gesichert wurde.


das alte Görlitz, im Hintergrund die Landeskrone. Der älteste Name "Goreliz" ist althochdeutscher Herkunft und weist entweder auf eine Ansiedlung von Elsässern unter Markgraf Gero hin, oder der von Gero unterworfene Barbarenort wurde grob den Helisii zugeordnet

Sofern man der Lokalisierung der Besunzane in der Gegend um Görlitz folgen will, wäre dieser kleine Stamm ohnehin nach 900 bei den Milzenern aufgegangen, weshalb sie von Anfang an nur die östlichen Wächter der Milzener gewesen sein könnten. Dazu passt, dass die Besunzane in späteren Schriftquellen keine Erwähnung mehr fanden. Bisherige, sehr auf die Befestigung konzentrierte Grabungen auf der Landeskrone konnten allerdings bislang keine Spuren einer dichten Innenbebauung aufdecken, wie man sie bei einem solchen zentralen Ort der Milzener erwarten müsste. Die These des vielleicht städtischen Zentrums auf der Landeskrone wird jedoch untermauert durch die Erwähnung in der Chronik Thietmar von Merseburgs.

Bei Thietmar von Merseburg wird im Zusammenhang mit einem Heereszug, den König Heinrich II. im Sommer 1015 gegen das Herzogtum Gnesen unter Boleslaus Chrobry unternahm, auch die Eroberung einer großen urbs Businc durch böhmische Truppen erwähnt. Dabei seien allein 1.000 männliche Gefangene gemacht worden. Sofern die genannte Gefangenenzahl tatsächlich zutrifft, könnten bis zu 4000 Heiden zum Zeitpunkt des Angriffs in der Burg gewesen sein. Mit einiger Sicherheit kann diese „magna urbs businc“ mit der Befestigungsanlage auf der Landeskrone identifiziert werden, da diese strategisch sehr bedeutend für den, gegen Schlesien gerichteten, Feldzug des Kaisers war. Auch der Name der unterhalb des Berges liegenden Orte Klein und Groß Biesnitz (um 1300 „Bisencz“), heute Ortsteile von Görlitz, und evtl. auf den Stamm der Besunzane verweisend, stützt diese These.

Jecht vermutet, dass im Umfeld der Landeskrone-Festung dem Stamm der Besunzane auch sein Name gegeben wurde, was wiederum zum Wächternamen passen würde. Jecht nimmt an, dass die Landeskrone früher wie der an ihrem Fuß liegende Ort Biesnitz mit dem Namen „businc“ benannt wurde und mit der bei Thietmar von Merseburg im Jahre 1015 erwähnten „urbs businc“ identisch sei.

Die zweite civitas könnte im Raum um Ostritz zu finden sein; mit einer Befestigung auf dem Veensberg bei Blumberg als Zentralort. Dieser könnte mit dem „castella ostrusna“ gemeint sein, das 1006 dem Bistum Meißen geschenkt wurde. Allerdings gibt es im Neißetal um Görlitz 21 bis 29 heidnische und frühdeutsche Wehranlagen, so dass die Lokalisierung der zweiten civitas, so die Angaben des Bayerischen Geographen überhaupt zutreffend sind, und ihres Zentralortes denkbar schwerfällt.

Primärquelle: Wikipedia

Ohne "Slawen"-Hintergrund: Alte Ortsnamen im Neißeland

Unvermeidlich ist es auch mit dem "Slawen"-Unsinn im Neißeland aufzuräumen, unter dem sich gleich einer überflüssigen Patina die wahre Geschichte des ostelbischen Großraums verbirgt. In diesem Land sprachen nach den Annalen Einhards einfach alle Verbände zwischen Rhein und Weichsel die gleiche Sprache, weshalb sich auch das neue Ethnonym Wenden für missionierte und wieder abgefallene Heiden so schnell im ostelbischen Raum verbreiten konnte. Und zwar als Fremdbezeichnung, denn die Bevölkerung östlich der Elbe-Saale Linie bezeichnete sich selbst niemals als Wenden.


Der Name Ostritz geht auf eine althochdeutsche Verortung für eine Wasserburg im Osten zurück

Neben den Ortsnamen Görlitz, der erst nach der Eroberung des Neißelandes, relativ sicher nach dem Heidenschlächter Gero benannt wurde und deshalb ganz gewiss nicht "altslawisch" Brandstätte bedeutet, ist auch der Name Ostritz keinesfalls "slawischen" Ursprungs. Dazu kommt noch, dass er schon um 500 n.Chr. bekannt war. Ostritz wurde möglicherweise im Jahre 1007 erstmals als castellum Ostrusna erwähnt, der Name könnte sich aber auch auf andere Befestigungen, wie den Rotstein bei Sohland beziehen. Nach dem DDR-Slawisten Eichler und Walther soll sich der Name vom "altsorbischen" Wort Ostrožn - ostrog für Pfahl ableiten und bezeichnet eine mit Palisaden umgebene Siedlung. Tatsächlich ist der Name nur althochdeutscher und setzt sich aus ōst für Osten und roz (rōzēn) für Schleim und Verfaulen zusammen, was den befestigten Ort (=Castellum) in der Nähe eines Sumpfes verortet. Eine typische Wasserburg dieser Zeit also, die den Sumpf als Deckung nutzte. Ostritz liegt zudem auch eben am Westufer der Neiße, wo nach der Spruneri-Karte um 500 die wandalischen Silinger herrschten.


Bis 1945 deutsch: Reichenau in Sachsen am östlichen Ufer der Neiße


Auch die am Katzbach liegende Stadt Seidenberg gehörte immer nur zu Meißen, 1945 wurden alle Deutschen vertrieben

Es ist zudem strategisch völlig unsinnig diesen Ort mit dem Veensberg bei Blumberg auf dem Ostufer der Neiße in einen Zusammenhang zu bringen, der keinesfalls so wirksam verteidigt werden konnte. Blumberg gehört heute zu Reichenau, was zudem erst 1262 als Richinowe erwähnt wird. Es klaffen also viele Jahrhunderte dazwischen! Richinowe - althochdeutsch von rīchi für reich und ouwa für Aue, unterstand jedenfalls der schlesischen Daglingerlinie unter Boleslaus II., dem Kahlen.


Primärquelle: Wikipedia

Zwischen Neiße und Bober: Die Suche nach dem Gau Nice

Wie Thietmar von Merseburg in seiner bekannten Chronik berichtet, schlug Heinrich II. auf seinem Feldzug gegen die Daglinger im Herzogtum Gnesen im Jahre 1005 in der provincia Nice ein Lager auf. Bis heute sind sich Historiker und Namenforscher nicht einig, wo diese Provinz Nice zu lokalisieren ist. Die einen Slawisten sehen darin ein "slawisches" Siedlungsgebiet um Forst an der Neiße, andere Slawisten setzen Nice mit dem pagus Selpoli, einem "slawischen Wohngau" an der Lubst, einem rechten Zufluss der unteren Neiße, gleich. Damit fällt schon ein Flussname, der bisher völlig falsch übersetzt wird.


Die Lubst als rechter Nebenfluss der Lausitzer Neiße
Kobierski Piotr, Wikimedia Commons, CC-BY-3.0

Die Lubst wurde von Deutschen auch Luba oder Lubis genannt und will man heute vom "altsorbischen" Wort "luba" für "die Freundliche" herleiten. Ganz konkret ist das absoluter Unsinn einen Fluss als "freundlich" zu bezeichnen, der bei jedem Hochwasser auch "unfreundlich" sein kann. Besonders DDR-Slawisten und ihren heutigen Apologeten wird jedoch seit vielen Jahren mit den erfundenen Slawen auch ein völlig falschen "Blumenwiesen-Naturmenschen"-Image verbreitet, was sie in etwa wie die nordamerikanischen Indianerstämme darstellt: eine von den Deutschen bedrohte Spezies, die nur dort siedelte, wo niemand wohnen wollte. Und wo sie wohnten, sind sie praktisch sie eng mit der Natur verbunden gewesen. Räumen wir diesen Unsinn beiseite, bleibt für die Lubst nur eine einzige Deutung übrig: Der Fluss leitet sich, wie viele ostelbische Ortsnamen, nur vom indogermanischen *lup für Wolf her, der wiederum eng mit nordischen Mythologie rund um Odin verknüpft ist!


Teupitz leitet sich ausschließlich vom indogermanischen teup ab, nachdem zuerst der See als "Räubersee" benannt wurde. Der spätere Ort ist wiederum nur vom Seenamen abgeleitet.


Beeskow - der Name leitet sich vom althochdeutschen "biskof" für Bischof, Priester oder Hohepriester ab

Eine Untersuchung im Sinne einer diktierten "slawischen" Vergangenheit führte deutsche Slawisten zur Annahme, dass sich in der Gegend um Forst, besonders südlich davon, einst ein "slawischer Kleingau" am linken Ufer der Neiße erstreckte, denn dort sollen sich nicht nur ältere slawische Ortsnamentypen, sondern auch typische Zunamen, einer angeblich älteren Siedlergemeinschaft nachweisen lassen. Darüber hinaus deutete man Bodenfunde so, dass sie angeblich aus einer "mittel- oder spätslawischer Zeit" stammen würden, weshalb man darauf aufbauend eine Siedlungskammer annimmt, die sich durch fundleere Räume deutlich gegen den Gau Luzici und den Gau Selpoli abgrenzt. Den Gau Luzici hat Christian Gotthelf Fix mit der Niederlausitz gleichgesetzt und reicht bis zu den Städten Frankfurt und Finsterwalde. Den Gau Selpoli verortet er rund um die Städte Storkau, Beskau (Beeskow) und Teupitz.


Leitzkau wäre ursprünglich eine "slawische" Siedlung gewesen und wurde 995 erstmals als "Liezka" erwähnt. Der Name leitete sich jedoch nur vom althochdeutschen lēska für Sumpfgras her!
Meleagros, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-2.0

Thietmar von Merseburg berichtet in seiner Chronik zum Jahre 1005, dass Heinrich II. im August sein Heer versammelte und von Leitzkau aus gegen die Daglinger unter Herzog Boleslav (Bolsleif) Chrobry aufbrach. Nachdem er Dobraluh in pago Luzici (Doberlug) erreicht hatte, stießen Heinrich von Bayern und Jaromir von Böhmen zu ihm, um nachfolgend den Feldzug mit vereinten Kräften fortzusetzen. Unterwegs durch „verräterische Führer“ irregeleitet, kamen sie nur langsam voran, bis sie schließlich die provincia Nice erreichten und nahe bei der Spree – iuxta Sprewam fl uvium – ihr Lager aufschlugen.

Bis heute sind sich die Forscher nicht einig, was die provincia Nice, die später nicht mehr erwähnt wird, eigentlich darstellt und wo sie genau zu lokalisieren ist. Bei der Beantwortung der Frage bildeten sich unter den Slawisten zwei unterschiedliche Meinungen heraus. W. Trillmich sucht den Neißegau recht unbestimmt zwischen der Spree und der unteren Görlitzer Neiße um Guben. Chr. Lübke gibt das Gebiet zwischen unterer Neiße und Spree an, die genaue Lage sei umstritten. R. Lehmann vermutet, dass Nice im Wesentlichen mit Selpoli zwischen Neiße und Lubst identisch sei: „Die auch nur einmal vorkommende provincia Nice (Neiße) ist vielleicht im wesentlichen übereinstimmend mit Selpoli“.


Niemtsch - 1496 als Nemjesk erwähnt, kommt nur eine Herleitung vom germanischen "nēmja" in Frage, was für zugeteilt oder verordnet steht. Mit anderen Worten das Rundplatzdorf war eine geplante Ansiedlung von deutschen Kolonisten


Sommerfeld an der Lubst, wurde nach der Vertreibung aller Deutschen in Lubsko umbenannt, womit die Stadt statt eines freundlichen "Sommerfeld"-Namens jetzt einen "unfreundlichen" germanischen Wolfsnamen besitzt.

In ähnlicher Weise äußert sich L. Leciejewicz, der den Gau Nice an den Unterlauf der Neiße in die Nähe des Zuflusses der Lubst verlegt. Nach L. Tyszkiewicz gehörte das nördlich vom Zara-Territorium liegende Siedlungsgebiet bei Sommerfeld und Niemtsch zum Siedlungsbereich der Nice. Am deutlichsten formulierte den von R. Lehmann angenommenen Zusammenhang zwischen Nice und Selpoli Chr. Zschieschang: „Somit ist an der Mündung der Lubst in die Neiße von einem Siedlungsgebiet Selpuli auszugehen, für das im 11. Jh. die synonyme Bezeichnung Nice kursierte“.

Ablehnend zur Ansicht von R. Lehmann verhält sich der DDR-Slawist J. Herrmann: "Dagegen würde sprechen, so bald wir Selpoli an der unteren Neiße und Oder lokalisieren, dass Nice dem Namen nach ein geringeres Gebiet, eben nur ein Gebiet an der Neiße in der Nachbarschaft der Lausitz umfasst haben müsste. So bleibt vor allem die Gegend um Forst. Nach Thietmar muss Nice bis zur Spree gereicht haben, und diese Möglichkeit ist Forst gegenüber, oberhalb von Cottbus am besten gegeben."

Dieser Lokalisierung schließt sich G. E. Schrage an. Auch H. D. Krausch kommt bei seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, dass mit der Landschaft Nice wahrscheinlich das Siedlungsgebiet um Forst gemeint ist, das nach Westen hin vielleicht bis in den Raum Tranitz-Lieskow reichte; und der Ort des Lagers wäre dann etwa beim heutigen Merzdorf zu suchen. Nachfolgend wollen wir uns mit Hilfe von Orts- und Personennamen sowie anhand von Bodenfunden um eine neue Lagebestimmung bemühen, wobei unser Lokalisierungsversuch durch konkrete Indizien untermauert sowie durch eine Karte veranschaulicht werden soll. Der Darstellung bei Thietmar darf man entnehmen, dass es sich bei der provincia Nice um eine "slawische" Siedlungskammer handelt, die aber nicht sehr ausgedehnt und dicht besiedelt gewesen sein kann, denn sonst wäre sie schon früher oder auch später nochmals genannt worden. Dass sie nicht mit Selpoli gleichzusetzen ist, geht schon daraus hervor, dass ihm Selpoli und dessen geographische Lage sicherlich gut bekannt waren, denn er erwähnt in seiner Chronik den pagus Selpoli nicht weniger als drei Mal, so bereits zu den Jahren 963 und 990, danach ein weiteres Mal 1007.


Primärquelle: Walter Wenzel, Die provincia Nice – ein slawischer Kleingau an der Neiße

Ortsnamendeutung im Gebiet um Forst


Slawisten nehmen für die Zeit vor 1000 im Gebiet um Forst eine "slawische" Siedlungskammer an, weshalb sich demzufolge in deren Zentrum ältere "slawische" Ortsnamentypen befinden würden. Zu den ältesten "slawischen" Ortsnamenbildungen sollen die Namen, die auf -ici und -owici, oder auf -jane enden gehören. Ferner angebliche Bewohnernamen, wo man bisher nicht deutbaren Ortsnamen von fiktiven "slawischen" Bewohnernamen herleiten will. Als Beispiel wird bei Wenzel Kosobudy genannt, was in dieser Variante nur im heutigen Polen besonders in Hinterpommern noch existiert. In Hinterpommern handelte es sich dabei um ehemalige deutsche Dörfer (z.B. Birkholz) oder ein kaschubisches Dorf, ein weiteres existiert jedoch bei Lublin Namensvarianten existierten davon auch in Mitteldeutschland, wo etwa westlich von Markkleeberg 1216 ein Ort Kozebude und nordwestlich von Altenburg um 1200 ein anderer Ort Chozbude überliefert ist. In Böhmen dazu auch ein Kosobody, was deutsch zu Cossawoda wurde. Auf eine Althochdeutsche Herleitung zurückgehend, wird mit Kosobudy oder Kozebude nur ein Ort mit einem mittelalterlichen Badehaus benannt. *budin = Bütte, Zuber und *kozza für kübeln, was für "den Inhalt aus einem großen Gefäß (Kübel) ausschütten" bedeutet.

Zwischen Saale und Elbe naben DDR Slawisten noch die Namen Seběkury und Zornosěky als "slawische zweigliedrige Bewohnernamen" bezeichnet. Auch hier hilft nur das Althochdeutsche, die wahre Bedeutung herauszufinden. Seběkury leitet sich von sebben und bekkāri, was "schmackhafte Bäckerei" bedeutet und Zornosěky von zornōn und dem germ. sakō für insgesamt "Streitsache", was einen Richterort beschreibt.


Kein "slawischer" Ortsname: Mulknitz leiten sich als ersterwähntes Molkenitcz vom althochdeutschen molken ab!
Global Fish, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-4.0

Der angeblich im "slawischen" Sinne gedeutete sorbische Ortsname Mulknitz, nordwestlich von Forst, wurde am 6. Februar 1487 erstmals urkundlich als Molkenitcz erwähnt. Der Ortsname soll vom Flüsschen Malxe stammen, das durch das Dorf fließt. In seiner althochdeutschen Deutung leitet er sich von molken (germ.mulkana) für Molke her, was auf einen Bauernhof mit Milchkühen hinweist.


Bagenz leitet sich namentlich aus dem Althochdeutschen von einem Richterort her.
Stefan Fussan, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Auch der Ort Bagenz wird von Wenzel mit einer "slawischen" Herkunft bedacht und wird bei Wikipedia mit "Ort an einem Sumpf" übersetzt. Bagenz wurde im Jahr 1389 erstmals unter dem Namen Bagancz in einer Urkunde erwähnt. 1498 lautete der Ortsname Bagenitz und entwickelte sich im Laufe der Zeit über Bagenicz (1527) und Bagentz (1578) zu seinem heutigen Namen. Ohne große Umwege direkt von althochdeutschen bāgan für Rechtsstreit hergeleitet, geht dieser Name nur auf einen Richterort zurück!


Primärquelle: Walter Wenzel, Die provincia Nice – ein slawischer Kleingau an der Neiße
Wikipedia

Von Domsdorf bis Simmersdorf: Die wahre Bedeutung der Namen

Weitere willkürlich mit einer "slawischen" Herkunft bedachte Orte will Wenzel bei Domsdorf/Domašojce, Laubsdorf/Libanojce, Bohsdorf/Bóšojce und Bloischdorf/Błobošojce, vielleicht auch Simmersdorf/Žymjerojce sehen. Der Reihe nach kommt jedoch meistens nur eine althochdeutsche germanische oder indogermanische Herleitung in Frage:


Domsdorf bei Uebigau-Wahrenbrück
Wolkenkratzer, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-4.0

Domsdorf: Mehrfach verbreitet, gehen die älteren Namen auf das germanische "dōma" für Urteil zurück, womit diese Orte Richtersitze gewesen sind. Jenes Domsdorf bei Uebigau-Wahrenbrück also, was am 30. Juni 1323 erstmals als Domastorf erwähnt wird. Das in der Nähe von Forst existierende Domsdorf (1463 als Domßtorff) will man bisher von dem deutschen Namen Domes herleiten. Die Variante Domßtorff dürfte sich wohl eher auf das uckermärkische Adelsgeschlecht von Thomstorff beziehen, nachdem auch in Ostpreußen einige Dörfer benannt sind. Franz von Dompsdorf († 1582) war zum Beispiel letzter Komtur des deutschen Ordens in Bremen, der Name ist jedoch schon mit Henning von Thomsdorf seit 1304 belegt.



Laubsdorf: Laubsdorf frühere Namen sind als 1533 als Lubanoitz oder auch als Lubanowici belegt. Es gehört heute zu Neuhausen an der Spree. Bei Wenzel wird dieser Name mit "Leute des Luban" übersetzt, wobei Luban wohl als Personenname angenommen wurde. Ein solcher Familienname ist jedoch heute unbekannt. Das liegt wohl auch daran, dass die Namensdeutung falsch ist. So lässt sich Lubanowici von lateinisch novicius für "Neuling" herleiten. Laubsdorf könnte also ein Kirchendorf gewesen sein. Das vorstehende Luba geht sicher auf das althochdeutsche "louba" für Laube, Vorhalle oder Bühne zurück, womit der Ort wie ein Synonym für Neuhaus erscheint! Lubanowici ist quasi nur sinngemäß der althochdeutsch-lateinische Name für Neuhaus!



Bohsdorf: Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes stammt aus dem Jahr 1455. Die Bezeichnung Bohsdorf soll heute nach Ansicht von Slawisten von dem Personennamen Boš oder Bož, eine Koseform von Personennamen wie Bogoslav, Boslav oder ähnliche Formen abgeleitet sein. Nach Rudolf Lehmann war die ursprüngliche Dorfstruktur eine Sackgasse in Blockform. Diese Form erklärt auch die Herleitung vom althochdeutschen *pozzen für einen Pfropfen.

Das Dorf ist in neuerer Zeit hauptsächlich durch Erwin Strittmatter bekannt, der heute als "sorbisch-deutscher Schriftsteller" erwähnt wird, der nur in deutsch schrieb. Im Dorf steht dazu ein Erwin Strittmatter Denkmal und ehrt bemerkenswerterweise noch einen Mann der in der deutschen Waffen SS diente: Im Februar 1941 wurde Strittmatter eingezogen, nach einer sechsmonatigen Ausbildung an der Schutzpolizei-Nachrichtenschule Eilenburg diente er im Polizei-Bataillon 325 (Slowenien, Krakau). Diese Einheit wurde im Frühsommer 1942 gemeinsam mit zwei weiteren (Polizei-Bataillon 302 und 312) zu einem Polizei-Gebirgsjäger-Regiment zusammengefasst und kam nach einem Kurzeinsatz in Slowenien zuerst nach Finnland (hinter die Kiestanki-Front) und dann nach Griechenland (griechische Inseln, Mittelgriechenland), die letzten zwei Stationen verarbeitete Strittmatter im Roman Der Wundertäter. 1943 verlieh Himmler allen Polizeiregimentern „in Anerkennung ihres besonderes tapferen und erfolgreichen Einsatzes“ (Tessin/1957) den SS-Zusatz, sie blieben aber Einheiten der Ordnungspolizei.



Bloischdorf: Bloischdorf erscheint erstmals schriftlich in der Meißner Bistumsmatrikel vom Jahr 1495. Die Erstnennung von 1296 wie in der Homepage des Amtes Döbern-Land angegeben, konnte mangels Quelle nicht verifiziert werden. In den verschiedenen Handschriften erscheint der Name als Blasdorf, Blosdorff und Bloßdorff. 1509 ist der Ort als Blastorf , 1519 als Blawnßdorff erwähnt. Der Dorfstruktur nach war es ursprünglich ein Sackgassendorf, wie Bohsdorf. Trotzdem will man den Namen als "slawisch-deutschen Mischnamen" erklären. Das Beiwort wäre von einem "slawischen" Personennamen Blož oder Bloš abgeleitet. Altsächsisch hergeleitet, kommt jedoch kein erfundener "Slawe" in Frage, sondern nur eine Herleitung von blas (germ. blasa-, *blasaz) in Frage, was für "licht" steht und wohl auf Lichtung bezogen, ein Dorf umgeben von Wald beschreibt.



Simmersdorf: Simmersdorf wurde erstmals 1510 urkundlich erwähnt. Den Ortsnamen erklärt man bisher mit dem "altsorbischen" Personennamen „Živomir“. Durch den Frieden von Prag kam der Ort im Jahr 1635 an das Kurfürstentum Sachsen. Vergleichsweise in Bayern gibt es übrigens ein weiteres Simmersdorf. Der Ort wurde im Würzburger Lehenbuch von 1303 als „Sigmarsdorf“ erstmals urkundlich erwähnt. Das Bestimmungswort des Ortsnamens ist Sigmar, der Personenname des Ortsgründers. Zu dieser Zeit sind auch die Formen „Sygemarsdorf“ und „Symarsdorf“ bezeugt. Bei Symarsdorf können wir davon ausgehen, dass das brandenburgische Simmersdorf wohl ebenfalls nur vom deutschen Personenamen Sigmar abgeleitet ist.


Primärquelle: Walter Wenzel, Die provincia Nice – ein slawischer Kleingau an der Neiße
Wikipedia

Noßdorf und Preschen


Auch für Noßdorf kommt nur eine Althochdeutsche Herleitung in Frage!

Als "slawisch-deutschen" Mischnamen versuchte Wenzel auch Noßdorf südwestlich von Forst zu rekonstruieren. Seiner These nach wäre es als *Nowosedlowici für ‚Neusiedler’ hervorgegangen, "aus *Nowosedlici, wobei für das Suffi x -ici später das außerordentlich produktive -owici eintrat". Der Name soll nach ihm auf einen frühen Landesausbau "in sorbischer Zeit" hindeuten. Die Wirklichkeit sieht anders aus, denn der heute diskutierte "slawische" Name basiert nur auf einer unbegründeten Vermutung. Wikipedia: Der Ort wurde erstmals in den Kirchenartikeln des Bistums Meißen von 1346/1495 mit dem Namen Noßelstorff erwähnt. Für das Jahr 1545 ist die Bezeichnung Nostorf überliefert. Was zählt ist ausschließlich die Ersterwähnung und keine "slawische" Rekonstruktion von Wenzel! Althochdeutsch von nōzil hergeleitet, käme entweder eine Ort in Frage, der für seine Kleintierhaltung bekannt wurde, oder von "Nößel" für ein "kleines Maß", was offensichtlich im Zusammenhang zur Kleintierhaltung stehen wird.


die alte Kirche von Preschen, der ort ist vor allem durch seinem ehemaligen NVA-Flugplatz bekannt

Zu den ältesten Schichten sollen auch alle jene Ortsnamen gehören, die auf -jane enden. Wenzel fand in seinem "Untersuchungsgebiet" allerdings nur Preschen, was er als *Wreščane in "Bewohner einer Gegend, wo es viel Heidekraut gibt" übersetzt. Und genau solche Übersetzung gehören sämtlich entsorgt, weil einfach niemand seinen Ort so benannte, außer im "slawischen Märchenreich" fehlgeführter deutscher Slawisten.
Wikipedia stellt zum Namen Preschen folgendes fest: Preschen wurde 1346 als Bresen erstmals urkundlich erwähnt. Die Bedeutung des Ortsnamens ist unklar, möglicherweise ist er von dem niedersorbischen Begriff „wrjos“ für Heidekraut abgeleitet. 1592 ist die Schreibweise Preschen erstmals überliefert. Im 14. oder 15. Jahrhundert wurde die Dorfkirche von Preschen gebaut.

Auch im Falle Preschen gilt nur die Ersterwähnung und das festgehaltene Jahr für den tatsächlichen Sprachraum. In Althochdeutschen wäre das nur Brezzon für Bruttier, was wie bei Noßdorf einen Ort der Kleintierhaltung beschreibt und sich noch soweit präzisieren lässt, dass offensichtlich Hühner gemeint sind.

Primärquelle: Walter Wenzel, Die provincia Nice – ein slawischer Kleingau an der Neiße
Wikipedia