Nordisches Blut in Süditalien

Heute kaum noch vorstellbar, haben vor längerer Zeit Normannen selbst über Süditalien geherrscht und ein Königreich gegründet. Der Boden für eine solche Herrschaft wurde bereits zuvor schon von den Langobarden bereitet, die ebenfalls bis nach Süditalien vorstießen.


Die langobardischen Herzogtümer Spoleto und Benevent

Mit dem Ende des Römischen Reiches begann die Teilung Italiens in unterschiedliche Machtblöcke und dieser zersplitterten später wieder in noch kleinere Reiche. Zuerst errichtete Theoderich der Große (493-526) sein Ostgotenreich mit der Hauptstadt Ravenna, das bald nach seinem Tod von den Heeren des oströmischen Kaisers Justinian (527-565) zurückerobert wurde. Aber die byzantinische Herrschaft über ganz Italien währte ihrerseits nur wenige Jahre. Denn 568 drangen Langobarden nach Oberitalien ein und setzten sich insbesondere in der Poebene und der Toskana fest. Ein Gebiet, was vor der römischen Herrschaft von Stämmen aus Gallien, Böhmen und Mähren besetzt wurde. Die Langobarden gründeten ein Königreich mit der Hauptstadt Pavia, während andere Verbände der Langobardengruppen weiterzogen und die Herzogtümer Spoleto und Benevent in Mittel- bzw. Süditalien errichteten. Seitdem bildete sich eine germanisch geprägte Zone im Norden und eine überwiegend byzantinisch geprägte im Süden heraus. In Apulien, Kalabrien und Sizilien hatte die Herrschaft byzantinischer Kaisers über viele Jahrhunderte Bestand. Die heute noch empfundene Teilung Italiens in den Norden und Süden wurzelt unter anderem in diesen frühmittelalterlichen Machtverhältnissen.

Das 8. Jahrhundert brachte mit der Einflussnahme der fränkischen Karolinger tiefgreifende Veränderungen. König Pippin III. (751-768) gewährte dem Papst in der so genannten Pippinischen Schenkung die Eigentumsrechte über Gebiete Mittelitaliens (754). Obwohl deren Authentizität umstritten ist, bleibt doch festzuhalten, dass sie die Grundlage für den späteren Kirchenstaat legte. Damit war Italien im Großen und Ganzen dreigeteilt. 774 eroberte Pippins Sohn Karl der Große (768-814) das Langobardenreich und etablierte damit den dauerhaften Einfluss einer Macht von jenseits der Alpen, denen später die deutschen Könige und Kaiser folgten.


Benevent - Hier herrschte ab 571 zwanzig Jahre der Langobardenherzog Zotto, dessen Name sich wohl auf seine langen Haare (zotta bedeutet "Mähne") bezog. Das langobarische Herzogtum hatte bis 1077, also über ein halbes Jahrtausend Bestand!

Mit den arabischen Sarazenen entriss seit dem 9. Jahrhundert eine weitere außeritalienische Macht den Byzantinern die fruchtbare und als Kornkammer berühmte Insel Sizilien. Aus all dem resultierte die politische Situation um das Jahr 1000, als erstmals normannische Ritter in Süditalien auftauchten: Die Lage dort darf als unübersichtlich charakterisiert werden, denn die langobardischen Herzogtümer hatten sich aufgespalten in Fürstentümer und Stadtstaaten wie Benevent, Capua, Salerno, Gaeta, Neapel, Amalfi und Sorrent. Mit mehr oder weniger großen Gebieten erhoben auch Byzanz und die Päpste, sogar die Sarazenen ihre Ansprüche. Aus dem Norden kamen die deutschen Herrscher des Heiligen Römischen Reiches hinzu, die sich in der Nachfolge des Imperium Romanum sahen und daraus Ansprüche auf ganz Italien einschließlich des Südens ableiteten. 982 hatte jedoch Otto II. (973-983) in der Schlacht bei Cotrone eine herbe Niederlage gegen die Sarazenen hinnehmen und sich aus dem Süden zurückziehen müssen. Letztendlich konnte sich keine dieser Parteien entscheidend durchsetzen, was über Jahrzehnte zu wechselnden Bündnissen und kriegerischen Auseinandersetzungen führte.


Ein zeitgemäß dargestellter Langobardenkrieger

Diese über ein halbes Jahrtausend währende machtpolitische Gemengelage hatte Süditalien zu einem »Mosaik von Völkern, Kulturen und Religionen« (Houben) gemacht. Während Nord- und Mittelitalien vom römisch-katholischen Glauben und der romanischen Volkssprache als Nachfolgerin des Latein geprägt wurden, war der Süden kleinteilig angelegt. In Kampanien und dem größten Teil Apuliens schloss man sich den anderen italienischen Gebieten an, Südapulien und Kalabrien prägte hingegen der byzantische Einfluss, weshalb die griechische Sprache und der orthodoxe Glaube dominant waren. Im größten Teil Siziliens hatten eingewanderte Araber und Berber nebst arabisierten Einheimischen zur Vorherrschaft der arabischen Sprache und Kultur sowie des Islam geführt. Nur im Nordosten Siziliens verblieb weiterhin der griechisch-orthodoxen Kultur, in den Städten kam außerdem jüdische Bevölkerung hinzu.

Primäquelle: Krause, Die Normannen
https://iltorinese.it/2022/02/15/piemonte-longobardo/

Normannen versus Sarazenen

Was die Machthaber in Mittel- und Süditalien betraf, waren diese stets an Verbündeten bzw. an Rittern oder Kämpfern interessiert. Die gab es in der Normandie und sie waren für ihre Kampfstärke bekannt. Einige Zufälle brachten sie mit Süditalien zusammen. Gegen das Jahr 1000 stieg unter den abendländischen Christen die Beliebtheit von Wallfahrten ins Heilige Land stark an. Einen Grund lieferte der bevorstehende Jahrtausendwechsel und die damit verbundene Angst vor dem Jüngsten Gericht. Pilger aus Nordeuropa zog es nach Jerusalem, aber auch zu den Apostelgräbern nach Rom oder in die Michaelsgrotte von Garganu in Apulien. Die übliche Route der Jerusalem-Pilger führte durch Italien, an dessen südlichstem Ende in Apulien man sich einschiffte.

Bei dem, was wir von der wachsenden Frömmigkeit der normannischen Oberschicht in der Normandie gehört haben, verwundert es kaum, dass sich auch etliche nordfranzösische Ritter auf den langen und beschwerlichen Weg machten. Dort lernten sie die Verhältnisse im Süden der Apeninnen-Halbinsel kennen. Der Chronist Amatus von Montecassino erwähnt in seiner Normannengeschichte (um 1076/78 lateinisch verfasst, französische Übersetzung nach 1300) das womöglich erste Auftreten der Normanni: »Vor dem Jahr 1000 nach Christus kamen 40 Pilger nach Salerno, das damals von Sarazenen belagert wurde und in einer so verzweifelten Lage war, dass es sich ergeben wollte. Die Stadt war bereits seit längerem den Sarazenen tributpflichtig, und jedes Mal, wenn sie mit der Zahlung des jährlichen Tributs im Rückstand war, kamen die Sarazenen mit ihren Schiffen und plünderten und töteten im Umland. Die Pilger aus der Normandie konnten es nicht dulden, dass Christen auf solch schändliche Weise von Sarazenen unterdrückt wurden. Sie gingen zum langobardischen Fürst Waimar, der Salerno mit Gerechtigkeit regierte, und baten ihn um Waffen und Pferde, um gegen die Sarazenen zu kämpfen, und dies nicht wegen Geldes, sondern weil sie den Hochmut der Sarazenen nicht ertragen konnten.« (Zitat bei Houben 2012, 56).

Und so versetzten die versierten Kämpfer den sarazenischen Truppen einige herbe Niederlagen. Obwohl sie der Langobardenfürst zu halten versuchte, machten sie sich wieder auf den Heimweg. Übrigens nicht ohne von Waimar reich beschenkt worden zu sein unter anderem mit den Wunderdingen der Mittelmeerwelt, nämlich »Zitronen, Mandeln, Konfekt-Nüsse, byzantinische Stoffe und vergoldete Gegenstände ... um ihre Landsleute zu überzeugen, in den reichen Süden zu kommen, wo Milch und Honig fließen«. Es ist durchaus glaubhaft, dass im Jahr 999 Normannen als Pilger auf der Rückreise von Jerusalem in Salerno den Widerstand gegen die Sarazenen organisierten und dafür vom Waimar III. von Salerno (994-1027) Waffen und Pferde gestellt bekamen. Fürst Waimar herrschte ab 994 über Salerno, über das bis dahin Amalfi die Oberherrschaft hatte. Ab 1039 änderte sich das und die Langobarden von Salerno herrschten nun über Amalfi. Zurückgekehrt wären sie dann mit der freundlichen Einladung, gegen die Muslime militärische Hilfe zu leisten und dafür fürstlich entlohnt zu werden. Danach hätte in diesem Jahr die normannische Intervention in Süditalien begonnen.

Diese normannische Waffenhilfe verlief völlig anders als die spätere Invasion Englands: Denn während dort Herzog Wilhelm der Eroberer eine hochpolitische Staatsaktion leitete, waren seine Vorgänger am Geschehen in Süditalien nicht beteiligt. Ganz im Gegenteil handelte es sich offensichtlich um »einzeln handelnde kleine Gruppen normannischer Krieger, die als Pilger, politische Flüchtlinge oder Abenteurer dort ihr Glück suchten«. Dem Mangel in Süditalien kam ein Überangebot normannischer Ritter entgegen. Insbesondere der niedere Adel der Normandie fühlte sich von den ihre Macht ausbauenden Herzögen geschwächt und drangsaliert. Dort machte es ja gerade die viel gerühmte Normannitas aus, dass ein starker Zentralstaat das Gewaltmonopol an sich zog und gegen adlige Fehden und Willkür rigoros vorging. Nicht wenige von denen, die dagegen verstießen, wurden des Landes verwiesen oder flüchteten vor der herzoglichen Strafe. Hinzu kam die Tatsache, dass die jüngeren Söhne beim Erbe zumeist leer ausgingen und weder Beschäftigung noch Einkommen hatten. Was sie allein beherrschten war das Kriegshandwerk, wir begegnen diesem Problem ein knappes Jahrhundert später beim päpstlichen Aufruf zum 1. Kreuzzug.


Salerno, deutsch Salern genannt - Hier herrschten vor 1000 Jahren noch die Langobarden unter Fürst Waimar. Gegen die Sarazenen erhielten sie Waffenhilfe von Normanen.

Da kam den Normannen die Einladung nach Süditalien mehr als gelegen -zumal sie zum legitimen Krieg gegen Nichtchristen aufforderte. Da der Aufbruch diverser normannischer Kriegergruppen und anderer Nordfranzosen anscheinend ungesteuert und über mehrere Jahrzehnte verlief, fällt ein Überblick schwer. Spätere Chronisten wie Amatus von Montecassino, Wilhelm von Apulien und Chloricus berichten darüber Widersprüchliches. Klar scheint allenfalls, dass die Attraktivität Süditaliens die Angehörigen von Familien des unteren und mittleren Adels anlockte. Unter ihnen finden sich ganz unterschiedliche Schicksale, denn manche waren auf der Flucht aus der Heimat, die sie sogar zu den Sarazenen führte, andere erwarben Reichtum und kehrten in die Normandie zurück, wieder andere schlugen in Süditalien Wurzeln und begründeten dort neue dauerhafte Herrschaften - übrigens nicht selten gegeneinander kämpfend.

Dass sich die Waffenhilfe normannischer Ritter auszahlte, hatte nachfolgend der Schwager des schon erwähnte Fürst Waimar erfahren: Pandulf IV. von Capua. Als Mitglied der unabhängigen langobardischen Führung der Mezzogiorno unterstützte Waimar den langobardischen Rebellen Melus von Bari. Nach der Niederlage von Melus im Jahr 1011 wurde Waimar im Oktober vom siegreichen byzantinischen Katapan Basilius Mesardoniten besucht. Später gewährte er Melus Unterschlupf. Waimar war nominell ein Vasall des deutschen Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, Heinrich II., doch dieser übertrug nach der Niederlage bei Cannae im Jahr 1018 diskret seine Loyalität auf den byzantinischen Kaiser Basilius II. Als Heinrich 1024 starb, schickte Waimar eine Gesandtschaft an den neuen Kaiser Konrad II., um die Freilassung seines Schwagers Pandulf IV. von Capua, des Wolfes der Abruzzen, zu erbitten. Conrad fügte sich naiv. Nach seiner Rückkehr belagerte Pandulf sofort seine alte Hauptstadt Capua, ein Unterfangen, bei dem er die Unterstützung von Waimar und seinen Normannen unter Ranulf Drengot und dem italienischen Katapan Boioannes hatte. Rainulf Drengot (auch Ranulph, Ranulf oder Rannulf) wurde von Richard II. von der Normandie wegen eines Gewaltverbrechens ins Exil geschickt. So pilgerten Rainulf, Osmond und ihre Brüder Gilbert Buatère, Asclettin (später Graf von Acerenza) und Raulf zum Heiligtum des Soldaten-Erzengels Michael auf dem Monte Sant'Angelo sul Gargano im byzantinischen Katapan Italiens. Sie brachten eine Gruppe von 250 Kriegern mit, die sich aus anderen Verbannten, landlosen Kadetten und ähnlichen Abenteurern zusammensetzte. Im Jahr 1017 kamen sie im Mezzogiorno an, das sich in einem Zustand der Anarchie befand. Sie errichteten eine Festung am Monte Gargano in Apulien und verbündeten sich mit dem Langobarden Melus von Bari, der sich gegen seine byzantinischen Oberherren aufgelehnt hatte, aber gerade auf der Flucht war.


Capua - Hier herrschten seit der Errichtung des Herzogtums Benevent die Langobarden. Nach der Zerstörung Capuas 841 durch die Sarazenen wurde 856 die Stadt als "Neu-Capua" von den Langobarden neu gegründet. Ihre Herzöge trugen getreu ihres suebischen Erbes überwiegend Wolfsnamen, wie etwa Landulf oder Pandulf. Ab 1059 herrschten die Normannen über Capua und unterhielten ab 1062 das hier abgebildete Castell

Ihr erstes großes Gefecht mit der Armee des byzantinischen Katepans Basil Boioannes, das in der Schlacht von Cannae, einer antiken apulischen Villa, ausgetragen wurde, war eine Katastrophe für die Normannen und endete mit einer Niederlage. Sie wurden dezimiert und ihr Anführer, Rainulfs Bruder Gilbert, wurde getötet. Rainulf, der nun als unangefochtener Anführer in den Vordergrund trat, zog sich mit den Resten der Bande von Apulien nach Kampanien zurück, wo sie, laut Amatus von Montecassino, obwohl sie von Feinden umgeben waren, die Zwietracht unter den undisziplinierten langobardischen Herren ausnutzen konnten. Sie machten sich daran, Pilgergruppen, die sich auf den Weg zum Heiligtum von St. Michael machten, gegen einen Preis vor den Plünderungen anderer Plünderer zu schützen. Rainulf diente auch dem Langobarden Pandulf IV. von Capua. "Unter seinem Schutz", berichtet Amatus, "beeilten sie sich, die benachbarten Orte zu plündern und seine Feinde zu belästigen. Aber da die menschlichen Gedanken zur Gier neigen und das Geld am Ende immer triumphiert, haben sie ihn von Zeit zu Zeit im Stich gelassen... Sie verkauften ihre Dienste, wie sie konnten, je nach den Umständen, und boten sich dem an, der am meisten gab."

Bald lag das Kräfteverhältnis im langobardischen Kampanien in normannischen Händen: "Denn die Normannen wollten niemals, dass einer der Langobarden einen entscheidenden Sieg erringen sollte, falls dies zu ihrem Nachteil sein sollte. Aber jetzt, indem sie den einen unterstützten und dann dem anderen halfen, verhinderten sie, dass irgendjemand völlig ruiniert wurde." Normannische Verstärkung und lokale Schurken, die in Rainulfs Lager willkommen waren, ohne Fragen zu stellen, ließen die Zahl auf Rainulfs Befehl hin anschwellen. Ihre normannische Sprache und ihre normannischen Bräuche schweißten eine ungleiche Gruppe zu einer Nation zusammen, wie Amatus beobachtete.


Primäquelle: Krause, Die Normannen
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Aversa - Die erste normannische Grafschaft


Rainulf Drengot - Er wurde der erste normannische Fürst Süditaliens in Aversa

Historisch greifbar werden als erste jene normannischen Ritter, die laut dem Chronisten Wilhelm von Apulien die Grotte des Erzengels Michael auf dem Monte Gargano in Nordapulien besuchten. Dort hätten sie den Langobarden Meles von Bari getroffen, der um ihre Hilfe gegen die Griechen (die Byzantiner also) gebeten habe. Besagter Meles war vor einem Jahrtausend in der Tat ein eifriger Feind der byzantinischen Herrschaft in seiner Heimat, der mit Unterstützung von Papst Benedikt VIII. und im Bündnis mit langobardischen Herzögen mehrere Aufstände anzettelte. Denn in Bari und anderen Städten war man mit der Herrschaft Ostroms alles andere als zufrieden. Vor allem klagte man über viel zu hohe Steuern und Zölle und fühlte sich etwa gegenüber griechischen Kommunen oder Venedig ungerecht behandelt. Die erwähnte antibyzantinische Koalition, einschließlich des Papstes, rief im Jahr 1017 normannische Söldner zu Hilfe. Diese kamen und erwiesen sich mit ihrer Kampfstärke auch als erfolgreich. Bis es schließlich im Oktober des folgenden Jahres bei Cannae am Ofanto (Nordapulien) zur Entscheidungsschlacht kam. Dort siegten die zahlenmäßig überlegenen byzantinischen Truppen. Von den normannischen Söldnern dürften weniger als 100 überlebt und sich fortan bei anderen Herren verdingt haben. Byzanz hatte mit seinem überzeugenden Sieg seine Herrschaftsansprüche fürs erste unterstrichen und gefestigt.

Meles floh zu Kaiser Heinrich II. (1002-1024) nach Bamberg und ersuchte um dessen Eingreifen. Bei diesem Aufenthalt verstarb er. Heinrich II. intervenierte 1022 tatsächlich in Süditalien und errang die Anerkennung der kaiserlichen Herrschaft im langobardischen Capua, Benevent und Salerno. Der Versuch, die byzantinische Stadt Troia (Apulien) einzunehmen, scheiterte allerdings.

Letztendlich blieben die süditalienischen Verhältnisse wie oben beschrieben. Aber die normannischen Söldner waren als neuer Faktor hinzugekommen. Denn die Niederlage von 1018 tat ihrem Ruf keinen Abbruch. Die Überlebenden bewiesen in anderen Diensten ihre Stärke und der Bedarf an ihnen blieb. Das sprach sich in der Normandie herum und immer neue Gruppen zogen in den Süden und boten allen Parteien ihre Waffendienste an. So stritten sie etwa für die langobardischen Fürsten von Benevent, Salerno und Capua untereinander und manchmal vereint gegen Byzanz.


Die Piazza Normanno von Aversa - Hier wurde die erste normannische Grafschaft in Süditalien errichtet

Es folgte der Schritt von bunt zusammengewürfelten Söldnerhaufen zur ersten realen Normannenherrschaft in Süditalien. Ursächlich waren Kämpfe der Fürsten Pandulf IV. von Capua (Pandolfo IV, 11049/50) und Sergius IV. von Neapel (Sergio IV, 1002-1036). Letzterer baute um 1030 die Siedlung Aversa nördlich von Neapel zur befestigten Stadt aus. Mit ihrer Herrschaft belehnte er den Normannen Rainulf Drengot, der 1030 der erste normannische Herrscher wurde. Er herrschte als Ranulf, Graf von Aversa 15 Jahre lang bis 1045. Dem aus Carreaux oder Rouen (Ruhen) stammenden Drengot gelang nun als offizieller Lehnsmann des Fürsten von Neapel ein regelrechter Karrieresprung. Dieser wurde unterstrichen durch die Heirat mit Sergius' Schwester. Mit der Grafschaft Aversa entstand ein normannisches Staatsgebilde, dass weitere Krieger aus der Normandie anzog. Hier fanden sie einen ihnen vertrauten Fürsten und andere Normannen. Ihm konnte man dienen, von Aversa aus konnte man sich in Süditalien auch andernorts verdingen. Was seine Herrschaft betraf, verhielt sich Rainulf so wechselhaft wie ein Söldnerführer - der er ja etliche Jahre gewesen war.

Nach dem Tod seiner ersten Frau nutzte er die Gelegenheit, mit einer neuen Heirat auch den Bündnispartner zu wechseln. Diesmal war es die Nichte von Fürst Pandulf von Capua, in dessen Dienste er nun trat. Einige Jahre später wurde Fürst Waimar IV. von Salerno (t 1052) sein Lehnsherr. 1038 intervenierte nämlich Kaiser Konrad II. (1024-1039) in Süditalien und griff in die Auseinandersetzungen der diversen Territorialherren ein. Letztlich zugunsten Rainulfs: Der Herrscher des Heiligen Römischen Reiches selbst setzte ihn als Graf ein. Zuvor hatte er Pandulf von Capua abgesetzt und Waimar IV. von Salerno deutlich gestärkt. Rainulf überstand diese Umbrüche und schließlich gelang ihm sogar, sein Herrschaftsgebiet um Capua und weitere Territorien deutlich zu arrondieren.


Leider nur auf italienisch: Über Rainulf Drengot und seiner Geschichte gibt es von Alfredo Cosco ein Buch

Mit Aversa begann die eigentliche normannische Herrschaftsbildung in Süditalien, die sich nicht als einheitlicher Prozess darstellt, sondern in mehreren unterschiedlichen Phasen verlief. Weniger noch als in England kann im Süden von einer Masseneinwanderung gesprochen werden. Den ersten Keim dürften bekanntlich jene 250 Krieger gelegt haben, die 1017 gegen Byzanz antraten und von denen die meisten in der Schlacht den Tod fanden. Ihnen folgte nur langsam und regional unterschiedlich die Ansiedlung einiger hundert Ritter und weniger Frauen. Zur Mitte des Jahrhunderts wuchs diese Einwanderung an, aber wahrscheinlich zählte sie im Lauf des 11. Jahrhunderts nicht mehr als insgesamt 2500 Ritter. Diese »Nordmänner«, wie die Einwanderer auch in Italien bezeichnet wurden, besetzten fortan in den von ihnen beherrschten Gebieten Schlüsselpositionen. Wie in England und sogar in der heimischen Normandie die ursprünglichen Skandinavier stellten sie nur eine dünne Oberschicht, die über die große Mehrheit der romanischen und griechischen Bevölkerung Süditaliens herrschte.

Primärquelle: Krause, Die Normannen
https://www.quicampiflegrei.it/2020/06/0...-alfredo-cosco/
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Der Kriegerclan der Hautevilles


Hauteville-la-Guichard - Aus diesem Nest auf der Halbinsel Contentin stammten die Vorfahren normannischer Könige in Süditalien

Die Diffusität normannischer Herrschaft blieb nicht von Dauer. Denn um das Jahr 1035 trafen die Söhne einer Familie ein, deren Nachkommen in einem knappen Jahrhundert die Herrschaft über ganz Süditalien an sich rissen und ein Königreich errichteten, das, wenn auch unter wechselnden Dynastien, bis 1861 bestand. Der Stammvater dieser bemerkenswerten Dynastie bzw. Sippe entstammte dem niederen Adel und hieß Tankred von Hauteville (frz. Tancrede de Hauteville, 980-1041). Er benannte sich mitsamt seinen Nachkommen nach Hauteville (italienisch: Altavilla), einer Ortschaft, die dem heutigen Dorf Hauteville-la-Guichard auf der Halbinsel Cotentin entsprechen dürfte. Von ihm selbst ist nur wenig bekannt, sein Großvater dürfte wenige Jahre nach Rollos Staatsgründung in der Normandie aus Skandinavien gekommen sein.

Tankred allein hätte sich nicht nennenswert in die Annalen der Geschichte eingeschrieben, hätte er nicht mit seinen Ehefrauen Muriella und Fresendis insgesamt 12 Söhne und sieben Töchter gezeugt. Die waren für seine bescheidenen Ländereien- als Vasall des Herzogs musste er diesem 10 Ritter zur Verfügung stellen - entschieden zu zahlreich. Als er sich 1035 für einen einzigen Sohn als Erben entschied, gingen die anderen leer aus und mussten sich als Ritter in diverser Herren Dienste verdingen. Das war nun just in der Zeit, als bereits einige Normannen nach Süditalien gezogen waren und die Kunde von den guten Verdienstmöglichkeiten für Söldner nach Nordfrankreich gekommen war. Außerdem existierte wie geschildert mit der Grafschaft von Aversa des Rainulf Drengot ein normannisches Staatsgebilde, das als sicherer Brückenkopf für ankommende Normannen genutzt werden konnte.


Wilhelm Eisenarm, der erste normannische Graf von Apulien. Er ist ein Koloss von außergewöhnlicher Stärke überliefert und zeichnete sich im Krieg durch seine körperliche Stärke und seinen Mut aus, insbesondere im Jahr 1040 während der Schlacht von Troina, als er den sarazenischen Anführer der Festung mit einem einzigen Schlag seines Speers aufspießte, daher sein Ökelname "Eisenarm".

Dorthin brachen denn auch Mitte der1030 er-Jahre die beiden ältesten Hauteville-Brüder auf: Wilhelm Eisenarm (frz. Guillaume Bras-de-Fer, ital. Guglielmo Braccio di Ferro, vor 1010-1046) und Drogo (1010-1051). Sie traten in die Dienste Rainulfs, der wiederum Byzanz darin unterstützte, Sizilien von den Sarazenen zurückzuerobern. Sie setzten mit ihren Männern auf die Insel über und nahmen unter General Maniakes mit 300 Normannen am Feldzug teil - übrigens gemeinsam mit den skandinavischen Warägern unter Harald Hardråda, die in Konstantinopel Dienst taten.


Drogo de Hauteville

Vielversprechende erste Erfolge sollen einen deutlichen Dämpfer erhalten haben, als sich die Normannen wegen eines Beutestreits zurückzogen. Daraufhin musste das byzantinische Heer Sizilien wieder verlassen. Doch in Konstantinopel trat ein neuer Auftraggeber für Normannen in Erscheinung: Nachdem sich Maniakes 1042 zum Kaiser hatte ausrufen lassen, warb er Normannen für seine Dienste an, wo einzelne sogar in hohe Staatsämter aufrückten. Die Hautevilles blieben jedoch in Rainulfs Diensten, kämpften nun gegen Byzanz und schlugen unter anderem einen probyzantinischen Aufstand in Apulien nieder. Die Bündnisse wechselten folglich in der oben beschriebenen Art und Weise. Allerdings taten sich die verschiedenen Normannengruppen zusammen und wählten Wilhelm Eisenarm 1042 in Melfi zu ihrem Anführer. Von Waimar IV. von Salerno wurde Wilhelm zum Grafen von Apulien ernannt (1043-1046). Dieses Bündnis unterstrich die Heirat Wilhelms mit der Nichte Waimars. Melfi entwickelte sich zum zweiten Mittelpunkt normannischer Herrschaft, von wo weitere Gebiete Süditaliens kontrolliert wurden.

Wilhelm teilte diesen alten byzantinischen Besitz unter den 12 normannischen Baronen auf, darunter Tristan, der Montepeloso (in der Nähe von Potenza) erhielt, Peter, der Trani empfing, Drogon, seinen Bruder, der Venosa empfing, Hugo Tubœuf, der Monopoli usw. erhält, während er selbst Ascoli erhält. Melfi bleibt unteilbar, aufgeteilt unter den 12 Baronen. Seine Macht wurde vom Fürstentum Salerno offiziell anerkannt und Wilhelm bekämpfte die Byzantiner auf eigene Rechnung und erweiterte so die Gebiete der normannischen Herrschaft in Süditalien. 1043 besiegte er die Byzantiner bei Venosa. Im Jahr 1044 schloss sich ihm sein anderer Bruder Onfroi an, der mit einigen Dutzend Kriegern, die sich in seine Dienste stellten, nach Italien kam. Nachdem er die Byzantiner dreimal besiegt hatte, proklamierte er sich selbst zum "König in Apulien" und starb kurz nach der Belagerung von Trani im Jahr 1046 ohne bekannte Nachkommen. Er wurde in Venosa begraben und wurde von seinem Bruder Drogo als Oberhaupt der Grafschaft Apulien abgelöst, der die Tochter Waimars IV. zur Ehefrau erhielt. Um 1048 führte Drogon eine Expedition nach Kalabrien an, dabei ließ sich im Tal des Crati in der Nähe von Cosenza sein jüngerer Bruder Robert Guiscard mit einer kleinen Truppe nieder. Er führte hier ein Leben als Räuber, kannte Hunger, Durst und Elend sowie Reichtum, plünderte reiche Klöster und Kirchen, stahl Vieh, erpresste die Bevölkerung und raubte Reisende aus. Zu belästigte er byzantinische Truppen und verbreitete Terror in der Region.


Das normannische Kastell von Melfi

Eine weit wichtigere Aufwertung erfuhr die gesamte normannische Herrschaft durch Kaiser Heinrich III. (1039-1056). Dieser unternahm 1046 einen Romzug, um wie alle Jahre üblich in Italien Präsenz zu zeigen und die Dinge zu ordnen. Im folgenden Jahr zog er darum weiter nach Süden, wo er Waimars Macht einschränkte - statt Herzog war er nur noch Fürst. Rainulf II. bestätigte er hingegen als Graf von Aversa und Drogo als »Herzog und Herr Italiens und Graf der Normannen in ganz Apulien und Kalabrien«. Die Normannenfürsten wurden somit als Lehnsmänner des Reiches legitimiert. Vor allem die Hautevilles blieben ein nun gestärkter Faktor zwischen den beiden Kaisern, dem des Heiligen Römischen Reiches und dem von Byzanz und dem Papst. Etwa Papst Leo IX. musste sie als brandgefährliche Gegner insbesondere in Benevent zur Kenntnis nehmen. Hier sah er sich gezwungen, mit den Normannen zu verhandeln - ein dauerhafter Frieden war ihm allerdings nicht beschieden. Noch im August 1051 verhandelte Drogo persönlich mit dem Papst. Wenige Tage später wurde er ermordet. Der Normanne wurde ein Opfer der byzantinischen Rückeroberungsversuche, an deren Spitze Argyros, der Sohn des Meles von Bari stand. Drogo folgte sein jüngerer Bruder Humfred als Graf von Apulien (frz. Onfroi, ital. Umfredo, 1051-1057).

Primärquelle: Krause, Die Normannen
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Der Aufstieg des Robert Guiscard

Drogos Bruder Humfred stand bereits im Schatten des jüngeren Robert Guiscard, der der zweiten Ehe Tankreds entstammte. Sein Ökelname "Guiscardo" wird mit »das Wiesel« im Sinne von »der Listige« gedeutet. Dazu schaffte er es auf 70 Lebensjahre (1015-1085), was damals keine Selbstverständlichkeit war. Immerhin hatte er es noch 10 Jahre länger als die anderen in der Normandie ausgehalten, bis auch er ohne Land und Einkommensquelle nach Italien zog. Kampferfahren war er bereits, in den Unruhen und Kämpfen unter dem jungen Herzog Wilhelm hatte er Gelegenheit das Kriegshandwerk auszuüben.


Der Normannenfürst Robert Guiscard

Gegen 1047 hatte er Süditalien erreicht. Damit begann eine Karriere, die ihn letztlich zum mächtigsten Normannen dort machte und dem Land wachsende Einheit bescherte. Sein Halbbruder Drogo mag die ehrgeizigen Ambitionen des Jüngeren geahnt haben. Jedenfalls verlieh er ihm kein ansehnliches Lehen, sondern schob ihn auf eine Burg in Nordkalabrien ab. Diese Burg Scribla war allerdings nicht mehr als eine dürftige hölzerne Motte, die nördlich von Cosenza inmitten eines malariaverseuchten Sumpfes lag. Ohne weitere Hilfe des Bruders versammelte Robert Guiscard etwa 60 Männer unter sich, darunter etliche Krieger ostvandalischer Herkunft, die heute dummerweise als "Slawen" betitelt werden.


Robert Guiscards steinerne Motte in San Marco Argentano

Robert Guiscard führte anfangs das Leben eines »Räuberhauptmanns«. Bald schon verbesserte er seine Situation ganz erheblich. Ihm gelang nämlich, das höher gelegene und damit angenehmere San Marco Argentano in Kalabrien zu seinem Sitz zu machen und dort einen soliden steinernen Wehrturm zu errichten. Außerdem tat er sich mit dem normannischen Anführer Girard von Buonalbergo (Gerardo di Buonalbergo, bei Benevent, 1086 gestorben) zusammen und heiratete dessen noch junge Tante Alberada (um 1135 - ca. 1111). Deren Mitgift umfasste immerhin 200 Ritter und brachte Robert damit in eine recht komfortable Situation. In der Zwischenzeit führte er Drogos Auftrag aus, dessen Erfüllung auch in seinem Sinne lag und eroberte weitere Gebiete Kalabriens. Dabei erwarb er den Schreckensruf eines brutalen Kriegsherrn, der vor kaum einer Grausamkeit zurückschreckte.


1053 - Der normannische Sieg bei Civitate beruhte trotz Unterzahl auf die Kampfkraft ihrer Ritterangriffe

Derweil trieb Reformpapst Leo IX. (1049-1054) seine aktive Italienpolitik weiter voran. Dabei waren ihm bekanntlich die Normannen ein Dorn im Auge, denen er sich in Benevent entgegenstellte. Doch die päpstliche Streitmacht schien gegen die Normannen zu schwach, weswegen ein Bündnis mit dem Heiligen Römischen Reich und Byzanz angestrebt wurde - was bei den Konflikten zwischen den gewünschten Bündnispartnern schwierig genug war. Zur militärischen Konfrontation kam es schließlich im Juni 1053. Der Papst hatte letztendlich vergebens auf die Hilfe des deutschen Kaisers gehofft. Immerhin verblieben ihm ein paar hundert Ritter aus Schwaben, dazu einige tausend Männer aus Süditalien. Noch hatten sie sich nicht mit den verbündeten Byzantinern vereinigt, als sie bei Civitate in Apulien auf das normannische Heer stießen. Dieses umfasste nur wenige tausend Männer und war zahlenmäßig den päpstlichen Truppen unterlegen. Doch die Normannen unter dem Befehl von Richard von Aversa, Humfred von Hauteville und Robert Guiscard machten diese Schwäche durch ihre Reiterattacken wett. Dabei tat sich der Überlieferung nach der Robert Guiscard besonders hervor und erwarb ersten Ruhm. Dazu hat auch die Schilderung des Chronisten Wilhelm von Apulien beigetragen, der den Normannen als Helden besingt, aber auch bemerkenswert realistisch ist:

»Als Robert sah, dass die Feinde seinen Bruder hartnäckig bedrängten, stürzte er sich mit ungestümer Kühnheit auf die Feinde. Die einen durchbohrt er mit der Lanze, die anderen haut er mit dem Schwert zusammen ... Dreimal vom Pferd geworfen, raffte er sich dreimal wieder auf und kehrte hitziger in den Kampf zurück. Raserei selbst treibt ihn an. So wie der Löwe, wenn er brüllend Tiere von geringerer Stärke wild angreift, rasend wird, wenn er auf Widerstand stößt, richtet sich seine Wut mehr noch gegen größere. Nun schont er nichts mehr ... Den einen haut er die Füße ab, den anderen die Hände, diesem trennt er das Haupt vom Rumpf, jenem zerschneidet er Bauch und Brust, einem anderen durchbohrt er die Rippen, nachdem er ihm den Kopf abgeschlagen hat... Keiner in dieser Schlacht ... hat als Sieger oder Besiegter so gewaltige Schläge ausgeteilt.«.

Und so endete die Schlacht mit einem deutlichen Sieg der Normannen, der den Wendepunkt für deren Macht in Süditalien darstellte. Papst Leo IX. geriet sogar in Gefangenschaft und wurde erst nach 9 Monaten entlassen. Die von den Normannen geforderte Übereinkunft verweigerte er trotzdem. Das Papsttum blieb als politischer Faktor dauerhaft geschwächt. Robert Guiscard wurde 1057 als Nachfolger seines Bruders Humfred Graf von Apulien und kehrte nach Melfi zurück. Ein weiteres Mal festigte er seine Stellung durch eine Heirat. Die Ehe mit Alberada, immerhin Mutter seines Sohnes Bohemund, ließ er für ungültig erklären. Stattdessen schloss er eine Allianz mit dem langobardischen Fürst Gisulf II. von Salerno (1052-1077) und ehelichte dessen Schwester Sikelgaita (1040-1090).


Robert Guiscard mit seiner langobardischen Ehefrau Sikelgaita
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Während in dieser Zeit das Kaisertum des Heiligen Römischen Reiches wegen der Regentschaftsauseinandersetzungen um den unmündigen Heinrich IV. ("1050,1056-1105) geschwächt war, betrieben die Päpste umso intensiver ihre Politik. Und die suchte nach der weltgeschichtlichen Kirchentrennung vom orthodoxen Byzanz (1054) neue Verbündete. Da man die Stärke der Normannen leidvoll kennen gelernt hatte, boten sich diese als Partner an. Erste Hilfe erhielt Papst Nikolaus II. (1058-1061) von dem normannischen Grafen Richard von Aversa (1049-1078) gegen seinen Konkurrenten Benedikt X. durch 300 Ritter. Auf der Reformsynode von Melfi (1159) bemühten sich vor allem Kardinal Hildebrand (der spätere Papst Gregor VII.) und der Abt Desiderius von Montecassino um ein stabiles Bündnis mit den Normannen. Und so kam es denn auch: Der Papst erkannte die normannischen Eroberungen an und bestätigte Richard von Aversa als Fürst von Capua. Sie erkannten wiederum Nikolaus II. als ihren Lehnsherrn an - ungeachtet bestehender Lehnsverhältnisse mit dem deutschen Kaiser - und empfingen ihre sämtlichen Gebiete als sie legitimierende Lehen. Robert Guiscard erhielt sogar die Herzogswürde über das noch den Sarazenen zu entreißende Sizilien und durfte sich damit »Herzog von Apulien, von Ka-labrien und mit Hilfe Gottes und des heiligen Petrus in Zukunft von Sizilien« (Houben 2012,66) nennen. Sein erhalten gebliebe¬ner Vasalleneid gegenüber dem Papst begann mit den Worten: »Ich, Robert, durch Gottes und des heiligen Petrus Gnade Herzog von Apulien und Kalabrien und mit beider Hilfe zukünftiger Herzog von Sizilien werde von dieser Stunde an und fernerhin der heiligen römischen Kirche und dem apostolischen Stuhl und Dir, meinem Herrn, Papst Nikolaus, treu sein ...«.

Mit dieser politischen Übereinkunft verbanden beide Seiten kirchliche Angelegenheiten: Der Papst hoffte, die angestrebten Kirchenreformen durchzusetzen, also insbesondere den Zölibat und das Verbot der Simonie. Die Normannen wiederum verhielten sich grundsätzlich so kirchenfreundlich wie in ihrem Mutterland. Ihre Machterweiterung wurde von einer Fülle kirchlicher Stiftungen flankiert. Dementsprechend weihte Nikolaus II. das von diesen gegründete Hauskloster der Hautevilles in Venosa (Region Basilikata zwischen Apulien und Kalabrien, Abtei der Heiligen Dreifaltigkeit, Abbazia della Santissima Trinitä). Wertschätzung der Normannen zeigte auch Abt Desiderius von Montecassino (1058-1087), der in seinem weithin berühmten Benediktinerkloster Fürst Richard von Aversa und Capua »wie einen König« empfing und dafür Schutz und Schenkungen erhielt. Die normannisch-päpstliche Allianz legitimierte endgültig die Herrschaft der Adligen aus Nordfrankreich und schuf Süditalien als neue politische Einheit.

Primärquelle: Krause, Die Normannen
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Die Normannen plündern Rom

Das Bündnis zwischen Papst und Normannen war jedoch nicht dauerhaft stabil und zeitüblichen Schwankungen unterworfen. Dafür bot insbesondere die auf weiteren Machtausbau angelegte Politik Robert Guiscards immer wieder Anlass. Einen neuen Verbündeten gewann er mit der Ankunft seines jüngsten Bruders Roger (um 1056), der damals Mitte Zwanzig war. Gemeinsam kämpften sie in Kalabrien und anderen Gebieten, in denen es zu Unruhen aller Art kam.


Die Burg San Niceto wurde 1060 bei Reggio Calabria von den Normannen eingenommen
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Bald darauf nahmen sie Reggio Calabria ein, um von dort den päpstlichen Auftrag zu erfüllen: den Heidenkampf in Sizilien. Er begann mit der Einnahme Messinas 1061, das von nun an als normannischer Brückenkopf in Sizilien diente. Robert überließ seinem Bruder Roger den Titel eines Grafen von Sizilien und zog sich auf das Festland zurück. Allerdings beteiligte er sich immer wieder an den 30 Jahre währenden Kämpfen, bis die Sarazenen besiegt bzw. vertrieben waren. Ab und an kam es zu Zerwürfnissen unter den Brüdern, aber letztendlich nahm eine Entwicklung ihren Lauf, die zu einem vereinten Süditalien unter normannischer Herrschaft führen sollte. Für Robert Guiscard spielte dabei das Heer eine ganz herausragende Rolle. Nicht zuletzt deshalb unternahm er mehrmals Feldzüge oder kleinere militärische Aktionen in die Campagna und die Abruzzen, was ihn in die Nähe des Kirchstaates führte und folglich den Argwohn des Papstes weckte.


Im Mai 1061 setzten die Normannen von Reggio Calabria nach Sizilien über und wollten Messina belagern. Roger landete unbemerkt während der Nacht und überraschte die sarazenische Armee am Morgen darauf. Als Robert in Messina ankam, traf er auf keinen Widerstand und nahm die Stadt kampflos ein. Robert begann unverzüglich damit, die Stadt zu befestigen und verbündete sich mit Emir Ibn at-Timna gegen Emir Ibn al-Hawas.

Mit Gregor VII. (1073-1085) war dies ein streitbarer Mann, der sich nicht nur im Investiturstreit mit dem jungen deutschen Herrscher Heinrich IV. anlegte, sondern auch Robert Guiscard in die Schranken weisen wollte. Immerhin fand der Papst Unterstützung beim langobardischen Fürst Landulf VI. von Benevent (1059-1077), das er diesem als Lehen vergab und Richard von Capua, was zu dessen Zerwürfnis mit Robert Guiscard führte. Als sich dieser nicht beirren ließ und weiterhin wenig Respekt gegenüber Kirchenbesitz zeigte, griff Gregor zum letzten Mittel: 1074 exkommunizierte er auf einer Synode den Normannenherzog.

Aber wie so häufig verfing auch hier dieses päpstliche Machtmittel nicht - ebenso blieben später Exkommunikationen Roberts stets wirkungslos. Er blieb weiterhin Herzog, dem die meisten Gefolgsleute laut ihrem geleisteten Treueid folgten. Robert Guiscard schien sich hingegen so sicher zu fühlen, dass er zwei Jahre später das Angebot Heinrichs IV. ablehnte, dessen Vasall zu werden. Der Normanne war bekanntlich auf Sizilien präsent. Zudem war es ihm gelungen, die Byzantiner in Süditalien immer weiter zurückzudrängen, was im April 1071 nach fast dreijähriger Belagerung in der Einnahme des letzten byzantinischen Stützpunktes Bari gipfelte. Mit der Eroberung von Salerno 1077 hielt Robert zudem die Kontrolle über die langobardischen Herrschaften. Wie wenig ihn verwandtschaftliche Beziehungen hinderten, zeigt sich daran, dass er damit seinem Schwager Gisulf die Herrschaft raubte.

Dies alles bot Papst Gregor VII. genug Grund, seine bisherige antinormannische Politik zu überdenken - zumal er im Streit mit dem Kaiser den Kürzeren zog und 1080 von einer Mainzer Synode für abgesetzt erklärt wurde. Hilfe erhoffte er sich in dieser Situation offensichtlich nur noch von Robert Guiscard, zumal sich dieser längst wieder mit Richard von Capua ausgesöhnt hatte. Der Papst hob seine Exkommunikation auf, und noch im Jahr 1080 leistete Robert ihm in Ceprano im Latium den Vasalleneid. Trotzdem sollte Gregor kein Glück mit seinen neuen Vasallen bzw. Verbündeten haben. Seine Auseinandersetzungen mit dem deutschen Kaiser eskalierten, was diesen zu mehreren Heerzügen nach Rom veranlasste. Nicht selten erbat der Papst von Robert inständig Hilfe.


Die Via dei Normanni in Rom, über diese Straße drangen die Normannen 1084 in Rom ein

1083 schließlich setzte sich das Heer Heinrichs IV in Rom fest. Dabei erfuhr es die Sympathie der Bevölkerung, die dem Papst feindlich gesonnen war. Diesem blieb nichts anderes übrig, als sich in der Engelsburg zu verschanzen, also jenem ursprünglich kaiserlichen Mausoleum, das die Päpste zu einem Kastei mitten in der Stadt ausbauten. Von dort rief Gregor die Normannen erneut um Hilfe - diesmal mit Erfolg. Robert Guiscard war vorher einer kleineren kaiserlichen Militärexpedition in den Süden ausgewichen und näherte sich nun mit einem großen Heer Rom. Der Kaiser zog sich daraufhin rasch zurück, sodass die Normannen ungehindert Ende Mai 1084 in der »Ewigen Stadt« einziehen konnten. Damit befreiten sie Gregor VII. aus seiner misslichen Lage, provozierten aber zugleich einen Aufstand der Bevölkerung.


Die berühmte Engelsburg von Rom. In ihr harrte der verhasste Papst Gregor VII. aus, bis die Normannen ihn entsetzten. Der Preis dafür war die Plünderung Roms im Jahre 1084

Gegen die normannischen Kriegerscharen hatten die Römer jedoch keine Chance: So endete das Ganze in Plünderungen und der Zerstörung eines Großteils der Stadt. Der Papst sah nach diesen Untaten seiner Verbündeten keine andere Möglichkeit, als sich unter deren Schutz zu stellen und ins Exil nach Salerno zu gehen - dort starb er im folgenden Jahr. Robert Guiscards Dominanz über die anderen Normannengrafen stand damals schon seit Jahren fest. Gleichwohl musste er immer wieder in Kalabrien und Apulien mit Aufständen fertig werden, die nicht selten von Byzanz unterstützt wurden. Daran änderte auch dessen Verlust Baris nichts und die damit verbundene geringere Einflussnahme in Italien.

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Robert Guiscards byzantinische Ambitionen

Einen schweren Schlag erfuhr die byzantinische Macht durch die katastrophale Niederlage bei Manzikert 1071 gegen die türkischen Seldschuken. Einen ganz persönlichen Ausdruck fand diese Niederlage in der Gefangennahme des Kaisers Romanos IV. Diogenes (1068-1071). Während die Seldschuken sich dauerhaft in Anatolien festsetzten, fand Romanos beim Sultan Gnade und wurde gegen einen Friedensvertrag und Lösegeld freigelassen.

Anders in Konstantinopel: Dort fiel er einem Putsch zum Opfer, wurde gefangengenommen und gefoltert, was ihm schließlich den Tod brachte. Das ruhmreiche Byzanz befand sich damit innen- wie außenpolitisch in der Krise. Der neue Machthaber Michael VII. Dukas (1071-1078) musste sich nach allen Seiten mühsam bewähren und fiel dann selbst einem Putsch zum Opfer -konnte allerdings den Rest seines Lebens im Kloster verbringen. Zu dieser Zeit kam Robert Guiscard ins Spiel und verlieh damit normannischer Machtpolitik eine neue Dimension. Er wollte in Byzanz zugunsten des abgesetzten Michael VII. intervenieren und erhielt dafür sogar die Unterstützung des Papstes. Der Herzog aus Süditalien hatte Argumente, die im Zeitalter des Feudalismus schlagendes Gewicht hatten: Er war mit dem Kaiserhaus in Byzanz verwandt. 1074 hatten beide Mächte nämlich ein Heiratsbündnis geschlossen: Robert Guiscards Tochter Olympias war unter dem Namen Helena mit dem Kaisersohn verlobt worden. Aus dieser Verlobung wurde nichts, weil der kleine Konstantin, der später Konstantin Dukas Porphyrogennetos (1074 - ca. 1095) nur Mitkaiser und Kronprinz blieb und zu dieser Zeit noch in den Windeln lag. Gleichwohl nutzte Robert die lockere Verwandtschaft für seine weiterreichenden Ambitionen. Dabei sei dahingestellt, ob er im byzantinischen Machtspiel einen Teil für sich gewinnen wollte, ob er seinem Sohn Bohemund Land erobern wollte oder ob er gar selber die Kaiserwürde in Konstantinopel im Auge hatte.


Dyrrhachion, das heutige Durrës. Das "alte Gefängnis" war das frühere oströmischen Kastell. Die Stadt war zwischen 1081 und 1084 von Normannen unter Robert Guiscard besetzt

Historische Tatsache blieb ein Netz von Verstrickungen über von Byzanz unterstützten Verschwörungen und Konkurrenz mit dessen Verbündeten Venedig bis hin zur großangelegten politischen Einflussnahme. Für letzteres sprach immerhin die Tatsache, dass Robert in Apulien einen Hochstapler als abgesetzten Kaiser Michael präsentierte. Gleichzeitig setzte Robert handfeste Mittel ein, indem er die Adria überquerte und auf dem Balkan und in Nordgriechenland gegen die Byzantiner vorging. Die Kämpfe gipfelten im Oktober 1081 in der Schlacht vor Dyrrhachion (Dürres, Albanien), wo die normannischen Ritter über die Byzantiner siegten. Im folgenden Jahr wurde die Stadt Dyrrhachion eingenommen, Korfu hatte man bereits vorher erobert.

Kurz davor hatte ein neuerlicher Staatsstreich zur Thronbesteigung durch Alexios I. Komnenos (1081-1118) geführt, der gewillt war, das Kaisertum zu stärken. So griff er stärker auf Venedig als Verbündeten zurück, warb sogar seldschukische Bogenschützen für das kaiserliche Heer an und setzte Waräger in der Schlacht vor Dyrrhachion ein, was allerdings die Niederlage nicht verhindern konnte. Auf Dauer waren die albanisch¬griechischen Eroberungen der Normannen allerdings nicht zu halten. 1082 kehrte Robert nach Apulien zurück, Byzanz schürte dort sogar unter normannischen Grafen Unruhe, ein Jahr später folgte ihm Bohemund.


Venosa mit seinem Kastell - In der Klosterkirche zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit fand Robert Guiscard seine letzte Ruhestätte

Im Oktober 1084 überquerte Robert Guiscard ein weiteres Mal die Adria und eroberte erneut die Insel Korfu. Aber dieses Unternehmen stand unter keinem guten Stern: Im Winterlager bei Vonitsa (Westgriechenland) brach eine Epidemie aus, die 500 normannischen Rittern das Leben kostete und das Heer entscheidend schwächte. Bohemund kehrte krank nach Italien zurück, während sein Vater Robert auf der Insel Kefalonia blieb. Dort starb er am 17. Juli 1085. Damit war der zweite Feldzug gescheitert und die Normannen zogen sich endgültig nach Apulien zurück. Robert Guiscard fand seine letzte Ruhe in der Klosterkirche zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Venosa. Seine Witwe ließ ihm eine Grabschrift setzen, in der unter anderem zu lesen ist: »Hier ruht Guiscard, der Schrecken der Welt« (Rowley 2003,133).

In der Tat steht dieser Hauteville-Sohn wie kein anderer für Abenteurertum gepaart mit Ehrgeiz und Rücksichtslosigkeit. Historisch bedeutender sind seine Erfolge in Süditalien, die die Normannen zu einer entscheidenden Macht dieser Region machten. Aus seinen zwei Ehen gingen 4 Söhne und 7 Töchter hervor, von denen letztlich nur Bohemund und Roger Borsa gewichtig in der normannischen Geschichte mitwirkten. Bohemund konnte sich nach dem Tod seines Vaters nicht durchsetzen und nahm später am 1. Kreuzzug teil. Sein 24jähriger Halbbruder Roger Borsa (1085-1111) - den Ökelnamen »Börse« soll ihm der Vater gegeben haben, weil er gern im Geldbeutel die Münzen zählte - heiratete mit Adela von Flandern eine Adlige der nordfranzösischen Heimat.

Rogers Regierungsjahre ließen sich mit denen Robert Guiscards nicht vergleichen. Bestenfalls gelang ihm der Erhalt des Status quo. Sein ebenso eher unauffälliger Sohn Wilhelm II. (Guglielmo II, 1111-1127) folgte ihm auf den Thron. Und er traf dann gegen Ende seines Lebens eine schwerwiegende Entscheidung: Da er keinen Erbfolger hatte, ernannte er 1125 seinen Onkel Roger II. von Sizilien zum Erben des Herzogtums Apulien. Damit legte er den Grund für eine einzige Normannenherrschaft über ganz Süditalien und Sizilien.

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Brückenkopf Rometta und der Kampf bei Cerami

Ihren Höhepunkt erreichte die Normannenherrschaft in Süditalien auf Sizilien, das schließlich Ausgang eines einzigartig geeinten Reiches wurde. Die Mittelmeerinsel nahm seit der Antike eine Sonderrolle ein, die sie zu einem Schmelztiegel der Kulturen machte. Denn zentrale Lage und Fruchtbarkeit brachten Phönizier, Griechen sowie Karthager hierhin, wo Rom schließlich eine einträgliche Provinz begründete. Nach dem Ende des Imperium Romanum und insbesondere des Weströmischen Reiches (476) gehörte Sizilien für wenige Jahrzehnte zu Theoderichs Ostgotenreich, bis es 535 von den Truppen des oströmischen Kaisers Justinian in Konstantinopel erobert wurde.

Seit dem 8. Jahrhundert mehrten sich dann Raubzüge der neuen arabischen Großmacht in Nordafrika. 826 folgte mit Marsala, an der westlichen Inselspitze und nur 140 km vom heutigen Tunesien entfernt, die erste arabische Stadtgründung. Araber und Berber unterwarfen sich in der Folge den Großteil der Insel mit dem Zentrum Palermo - nur im Nordosten konnte sich Byzanz halbwegs behaupten. Die neuen Herrscher brachten ihre bewährten Bewässerungssysteme mit und eine Reihe von Kulturpflanzen: Zitronen- und Orangenbäume, Dattelpalmen, Pistazien sowie Maulbeerbäume für die Sei-denraupenzucht, die für die Abendländer nun den besonderen Zauber der Insel ausmachten. Außerdem trug das Gold des Mittelmeerhandels zum Reichtum Siziliens bei. Selbstredend wirkte sich die arabische Herrschaft auch auf die Religion aus und führte dazu, dass durch Einwanderung und Konversion um 1050 zwei Drittel der Einwohner Moslems waren. Allein im byzantinischen Nordosten verblieben Christen des griechisch-orthodoxen Glaubens. Dieser stark muslimisch geprägte Süden Italiens gehörte zum Kalifat der Fatimiden, deren Herrschaft vom Maghreb über Ägypten bis nach Syrien reichte. Doch seit 948 waren die hier regierenden Emire der Kalbiden praktisch selbständig. Streitigkeiten innerhalb dieser Dynastie führten schließlich zum Zerfall ihrer Herrschaft in kleine sich befehdende lokale Herrschaftsgebiete.


Rometta bei Messina - Es war die erste normannische Festung, von wo aus die Eroberung der gesamten Insel begann

Diese Situation weckte die Aufmerksamkeit des Papstes und von Byzanz. Während sich der Erste eine Rückgewinnung für den katholischen Glauben erhoffte, trugen sich die Oströmer mit dem Gedanken einer Rückeroberung ihrer alten Provinz. Hier kamen die Normannen ins Spiel, deren Ritter bekanntlich am erfolglosen byzantinischen Feldzug vor 1040 beteiligt waren. Zwanzig Jahre später fand sich mit Roger der jüngste der Hauteville-Brüder in Süditalien, dessen Interesse für Sizilien schon bald geweckt wurde. Immerhin hatte er als Folge der inneritalienischen Kämpfe Syrakus und Catania erobert und sich einen Namen gemacht, als der arabische Lokalherrscher Ibn al-Thumna (gestorben 1062) ihn um Hilfe in den sizilianischen Fehden anging. Diese Chance nutzten die Hauteville-Brüder Robert Guiscard und Roger, um an der Meerenge mit ihren Kämpfern im Sommer 1061 nach Sizilien überzusetzen. Der Angriff war erfolgreich und führte zur Eroberung der Festung Rometta bei Messina - dem ersten normannischen Brückenkopf.

Dabei blieb es vorerst, da Robert aufs Festland zurückkehrte und Roger sich für größere Militäraktionen nicht stark genug fühlte. Dies hielt ihn allerdings nicht von Plünderungszügen ins Inselinnere ab. Wie stark bei ihm die Anteile eines christlichen Missionsgedankens und weltlicher Spekulationen auf Macht und Reichtum waren, sei dahingestellt. Eine historiographische Quelle unterstellt ihm beide Motive: »Roger überlegte sich, dass er auf zwei Arten Gewinn von der Eroberung Siziliens haben könnte, also sowohl für seine Seele als auch für seinen Körper. Wenn er zum einen das Land für die göttliche Verehrung zurückfordern könnte, das den falschen Idolen diente und zum anderen - sozusagen in weltlicher Hinsicht - sich die Früchte und ein Einkommen des Landes sichern könnte, das von einem Volk besetzt wurde, das Gott zuwider war, und sie in den Dienst Gottes stellen könnte.« (Register Gregors). Hier wird nichts anderes als eine Schwertmission umschrieben, die wohlwollend Rogers Ambitionen unterstellt wurde. Eine banale Eroberung mit Plünderung und Massaker, der man eine missionarische Absicht unterstellte.


Cerami - am gleichnamigen Fluss wurden die Sarazenen von den Normannen besiegt

In den nächsten Jahren und Jahrzehnten betrieben die beiden Hauteville-Brüder trotz mancher Differenzen und Streitigkeiten fortwährend die Eroberung Siziliens. Das familiäre Bündnis folgte insofern einer geregelten Hierarchie, als Roger als Graf von Sizilien der Vasall Robert Guiscards war und ihn gegebenenfalls durch Hilfsleistungen gegen Aufstände in Kalabrien und Apulien unterstützen musste. Gemeinsame Unternehmungen gegen die arabischen Fürsten führten hingegen zu mehreren Siegen: so etwa 1063 bei Cerami, was der zeitgenössische normannischer Chronist Gaufredus Malaterra wie folgt schildert: »Über und über mit Beute beladen, nahmen die Normannen jetzt die Zelte der Mohammedaner in Beschlag, nahmen ihre Kamele und alles, was sie nur finden konnten.«.


Roger tötet 1063 die Sarazenen - der gesamte Kampf wurde später legendär mit der Beihilfe von Erzengeln ausgeschmückt

Die zumindest geistliche Unterstützung des Papstes fand ihren Ausdruck in der Übergabe eines geweihten Banners. Militärische Unterstützung durch andere italienische Mächte wie etwa Pisa und Genua erhielt Roger nicht. Er verließ sich mehr oder weniger auf die Hilfe Robert Guiscards. Und die führte immerhin auch nach 1063 zu mehreren Siegen über die Araber. Dabei kam den Normannen zugute, dass die zerstrittenen Moslems keinen gemeinsamen Widerstand zuwege brachten. Mit der steigenden Einnahme von Festungen gewann Roger immer mehr Stützpunkte, von denen aus seine Truppen operierten und wo man arabische Gegenschläge abwehren konnte.

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Die Eroberung Palermos

Mit der Einnahme Palermos fand 1072 die langwierige jahrelange Eroberung Siziliens ihren Höhepunkt. Nach der Einnahme des byzantinischen Bari im April 1071 hatte sich zuvor die Aufmerksamkeit der Hautvilles zentral auf Sizilien gerichtet und sie starteten einen dritten gemeinsamen Feldzug, dessen Ziel Palermo war. Der Bedeutung und Größe der Stadt angemessen - mutmaßlich zählte sie 50.000 Einwohner - versuchte man sich erstmals mit einem Doppelangriff vom Land und von der See: Roger zog durchs Landesinnere, während Robert Guiscard mit der Flotte an der Nordküste entlangfuhr. Insgesamt dürfte das normannische Belagerungsheer nicht mehr als 4000-5000 Krieger umfasst haben, die sich an der gut gesicherten und starken Außenmauer der Stadt versuchten. Was auch immer man unternahm - den Einsatz von Sturmleitern, Schleuderern, Bogenschützen und Reitern: Mauern und Stadttore hielten stand.


Palermo 1930 - Nach der Übergabe der Altstadt an die Normannen unterstand sie zunächst noch Robert Guiscard

Deshalb versuchten die Normannen die Bevölkerung auszuhungern, was durchaus Wirkung zeigte. Der Chronist Amatus erwähnt eine »große Hungersnot«: »Und andererseits gab es wegen der nicht begrabenen Toten Seuchen und Sterblichkeit, von der viele ... geschlagen wurden.«. Aber es nutzte alles nichts und die Hautevilles mussten sich sogar Ausfällen und eines Flottenangriffs nordafrikanischer Muslime erwehren. Da griff man schließlich zu einer Kriegslist: Während Roger weiterhin die Erstürmung der Altstadt vortäuschte, führte Robert einen Überraschungsangriff auf die weniger kompakten und schwächer geschützten Mauern der Neustadt. Ihm und seinen Kriegern gelang es im Januar 1072 tatsächlich, in Palermo einzudringen. Anschließend kam es dort zu erbitterten Straßenkämpfen und Plünderungen. Allerdings war damit die Altstadt noch nicht genommen. Dort verschanzte man sich weiterhin und diskutierte, wie nun zu verfahren sei. Man entschied sich schließlich für Verhandlungen mit den Normannen. Was angesichts der vorhergehenden durchaus brutalen Kämpfe überraschen mag: Nach wenigen Tagen des Waffenstillstands und der Verhandlungen entschied man sich für die Übergabe der Stadt.

Die Moslems stellten jedoch als Bedingungen, dass der Koran unter christlicher Herrschaft geachtet und gültig sein sollte und dass keine ungerechten Gesetze ihnen gegenüber erlassen werden sollten. Damit erklärten sich Robert und Roger im Großen und Ganzen einverstanden: Sie gewährten die freie Religionsausübung und eine unabhängige Rechtsprechung, forderten aber im Gegenzug die Anerkennung ihrer Oberherrschaft und die Tributpflicht der Einwohner. Dies führte als unmittelbare Folge zum Einzug erheblicher Kontributionen, zur Stationierung einer ständigen normannischen Garnison und zur Einsetzung eines Statthalters mit der dem Arabischen entlehnten Bezeichnung Amiratus »Emir«. Dazu verlangte man die Rückgabe der alten Marienbasilika, die über Jahrhunderte als Moschee gedient hatte und nun entsühnt und neu eingesegnet wurde.


Roger I. erhält die Schlüssel von Palermo

Offensichtlich arbeitete die palermitanische Münzstätte äußerst rasch mit den neuen Herren zusammen, denn wenige Monate bzw. Wochen nach der Eroberung prägte sie Golddinare mit dem Namen Roberts als Münzherrn. An den formalen Machtverhältnissen änderte sich vorerst nichts: Robert blieb als Herzog von Apulien auch Herrscher und oberster Lehnsherr von Graf Roger (Ruggero 1061-1101), der seit 1172 die faktische Herrschaft über Sizilien innehatte. Zweierlei schränkte seine Macht erheblich ein: Robert Guiscard behielt auf der Insel Palermo, Messina und das Val Demone im Nordosten unter Kontrolle. Des weiteren war der muslimische Widerstand noch lange nicht gebrochen. Insbesondere die Emire von Syrakus und Enna dachten nicht daran, sich den Normannen zu unterwerfen. Darum ging auch nach der Eroberung Palermos der Kleinkrieg noch 20 Jahre weiter. Erst 1091 schloss die Einnahme der Stadt Noto (im Südosten bei Syrakus) die Eroberung Siziliens ab, ebenso fielen die benachbarten Inseln Malta und Gozo an die Normannen.

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Das normannische Süditalien

Als Roger die arabischen Emire endgültig besiegt hatte, fiel Sizilien ganz und bindungslos in seine Hand. Denn nach dem Tod Robert Guiscards (1085) verloren die Herzöge an Autorität und Roger verfügte über weit mehr Macht. Diese und sein Ansehen baute er mit seiner Heiratspolitik erheblich aus, die den Grafen von der Mittelmeerinsel mit ganz Europa vernetzte. Roger hatte reichlich Nachkommen - 17 Kinder aus insgesamt drei Ehen - darunter auch uneheliche. Bereits 1076 verstarb seine Ehefrau Judith, eine Tochter des Grafen Wilhelm von Evreux in der Normandie. Auch seine zweite Frau Eremberga (gestorben 1087) überlebte er. Sie war die Tochter des Grafen Robert von Mortain (1049-1095), einem Teilnehmer der Schlacht von Hastings, der unter Wilhelm dem Eroberer zu einem der einflussreichsten Landbesitzer Englands und der Normandie wurde. Stehen diese beiden Ehen für die Verbindung mit dem Herkunftsland der Normandie, verdeutlicht die 1089 vollzogene Vermählung mit Adelheid del Vasto (Adelaide, Adelasia del Vasto, 1072-1118), die angestrebte Vernetzung mit dem italienischen Umfeld. Als Tochter des Markgrafen Manfred I. von Savona (t 1079) entstammte sie einem im norditalienischen Ligurien beheimateten Adelsgeschlecht. Wie gelegen Roger an engeren Familienverbindungen zu diesen ursprünglich westfränkischen Aleramiden war, belegen mehrere Verlobungen und Heiraten seiner Kinder aus den ersten beiden Ehen mit Verwandten Adelheids.


Roger I. - Für ihn kämpfte sogar eine sarazenische Elitetruppe.

Diese Beziehungen führten zudem zu einer verstärkten Einwanderung von Norditalienern. Aus den anderen Verbindungen seien beispielhaft ausgewählt: Mathilde (gestorben vor 1094) wurde mit Raimund IV, dem späteren Graf von Toulouse (1094-1105) vermählt, einem unter anderem in Spanien umtriebigen Kreuzritter, der mehrere Ehen führte und sich von ihr alsbald trennte. Felizia (gestorben 1102) avancierte als Gattin König Kolomans (1095-1116) zur Herrscherin von Ungarn. Muriella (gestorben 1119) heiratete mit Gosbert von Lucy (Josbert) in eine der mächtigsten anglo-normannische Familien ein. Und mit Konstanze, vermählt mit dem deutschen Mitkönig, Herzog von Niederlothringen und König von Italien Konrad (1074-1101), dem Sohn Kaiser Heinrich IV, knüpften die sizilianischen Hauteville sogar Bande zu den Saliern. Rogers letzter Ehe mit Adelheid entsprossen die beiden Söhne Simon (* 1093) und Roger (* 1095), die schließlich als Thronfolger infrage kamen.

Als Vollzieher des christlichen Rückeroberungsauftrags der Päpste genoss Roger per se deren Wohlwollen. Dieses fand einen Ausdruck in der 1098 erteilten Gewährung des Apostolischen Legats für Roger und seine Nachfolger über Sizilien. Als unmittelbare Vertreter des Papstes erhielten die Hauteville damit ganz außerordentliche päpstliche Privilegien wie z. B. für die Einberufung von Synoden und die Einsetzung von Bischöfen. Folglich begründeten sie etliche lateinische Bischofssitze in Palermo, Troina, Catania, Syrakus, Agrigent sowie in Mazara. Die Stiftung von Benediktinerklöstern gehörte ebenso zu dieser kirchlichen Relatinisierungspolitik, die auch mit dazu beitrug, dass immer mehr Süditaliener auf der Insel siedelten.

Die von Graf Roger geförderte Einwanderung christlicher Langobarden (Lombarden) aus ganz Italien, aber auch von griechischen Christen aus Kalabrien, richtete sich jedoch nicht unmittelbar gegen die moslemische Bevölkerung. Deren Religion wurde toleriert und Bekehrungsversuche scheinen nicht unternommen worden zu sein. Die Moslems behielten ihren Glauben und ebenso eine gewisse Selbstverwaltung, hatten aber eine Kopfsteuer zu zahlen -wie sie unter moslemischer Herrschaft für Christen üblich war. Überhaupt blieb der Einfluss der arabischen Kultur noch lange bestehen, wie sich etwa bei der Steuerverwaltung zeigte: Dort arbeiteten insbesondere griechisch-christliche Sizilianer, die der arabischen Sprache mächtig waren. Die zeitgenössischen Chronisten vergessen selten, die sarazenische Elitetruppe der normannischen Herrscher hervorzuheben, deren exotisches Aussehen sich von dem der abendländischen Ritter unterschied.


1062 wurde Troina von den Normannen mit 300 Rittern erobert und wurde zur sizilischen Residenz von Roger I. Ein länger währender Aufstand wurde Roger umgehend mit Gewalt niedergeschlagen. Im Jahr 1063 wurden Troina und Cerami von den Sarazenen angegriffen, die über ein Heer von 35.000 Mann Infanterie und Soldaten verfügten, und wurden zurückgeschlagen. Troina blieb bis in die schwäbische Herrschaftszeit hinein eine blühende Stadt

Auch gegenüber den griechisch-orthodoxen Christen Siziliens wurde Toleranz geübt. Voraussetzung dafür war die Anerkennung Rogers als »unangefochtener Herrscher«, der politisch die »vollständige Unterwerfung« erwartete. Diese Erwartung dürfte sich nicht zuletzt an die normannischen Adligen gerichtet haben, die sich natürlich das meiste Land aneigneten. Roger gelang es, die Barone ziemlich widerstandslos in sein Herrschaftssystem einzubinden - dabei mag die Erfahrung der Herzöge der Normandie eine Rolle gespielt haben. Wie unter anderen Normannenregimen änderte sich vorerst kaum etwas an der Sozialstruktur Siziliens, ausgenommen natürlich die neue dünne Herrenschicht. Langfristig trat dann aber doch ein Wandel ein: Durch die erwähnten Einwanderungen vom italienischen Festland kam es zur allmählichen Latinisierung bzw. Romanisierung, was im 12. Jahrhundert zum Rückgang der arabischen und griechischen Bevölkerung führte. Vor allem für die Moslems war das Anwachsen einer christlichen Mehrheit unter einer christlichen Regierung dann doch mit sozialem Abstieg verbunden. Die maßgeblichen arabischen Intellektuellen fühlten sich diesem System nicht mehr verbunden und wanderten nach Nordafrika ab.

All dies schmälerte Rogers Einfluss nicht, der ganz im Gegenteil nach dem Tod Robert Guiscards kräftig anwuchs. Denn dessen Sohn und Nachfolger Roger Borsa stand zwar als Lehnsherr über dem Grafen von Sizilien. In der Praxis seiner ersten Regierungsjahre musste er sich allerdings mit seinem älteren Halbbruder Bohemund auseinandersetzen, der ihm die Erbfolge streitig machte. In die Kämpfe seiner beiden Neffen griff Graf Roger ein und sicherte die Herzogswürde von Roger Borsa, während Bohemund das Kreuz nahm, ins Heilige Land zog und dort einen der Kreuzfahrerstaaten gründete. Roger I. erhielt jedoch für seine Unterstützung Herzogsbesitz in Sizilien und Kalabrien.


rechts die Kathedrale von Mileto in der Roger I. seine letzte Ruhestätte fand

Bereits davor musste er als der realiter mächtigste Hauteville in Süditalien gelten. Er starb im Juni 1101 im kalabrischen Mileto, das er zu seiner Residenz auf dem Festland ausgebaut hatte. Hierher hatte er Benediktiner gerufen und die Gründung der Abtei Santa Trinitä veranlasst. Sie sollte die Grablege seiner Familie werden. Hier fand Roger folglich seine letzte Ruhe in einem Jahre später vollendeten Grabmal. Seine Gebeine bestattete man in einem prächtigen Marmorsarkophag der römischen Antike. Die Verwendung einer solchen Spolie des Imperium Romanum unterstrich seinen und seiner Familie Herrschaftsanspruch.

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Graf Roger II.


Roger II.

Graf Roger hinterließ seine junge Witwe Adelheid mit zwei minderjährigen Söhnen, nämlich Simon und Roger. Für den älteren Simon übte sie bis zu dessen Tod 1105 genauso die Regentschaft aus wie für dessen Bruder und Nachfolger Roger bis zu dessen Volljährigkeit im Jahr 1112. Während dieser Zeit gelang es Adelheid, durch eigene Tatkraft, mit Unterstützung ihres Bruders Heinrich (Enrico del Vasto, 11137) sowie fähiger und erprobter griechischer und arabischer Minister die Macht zu behaupten - übrigens vor allem gegenüber Vertretern der normannischen Oberschicht und gegenüber Herzog Roger Borsa. Die Gräfin traf zudem die folgenreiche Entscheidung, ihre Residenz von Mileto nach Sizilien zu verlegen: zuerst nach Messina und schließlich ins bevölkerungsreiche und arabisch geprägte Palermo. Dort empfing Thronfolger Roger 1112 den Ritterschlag, dort sollte das glanzvolle und weitgerühmte Zentrum seiner Herrschaft entstehen. Im Jahr zuvor waren seine Onkel Roger und Bohemund gestorben, beide minderjährige Kinder hinterlassend.

Und damit begann der Niedergang der Herzogtümer Apulien und Kalabrien. Bevor wir uns der erfolgreichen Regierung Rogers II. widmen, sei noch ein Blick auf seine Mutter nach ihrer Regentschaft geworfen: Ziemlich rasch hielt König Balduin I. von Jerusalem (Balduin von Boulogne, 1100-1118) um ihre Hand an. Er versprach sich davon eine enge Verbindung mit den süditalienischen Hautevilles und durfte zudem mit einer reichen Mitgift seiner zukünftigen Gattin rechnen. Aber auch für den jungen Grafen Roger II. bot sich mit der Vermählung seiner Mutter eine vielversprechende Perspektive: Bei einer Kinderlosigkeit des Königspaares sollte er der Nachfolger Balduins in Jerusalem werden. Man darf davon ausgehen, dass auch Adelheid solchen machtpolitischen Gedanken zugeneigt war. Und so machte sie sich 1113 mit einem sizilianischen Geleitzug auf den Seeweg ins Heilige Land. Der Chronist Albert von Aachen überliefert die prächtige Szenerie, die eine Zurschaustellung des Reichtums Siziliens war:

»Mit ihr kamen zwei Triremen, jede mit 500 Kriegern, und sieben Schiffe, die mit Gold, Silber, Purpur und großen Mengen von Edelsteinen und Prachtgewändern beladen waren, gar nicht zu reden von den Waffen, Brustharnischen, Schwertern, Helmen und Schilden, die vor Gold glänzten, und all der übrigen Kriegsausrüstung, wie sie von großmächtigen Fürsten zur Bedienung und Verteidigung ihrer Schiffe gebraucht werden. Das Gefährt, das die große Dame sich zur Reise ausgewählt hatte, war mit einem Mast geschmückt, der außen ganz vergoldet war, so dass er schon von weitem in der Sonne funkelte und blitzte; Bug und hinterer Aufbau dieses Schiffes, in ähnlicher Weise mit Gold und Silber gedeckt und von den trefflichsten Handwerkern gefertigt, waren herrlich anzuschauen. Und auf einem der sieben Schiffe waren die sarazenischen Bogenschützen, kräftige Männer zumeist, die in glänzende, kostspielige Gewänder gehüllt waren und dem König als Geschenk dargebracht werden sollten - Männer, wie man sie in ihrer Art im ganzen Jerusalemer Land nicht findet... Als dem König die Ankunft seiner erlauchten Dame kundgetan war, begab er sich mit seinem Hofstaat und allen Fürsten des Königreichs zum Hafen hinunter, alle großartig und verschieden gekleidet; er war um-geben von seinem ganzen königlichen Prunk, gefolgt von seinen Pferden und Maultieren, die mit Gold und Purpur bedeckt waren, und begleitet von seinen Musikanten, die in die Trompeten stießen und auf allen Instrumenten spielten, die es nur gibt, das Ohr zu erfreuen ...«.

Trotz des glanzvollen Beginns stand die Ehe unter keinem guten Stern. Zum einen hatte König Balduin Adelheids Mitgift schnell ausgegeben - allein die ständigen Kriege gegen die Fatimiden und andere muslimische Machthaber forderten ihren Preis. Außerdem meldeten Klerus und Vasallen des Königs schon bald ihren Widerstand gegen die Ehe mit Adelheid an. Denn Balduin hatte seine armenische Ehefrau Oriana nicht ordnungsgemäß verstoßen und in ein Kloster abgeschoben. Schließlich formierte sich eine so starke Stimmung gegen Adelheid und die offensichtlich nicht legale Vermählung, dass diese 1117 nach Sizilien zurückkehrte. Hier starb sie bereits im folgenden Jahr und wurde in der Kathedrale San Bartolomeo in Patti (Messina) beigesetzt. Nach Wilhelm von Tyrus soll diese Schmach seiner Mutter einen tiefen Hass Rogers II. auf das Königreich Jerusalem begründet haben.

Roger II. hat in den knapp vierzig Jahren seiner Herrschaft das respektable Fürstentum seines Vaters ausgebaut und schließlich zu einem prunkvollen Königreich gemacht. Sicherlich nicht zu unrecht führt man seine beachtliche Offenheit und Pragmatismus auf seine Erziehung zurück, die wegen des frühen Todes seines Vaters der norditalienischen Mutter Adelheid zuzuschreiben ist - und wahrscheinlich mehr noch dem griechischen Hofbeamten Christodulos (gestorben nach 1125). Im Ausland zählte man diesen zu den einflussreichsten Persönlichkeiten am sizilianischen Hof. Dementsprechend nahm er sich nicht nur des jungen Roger an, sondern wurde später von diesem auch in höchste Ämter und Würden gesetzt. In einer Epoche, die die meisten Adligen nördlich der Alpen als Analphabeten kennt, zeichnete sich der junge Graf durch seine Bildung aus. Diese schöpfte zweifellos nicht nur aus dem abendländischen Bildungskanon, sondern auch aus griechischen und arabischen Quellen. An Sprachkenntnissen werden ihm neben der wahrscheinlichen altfranzösischen Muttersprache die Beherrschung von Latein, Griechisch und Arabisch nachgesagt. Dazu kamen Kenntnisse über drei Kulturen und Religionen.


Visualisiert: Beatrix-von-Rethel

Ob seine Nähe zur islamischen Kultur übrigens den Unterhalt eines Harems mit sich brachte, sei dahingestellt und ist auch in der Forschung umstritten. Formal hat sich Roger dreimal in Einzelehen vermählt (was informelle Beziehungen betrifft, standen ihm andere europäische Herrscher in Nichts nach). Diese Ehen bezeugen zugleich machtpolitische und prestigeträchtige Bestrebungen: 1118 vermählte er sich mit Elvira (1100-1135), der Tochter König Alfons VI. von Kastilien-Leon (1072-1109), mit der er mehrere Söhne hatte. Erst 14 Jahre nach ihrem Tod heiratete Roger II. Sibylle (1126-1150), die Tochter Herzog Hugos II. von Burgund (1103-1143). Als diese bei einer Fehlgeburt starb, vermählte sich Roger ein drittes Mal, nämlich mit Beatrix von Rethel (1130-1185), der Tochter des Grafen Günter von Rethel (gestorben 1158) aus der Champagne. Sie gebar Rogers nachgeborene Tochter Konstanze (1154-1198), die für das weitere Geschick der sizilianischen Herrschaft außerordentliche Bedeutung gewinnen sollte.

Was das politische Geschehen betrifft, muss das Augenmerk zuerst auf die bereits angesprochenen Verhältnisse innerhalb der süditalienischen Hauteville-Familie gerichtet werden. Hier konnte Roger II. im Lauf von 15 Jahren klare Verhältnisse schaffen. Denn sein Verwandter Herzog Wilhelm II. hatte erhebliche Probleme mit seinen Vasallen. Diese waren soweit gegangen, sich an Kaiser Heinrich V. (1106-1125) zu wenden und Hilfe zu erbitten. Der Kaiser hatte aber bereits 1111 im Vertrag von Ponte Mammolo auf Süditalien verzichtet und sich damit aus dem Spiel zurückgezogen. Hier half nun Roger II. seinem Lehnsherrn Wilhelm und bot Beistand gegen die Vasallen. Mit dem Ergebnis, dass er den Herzog noch mehr von sich abhängig machte und seinen eigenen Einfluss erheblich ausbaute.

Als Wilhelm II. im Juli 1127 in Salerno starb, hinterließ er keinen Erben. Hier machte nun Papst Honorius II. (1124-30) seine Rechte als Lehnsherr geltend und beanspruchte den Rückfall des Herzogtums an sich. Politisch kam ihm diese Situation sehr gelegen, hatte er doch bislang die aufsässigen Vasallen der Hautevilles unterstützt. Statt einer Schwächung erfuhren diese jedoch in der Person Rogers II. einen beachtlichen Machtgewinn. Er berief sich nämlich auf ein angebliches Erbversprechen Wilhelms II. ihm gegenüber. Deswegen verlangte er vom Papst, dieser möge ihn als nächsten männlichen Verwandten Wilhelms zu dessen Nachfolger bestimmen. Honorius II. sah dies anders und exkommunizierte Roger erst einmal, was diesen nicht sonderlich kümmerte. Außerdem versuchte der Papst ein Bündnis von Adligen und Städten gegen ihn zu schmieden, darunter als führenden Kopf Graf Robert II. von Capua (1127-1156). Roger nahm die Herausforderung an und bereitete einen Feldzug vor, um seinen Anspruch auf die Herzogswürde durchzusetzen.

Doch zum Entscheidungskampf kam es nicht, da der Papst einsah, dass die Ritter seiner Vasallen mit ihrer zeitlich begrenzten Dienstpflicht gegen das stehende Heer Rogers keine große Chance hatten. Darum suchte er Verhandlungen mit dem Hauteville-Grafen. Als dieser Capua und Benevent als päpstliches Einflussgebiet anerkannte, belehnte ihn Honorius II. am 22. August 1128 mit Apulien, Kalabrien und Sizilien. In dem mittlerweile eingenommenen Salerno wurde Roger II. zum Herzog gesalbt. Sizilien und das süditalienische Festland waren damit erstmals in einer Hand. Als sich der Herzog wenige Jahre später noch Capua und Neapel aneignete, hatte er seine Herrschaftsansprüche voll und ganz durchgesetzt. Es war die Geburt des eigentlichen Hauteville-Reichs in Süditalien, das in der Person Rogers II. kulminierte. Sein zeitgenössischer Biograph Alexander von Telese, Abt des Benediktinerklosters San Salvatore bei Telese (gestorben 1143), stimmt in seiner Chronik ein Hochlied auf ihn an und lässt sei¬nen Werdegang durch vorzeitige Visionen verkünden.

Primärquelle: Krause, Die Normannen
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Wikipedia

Das Königreich Sizilien

Abt Alexander erzählt ebenso von den weiterreichenden Ansprüchen des neuen starken Mannes im Süden Italiens. Diese zielten unzweideutig auf die Königskrone. Ein solcher Anspruch bedurfte einer Begründung, die bemerkenswerterweise keine genealogischen bzw. Verwandtschaftsargumente anführte. Denn Roger bezog sich - fast schon modern - auf die Geschichte des Landes und die faktischen Verhältnisse: Demnach sei Sizilien einstmals Königreich gewesen und jetzt habe er hier die Macht inne. Dieser Anspruch war eigentlich vermessen, ließ sich aber aufgrund der politischen Verhältnisse durchsetzen. Nach dem Tod von Honorius II. hatte sich nämlich ein erneutes Schisma ergeben. Mit Innozenz II. (1130-1143) und Anaklet II. (1130-1138) erhoben zwei Päpste Anspruch auf den Heiligen Stuhl. Während fast sämtliche Könige Europas und der Kaiser sowie der einflussreiche Zisterzienser Bernhard von Clairvaux den ersten unterstützten, entschied sich Roger II. für Anaklet.


Roger II. erhält 1130 das Königtum durch Papst Anaklet

Er schien ihm wohl ein schwächerer und darum willfährigerer Partner zu sein. Und einen Papst benötigte er für die Durchsetzung seines Königswunsches. Und so kam es auf halbem Wege zwischen Benevent und Salerno zum Treffen zwischen Roger II. und dem Papst. Anaklet II. empfing von Roger den Lehnseid und ernannte ihn im September 1030 zum »König von Sizilien, Kalabrien und Apulien«. Außerdem inszenierte Roger auf einem Hoftag die Akklamation zum König durch die normannischen Großen, am Weihnachtsfest 1130 wurde er schließlich in Palermo von dessen Bischof Peter (1123-1132) gekrönt. Das war die Geburtsstunde des Königreichs Sizilien.

Dessen erstes Jahrzehnt prägten heftige Auseinandersetzungen der in Italien involvierten Mächte. Kaum verwunderlich erkannten der Gegenpapst Innozenz II., die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und von Byzanz sowie etliche süditalienische Adlige und Städte Rogers Königswürde nicht an. Dieser konnte sich jedoch auf eine effiziente Flotte und ein starkes Heer aus Rittervasallen, Söldnern, einfachem Fußvolk und moslemischen Bogenschützen verlassen. Die militärische Stärke des Sizilianers musste sogar Kaiser Lothar (1125-1137) zur Kenntnis nehmen, als er 1133 zur Kaiserkrönung nach Rom kam: Das von Anaklet II. mit Unterstützung Rogers II. gehaltene St. Peter blieb ihm verschlossen. An einen Feldzug nach Süditalien war angesichts der schwachen kaiserlichen Truppen nicht zu denken. Das änderte sich, als Roger II. 1135 schwer erkrankte und anscheinend mit dem Tode rang. Sofort nutzten seine Widersacher die Schwäche des Königreichs aus: Vor allem Robert II. von Capua und Rainulf von Alife (gestorben 1139) führten den Widerstand an. Unterstützung erhielten sie zwei Jahre später, als sich Kaiser Lothar und Papst Innozenz II. gegen Roger II. verbündeten und das kaiserliche Heer nach Bari und Basilicata vorrückte und sogar Salerno eroberte. Der wieder genesene Roger ließ sich allerdings nicht provozieren und blieb in Sizilen, sodass Lothar unverrichteter Dinge wieder heimwärts ziehen musste.


Bei Galluccio überfiel Rogers Sohn die päpstlichen Truppen mit nur tausend Rittern und nahm den Papst und sein Gefolge gefangen. Drei Tage später, am 25. Juli in Mignano, bestätigte Innozenz Roger den Älteren als rex Siciliae, ducatus Apuliae et principatus Capuae und verlieh ihm seine Titel. Er machte auch seinen Sohn zum Herzog und einen weiteren Sohn, Alfonso, zum Prinzen von Capua.

Eine erneute Wendung erfuhr die Situation durch den Tod Anaklets II. Der nun alleinige Papst Innozenz II. forcierte den Kampf gegen Roger und ließ eigene Truppen marschieren. Was für ihn desaströs endete: denn im Juli 1139 unterlag sein Heer bei Mignano den Normannen und Innozenz II. geriet in Gefangenschaft. Kurz darauf erkannte auch er Rogers Königswürde an und belehnte ihn und seine Söhne aufs Neue. Damit erfuhr die Krone des Normannen ihre endgültige Legitimation. Ebenso war mittlerweile die Opposition des Adels zusammengebrochen. Städte wie Bari und Troia in Apulien gewann Roger wieder zurück. Letzteres ergab sich und erwirkte Schonung, indem es einer besonderen Forderung Rogers genügte: der Herausgabe des Leichnams Rainulfs von Alife, jenes Anführers der normannischen Drengot-Familie, der Rogers Schwager war, aber gleichwohl gegen ihn gekämpft und sich sogar mit dem Herzogstitel geschmückt hatte. An ihm wollte der König von Sizilien offensichtlich ein Exempel statuieren. Er ließ angeblich dem Leichnam den Prozess machen, ihn durch die Straßen zerren und in einem See versenken.

Rogers Verhalten zwischen Milde und Härte (bei renitenten Rebellen), erfährt bis in die Gegenwart die unterschiedlichsten Bewertungen. Bereits der zeitgenössische große Gelehrte Otto von Freising (gestorben 1158) sah Roger zwiespältig: »Manche allerdings sagen, er handle mehr so aus Rechtsgefühl als aus tyrannischen Gelüsten, und behaupten, er liebe den Frieden mehr als alle anderen Fürsten und nur zu dessen Bewahrung halte er die Aufrührer mit solcher Strenge in den Schranken. Andere dagegen sind der Meinung, er suche den Frieden zu erhalten mehr aus Gier nach dem Gelde, von dem er weit mehr besaß, als selbst alle abendländischen Könige, denn aus Liebe zum Recht.« Wenn auch unter dem Vorwurf der Tyrannei, so war es ihm doch gelungen, Süditalien endlich zu befrieden.

Das Verhältnis zu den Herrschern des Heiligen Römischen Reiches blieb weiterhin angespannt. Genauso wenig wie sie seinen Machtanspruch im Süden ihres Reiches konnte er ihre militärischen Interventionen vergessen. Auch das Verhältnis zu Byzanz war nicht das allerbeste, obgleich es zu keinen Kämpfen kam. Die Beziehungen zu den Päpsten blieben wechselhaft und etlichen Schwankungen unterworfen. Ende der 1140er-Jahre schlossen die Kaiser Manuel I. Komnenos (1143-80) und Konrad III. (1137-52) sogar ein Bündnis gegen den Normannen - als König erkannten sie ihn ohnehin nicht an. Schließlich eskalierten die Kämpfe und es kam zu normannischen Plünderungen in Theben und Korinth sowie zu einem Angriff auf den Hafen von Konstantinopel.

An den grundsätzlichen Verhältnissen änderte dies nichts. Bessere Beziehungen schien der sizilianische König ohnehin mit den moslemischen Nachbarn an den Küsten Nordafrikas zu pflegen. Mit dem ägyptischen Kalifen al-Hafiz (1130-49) aus der Fatimidendynastie pflegte er anscheinend ein gutes, um nicht zu sagen freundschaftliches Verhältnis. Den Kämpfen verschiedener Berberdynastien im Maghreb untereinander begegnete Roger mit gezielten Interventionen. Dies führte zur Eroberung einiger Hafenstädte Nordafrikas wie Tripolis und Sfax. Darauf erkannte Tunis sogar die Oberhoheit Rogers an. Gern unterstellt man ihm bevorzugte Handelsinteressen gegenüber den moslemischen Partnern, wozu etwa die Kontrolle des Karawanenhandels zwischen Ägypten und Marokko gehörte. Aus dieser Perspektive erklärt sich auch Rogers II. Zurückhaltung während des 2. Kreuzzugs (1147-1149). In dieser späten Phase seiner Regierung lag König Roger vor allem daran, seine Herrschaft zu stabilisieren und die ökonomisch wichtigen Handelsrouten zu sichern. Innenpolitisch richtete sich alles auf die Hauteville-Dynastie respektive auf seine Person aus. Von den vier Söhnen aus seiner ersten Ehe mit Elvira von Kastilien hatte nur der jüngste überlebt. Diesen Wilhelm (* 1122) erhob Roger 1151 zum Mitkönig und ließ ihn von Erzbischof Hugo von Palermo (1150-1161) salben. Dabei soll er ihm selbst die Krone aufgesetzt haben - als deutliches Zeichen seiner Unabhängigkeit und seines Machtverständnisses.


Rogers Sarkophag II. in Palermo
Holger Uwe Schmitt, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-4.0

Damit war die Nachfolge gesichert, Roger galt als reichster Herrscher des Abendlandes und Sizilien erlebte eine unvergleichliche Blütezeit. Zweifelsohne hatte der Normanne den Höhepunkt seiner Macht erreicht. Da ereilte ihn am 26. Februar 1154 in Palermo der Tod. Seine letzte Ruhestätte fand Roger II. in einem von ihm selbst in Auftrag gegebenen Porphyrsarkophag im Dom von Palermo. Der beigegebene Schwertring trug die Inschrift »Der Apulier, Kalabrenser, Sizilianer, Afrikaner, sie alle folgen meinem Willen«.

Primärquelle: Krause, Die Normannen

Die Ausnahmestellung des Normannenreiches


Roger II verkündet die Assisen von Ariano

Das Königreich Rogers II. stellt sich im 12. Jahrhundert als ein Staat dar, der in Europa seinesgleichen suchte - ein modern anmutendes zentralistisches Unikum, in dem sich Fortschritt und Gewalt verbanden. Seine Struktur war ohne Abstriche und bedingungslos auf den König an der Spitze der Hierarchie ausgerichtet, auf Roger II. Ein weithin und bis heute geachtetes Zeugnis haben dessen Staatsvorstellungen in einem Gesetzeswerk gefunden, das sich erstmals in dieser Zeit an antikem römischem Recht orientierte und für das Roger die Hilfe angesehener Juristen aus Bologna in Anspruch nahm. Diese sogenannten Assisen von Ariano von 1140 bestehen aus 44 Artikeln zum kirchlichen Bereich, zum öffentlichen Recht bis hin zu einzelnen Rechtspraktiken wie Zulassungsprüfungen von Ärzten. In einer lateinischen und einer griechischen Fassung enthalten sie Gesetze für das gesamte Königreich, nehmen allerdings auch regionale Gewohnheitsrechte auf. Auch heute noch bemerkenswert ist die festgelegte grundsätzliche Schuldunfähigkeit von Minderjährigen und Behinderten.

Wenn die Gesetze auch der Heterogenität der Bevölkerung Rechnung tragen wollen, so galt doch im Zweifel immer das Gesetz des Königs. Diese »Zuspitzung auf die fast sakrale Person des Königs« fand einen Ausdruck in den üblichen Vorrechten der Münzprägung, aber auch in dem ungewöhnlichen strafrechtlichen Delikt des Majestätsverbrechens. Das nahmen viele Zeitgenossen als hart und grausam wahr, weil es gnadenlos gegen aufständische Vasallen angewendet wurde. Gehörte zum üblichen Herrscherbild des Mittelalters das Abwägen von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, so herrschte unter Roger II. laut Gesetz nur das Recht. Mit Milde und einer Konsenslösung durften selbst Fürsten nicht mehr rechnen. Das Gesetzeswerk des Königs stellt die Grundlage eines Staates dar, der das verbreitete Lehnswesen basierend auf Verwandtschaftsbindungen mit der Treue zwischen Lehnsherrn und Lehnsmann und einer straffen zentralistischen Verwaltung verband. Neben normannischen finden sich insbesondere in der Verwaltung auch sarazenische und byzantinische Einflüsse. Das Ergebnis war ein gut ausgebildeter Beamtenapparat, der sowohl Effizienz (wichtig besonders im Steuerwesen, für Handel und Wirtschaft) vorwies als auch strenge Kontrolle. Einzelne Ämtertitel verweisen auf ihre Herkunft, so der arabische Amiratus (Admiral, Emir), der byzantinische Protonotarius (Kanzleileiter) und der normannische Camerarius und Vicecomes. Unter diesen leitenden Beamten wurden Hörigenlisten und Landregister zusammengestellt, die Besitzveränderungen stets erfassten und auf den aktuellen Stand brachten. Ein Catalogus Baronum listete die kriegspflichtigen Barone auf. Am Hof von Palermo residierte die Verwaltungszentrale und bündelte das Verwaltungsnetz des gesamten Königreichs. Was die lehnsrechtlichen Bindungen betraf, genossen einige Städte und Grafen Selbstverwaltung, die Mehrzahl der normannischen Vasallen des Königs, nicht selten mit ihm verwandt, unterstand diesem direkt.

Im königlichen Herrschaftsapparat diente eine gebildete, internationale Elite. Auf den erwähnten Christodulos aus einer griechisch-byzantinischen Familie folgte etwa 1125 Georg von Antiochia (gestorben 1152) als Wesir bzw. Ammiratus ammiratorum. Für seinen Berufsweg war bezeichnend, dass er nach byzantinischen Diensten und solchen als Finanzexperte am Hof der Ziriden in Mahdia (Tunesien) in Rogers Dienste kam und bis zu seinem Tod eine dominierende Stellung einnahm. Vertraute Rogers kamen allerdings auch aus dem Westen und aus einem normannischen Umfeld, so der Kanzler Guarinus (t 1137) aus Süditalien, dessen Nachfolger Robert von Selby (gestorben 1152) aus England und der Landsmann Thomas Brun, der später in seine Heimat zurückkehrte und unter König Heinrich II. diente. Der königliche Hof in Palermo galt in ganz Europa als kulturelles und wissenschaftliches Zentrum, dessen Könige als freigebige Mäzene auftraten und zahlreiche Gelehrte nach Sizilien holten. Zu ihnen zählte Neilos Doxopatres, der vorher als Diakon an der Hagia Sophia in Konstantinopel tätig gewesen war und in Palermo eine griechische Geschichte der Patriarchate verfasste; oder der berühmte arabische Naturwissenschaftler al-Idrisi (um 1100-1166), der als Geograph den ganzen südlichen Mittelmeerraum bereiste und eine arabische Beschreibung der Welt nebst Erdkarte vorlegte. Neben den Wissenschaften widmete man sich in Palermo und andernorts in Sizilien auch den Übersetzungen der griechischen Klassiker ins Lateinische, so legte etwa Heinrich Aristipp, Erzdiakon von Catania, nach 1150 Übersetzungen von Werken Piatons und des Aristoteles vor. Regelrechte Übersetzerschulen nahmen sich die Schriften des Ptolemäus und Euklids vor.


Die militärische Stärke des Normannenreiches nahm ebenfalls eine Ausnahmestellung ein, Roger II. war seinerzeit auf Sizilien unangreifbar.

Dies alles war nicht nur der Politik Rogers II. geschuldet, sondern auch der besonderen Situation in Sizilien und Süditalien, wo bekanntlich ein Nebeneinander verschiedener Sprachen, Kulturen und Religionen exisierte. Zieht man in Betracht, dass auch hier die normannische Einwanderung zahlenmäßig gering war, zeigt sich umso deutlicher die Toleranz der dünnen Adelsschicht aus dem Norden. Da diese aristokratische Elite an Staatsaufgaben jenseits der lehnsrechtlichen Verpflichtungen wenig Interesse zeigte, griff Roger II. auf die besagten Vorbilder von Arabern und Griechen zurück. Sie und einheimische Italiener stellten das Personal der Verwaltung. Beispielsweise taten in Schatzamt und Münze viele Araber ihren Dienst, aber unter der Leitung von Griechen. Überhaupt kam es vielerorts zu Mischungen der verschiedenen Kulturen. Augenfällig zeigt sich dies noch an sizilianischen Münzen, die sich aus arabischen Inschriften, dem christlichen Kreuz und der griechischen Signatur des Christos Pantokrator zusammensetzen. Deutlicher noch findet sich diese hybride Verbindung in der normannischen Architektur wie etwa in der Palastkapelle in Palermo, bei der sich westliche Grundform mit griechischen und arabischen Formen, Bildern und Dekorationen verbindet. Roger II. selbst war den fremdartigen Elementen nicht abgeneigt: Als Herrschaftssymbol griff er auf den Sonnenschirm der ägyptischen Fatimiden zurück und ließ ihn vor sich hertragen. Bei Audienzen trug er einen arabischen Mantel, der über die Staufer in den Schatz der Reichskleinodien gelangte und sich heute in der Wiener Hofburg befindet.

Gleichwohl muss das Königreich Sizilien als christlich-katholischer Staat gelten, dessen Staatsreligion eben diese Religion war und wo man die Konversion vom Christentum zu einer anderen Religion mit der Todesstrafe ahndete. Trotz aller Auseinandersetzungen mit den Päpsten galt die Kirche als Stütze der Normannenherrschaft, die ihr dies mit einer Latinisierungspolitik dankte. In Sizilien rückten beispielsweise immer mehr französische Bischöfe an die Spitze der Hierarchie des Klerus. Neue Kirchenbauten förderten die Normannen in Bari, Trani, Cefalü, Monreale und Palermo. Klosterstiftungen erfolgten bereits 1043 mit dem Dreifaltigkeitskloster in Venosa, in Sizilien waren es nach der Eroberung etwa Catania, Patti und 1095 Messina - insgesamt über 50 Klöster. Im normannischen Süditalien zeigte sich der große Kircheneinfluss an der beeindruckenden Zahl von 145 Bistümern. Die Latinisierung griff nach dem Tod Rogers II, immer stärker um sich, was sich am schwindenden griechischen und arabischen Einfluss am Hof zeigte. Gegen 1200 beherrschte das Lateinische die Königskanzlei in Palermo.

Trotz dieses fortschreitenden römisch-lateinischen Übergewichts bot Sizilien mit Palermo noch lange das Bild eines polyglotten Landes, in dem vielfältige Verflechtungen und Überformungen zu beobachten waren. Das galt insbesondere für Palermo, zu der al Idrisi äußerte: »die größte und großartigste Hauptstadt der Welt« mit seinen hunderten Moscheen, seinen Märkten, Wechsel- und Handwerkerstuben und sogar einer Papiermühle, wo - damals völlig ungewöhnlich in Europa - Papier hergestellt wurde. Damit erwies sich die Stadt auch als Wirtschaftsmetropole, als eine Drehscheibe des Mittelmeerhandels. Oftmals trieb es Reisende hierhin wie etwa den Mauren Ibn Dschubair aus Valencia auf einer Pilgerreise nach Mekka (1183-1185): Er beschreibt Palermo als schönste Stadt Siziliens und Residenz des Königs. Unter den christlichen Königen gebe es keinen, der einen glanzvolleren Hof habe und reicher sei. Wegen der Gesetze, seiner Macht, seiner Verwaltung gleiche er moslemischen Herrschern. Besondere Aufmerksamkeit widme er Ärzten und Astrologen um sich. Es sei, als hätte sich die Welt mit ihrem schönsten Schmuck behangen, um den König in dieser Stadt zu verherrlichen, die er zur Residenz seines fränkischen Reiches gemacht habe. Die königlichen Paläste umgäben die Stadt wie Halsketten den Hals junger Frauen. In den Gärten und Pferderennbahnen folge Spiel auf Spiel, gebe es Vergnügungen ohne Unterlass. Zahllos seien Pavillons und Aussichtstürme, die dem König gehörten, die er aber nicht bewohne. Ibn Dschubair geht auch auf die Lage der Moslems in Palermo ein: Diese hielten auch dort die rituellen Gebetszeiten ein, an die sie der Gebetsruf des Muezzins erinnere. Sie hätten ihre eigenen Vorstädte, in denen keine Christen wohnten. Das Freitagsgebet sei ihnen insofern nicht möglich, weil sie den Namen des Herrschers darin nicht nennen könnten. Nur an besonderen Festtagen täten sie dies - unter Nennung des Kalifen von Bagdad. Vor einem eigenen Kadi könnten sie ihre Prozesse führen. Und zum Gebet versammelten sie sich in einer großen Moschee, außer der es noch viele kleinere gebe, wo der Koranunterricht stattfinde.

Primärquelle: Krause, Die Normannen
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König Wilhelm I., der Böse

Das normannische Süditalien verdrängte zum einen byzantinische und arabische Einflüsse, doch verband zugleich die hier überdauerten Völkerschaften mit dem Abendland. Dabei ging wie andernorts eine vorherrschende normannische Identität verloren und zwar wesentlich schneller, als vergleichsweise bei den Langobarden, die eben einst mit einem Großteil ihres nordischen Volkes eingewandert waren. Normannische Ritter ehelichten meistes einheimische Frauen, weswegen die kleine eingewanderte Oberschicht alsbald in der einheimischen Bevölkerung aufging. Trotzdem gibt es noch bis heute rothaarige und blonde Italiener, die seit Jahrhunderten in Süditalien wohnend, ein normannisches Erbe haben, selbst wenn der langobardische Anteil der wesentlich größere sein wird.


Wilhelm I. von Sizilien, genannt der "Böse"

Im Übrigen führten die Bestrebungen Rogers II., ein homogenes auf ihn ausgerichtetes Reich zu schaffen, zum Rückgang des Normannischen. Klar ist, dass Roger II. sein normannisches Erbe nicht verleugnete, doch er wurde schon im süditalienischen Mileto geboren. Über seine Identität hat der zeitgenössische Geschichtsschreiber Hugo Falcandus um 1170 geschrieben: »Weil er selber von den Normannen abstammte und wusste, dass das französische Volk alle anderen im Kriegsruhm übertraf, bevorzugte und ehrte er ganz besonders diejenigen, die von nördlich der Alpen kamen.« Dazu muss man jedoch ergänzen: Das französische wurde lange Zeit nur das fränkische Volk genannt und war nicht mit dem normannischen vergleichbar. Roger bevorzugte immer nur Normannen, Flamen und Bretonen, die größtenteils ein fränkisches und skandinavisches Erbe hatten. Als ihre signifikanten Eigenschaften galten Ehrgeiz, Tapferkeit und nicht zuletzt List.

Das einzig verbliebene Normannische fand sich dann noch in einzelnen Adelsfamilien, die ihre Herkunft aus der Normandie und die verklärten Heldentaten der Eroberung Süditaliens als Erinnerung und Ausdruck ihrer Nobilität pflegten. Mit dem Tod Rogers II. begann zum wiederholten Male eine Entwicklung, wie wir sie auch für andere Normannenreiche festgestellt haben, nämlich Schwächung und Zerfall der Herrschaft. Der einzig überlebende Sohn Wilhelm I., (Guglielmo I, später der Böse genannt, 1154-1166), verheirat mit der spanischen Königstochter Margarete von Navarra (t 1183), ließ es anfangs ruhig angehen und bewegte sich in den politischen Spuren seines Vaters. Lediglich für das Amt des Amiratus amiratorum, also des Hauptverwalters des Reichs, nahm er mit Maio von Bari (gestorben 1160) einen Austausch vor - allerdings hatte dieser bereits in Rogers Diensten gestanden. Außenpolitisch bekam es Wilhelm I. mit dem traditionellen Antagonismus des deutschen Kaisers Friedrich I. Barbarossa, (1152-1190) und Papst Hadrian IV. (1154-1159) zu tun.


San Vito dei Normanni in Apulien trägt noch heute seinen normannischen Namen

Trotz der intensiven Italienpolitik Friedrichs I. mit immerhin fünf Kriegszügen südwärts über die Alpen geriet das Königreich Sizilien nicht in militärische Verwicklungen. Mit den gegen den Kaiser aufständischen langobardischen Städten mit Mailand an der Spitze arbeitete der König sogar zusammen, mit den Seemächten Venedig und Genua schloss er Verträge ab. Das eigentliche Problem der zwölfjährigen Regierungszeit Wilhelms I. stellte der oppositionelle Adel dar, der bald nach seiner Thronbesteigung den Aufstand wagte - zuerst mit päpstlicher, später mit byzantinischer Unterstützung. Die anhaltenden Kämpfe führten zur Ermordung des Kanzlers Maio von Bari durch Adlige aus einer Verschwörergruppe des Festlandes. Begonnen hatte der Aufstand mit einen Pakt mit Byzanz. Anfang 1155 erhielt Manuel Komnenus die Nachricht, dass die Barone von Apulien, die dem Hauteville nie wohlgesonnen waren, gegen den normannischen König rebellieren wollten. Der Kaiser schickte seine beiden besten Generäle, Michael Palaeologus und Johannes Ducas, nach Italien, mit dem Auftrag, mit den apulischen Baronen und Friedrich Barbarossa in Verbindung zu treten: Letzterer war in Ancona und bereit, sich auf die Seite der Byzantiner zu stellen, aber seine Herzöge weigerten sich, den Feldzug in Italien fortzusetzen, wegen des sehr heißen Klimas und verschiedener Krankheiten, die die Truppen geschwächt hatten. Manuel verzweifelte nicht. Die Revolte gegen die Hauteville breitete sich in ganz Süditalien aus. Gegen Ende des Sommers traf Graf Roberto di Loritello, der Anführer des Aufstandes, General Palaeologus in Vieste. Die beiden einigten sich schnell: Die Adligen, die sich gegen die Hauteville aufgelehnt hatten, sollten in Konstantinopel wirtschaftliche Vorteile und Macht genießen, und das Königreich Sizilien sollte Teil des Byzantinischen Reiches werden. Nach diesem Abkommen schlossen sich die Byzantiner den Armeen der apulischen Barone an, die zum Angriff bereit waren. Die erste Station war Bari, das schnell kapitulierte, die königliche Burg wurde von den Einwohnern von Bari verächtlich zerstört. König Wilhelms sizilianisches Heer wurde in der Nähe von Andria dezimiert. Papst Adrian IV. verfolgte mit Genugtuung die Fortschritte der Byzantiner im Königreich Sizilien, da er die Byzantiner als Nachbarn mehr vorzog als die Hauteville, da er glaubte, die Grenzen des Kirchenstaates so leichter erweitern zu können. Gegen Ende des Sommers 1155 begannen die Verhandlungen, um sich den Byzantinern im Krieg gegen das Königreich Sizilien anzuschließen; der Papst rekrutierte zu diesem Zweck Söldner aus Kampanien und am 29. September 1155 brach der Papst mit seinem Heer auf. In kürzester Zeit eroberten die Byzantiner und der Papst ganz Apulien und Kampanien. Wäre der Feldzug in Italien mit solcher Intensität fortgesetzt worden, hätten die Byzantiner Hauteville vernichtet und ganz Süditalien zurückerobert. Aber Wilhelm war noch nicht geschlagen. Nachdem er sich von seiner Krankheit erholt hatte, reorganisierte er seine Armee und vertraute sie dem Wachtmeister Guglielmo Fiammingo, dem Richter des Landes Otranto, an. Anfang 1156 überquerte Wilhelm mit seinen Landstreitkräften die Meerenge, als seine Flotte nach Brindisi fuhr, wo die Byzantiner die Stadt belagerten.


Das Staufer-Kastell inmitten von Bari - Es wurde zuerst von Roger II. errichtet und 1156 von Aufständischen zerstört, worauf Wilhelm I. nachfolgend Bari bis auf die Basilica und die Kathedrale zerstören ließ. Erst 1166 erlaubte er den Wiederaufbau. Das Kastell ließ Kaiser Friedrich II. neu errichten.

Als sich die Nachricht verbreitete, dass Wilhelm vorrückte, flohen einige Barone von Apulien mit seinen Männern, und die Söldner aus Kampanien wählten den schwierigsten Moment des Feldzuges, um die Verdoppelung ihres Gehalts zu fordern. Als sie eine negative Antwort erhielten, desertierten sie in Massen. Robert von Loritello desertierte ebenfalls, während General Palaiologos bereits in der Schlacht gefallen war. General Ducas sah sich mit einer drastisch reduzierten Armee einer Armee gegenüber, die viel größer war als seine eigene. Er wurde besiegt und mit seinen byzantinischen und normannischen Rebellen, die nicht desertiert waren, gefangen genommen. Die Stadt Brindisi war vierzig Tage lang zu Lande und zu Wasser blockiert, bis sie dank der Intervention der verärgerten Bürger ihre Tore für die Normannen öffnete (6. Mai 7). Die Schiffe der Byzantiner wurden mit den bisher erbeuteten großen Mengen an Gold und Silber gekapert. Da nur eine Schlacht gegen die Byzantiner verloren ging, war alles, was in einem Jahr getan worden war, umsonst. Wilhelm hatte Mitleid mit den byzantinischen Gefangenen, aber nicht mit seinen rebellischen Untertanen. Die normannischen Söldner wurden getötet, weil sie ihre Heimat verraten hatten, Brindisi wurde wegen seines effektiven Widerstands verschont und Bari wurde einschließlich der Kathedrale dem Erdboden gleichgemacht. Nur die Basilika St. Nikolaus blieb verschont, und die Bewohner hatten insgesamt zwei Tage Zeit, um mit ihren Habseligkeiten zu fliehen. Die anderen Städte Apuliens wurden hart bestraft, wenn auch nicht mit der Härte von Bari. Am 8. Juni 9 wurde das Konkordat von Benevent geschlossen. Wilhelms Königstitel wurde anerkannt, wohingegen Hadrian IV. als dessen oberster Lehnsherr galt und sich seiner Gebiete vor den Normannen sicher sein durfte. Von nun an galten die Normannen in bewährter Tradition als Bündnispartner des Papstes, doch die Intrigen blieben.

Kaiser Manuel war überzeugt, dass es viel besser sei, sich mit König Wilhelm zu einigen und schickte Alexios Axuch, den Sohn seines Großdieners Johannes Axuch, an den Hof von Palermo. Offiziell war er dafür zuständig, Kontakt zu möglichen Rebellen aufzunehmen, Söldner zu rekrutieren und die Unruhen anzufachen; aber zugleich befahl er, mit Wilhelm Frieden zu schließen. Denn je größer die Schwierigkeiten für Wilhelm waren, desto mehr würde Konstantinopel bei den Verhandlungen im Vorteil sein. Alexios erfüllte seine beiden Missionen mit Leichtigkeit. Zwei Monate nach seiner Ankunft plünderte Robert von Loritello Sizilien, während eine große Bande von Räubern Capua eroberte und dann Monte Cassino erreichte. Am 11. Januar gelang es den Räubern, ein Heer der Hauteville in einem Nahkampf zu besiegen. In der Zwischenzeit hatte Wilhelm jedoch einen durchschlagenden Seeerfolg in der Ägäis und überzeugte Kaiser Manuel Komnenus, einen geheimen Frieden zu schließen (Frühjahr 1158). Die rebellischen normannischen Barone, die plötzlich ohne finanzielle Unterstützung durch das Byzantinische Reich dastanden, waren gezwungen, ihre Eroberungen aufzugeben und sich nach einem zuverlässigeren Herrn umzusehen.

Im Folgenden wurden der König und seine Familie sogar gefangen genommen; sein Sohn Roger sollte den Thron besteigen. Schließlich riefen sogar die Bischöfe die Bevölkerung Palermos zur Hilfe für den König auf, woraufhin dieser wieder Oberwasser gewann. In den folgenden Jahren schlug er die Aufstände mit brachialer Gewalt nieder, wobei unter anderem Bari schwer zerstört wurde. Als der König 1166 starb, hinterließ er ein Land, das streckenweise in Trümmern lag. Sein Sohn Tancred floh nach Byzanz und Rogers Spuren verloren sich im "Heiligen Land".

Primärquelle: Krause, Die Normannen
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König Wilhelm II., der Gute


Wilhelm II., der Gute war zugleich der letzte herrschende männliche Hauteville des Königreiches Sizilien
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Nachfolger Wilhelm II. (Guglielmo II.), auch der Gute genannt, 1166-1189) war mit knapp 13 Jahren noch minderjährig, weswegen seine Mutter Margarete bis 1171 die Regentschaft ausübte. Sie befriedete das Land, indem sie die Strafzüge beendete und eine Amnestie erließ. Eine weniger glückliche Hand bewies sie in der Administration, in der Kanzler Peter, ein Eunuch und konvertierter Muslim, mit einem Teil des Königsschatzes das Weite suchte. Um der sich ausbreitenden Korruption beizukommen, wandte sie sich an Rotrou de Beaumont, der einer der einflussreichsten normannischen Familien der Normandie und Englands angehörte und Erzbischof von Rouen war (1165-1184). Allerdings erwiesen sich die fortan in der Verwaltung tätigen Franzosen als hochmütig und waren darum bei der einheimischen Bevölkerung unbeliebt - zumal sie sich ebenso als uneffizient erwiesen.

Daraufhin griff Margarete auf einen weiteren Franzosen zurück, nämlich ihren Verwandten Stephan von Perche (gestorben 1169), der auf dem Weg ins Heilige Land war und nun in Palermo als Kanzler und Erzbischof verpflichtet wurde. Nach wenigen Jahren endete auch sein Dienst durch eine Verschwörung, die ihm sogar ein Verhältnis mit der Regentin unterstellte. Er kam jedoch mit dem Leben davon und zog weiter ins Heilige Land, wo er bald darauf verstarb. Margarete wurde entmachtet und 1171 übernahm Wilhelm II. die Regierungsgeschäfte. Er brachte dem Königreich eine neuerliche Phase des Friedens und der Konsolidierung.

Durchaus der arabischen Sprache und Kultur zugeneigt forcierte er doch die erwähnte Hinwendung zum lateinischen Westen. Dies zeigte sich auch politisch in einer größeren Nähe zum Papst und in einer stärkeren Teilnahme an der Kreuzzugsbewegung. Ein bleibendes architektonisches wie geistliches Zeugnis schuf sich der König mit der Gründung der Abtei von Monreale (bei Palermo), in deren Kathedrale, einem »Höhepunkt der normannisch-sizilischen Kunst« Wilhelm II. selbst neben Vater und Mutter sowie anderen Hauteville bestattet wurde. In der Verwaltungsarbeit des Hofes setzte Wilhelm II. auf den altgedienten Matthäus von Salerno (gestorben 1193) als Kanzler, ebenso stand ihm sein Erzieher Erzbischof Walter von Palermo (1169-1190) zur Seite.


Die Kathedrale von Monreale - Wilhelms II. eindrucksvolle Hinterlassenschaft für die Nachwelt ist zugleich seine letzte Ruhestätte

Als ein vielversprechendes Bündnis erwies sich 1177 die Eheschließung mit Johanna Plantagenet (engl. Joan of England, 1165-99), einer Tochter Heinrichs II. von England. Damit bahnte sich eine enge Zusammenarbeit zwischen zwei auf unterschiedliche Weise normannischstämmigen Dynastien an. Die Ehe blieb jedoch kinderlos, sodass sich Wilhelm II. einen anderen Weg zukünftiger Machtsicherung suchte. Er führte zu Kaiser Friedrich Barbarossa und den Staufern. Obwohl der König von Sizilien ursprünglich papsttreu und damit antistaufisch agierte, verschaffte ihm doch der Friedensschluss von Venedig (1177) zwischen dem Kaiser und Papst Alexander III. (1159-1181) die Anerkennung des Königreichs durch den Kaiser. Sechs Jahre später führte der Frieden von Konstanz zwischen dem Kaiser und dem Bund der lombardischen Städte zu einer weiteren Annäherung zwischen Wilhelm II. und Friedrich Barbarossa. Wilhelm II. hatte zuvor die lombardischen (langobardischen) Städte unterstützt, Herkunftsgebiete vieler seiner nach Sizilien und Süditalien eingewanderten Langobarden-Clans.

Nachdem es 1182 in Konstantinopel Pogrome gegen Italiener gegeben hatte und Friedrich einen Feldzug gegen das Byzantinische Reich plante, scheint es zu einer Annäherung zwischen König und Kaiser gekommen zu sein. Die Heiratsabsprache zwischen Wilhelm und Barbarossa zur Ehe von Barbarossas Sohn Heinrich VI. mit Wilhelms Tante Konstanze war ein Zeichen dieser Annäherung. Wilhelms II. dreißigjährige Tante Konstanze, die nachgeborene Tochter Rogers II. und damit »einzige überlebende legitime Hauteville«, die im Fall fortbestehender Kinderlosigkeit Wilhelms Erbin des Königreichs Sizilien sein sollte. 1186 wurde diese folgenreiche Heirat vollzogen.

Auf Ersuchen des byzantinischen Prätendenten Alexios Komnenos befahl Wilhelm im Sommer 1185, gestützt auf das noch einmal gefestigte Bündnis mit dem Westkaiser, einen Feldzug in Griechenland, bei dem seine Truppen Dyrrhachion eroberten und Thessalonike plünderten. Auch Byzanz schien zum Greifen nah, doch Kaiser Isaak II. Angelo übernahm nun selbst das byzantinische Heer und erwartete neu formiert den sizilianischen Angriff. Auf dem Zug nach Konstantinopel wurde das Heer am 7. November 1185 in der Schlacht von Demetritzes geschlagen und am Ende des Sommers musste die große sizilianische Flotte nach Sizilien zurückkehren.


Wilhelms fähiger Admiral Margaritos von Brindisi. Er wurde respektvoll Rex maris oder Novus Neptunus genannt. Nach Wilhelms Tod November 1189), kehrte Margaritos nach Sizilien zurück und unterstützte Tankred im Kampf um den Thron. Als 1191 Heinrich IV. Neapel belagerte, entsetzte er den Hafen. 1194 als Heinrich zum Thron Siziliens griff, war es wiederum Admiral Margaritos, der Palermo erbittert verteidigte. Vier Tage nach der Krönung Heinrichs VI. ( Weihnachten 1194) wurden Sibilla und ihre Kinder zusammen mit anderen normannischen Hofadligen, darunter Margaritos wegen Aufruhrs gegen Heinrich angeklagt, inhaftiert und nach Deutschland geschickt. Einige Historiker behaupten, dass Margaritos 1197 in Deutschland starb, nachdem er gebadet und entmannt worden war.

Im Frühjahr 1186 schickte Wilhelm die sizilianische Flotte unter Margaritos nach Zypern, wo der Statthalter Isaak Komnenus von Zypern gegen Byzanz rebelliert hatte. Mit skrupellosem Vorgehen erbeutete Margarito 70 Triremen des byzantinischen Kaisers Isaak II. Angelo und verursachte mit der Deportation der byzantinischen Generäle nach Sizilien den größten Seeverlust des östlichen Reiches. Daraufhin ernannte König Wilhelm den erfolgreichen Margaritos zum Grafen von Zakynthos, Kefalonia und Ithaka. Nachdem Saladin im Oktober 1187 Jerusalem zurückerobert hatte, schickte Wilhelm II. die sizilianische Flotte ins Heilige Land: Margaritos patrouillierte mit 60 Schiffen und 200 Reitern an der Küste Palästinas und hinderte Saladin ständig daran, andere Kreuzfahrerhäfen zu besetzen; schließlich landete er im Juli 1188 in Tripolis und vertrieb die Sarazenen vorübergehend von der Küste und aus Marqab, Latakja und Tiru. 1189 schloss Wilhelm Frieden mit Kaiser Isaak II. Ein erster Feldzug Wilhelms gegen Ägypten scheiterte ebenfalls.

1189 starb Wilhelm II. bei den Vorbereitungen zum Dritten Kreuzzug starb und Konstanze erbte wegen seiner Kinderlosigkeit den Thron der Hautevilles.

Primärquelle: Krause, Die Normannen
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