Eine Hüttensteuer die Unfrieden schafft

»Wir müssen von dem Gedanken ausgehen, dass wir als Eroberer in einem Lande stehen, dessen Bewohner nie Liebe zu den Europäern gewinnen werden«, so Wilhelm Arning, Schutztruppenarzt aus Hannover. »Die Neger verstehen uns nicht. Sie fragen sich, was wir hier überhaupt wollen. Wir handeln nicht mit Sklaven, unterhalten keine Harems, sind keine Mohammedaner, zwingen sie zum Plantagenbau und besteuern ihre Hütten«


Daressalam, die Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika

Schlaraffenländer sind die deutschen Schutzgebiete auch weiterhin nicht, die Kolonialwirtschaft ist eher ein Zuschussgeschäft. »Die 1884 eingeleitete Kolonialpolitik«, so Eugen Richter von den linksliberalen Deutschen Freisinnigen noch 1898, »hat dem deutschen Volk bis jetzt ca. 100 Millionen Mark Kosten verursacht, einer erheblichen Anzahl von deutschen Offizieren und Beamten das Leben gekostet, Streitigkeiten mit anderen Kolonial¬staaten veranlasst, das Ansehen Deutschlands durch das Verhalten deutscher Beamten geschädigt, ohne dass der Zweck einer Kolonialpolitik, wirtschaftliche Vorteile aus dem Kolonialbesitz zu ziehen, erreicht worden wäre.«

»Wir Deutschen«, so der Zeitzer Hptm. der Schutztruppe Georg Richelmann aufgrund des ständigen Stänkerns in Richtung Berlin, »erfreuen uns zweifellos einer recht guten Bildung, vielleicht der gründlichsten unter allen Völkern, aber unsere Kenntnisse und die Art, in welcher sie uns beigebracht wurden, haben uns zum doktrinärsten Volk auf Erden gemacht.«

Natürlich wurde darüber nachgedacht, wie man dem kräftig alimentierten Deutsch-Ost ein eigenes finanzielles Rückgrat geben könnte. Der mohammedanische Zehnte, »um die schlummernden Eingeborenenkräfte zu lebendigem Leben zu erwecken« - man war nicht in Hessen oder Württemberg, sondern in Ganja am Fuße des Pare oder Matinde am Fuße des Usambaragebirges? Verbrauchsabgaben für Palmwein und Hirsebier, eine Wanderhändler-, Wege-, Wagen- oder Spirituosensteuer ... »Je primitiver das Wirtschaftsleben der Eingeborenen, je weniger es wirtschaftlich differenziert ist, umso weniger kann sich ihre Besteuerung nach den uns geläufigen Vorstellungen richten«, meinte Karl Rathgen aus Weimar, Prof. der Nationalökonomie.

Den Anfang machte eine Erbschaftssteuer, doch vererbt wurde nur wenig. Als Eduard v. Liebert, Kommandeur des Grenadier-Rgts. Prinz Karl Nr. 12 a.D., den Gouverneursposten übernahm und sich um ein adequates Steuersystem kümmerte, zeichnete sich ein südafrikanisches Beispiel dagegen als ganz gute Lösung ab. Die Haus-/Hüttensteuer sei ein äußerlich leicht fassliches Merkmal, hieß es dazu in Daressalam. Was die Kolonialverwaltung damit sagen wollte: Der Eingeborene hat das, wofür er bezahlen muss, Tag für Tag vor sich, weiß so auch, was er versteuert. Die in Tanga erscheinende »Usambara-Post«, das Organ für die wirtschaftlichen Interessen Deutsch-Ostafrikas, nannte das Häuser- und Hüttensteuergesetz »den ersten praktischen Schritt, das Land und seine Bewohner den deutschen Kolonisationsplänen nutzbar zu machen«. Fritz Langfeld, an der Verwirklichung der Steuergesetze beteiligt: »Man kann ruhig behaupten, dass die Einführung der Hüttensteuer ein Ruhmesblatt in der Entwicklung und den Schlussstein der tatsächlichen Besitzergreifung und Machtentfaltung in Deutsch-Ostafrika bedeutet.« Beim Neger kann man den gleichen Widerwillen gegen die Abgaben erwarten, wie ihn der kultivierte Steuerzahler pflegt. Dass die indigene Bevölkerung, die den Schutz des Reiches und dessen Wohltaten genießt, dafür einen Opolus entrichtet, ist trotzdem richtig.


Schulunterricht in Daressalam unter den Porträts von Kaiser Wilhelm II. und Gemahlin: Als die Deutschen eines Tages das Land verlassen, hat sich das Wort Shule in der Umgangssprache Kisuaheli etabliert.

Die 1898 eingeführte Hüttensteuer unterschied zwischen Häusern nach Europäer-, Inder- und Araberart und landesüblichen Hütten. Die Schuldsumme konnte in Handelswaren (Baumwolle, Kopra, Elfenbein, Wachs), Verkaufsfrüchten oder Kleinvieh entrichtet werden. Die Regelung war für die Verwaltung vor Ort häufig lästig, da Bezirksämter und deren Außenstellen zu Zeiten Jahrmärkten glichen, dem Steuerzahler kam das entgegen. Steuern sollten natürlich alle zahlen, die Steuerlisten waren so entworfen, dass selbst Schreibunkundige Eintragungen durch Striche und Zeichen machen konnten. Die einen zahlten freiwillig, die anderen mussten regelrecht dazu gezwungen werden, wobei man sich aufrecht markige Strafen verließ »wo Steuern eingetrieben wurden, wurde recht unmenschlich vorgegangen, berichtet Missionar Schüler.

Der Spitzensatz von vier Mark in unserem Gelde pro Behausung war für deutsche Verhältnisse tatsächlich nicht viel. In Landstrichen, wo Vielweiberei vorherrschte, die Tradition das männliche Familienoberhaupt zum Bau einer Hütte für jede seiner Frauen zwang, jedoch ein recht derber Schlag. Die Steuerpflichtigen reagierten, wie nicht anders zu erwarten: In Zukunft drängten sich mehrere Familien unter dem gleichen Dach, wurden einfach weniger Hütten gebaut, was die Einnahmen aus der Haus-/Hüttensteuer in Grenzen hielt. Liebert, der Vater der Haus-/Hüttensteuer wird für sein koloniales Wollen in den erblichen Adelsstand erhoben, das ihm verliehene Wappen zeigt den Palmbaum, dazu den mit dem Schwert bewehrten Arm:

»Sein kräftiger Arm hat dem seit Urzeiten durch Fehden bedrängten Land und Volk endlich den Frieden gebracht, die Palme, die in den Tropen so eng mit der Kultur verflochten ist, lehrt uns, dass unter der Führung dieses Mannes die Kultur Einzug in das beruhigte Land halten konnte.«


Gustav Adolf Graf v. Götzen, als Gouverneur Deutsch-Ostafrikas

Als Lieberts Nachfolger Gustav Adolf Graf v. Götzen in Sachen Hüttensteuer etwas ändern will, bricht im Süden der Maji-Maji-oder Wasseraufstand aus. Maji hatte der Matumbi-Prophet Kinjikitile Bokero Ngwale aus Ngarambe populär gemacht, unter den Führern der Empörung fallen neben ihm Kultfiguren wie der Medizinmann Ngamea und Kapolo aus Madaba auf, dazu Jumben wie Chitalika, Selimani Mamba und der Häuptling Schabruma »dabei ist zu beachten, dass das Zauberwesen größtenteils in den Händen der Weiber liegt und dass das Verzehren von Menschenfleisch (meist Leichenteilen) eine große Rolle beim Zaubern spielt«. berichtet die »Deutsch-Ostafrikanische Zeitung«. Mwalimu Julius Nyerere, von 1964 bis 1985 erster Präsident Tansanias, würde bei Begegnungen mit Deutschen dann schon einmal ein »Unsere Väter haben doch mit Wißmann Blutsbrüderschaft getrunken« sagen. Vom Maji-Maji-Aufstand, der gewaltigsten und folgenreichsten Erhebung in der Geschichte von Deutsch-Ost, sagte Nyerere, dass er sein Land auf den Weg zur nationalen Einheit brachte.

Maji-Maji ist das Wort für Wasser. Heiliges Wasser aus dem Rufiji, ersatzweise aus den Uluguru-Bergen, mit dem Zusatz von Mais oder Hirse, macht unverwundbar, immun. Wer sich mit Maji aus der Zauberkalebasse Wimpern, Nacken und Herzgrube bestreicht, kommt ohne Pfeil und Bogen aus, da Geschosse an ihm abperlen. Sagt man...

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

In der Brutstätte des Maji-Mahi-Aufstands


Graf v. Götzen, geboren auf Schloss Scharfeneck im Glatzer Land, hat etwas von Held Wißmann. Der Schlesier war Leutnant und Forschungsreisender, hatte Afrika von Ost nach West durchquert, die ersten präzisen Nachrichten aus Ruanda gebracht. Nach einem Zwischenspiel in der Diplomatie Gouverneur von Deutsch-Ost, ist Götzen ein Mann, der die Sonnen- und Schattenseiten Afrikas aus eigenem Erleben kennt. 21 Jahre nach Peters erster Erwerbs-Expedition sieht sich der Gouverneur zu einem Befriedungszug gegen die Wangoni (Ngoni) im südlichen Hinterland gezwungen. Etwas Ärger gibt es durch die Bestimmungen zum Zwangsanbau von Baumwolle, die man zur Volkskultur machen will.


Krieger der Wangoni (1895)

Ein Abdallah oder Nwalimu, der sich bisher mit Landwirtschaft für den eigenen Lebensunterhalt beschäftigte, sieht sich dadurch zu einem ganz anderen Leben gezwungen. Die Verordnung entmannt so manches Dorf, verändert die Strukturen ganzer Landschaften, verstößt zudem gegen den urafrikanischen Grundsatz, nach dem schwere Arbeiten in den Aufgabenbereich der Frauen fallen. Auf den Plantagen sind genau wie im Wegebau die Bedingungen alles andere als angenehm. Wer seine Pflichten verletzt, sich widersetzt oder nur träge ist, kann nach § 17 der RKV. v. 22. April 1896 -KolBl. S. 241 mit Geldstrafen, körperlicher Züchtigung und in Verbindung damit oder allein mit Kettenhaft bis zu 14 Tagen bestraft werden. »Streng muss der Afrikaner, der ein Kind ist und bleibt, behandelt werden, für Milde und nachsichtige Güte hat er wenig Verständnis und deutet sie stets als Schwäche«, so Prince.

Ansonsten geht es im Schutzgebiet jetzt jedoch so ruhig und friedlich zu, dass man über die Abschaffung der Schutztruppe nachdenkt. Mit kleineren Unbotmäßigkeiten könnten sich die Polizei- und Knüppel-Askaris beschäftigen. Vielleicht wäre es eines Tages auch so weit gekommen, würde Götzen jetzt nicht zwei folgenschwere Entscheidungen treffen. Der Gouverneur hebt mit der Begründung, der kulturelle Fortschritt berechtige dazu, die Hüttensteuer an. Viel ernster noch, dass Steuerschulden künftig mit barem Geld bezahlt oder von der männlichen Bevöl¬kerung mit Tributarbeit abgeleistet werden müssen. Mit Kleinvieh, Kobra oder Wachs geht nichts mehr.

Über bares Geld verfügt - Araber, Inder und Küstenleute ausgenommen - allerdings nur, wer im festen Arbeitsverhältnis steht. Die Vorschrift soll Landeskinder an die Geldwirtschaft gewöhnen, Plantagenbesitzern, Kommunalschamben und dem Wegebau zu Arbeitern verhelfen. In Afrika hat das Abgelten von Schulden durch Arbeitskraft Tradition. Otto Stollowsky, Sekretär im Rufiji-Bezirk unter Bzk.-Chef Karl Graß, will die eine oder andere Provokation durch Deutsche, Araber oder Inder durchaus nicht verschweigen, sieht den Grund zum Aufstand trotzdem im Umstand, »dass die Neger einfach nicht arbeiten wollen«. Die »Deutsch-Ostafrikanische Zeitung« behauptet, dass Schwarze, die bei den Indern in Kreide stehen, auf diese Weise ihre Schulden loswerden wollten - tatsächlich werden Inder dann auch reihenweise umgebracht.

Heiden unter dem Einfluss eines Zauberspuks gegen Christen: Missionar Gröschel von der »Gesellschaft zur Beförderung der evgl. Missionen unter den Heiden« glaubt, dass alles nur deswegen passiere, weil sich die Schwarzen nach aus Europa eingeführten Statussymbolen sehnten. Die Hüttensteuer und der Zwangsanbau von Baumwolle sind die zentralen Fehler, über die es 1905 zur Empörung kommt. Prominente Nebenrollen dürften Akiden und Jumben spielen, deren Verhältnis zu den einzelnen Völkern schon länger schwer geschädigt ist. Akiden sind in den Küstenbezirken eingesetzte Verwaltungsbeamte, häufig Araber, Suaheli oder Inder, Jumben Dorfschulzen, -älteste und Häuptlinge, die den Akiden im Verwaltungssystem unterstehen. Akiden und Jumben arbeiten als Steuerbeamte für die Deutschen, allerdings immer auch in die eigene Tasche.


Kilwa in Deutsch-Ostafrika

Brutstätte des Aufstands ist das Hinterland der Stadt Kilwa, führendes Volk sind die Matumbi in den Matumbibergen. Über sie schreibt die Zeitschrift des deutschen Afrikavereins für die deutschen Kolonialmissionen, die ausgerechnet »Gott will es« heißt: »Ein raub- und rauflustiges, dummes und freches Volk, aber auch feige, ohne politische Einheit und Organisation. Abergläubig sind sie, wie alle Neger.«


Die Matumbi im Süden von Deutsch-Ostafrika

Der Landstrich, in dem die Matumbi leben, gilt als der Zeit hinterher, ein Aufmucken wird ausgeschlossen, seit Hptm.v.Beringe dort einmal mächtig aufräumte. Die Matumbi haben ihre Steuern bisher regelmäßig bezahlt, am häufigsten mit Sorghum und Hühnern. Tatsache ist, dass noch Mitte Juni kein Weißer oder farbiger Händler mit einem Aufstand rechnete, was auffallend an den »Blitz aus heiterem Himmel« im Januar 1904 in Deutsch-Südwest erinnert. Das Auffallendste an der Empörung dann, dass Halb- und Ganzwilde, so Otto Stollowsky, einen wohl überlegten Aufstandsgedanken ausarbeiten und rund ein Jahr lang geheim halten konnten.

Einer wie Stollowsky hatte sich nach dem Ausbruch des Hererokrieges noch intensiv mit der Frage beschäftigt, ob so etwas auch in Deutsch-Ost möglich wäre. Seine Antwort darauf war ein Ja und ein Nein. Scharfe Aufmerksamkeit gegenüber allen in kolonialer Abhängigkeit stehenden Völkerschaften ist generell geboten, woran er sich dann auch hielt. Stollowsky fiel die große Nachfrage nach Pulver zwar auf: »es erschienen an den Schauri-Tagen regelmäßig 40, 50 und oft noch mehr Eingeborene beim Amt, um für je eine Rupie ein Pfund Pulver zu erstehen«, doch das ließ sich mit einer Wildschweinplage erklären. Wilhelm Arning, der die Gegend gerade bereiste, will bemerkt haben, dass der Landbau vernachlässigt wurde, die Leute über zu hohe Steuern klagten und vielfach passiven Widerstand übten. Das sagte er allerdings erst viel später. Pflanzer wie Steinhagen oder Hopfer bemerkten nichts, was einer der beiden mit dem Leben bezahlte.

»Selbst von dem besten Kenner ostafrikanischer Verhältnisse gänzlich unerwartet, setzte der große Aufstand ein. Gewiss gab es manch' einen, der mit einem örtlichen Aufstand gerechnet hatte, oft wurde die Wanyamwesi-Gefahr erwogen, häufig dachte man an die unruhigen Völkermassen des Nordens der Kolonie, dass aber gerade der als beruhigt geltende Süden, und zwar gleichzeitig der ganze Süden, in heller Empörung aufflammen könne, damit hatte wohl niemand gerechnet« erzählte Ernst Nigmann, ksl. Hptm aus Berlin, Bzk.-Chef von Iringa.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Chaostage im Süden

1905 ist im Prinzip ein ganz normales Jahr, gerade auch für die Deutschen. Die neuen Probleme sind die alten - nur damit man sehen kann, womit sie sich gerade beschäftigen: Die Erwerbsgesellschaften klagen über Arbeiter- und Trägermangel, über die Einwanderung von arbeitswilligen Chinesen wird nachgedacht. Die Kolonie droht von unkontrollierten wie unkontrollierbaren Indern überschwemmt zu werden. Das deutsche Kapital hält sich bei Investitionen zurück.

Götzen ist dabei, die Farbenlehre der Schwesterkolonie Deutsch-Südwest zu übernehmen. Wo's menschelt, wer exotischen Reizen erliegt und schwarzweiß heiraten will, findet in Deutsch-Ost bald kein Standesamt, in der Regel auch keinen Geistlichen mehr. Wer trotzdem schwarz heiratet wird ausgewiesen, die Frage »Wie schwarz darf ein Weißer sein?« weiterhin erörtert. Der Hauptausfuhrartikel Elfenbein steht vor dem Ausverkauf, da Elefantenherden rücksichtslos abgeschossen werden, auch der Häuptling im abgeschiedensten Winkel den Wert der Ware jetzt kennt. Die Erdnuss leidet unter der Kräuselkrankheit. Flaue Zeiten für Palmkerne, Kautschuk, Palmöl, Kokosnüsse, ein gewisser Stillstand bei Kopra und Kaffee. Wildtiere übertragen Seuchen auf Rinder: das kurzhörnige Zebu, das buckellose Langhorn. Giraffen zerstören Telegrafenleitungen, Elefanten und Flusspferde richten gewaltige Flurschäden an. Versuche, Pferdestuten durch Zebrahengste zu decken, um tropenfeste Reit- und Zugtiere zu bekommen, bringen nichts, da Zebroide unfruchtbar sind.

Der Negertabak ist starkrippig und viel zu schwer, so auch einfach nicht nach europäischem Geschmack. Brieftauben, die zur Nachrichtenübermittlung eingesetzt werden, versagen, bringen es aufgrund von rund 70 Raubvogelarten gerade mal zu einem 25 km-Flugrekord.

Für die Seite, die eindeutig für Deutsch-Ostafrika spricht, hat Götzen in den Usambara-Bergen das Ksl. Biologisch-Landwirtschaftliche Forschungsinstitut Amani eingeweiht, Amanis Botanischer Garten ist der zweitgrößte der Welt. An den Ufern des mächtigen Rufiji-Flusses, dort wo die Matumbis sitzen, ist ein Landstrich als neues Wildreservat abgesteckt. In Shamba la Bibi, so genannt, weil es Kaiser Wilhelm Gattin Auguste Viktoria schenkte, werden Elefanten, Flusspferde, Löwen, Wildhunde, Warzenschweine und rund 350 Spezies Vögel geschützt...


Die Schutztruppe während des Maji-Maji Aufstandes

Anfang Juli protestieren sie in Kibata gegen den Arbeitszwang auf Baumwollplantagen, die Gegenden um Kilwa und Lindi sind Zentren des Baumwollanbaus. Im Bericht an Daressalam weist der arabische Akide Sef bin Ameri auf Wesen und Unwesen eines Zauberers Hongo hin, der in den Bergen den Maji-Maji-Kult aufleben lasse. Am 25. Juli wird ein kommunales Baumwollfeld vernichtet, am 27. fällt der erste Schuss. Seit dem 30. Juli kann von einem regelrechten Aufstand gesprochen werden, am 31. wird Hopfer in Mtumbei ermordet. Das Zauberwasser drängt sich dem Geist der Empörung auf. Von Maji sind die Schwarzen so überzeugt, dass sie den Deutschen mit nackten Oberkörpern entgegenlaufen.

Am 1. August greifen um die 1.500 Matumbi eine Patrouille Polizei-Askaris unter Fw. Hoenicke beim Inderdorf Samanga an, noch am Abend verlassen Hptm. Merker und Lt. Lincke mit der 5. Ko. Daressalam. Am 3. wird Lincke in Mingumbi von überlegenen Kräften angegriffen, am 10. »Oberzauberer« Kinjikitile Bokero Ngwale festgenommen und aufgehängt. Die Aufständischen sammeln sich bei Mitega. Daressalams waffenfähige Weiße bilden eine Bürgerwehr, die im Hof der Askarikaserne exerziert.

Am 14. August töten Dondeleute den apostolischen Vikar Cassian Spieß aus St. Jakob am Arlberg, dazu einen Pater, zwei Brüder und drei Schwestern, die sich bei Mikondo auf Visitationsreise befanden. Am 15. werden Fw. Faubel, der Kaufmann Aimer und sechs Askaris beim Polizeiposten Liwale durch Giftpfeile getötet »Während sie in Togo Schlangengifte verwenden, in Südwest auch solche aus Käferlarven, werden die Pfeilgifte der Völker Ostafrikas nur aus Giftpflanzen hergestellt, hauptsächlich von der Acocanthera venenata«, berichtet Krause.

Am 20. setzt sich Oblt. z.S. Paasche bei Kobe am Rufiji durch, am 23. führt Oblt. v.d. Marwitz am Matunda-Fluss ein siegreiches Gefecht. Die Missionsstationen Nyangao, Massassi und Lukuledi gehen in Flammen auf, im Distrikt Lindi wird eine Missionsschwester ermordet. Die Matumbi haben rund 2.000 Krieger zusammen, unter denen, die zu ihrer Unterstützung die Kriegstrommel rühren, sind Wangindo, Wapogoro, Wagoni, Zamaro, Luguru, Vidunda, Sagara und Kichi/Kitschi. Der gesamte Süden hat sich damit erhoben, der Aufstand von Daressalam bis hinunter zum Rovuma, vom Njassasee bis zur Küste ein Gebiet von der Größe Preußens erfasst.

Götzen: »Unsere Aufgabe bestand darin, eine Million Quadratkilometer Land mit beträchtlichen darin investierten europäischen Werten gegen die völlig unberechenbaren Launen von sieben Millionen halbwilden Negern mit 1.701 farbigen Soldaten und 659 farbigen Polizisten zu sichern, mit Mannschaften, die noch dazu in der Mehrzahl den eingeborenen Stämmen entnommen waren, gegen die sie gegebenenfalls zu kämpfen hatten.«

Die Nachrichten lesen sich wie jene aus Deutsch-Südwest, nur dass die Schutztruppe in Deutsch-Ost eine ganz andere ist. Die Stimmung in Daressalam lässt sich mit jener in Windhuk vergleichen. »Gartenjungen, die auf abgelegenen Parkwegen schleichen, weil sie Kokosnüsse gestohlen haben, werden für gedungene Sendboten der Aufständischen gehalten, Frauen wagen sich kaum mehr über die Straße, sodass der gesellige Verkehr stockt, und in jeder alltäglich beobachteten Rauchwolke, die jenseits des Hafens das Abbrennen der Felder verursacht, wird schon ein Akt der näher kommenden Rebellion erblickt« (Götzen).


Die SMS "Thetis" 1900 im Hafen von Daressalam


die SMS "Seeadler" 1893 in New York

Berlin, noch mit dem Kolonialkrieg in Deutsch-Südwest beschäftigt, schickt den Kleinen Kreuzer SMS Thetis unter Korvettenkapitän Glatzel (zehn Schnellfeuerkanonen Kai. 10,5-cm, 14 Masch.-Kanonen Kai. 3,7-cm), den Kleinen ungeschützten Kreuzer SMS Seeadler (acht Schnellfeuerkanonen Kai. 10,5-cm, fünf Revolverkanonen 3,7-cm) und das Marineinfanterie-Detachment Ostafrika mit neun Offizieren., 219 Mann unter Hptm. v. Schlichting. Das Kanonenboot SMS Bussard unter/Kkpt. Back schickt Landungstruppen nach Kingani, Mohorro und Ssamanga. Hptm. Fonck trifft »zur Züchtigung des Packs« in Kilossa an der Karawanenstraße nach Tabora ein, Maj. Kurt Johannes' Expeditionskorps (die Kompanie Merker und das Detachment v. Grawert) steht bei Kuwa. Maj. Frhr. v. Schleinitz wird bei Widunda in ein Begegnungsgefecht verwickelt, Hptm. Frhr. v. Wangenheim rettet im Morogorodistrikt um ihr Leben kämpfende Siedler. Die Peramiho-Mission der Benediktiner von St. Ottilien wird niedergebrannt. Die Kriegführung ist leicht zu übersehen, relativ unkompliziert. Wo Aufständische auf die Maji-Magie vertrauen, rennen sie mit unerhörter Tapferkeit gegen die Truppe an. Wie schnell sich Kampfhandlungen entscheiden, wie groß das Blutbad dann tatsächlich ist, bestimmt die Zahl der Maschinengewehre, über die eine Truppe verfügt.

Während der Kämpfe um den Militärposten Mahenge im Bergland Upogoro halten Stationschef Hptm. Theodor v. Hassel mit vier Europäer, 60 Askaris und Hilfskrieger der Kiwanga und zwei MGs den Angriff von 15.000 Maji-Leuten auf »Ganze Reihen, ja Berge von Toten konnte ich durch mein Glas auf allen Kampfplätzen erkennen«, Hassel. Mahenge, am 20. September durch Hptm. Nigmanns 2. Ko. entsetzt, ist der Wendepunkt des Krieges. Vor Mahenge haben die Empörer das Vertrauen in die Maji-Magie verloren, was sie zur Guerillataktik zwingt. Die Deutschen schlagen mit dem »System verbrannte Erde« zurück, das Frauen und Kinder mithaften lässt. »Wie in allen Kriegen gegen unzivilisierte Völkerschaften war auch im vorliegenden Fall die planmäßige Schädigung der feindlichen Bevölkerung unerlässlich. Die Vernichtung an wirtschaftlichen Werten, wie das Abbrennen von Ortschaften und Lebensmittelbeständen, erscheint dem Fernstehenden barbarisch. Vergegenwärtigt man sich einerseits, in wie kurzer Zeit afrikanische Negerhütten wieder entstehen und wie rasch die Üppigkeit der tropischen Natur neue Feldfrüchte hervorbringt, dann wird man zu einer milderen Auffassung dieser dira necessitas gelangen« berichtet Götzen.


Hilfskrieger und Schutztruppler in einem Gefecht gegen Maji-Maji-Rebellen

Hptm. v. Kleist, Oblt. Graf v Seyboltstorff und Oblt. Frhr. v. Nordeck treten zu Offensivstößen an »Jeder Offizier und Uffz. darf sich jetzt sagen: Wir waren auch dabei! Wir haben Geschichte gemacht!«. Der Regierungsrat v. Winterfeld reist im Land herum, um Erhebungen über die Gründe des Aufstands anzustellen. Der Kleinkrieg zieht sich bis ins Jahr 1907 hin, was die Empörer in die Knie zwingt, sind Hunger und Krankheiten, der Mangel an Saatgut und Munition »Die Menschen hatten keine Häuser mehr, schliefen im Freien, wo sie die Raubtiere holten«. Sergeant Thiede im Gefecht gegen die Wagindo, Stabsarzt Wiehe zwischen Kidugala und Pangire gefallen ... der Zauberwasser-Aufstand hat - ermordet neun, gefallen sechs, ertrunken zwei, gestorben sechs - 23 Europäern das Leben gekostet, auf deutscher Seite sind 345 Farbige gefallen. Schätzungen über die Zahl der Todesopfer der Gegnerseite gehen wie nach dem Hererokrieg weit auseinander. Die Kolonialbehörden stapeln mit 75.000 sicher tief, Kreise, die die Geschichte ganz anders sehen wollen, liegen mit 300.000 zu hoch.


eine MG-Abteilung der Schutztruppe
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Dem Aufstand folgt, damit Leiden und große Taten in Erinnerung bleiben, wie nach den Herero- und Namakriegen das geschriebene Wort. Sanitäts-Sergeant Max Knispel, beim Militärposten Mahenge dabei, berichtet »Vom Maji-Maji-Aufstand in DOA«, der Neger Joseph Sihaba über die letzten Tage von Peramiho. Missionsinspektor Karl Axenfeld beschreibt »Die Feuerprobe der Berliner Mission im Ostafrikanischen Aufstande« und »Die Schreckenstage auf der Missionsstation Jakobi«, Cyrillus Wehrmeister »Die Zerstörung von Lukuledi und Nyangao«. Der Maji-Maji-Aufstand hat nicht Feindesland, sondern der eigenen, dem einen oder anderen bereits zur Heimat gewordenen Erde tiefe Wunden geschlagen, woran Götzen in einer Denkschrift erinnert. »Ich möchte annehmen, dass manchem Gegner unserer überseeischen Bemühungen durch den Maji-Maji-Aufstand die Augen geöffnet wurden, was einer Kolonie Not tut.« Was solche Kriege in Zukunft verhindern könnte, sei ein ausreichender militärischer Schutz durch das Mutterland, wären Verkehrsmittel, die der Größe des Landes und seinen wirtschaftlichen Aussichten entsprechen. In den Matumbi-Bergen, und ausgerechnet dort, sieht es so aus, als habe sich der Maji-Zauber doch noch durchgesetzt: »Die Matumbi haben mit dem Aufstand erreicht, was sie erreichen wollten, sie haben keinen Akiden mehr, dafür einen deutschen Feldwebel, der sie besser versteht« sagt P. Ambrosius Mayer vom Ordo Sancti Benedicti).

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Kolonialwaren für Deutschland

Ferdinand Wohltmann aus Hitzacker an der Elbe, Professor der Landwirtschaft in Halle, wird reichsweit als hervorragender Kolonialfachmann geschätzt. In Deutsch-Ost hat er die koloniale Landwirtschaft studiert, dazu im viel gelesenen »Tropenpflanzer« die Frage »Sind wir in der Lage?« gestellt. Wohltmanns Antwort auf Wohltmanns Frage: »Der Beweis ist leicht zu führen, dass wir imstande sind, im Laufe der Jahrzehnte oder doch mindestens im Laufe dieses Jahrhunderts - und was sind 100 Jahre im Leben und Streben eines Volkes - Deutschlands gesamten Bedarf an Kolonialerzeugnissen in unseren Kolonien zu decken. Besitzen wir nicht in Togo, Kamerun, Ost-Afrika und Neu-Guinea sowie sonstigen Inseln im Stillen Ozean echt tropische Landflächen von der vierfachen Größe Deutschlands mit zum Teil ganz ausgezeichnet fruchtbaren Gefilden und einer zum Teil recht arbeitsamen Bevölkerung von bereits 15 Millionen Köpfen! Und dieser Besitz sollte nicht befähigt sein, 63 Millionen Deutsche mit Kolonial-Erzeugnissen zu versorgen? Wenn das in 50 bis 75 Jahren nicht der Fall ist, so wäre nicht der Besitz daran schuld, sondern wir, die Besitzer.«


Kolonisiertes Land - Die Boma von Kilossa Deutsch-Ostafrika


Der Besitz ist wirtschaftlich weiterhin unbedeutend, was sich ganz gut mit der Gattung Gossypium erklären lässt, über die ein wendewilliger Bismarck einst vor dem Reichstag referierte. Deutschland bezieht jährlich Baumwolle für eine halbe Milliarde Mark, wovon auf den kolonialen Export lediglich 0,6 Mio Mark fallen. In Deutsch-Ost wird Baumwolle konzentriert in der Küstenzone und in den Bezirken Morogoro und Muansa angebaut. In 20, 30 Jahren könnte man vielleicht so weit sein, um zusammen mit den übrigen Schutzgebieten das Mutterland zu versorgen. Der Besitz mochte noch weitgehend unentwickelt sein, doch die Besitzer strengen sich an. »In Deutsch-Ost sieht man die Früchte seiner Arbeit auf dem jungfräulichen Boden rasch emporschießen und dieses Bewusstsein schafft das lebhafteste Interesse« (Arning).

In West-Usambara, das leicht zugänglich ist, ein mildes Klima, fruchtbare Böden und eine friedfertige Bevölkerung hat, ziehen Kleinsiedler bereits nahezu alle heimischen Gemüsearten, dazu Hülsenfrüchte, Knollen und Futtergewächse. Um Wilhelmstal haben sie mit Mais schon ganz gute Geschäfte gemacht. Im Land der Bataten beginnt die europäische Kartoffel die wenig schmackhafte afrikanische Süßkartoffel zu verdrängen, Europas Bohnen machen lokalen Helm-, Mungo- oder Vignabohnen Konkurrenz. Volksnahrungsmittel würde fraglos die Hirse bleiben, am Kilimandscharo, am Njassa, in Usumbura und Bukoba ersatzweise die krumme Frucht Banane. Maniok wird überall angebaut.


Motorisierter Sisal-Transport in Deutsch-Ostafrika

Die Kolonialherren führten die Baumwollkultur und die dazu gehörende Entkernungsmaschine ein. Der ostafrikanische Kaffee, eine kleinbohnige Abart des arabischen, beginnt sich auf dem Weltmarkt durchzusetzen. Das einst unumstößliche »Wo es fruchtbar ist, ist es ungesund, und gesund nur wo es unfruchtbar ist« gilt schon lange nicht mehr. An den Hängen des Kilimandscharo und Meru reihen sich Sisalagaven, Cerealien und Kaffeesträucher. Europäer halten Rinder - schwarzbunte Ostfriesen, Allgäuer und Franken -, dazu Schaf, Ziege, Esel, Strauß und Schwein.

Als Faustregel gilt, ähnlich wie in Kamerun, dass sich Landstriche, die unter 1.000 m zum Meeresspiegel liegen, als Dauerbleibe nicht eignen. Ganz anders die Hochlandzonen, die in Deutsch-Ost immerhin eine Fläche von der Größe des Königreichs Preußen ausmachen. Ab 1.000 m können Europäer aufgrund der nächtlichen Abkühlung ohne Schäden für ihre Gesundheit leben, so das Urteil der Mediziner. Am gesündesten dürfte es im Schatten des Kilimandscharo und auf den Höhen von Usambara sein, dazu in Uhehe, das für deutsche Bauern wie geschaffen scheint. »Das Klima ist wundervoll, der Wasserreichtum groß und eine kleine Zahl von deutschen Ansiedlern ist dort schon ansässig«, erzählt Arning.

In Uhehe, wo die befriedeten Wahehe und Watschungwe leben, am hohen Ufer des Njassasees und in der Landschaft Uluguru könnten noch ein paar tausend Europäer ihr Brot verdienen. In Iraku, Konde, Nguru, Pare, Muytek, Ubena, Ukami, Ungoni, Urundi und Usagara steht einer Besiedlung rein klimatisch gesehen nichts entgegen. Zur kolonialwirtschaftlichen Erschließung eignen sich Küste und küstennahe Bergländer.

Deutsch-Ost hat mehrere Sägewerke und Druckereien, Sodawasserfabriken und eine Bierbrauerei, vier Naturschutzgebiete, fünfzehn Wildreservate, in der fruchtbaren Usambararegion die Musterfarm Kwai, in Mpapua ein Tierseucheninstitut. Mafia, die südlichste der drei großen Inseln des Sansibararchipels, kann durch Anpflanzung von Nelken zur Gewürzinsel werden. In den Konzessionsgebieten Kissama, Usindja und Irrangi schürfen sie nach Gold.


Deutsche am Bahnhof Tengeni mit Zügen der Usambara-Bahn und Sigibahn

Deutsch-Ost ist mit der Verkehrserschließung gewachsen. An einem ganz normalen Tag sind auch weiterhin Hunderttausende von eingeborenen Trägern unterwegs, um Handelsgüter auf schmalen, gewundenen Negerpfaden landauf und landab zu befördern. Elfenbein und Kautschuk lohnen sich, Wildschweinzähne, Rhinozeroshörner und Gnudecken nur mit Vorbehalt. Reis rechnet sich nur, wenn er nicht weiter als 100 km transportiert werden muss. Baumwolle, Hanf und Produkte der Kokospalme sind ein Verlustgeschäft, eine Rechnung mit Menschenkraft, die man mit Rentabilitätsradius umschreibt. Doch Deutsch-Ost hat jetzt seine Eisenbahn. Tatsächlich hatte es vom Tag der ersten Flaggenhissung zehn Jahre gedauert, bis hier die ersten 14 km einer deutschen Kolonialbahn eröffnet wurden. Die Trasse zog sich in der Meterspur von der Küstenstadt Tanga zur Station Pongwe. Als Prinz Heinrich v. Preußen 1905 die Strecke von Tanga bis Mombo einweihte, hatte man an 129 km zwölf Jahre gebaut!


Die Usambarabahn im Jahr 1907

Die Nord- oder Usambarabahn galt als Muster deutschen Ingenieurfleißes, doch gerade für den Abschnitt, der durch Usambara in Richtung Moschi führt, legten alle Beteiligten viel Lehrgeld aus, nachdem der Eisenbahn-Gesellschaft, eine Tochter der DOAG, das Geld ausgegangen war. Seit 1904 windet sich die Sigibahn, im Besitz der Berliner Deutschen Holzgesellschaft für Ostafrika, als Zweigbahn durch Usambaras Waldbezirke. Der Hererokrieg forcierte den Eisenbahnbau, an der Mittellandbahn wird seit 1905 gearbeitet. Der Schienenweg folgt der Karawanenstraße der Sklavenhändler, zieht sich von Daressalam über Morogoro, Kilossa, Kilimatin-de nach Tabora, von dort zum Endpunkt Kigoma/Udjidji am Tanganjikasee. Die Arbeiten führt die Frankfurter Firma Philip Holzmann aus, Schienen und Schwellen stammen von Krupp, Union und Hoesch. Der Vorteil der Eisenbahn für Neuland ist kaum zu überschätzen. Die Eisenbahn erkrankt nicht an Malaria oder Schwarzwasserfieber, ihr machen weder brütende Hitze noch eiskalte Nächte etwas aus. Die Eisenbahn stellt das Heer der Träger für andere Aufgaben frei.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Heia Safari - Ein Land für Abenteurer

Deutsch-Ost hat etwas für jeden, Deutsch-Ost ist ein Land für Bergsteiger, Abenteurer und Jäger.
Das die deutsche Kolonialzeit noch nicht allzu lang zurückliegt, beweist zum Beispiel Heino, der in jungen Jahren sogar das Lied "Heia Safari" noch sang.


Sang über Negerpfade und Askaris - Der junge Heino im verflossenen 20. Jahrhundert.

Wem Deutschlands Berge zu niedrig sind, kann sich am Kilimandscharo oder Meru versuchen. Wer sich bisher am Genfer- oder Bodensee orientierte, überrascht der Größenvergleich: Der Njassasee ist größer als Westpreußen, Ostafrikas Mittelmeer, der inselreiche Victoriasee, beinahe so groß wie Bayern. Strepsiceros strepsiceros (Kudu), Hippo-potamus amphibius (Flusspferd) oder edles Raubwild wie Panthera Leo, der Löwe ... Deutsch-Ost ist ein Dorado für Jäger (Hoflieferant R. Weber/Haynau bietet Fangapparate für Raubtiere, Affenfallen und Schlangenzangen an, Hoflieferant Dingeldey & Werres/Berlin Ausrüstungen für die Tropen).

Deutsch-Ost ist etwas für Abenteurer: »Die. Massai sind die kriegerischsten aller ost-afrikanischen Stämme, selbst das Schnellfeuer der Hinterlader hat oft den Ansturm der nur mit Hieb- und Stichwaffen ausgerüsteten Massai nicht abwehren können ... Ich gestehe ganz ehrlich, dass ich die Hoffnung hegte, mich einmal mit einem solchen Gegner im Kampfe zu messen« (Oblt. Max Weiß). Wer jagen, bergsteigen, am Ngorongoro-Krater stehen oder sich unter den Massai umsehen will, schließt sich gerne einer Safari an. Die Safari gehört zu Deutsch-Ost wie der Schnee zum Kilimandscharo. Safari sagen die Suaheli zu einer Reise.

Auf Safari gehen Europäer wie vom Südwester Pioniermaler Aschenborn besungen: »Wie oft sind wir geschritten - Auf schmalem Negerpfad - Wohl durch der Wüste Mitten - Wenn früh der Morgen naht ... Steil über Berg und Klüfte - Durch tiefe Urwaldnacht...« Auf Safari, wo ein Weißer auf rund 75 Eingeborene kommen kann, reist man mit Stil. »Wie lauschten wir dem Klange - Dem altvertrauten Sange - Der Träger oder Askari-Jüeia, heia Safari.« Der altvertraute Sang ist ein lautes Unternehmen, die Eingeborenen haben, um das Raubwild fernzuhalten, ihre Geräuschmacher dabei. Der eine bläst auf einem Antilopenhorn, der andere trommelt gegen Eimer. Den Marschtakt geben an den Fußgelenken befestigte Klingeln und Klappereisen an.


Eine deutsche Safari in Deutsch-Ostafrika (1905)

Ansonsten herrscht Ruhe im Land. Nach dem Maji-Maji-Aufstand hat es keine großflächigen Erhebungen mehr gegeben. »Das Erscheinen einer Kompanie wirkt sofort beruhigend auf alle Gemüter«. Die Schutz -und Polizeitruppe wird ihrem Ruf gerecht, die Pflanzer und Siedler organisieren sich in Bürgerwehren wie den Meruschützen, um sich allen Ernstes für den Ernstfall zu rüsten: »Und kommt durch die Steppe gezogen - Der Feind mit rasselndem Speer - Und tragen die Meereswogen - Auf eisernen Schiffen ihn her - Dann stehen von Deutschlands Söhnen - Freiwillige auf der Wacht - Und donnernde Rufe ertönen - Horrido, Joho, zur Jagd!«

Magdalene Prince, eine geborene v. Massow, die mit Bwana Sakarani Tom in Westusam-bara die Plantage Sakarani betreibt: »Ich kann es nicht genug betonen, wie mich die Schönheit unserer neuen Heimat überraschte. Die Fülle der Naturherrlichkeiten, die sie bietet, und die wunderbar ozon-reiche Luft, die das Höhenklima auch hier mit sich bringt, begeisterten mich förmlich. Schon in jenen ersten Tagen träumten wir von Luftkurorten und Sanatorien in den Bergen Usambaras für die armen Lands-leute, die in der heißen Steppe oder an der Küste das kostbarste aller Güter, die Gesundheit, immer einzubüßen Gefahr laufen.« Magdalene und Tom brauchten nicht lange zu träumen. In Wugiri, dem fieberfreien Luftkurort des südöstlichen West-Usambara, richtet die Lienhardt-Stiftung ein Sanatorium ein. Der Platz ist ein Gesundbrunnen für Weiße, die dem fieberschwangeren Pesthauch der Küstenregion entkommen wollen und keinen Anspruch auf Heimaturlaub haben. Wugiri hat, 1.100 m über dem Meer, kühle Nächte, selbst tagsüber gute Luft und keine Moskitos.


Das Höhensanatorium Wugiri in Deutsch-Ostafrika

Der Leue, August, der Siedentopf, Friedrich oder der Vieweg, Karl schauen sich so auch im Land herum und sagen zufrieden: »Das ist doch was, soweit haben wir es gebracht.« Zustimmung dann von einer Seite, von der man sie nicht erwartet hatte: »Es waren Männer von unzweifelhafter Fähigkeit und Tatkraft; wenn man sie sah, dann verstand man leicht, warum Deutschland in Ostafrika so zusehends emporgeblüht ist«, so Theodore Roosevelt, der 1909 zusammen mit Sohn Kermit in Ostafrika elf Elefanten, 17 Löwen und 20 Flusspferde erlegte, dabei auf deutsche Pflanzer, Zivilbeamte und Offiziere stieß.

Treibhausklima, Giftpfeil, Fieber. Geschichten über Leben und Tod. Das alles hatte man nicht umsonst bekommen, in Deutsch-Ost wurde fraglos hart gearbeitet, gelitten und gekämpft. Deutsch-Ost hat seine zivilen Toten, dazu Gräber mit der Aufschrift »Mit Gott für Kaiser und Reich«. Peters Jühlke hatten sie im blühenden Alter von 30 Jahren in Kismayo an der Somaliküste erschlagen, der Kaufmann Otto war, bei den Strapazen des Programms nicht verwunderlich, bereits während Peters' erster Erwerbs-Expedition gestorben. Heinrich Lent, wissenschaftlicher Leiter der Kilimandscharostation, war zusammen mit Dr. Kretschmer und sieben Trägern während eines Ausflugs bei Kirua ermordet worden. Forstreferent Vogler in Tanga, Baron Fischer v. Nagy-Szalatny am Victoriasee gestorben. Heinrich Semmler aus dem oberhessischen Grünberg, Leiter der Plantagenunternehmung der DOAG, war der kolonialen Sache durch Fieber entrissen worden.


Tom v. Prince, Plantagenbesitzer in West-Usambara, mit Ehefrau Magdalene (geborene v. Massow): Prince fällt im November 1914 im Kampf um Tanga

P. Bonifatius Fleschutz aus Reicholzrieg, Missionar der Sankt-Benediktus-Missionsgesellschaft zu Emming-St. Ottilien, 1887 auf Betreiben des Carl Peters mit neun Brüdern und vier Schwestern zum Missionseinsatz gekommen, trugen sie schon 1891 zu Grabe. Missionar August Wilhelm Schynse legte in Bukumbi am Viktoriasee das Beduinenkleid (die Gandura und den Burnus) der Weißen Väter ab. Konteradmiral Deinhardt starb an den Folgen der Malaria, die er sich während Bismarcks Seeblockade holte, Hauptmann Moritz in Muansa. Die Leutnants v. Bülow und Wolfram wurden während eines Gefechts mit Sultan Meli bei Moschi erschlagen, Leutnant Brüning fiel beim Einfall im Usagara. Ein paar Namen nur, um zu zeigen, dass es absolut nicht immer einfach war, doch das Land war die gebrachten Opfer wert.

Deutsch-Ost nimmt nicht nur, es gibt: Eine deutsch-ostafrikanischen Saurier-Expedition war am Tendaguru bei Lindi fündig geworden. »Unser afrikanischer versteinerter Riesensaurier« ist, um Besucher mitten in die Tertiärzeit zu führen, dann im Berliner Museum für Naturkunde aufgestellt. Der Dinosaurier, der einst am Tendaguru lebte, muss über fünf m hoch und 25 m lang gewesen sein, hatte gewaltige Hinterbeine und einen langen Schwanz. Mit seiner Intelligenz kann es allerdings nicht allzu weit her gewesen sein, hatte er im Verhältnis gesehen doch nur einen ganz kleinen Kopf. Fachkreise kommen so auch zu dem Beschluss: Das Prachtstück war groß, sehr groß, aber dumm.


Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Die motorisierte Paul Grätz-Mission


Eine neue Zeit bricht an: Mit dem deutschen Automobil durch deutsche Afrikakolonien

Deutsch-Ost hat nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die passenden Helden für (fast) jeden Geschmack. Deutsch-Ost hat mit Paul Grätz eine Ikone der Zeit. Grätz hatte als Oberleutnant der Schutztruppe Erfahrungen mit dem Trägerverkehr gesammelt, nach dem Ablegen des Kaisers Rocks dann die folgende Vision: »Mein Plan, Afrika im Automobil zu durchqueren, entsprach der Absicht, das Automobil als Lasten- und Personentransportmittel in Afrika (speziell in Deutsch-Ostafrika) auf seine Verwendbarkeit im schwarzen Erdteil zu erproben und später dort einzuführen.« Grätz will den Trägern helfen, das südliche Afrika dem Automobil eröffnen. Das Projekt weckt Erinnerungen an Edmund Troosts Südwester Unternehmen mit »Martin Luther«.

Der Spezial-Mercedes, den die Motoren-Werke Gaggenau liefern, verfügt über einen 35-PS-Vierzylinder-Motor. Das Wa-geninnere lässt sich zum Nachtlager umbauen, ist durch ein Moskitonetz abzudecken. Der vordere Treibstofftank fasst 125 1, unter den Hintersitzen ist Platz für weitere 250 1. Das Chassis liegt 35 cm höher über dem Boden als bei Automobilen üblich, auf Kotflügel und Auspuff würde man später verzichten, um das Gewicht des Fahrzeugs zu reduzieren. Die Reise beginnt 1907 beim Postamt von Daressalam, auf der alten Karawanenstraße nach Tabora wird Grätz noch von Theodor v. Röder und einem Diener begleitet.


Von Pannen verfolgt: Erneuter Reifenschaden des Spezial-Mercedes

Nach Morogoro platzen die Zylinder, Ersatz trifft erst nach rund drei Monaten ein. Udjidji, Bismarckburg, Fort Jamesson, Bulawayo als weitere Etappen, durch die Kalahari geht es nach Rietfontein-Nord in Deutsch-Südwest. Über Gobabis und Windhuk wird Okahandja erreicht, die Fahrt endet in Swakopmund.


Grätz in der Savanne von Deutsch Südwest. Wegelos - Und trotzdem durchgekommen...

Keine Tankstellen, keine Straßenkarten, keine richtigen Straßen. Das Automobil wurde hin und wieder von Ochsen gezogen oder von Eingeborenen, auch einmal auseinandergenommen und durch schwieriges Gelände getragen. In Okahandja rückte die Schutztruppe das Untergestell einer Kanone heraus, das als Ersatzteil für eine gebrochene Achse diente. Die Reise hatte, für 180 Tage geplant, 630 Tage gedauert. Der Oblt. a.D. war der Erste, der das südliche Afrika mit dem Auto durchquerte. Als er sich in Swakopmunds Hotel »Kaiserhof« von den Strapazen der Reise erholt, erreicht ihn das Telegramm Wilhelms II.: »Gut gemacht, mein lieber Grätz.« Einen wie den Grätz schätzt der Kaiser.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
https://www.kolonialarchiv.de/deutsche-k...ka/paul-graetz/

Vom Auswandern nach Deutsch-Ostafrika

»Weder unter den Völkern noch unter den Eingeborenen gilt das Recht, dass Existenzen, die keine Werte schaffen, einen Anspruch aufs Dasein haben. Keine falsche Philanthropie ist imstande, für vernünftige Menschen zu beweisen, dass die Erhaltung irgendwelcher viehzüchtender Kaffern oder ihrer ackerbautreibenden Vettern am Kiwu und Victoriasee bei irgendeinem Maß von Selbständigkeit, Unkultur und Eigenwirtschaft für die Zukunft der Menschheit wichtiger sei als die Ausbreitung der großen europäischen Nationen« meinte Paul Rohrbach, doch bei anderen klingt es nicht anders.


Im Jahre 1900 der Militärposten und der Ort Aruscha gegründet. 1904 wurde in Aruscha das Fort für die dort stationierte 1. Kompanie der Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika fertiggestellt. Aruscha wurde das wirtschaftliche Zentrum für die sich im umgebenden Flachland ansiedelnden deutschen Viehzüchter und die deutschen Kaffeepflanzer am nahen Berg Meru. Am 1. April 1913 wurde die Militärstation Aruscha aus dem Bezirk Moschi ausgegliedert und zum eigenen Bezirk der Kolonie Deutsch-Ostafrika erklärt mit Aruscha als Sitz des Bezirksamtes. Die Weiterführung der Usambarabahn Tanga – Neu Moschi nach Aruscha war fest eingeplant, konnte aber wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges im August 1914 nicht mehr verwirklicht werden.
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Um sich in Afrika ausbreiten zu können, bedarf es der Einwanderung wertvollen Volkstums, mussten Landsleute kommen, die Neuland erschließen, beim Aufbau eines neuen Staatswesens helfen konnten. Afrika hat in Deutschland den Reiz des Unbekannten und Schönen. Doch wer jetzt auswandern will, wiegt den Vorteil gegen die Risiken auf, entscheidet sich dann in der Regel nicht für Mikindani oder Kilwa-Kiwindje in Deutsch-Ost, sondern für Cincinnati (Ohio) oder Hermann (Missouri) in den USA. Die einen finden das Land zu unkultiviert, für andere ist ein Umzug ökonomisch viel zu riskant. Wer ans tropische Afrika denkt, kommt dazu an den bösen Drei nicht vorbei: Malaria nach dem Stich der Anopheles, das Schwarzwasserfieber als gefürchtete Begleiterscheinung, Dysenterie, nicht selten in epidemischen Formen, die Schlafkrankheit als gefährlichste aller tropischen Volkskrankheiten.


Arusha vor dem Hintergrund des Meru. Wieviele Deutsche würden heute Deutsch-Ostafrika leben, wenn es keine Weltkriege und demzufolge einen Status quo gegeben hätte? Vielleicht nur Hunderttausend, vielleicht sogar eine halbe Million, denn gegen die Tropenkrankheiten wurde Medizin entwickelt und es gab ausreichend Hochflächen für deutsche Kolonisten. Die deutsche Gründung Arusha ist heute die drittgrößte Stadt Tansanias mit fast 2.000.000 Einwohner.
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Gegen die Einwanderung einzelner Berufsgruppen sprechen Dünkel und Konkurrenz, Afrika ist eine einzige Herausforderung: »Lohnarbeiter oder Knecht darf der Deutsche nicht sein, will er nicht werden wie der Kaffer.« Kleinhändler haben gegen lokale Inder und Goanesen wenig Chancen: »Die deutschen Interessen werden durch die Inder empfindlich geschädigt, die durch ihre Anspruchslosigkeit und Verschlagenheit die Niederlassung deutscher Kleinhändler sehr schwierig machen«.
Gelernte Handwerker und Gewerbetreibende könnten es in einigen Landesteilen schon schaffen, allerdings unter Vorbehalt. Usambara, das Kilimandscharo- und Merugebiet eignen sich für den Kleinbetrieb, ideal dort die 100 bis 200 ha große Farm oder Pflanzung.

Es kommen welche, doch einfach zu wenige, dazu nicht immer die Richtigen. Sie kommen, um vom Kaiser gesponsert gesellschaftlichen Zwängen zu entkommen, um etwas von der Welt zu sehen oder sich vor ihr zu verstecken. So mancher mit Vergangenheit oder nur dürftiger Biografie taucht plötzlich in Pangani oder Mbamba auf, darunter der eine oder andere Versager. »Ein Teil der Europäer hätte die Bedingungen ihrer Existenz schon in der Heimat nicht erfüllt, sie sind Todeskandidaten bereits vor ihrer Ankunft in Afrika« bemerkte Militärarzt Julius Falkenstein. - »Die Umstellung auf das neue, andere Leben gelingt nicht immer, häufig sind wohl mindere Erbanlagen vorhanden« so Warhold Drascher. - »Ich habe in Ostafrika eine große Anzahl von Leuten mit schlechter Charakterveranlagung kennen gelernt. Ihnen war der Boden in der Heimat zu heiß geworden und sie hofften, ihr lockeres und verwerfliches Leben in noch leichterer Weise in den Kolonien fortführen zu können« wusste Oscar Bongard.

»Die besseren Elemente« haben dann Farmen mit gutem Viehbestand, sind Kaufleute, Missionare, Handwerker oder Tropenpflanzer, die weniger guten darben als Frachtfahrer dahin. Das ostafrikanische Besiedlungskomitee der Kolonialgesellschaft versucht es am Südhang des Meru in gesunder Höhe von 1.250 m mit russlanddeutschen Schwaben. Den Platz nennen sie Leuedorf, da Leue die Leitung des Siedlungsprojekts übernommen hat. Das Experiment scheitert daran, dass den Schwaben, die aus der Steppe kommen, die Höhe einfach nicht passt.


Daressalam 1908 - Welches Gesicht hätte der Hafen heute, wenn er noch immer zu Deutschland gehört?
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

1910 experimentieren Palästinadeutsche, so genannte Templer, mit europäischen Getreidearten, Apfel, Pfirsisch, Wein und Orange am Meru. Dazu kommen Buren, Griechen, Italiener, Engländer und andere. Migrationsprobleme haben alle deutschen Schutzgebiete, die Bilanz ernüchtert: Zwischen 1881 und 1891 wandern rund 1,35 Mio Deutsche aus der (k)alten Heimat aus, davon leben 1892 lediglich rund 1.200 in den Schutzgebieten. Eine ganze Reihe besteht dort die ökonomische Bewährungsprobe nicht, kehrt so auch in die Vorheimat zurück.

Deutsch-Ost hat so vieles, dass sie es bereits »Deutschlands Indien« nennen. Was ihm fehlt, ist der arbeitslustige, kapitalbildende Deutsche (»Wie wir leben? Wir arbeiten«, Magdalena Prince). 1910 leben in Neu-Deutschland über See, das neben den afrikanischen Besitzungen Kiautschou, Deutsch-Neuguinea und die Kleininselhaufen im Pazifik einschließt, gerade mal 15.428 Deutsche, der Großteil in Deutsch-Südwest mit 9.383 und Deutsch-Ost mit 2.384 Deutschen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Aus Afrikanern Menschen machen

Luise Leidecker hat keinen »viehzüchtenden Kaffer« im Haus. Sie hat einen mpishi, einen Koch, der sich auf Jahre hinaus im Kolonienklatsch finden lässt: »Nun muss ich in die Küche, um dem Koch die erforderlichen Anweisungen für den mittäglichen Eierkuchen zu erteilen. Denn seine Kunst steckt noch in den ersten Anfängen. Es ist noch nicht allzu lange her, dass er sich hat von der Ansicht befreien müssen, angebrütete Eier mit möglichst entwickelten Küken seien am nahrhaftesten und daher für die Küche besonders zu empfehlen; auch andere, ebenso wenig erbauliche Gewohnheiten, die ihm aus der Zeit seines rauen Steppendaseins noch anhafteten, hat er erst kürzlich unter dem veredelnden Einfluss der Zivilisation abgestreift. Es ist also Vorsicht geboten!«

Magdalene Prince, die für E.G. Mittler & Sohn »Eine deutsche Frau im Innern Deutschostafrikas« schreibt, über den Arbeitstag auf der Plantage Sakarani: »Des Morgens in aller Frühe schellt die Glocke. Die Leute treten an, der Assistent - wir würden in Deutschland Verwalter oder Inspektor sagen; natürlich ein Weißer - trägt ihre Namen in das Arbeitsbuch ein. Am Abend werden dann, um das vorweg zu nehmen, die Namen verlesen, und jeder erhält sein Poscho, das Geld für den Tagesbedarf, und eine Marke; diese Marken werden später gegen Geld eingelöst.«


Eine deutsche Kautschukplantage - Abgabe des gewonnenen Kautschuks.

Luise und Magdalene haben noch richtig Glück. Überseeischer Besitz ist nicht nur eine Frage von Quadratkilometern, überseeischer Besitz kommt ohne die Zuarbeit von Landeskindern nicht aus. Man braucht sie als Träger auf den Handelsrouten, für den Bahn-, Wege-, Brückenbau und auf den Schamben, im Hafen und im Haus. »Die Arbeitskraft der Eingeborenen variiert, hängt von der Klimazone ab, in der sie leben« (Dernburg).

Die Landeskinder kräftig, gesund und in genügender Zahl für die Arbeit zu erhalten ist offizielle Kolonialpolitik. »Erst dadurch, dass der Eingeborene im Dienste der höheren Rasse, d.h. im Dienste ihres und seines Fortschritts, Werte schaffen lernt, gewinnt er ein sittliches Anrecht aufs Dasein« (Rohrbach). Neun von zehn Farbigen in deutschen Schutzgebieten bezeichnet die stark propagandistisch gefärbte Kolonialliteratur als bequem und bedürfnislos. Jedes Neuwerden erfordert übermäßig viel Geduld und viel Zeit. Der eingeborene Arbeiter brauche, um durch Routine zur vollwertigen Arbeitskraft zu werden, rund drei Jahre, so ein H. Waltz in der »Usambara-Post«. Auf Pflanzungen liefere ein alter Zapfer dann gleich das Doppelte wie ein junger Zapfer ab.

Im Land herrscht regelrechte Arbeiternot, dazu Not mit den Arbeitern: »Viele sehen im Eingeborenen ein Wesen, das nur da ist. um ausgebeutet zu werden, das nur durch Prügel und anderen Zwang gefügig gemacht werden muss. Andere sehen nur im Gegenteil das Heil. Sie halten den Eingeborenen für vollkommen gleichberechtigt, die Ersten werden bald keine Arbeiter mehr finden, die Letzteren machen sich bei ihren Leuten lächerlich« (Oscar Bongard). 1909 beschäftigen die Kolonialherren in Deutsch-Ost um die 70.000 Afrikaner.

Das Schutzgebiet hat eine eigene Arbeiterverordnung mit staatlichen Kontrollen für Anwerbung, Mindestlohn, Arbeitsvertrag und Arbeitszeit. Wie viele Kochstellen und Aborte auf Sisalpflanzungen wie Totohovu oder Kikwetu auf wie viele Arbeiter kommen, ist typisch deutsch geregelt. »Wird geschlagen?« Dazu Margarete Prince auf Sakarani: »Ich kann es mit gutem Gewissen aussprechen: Der weiße Mann mit der Knute existiert nur in der Fantasie mit den Verhältnissen absolut nicht vertrauter Europäer. Geschlagen darf nur bei grober Frechheit gegen den Weißen werden: Dann ist ein schneller Schlag allerdings meiner Ansicht nach unentbehrlich und von bester Wirkung. Sonst aber ist man von den Arbeitern viel zu abhängig.«

Die Gegenwart ist kritisch, die Zukunft würde noch kritischer werden. Gibt es doch etwas, das der Kolonialjargon unter »Vermehrung der Menschen« versteht und sich von den Kolonialherren nicht regulieren lässt. Die Bevölkerungzahlen zeigen, anstatt sprunghaft nach oben zu steigen, nach unten, womit kein (weißer) Mensch gerechnet hatte. Tatsächlich ist das Minus bereits so groß, dass das böse Wort von einer »Entvölkerung unserer Kolonien« aufkommt.


Die Postagentur in Tanga: Im Hinterland erfolgt die Postbeförderung durch die Eisenbahn. Die Verbindung der Stationen mit abgelegenen Agenturen besorgt die Botenpost.

Afrikakenner wie Wißmann, Soden oder v. Francois waren sich noch ganz sicher gewesen, dass infolge der Eindämmung von Stammesfehden, von Kannibalismus und Krankheitsnot durch eine zivilisierte deutsche Verwaltung die Bevölkerung nur zunehmen konnte. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Abtreibung, Alkohol oder die Degeneration einer Rasse, das Fortpflanzungsgeschäft hinderliche Krankheiten ... der spürbare Bevölkerungsschwund braucht eine Spur. Malaria, Wurmkrankheiten, Kindersterblichkeit oder der unausrottbare Wandertrieb des Afrikaners, eben so, als hätte es das alles nicht schon in präkolonialen Tagen gegeben.
Statistiken unterstreichen, dass es selbst mit dem Kindermachen nicht mehr allzu weit her sein kann. Den Südwester Herero wurden, um ein drastisches Beispiel zu nennen, 1908 5.373, 1912 nur noch 4.591 Kinder geboren. Deutsch-Ost hat in Unjamwesi, das im erweiterten Sinne das ganze zentrale Hochland umfasst, sein auffallendstes Entvölkerungsproblem. In der Landschaft Ussumbwa, der Heimat von Wasumbwa und Wangoni, hat die Zahl der kaiserlichen Untertanen seit 1892 um rund ein Drittel abgenommen. Kriegerische Verwicklungen, Hungersnöte und Seuchen, die zur Zwangsarbeit eingezogenen oder verschickten Männer vernachlässigen zur eigenen Landwirtschaft auch ihre Familien. Wer in Tanga Sisalballen oder Kaffeesäcke schleppt, in den Ulugurubergen Rohglimmer fördert oder zwischen Mpapwa und Ikungu Lasten trägt, kann in Ukimbi oder am Hohenlohesee keine Kinder zeugen. Das nicht beim besten Willen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

In frommer Mission

Mission ist Kolonisation, Kolonisation ist Mission, »eine Ausbreitung des Christentums über einen größeren Bezirk, etwa einen ganzen Volksstamm, bei der religiösen Gleichgültigkeit des Negers schwer denkbar« (Liebert). »Wenn uns ein Neger gegenübersteht, schwarz wie Ebenholz, mit krausem, wolligen Haupthaar, mit gedrücktem Schädel und rückwärts gestreckter Stirn« (Fabri)... Einem Heiden in der Landschaft Ssonjo den Sinn von Tobiasnächten zu erklären, ist einfach nicht einfach, Polygamisten in Mlalo über dem Umbafluss von der Einehe zu überzeugen ausgesprochen schwer.


Die Bethel-Mission Mlalo in Deutsch-Ostafrika

Missionare von Gesellschaften wie Berlin I, Berlin II und Berlin III, die mit kindlichem Glauben und männlicher Tatkraft afrikanisches Neuland betreten, um im Namen Gottes unter kulturarmen Völkern zu wirken, spüren den Druck. »Ein jeder Tag, wo wir die Heiden auf das Evangelium warten lassen, ist eine Verlängerung ihrer Qualen, wenn sie es auch nicht sagen und wissen ... Nur nicht zu langsam, nur nicht zu langsam, sie sterben sonst darüber« (Friedrich v. Bodelschwingh, im Vorstand der Bethel-Mission).

Vor Ort dann das Christentum in all seinen Ausprägungen. Die Evgl. Missionsgesellschaft/Bethel-Mission, die Leipziger und die 3erliner Missionsgesellschaft, die Neukirchner Missionsanstalt, die Herrnhuter, die Sendboten der Trierer Gesellschaft der Afrikamissionare (Weiße Väter), die Benediktiner von St. Ottilien, die Väter vom hl. Geist, die Weißen Schwestern, die Töchter Mariens, die Frauengenossenschaft der Schwestern vom kostbaren Blute:
»Wie überall machen die katholischen Stationen ein großartiges und wirtschaftlich ergiebigeres Ansehen, die evangelischen ein bescheideneres und einfaches. Die Patres sind durchweg praktische Männer, gute Landwirte, sie pflanzen treffliche Gärten und ernähren sich zum großen Teil vom Lande. Da sie sich mit der Missionslehre nur an die Kinder wenden, so haben sie schnellen Erfolg, sie leiten ihre Schüler auch streng zur Arbeit in Feld und Garten an. Die evangelische Mission will von dem Bete und arbeite wenig wissen, sie beschäftigt sich nur mit der Lehre und macht bei erwachsenen Negern leider nicht so schnelle Fortschritte wie es wünschenswert wäre« (Liebert).


Die Missionskirche Wuga in Deutsch-Ostafrika

Die Apostel des Christentums sind »helfende Wegweiser« in einer vielgläubigen Kolonie, unterhalten Apotheken, Hospitäler, Waisen- und Irrenhäuser, sorgen sich um die Erhaltung von Volkstum und Sprache, sammeln Sprichwörter, Lieder, Fabeln und Sagen. Priester, Prediger, Kleriker und Laienbrüder treten als ärztliche Nothelfer auf, als Richter und Schlichter, Sprachpioniere, Lehrer, Tierpfleger, Jäger und Pflanzenzüchter. Sie leben, wie es von ihnen erwartet wird, erwarten für die fromme Tat keine Bezahlung. »Unser eigentliches Lebensbrot ist das Wort Gottes«, Paul Döring aus Groß Wusterwitz, Missionar unter den Hohenfriedebergern. Ihre stärkste Waffe dürfte die Heilkunst sein, besonders dort, wo heidnische Zauberpriester versagen. Ihre Leistungen im Erziehungswesen sind nicht zu bestreiten. In den Missionsschulen, wo sie Lesen, Schreiben und Rechnen lehren, werden Lieder gesungen, die das Mutterland feiern, wird zur Heimatkunde deutsche Geschichte gebüffelt. Anopheles bei Sonnenuntergang in Myriaden ... Friedrich der Große bei Leuthen.


Die Distrikthauptstadt Wilhelmstal (heute Lushoto) in Deutsch-Ostafrika


Im Massailand rudeln sich Gnus, Zepras und Antilopen in paradiesischer Gemeinschaft zu gigantischen Herden, da die Massai kein Wildfleisch essen ... Blücher am Rhein. Zukunft braucht Gegen-wart, immer auch Erinnerung. Die Missionsschule, die auch Mädchen offen steht, legt gesteigerten Wert auf eine praktische Ausbildung. Den Zöglingen wird beigebracht, wie man Schulbänke, Tische und Hocker zimmert, kocht, putzt, näht, Kartoffeln anbaut und Windschutzbäume pflanzt. In der Station Lutindi am Südrand von Usambara probt Diakon Bolermann mit dem Posaunenchor »Lobet den Herrn«. Das Hohenfriedeberg der Bethel-Mission, beim Dorf Mlalo in der Schele-Mulde hat es 1913 auf 810 Taufen gebracht, Neu-Wangemannshöh der Berliner Missionsgesellschaft auf 554. Die Zahl der Konvertiten, die zum Taufbecken gehen, muss enttäuschen. Was den Schulunterricht anbetrifft, haben die Missionen trotzdem etwas richtig gemacht. Als die Deutschen eines Tages gehen, hat sich das Wort Shule (ausgesprochen Schule) in der Umgangssprache Kisuaheli etabliert.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
Bilder: Bundesarchiv, Wikimedia, Commons, CC BY-SA 3.0

1913 - Ein Jahr im Leben von Deutsch-Ost



Tabora mit seinen Eingeborenenhütten
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Im Januar erreicht die Zentralbahn den Malagarassifluss, 234 km hinter Tabora ... kostet das Kilo Elfenbein (beste Qualität) 34 Mark.

Im Februar sucht Claus Schilling vom Kgl. Institut für Infektionskrankheiten nach neuen Immunisierungsverfahren gegen Trypanosomenkrankheiten ... empfiehlt der Kolonie-Ratgeber für Deutsch-Ost geschlossene Unterwäsche (Reformhosen) wegen des Staubes.

Im März kommt es zur Gründung des Freiwilligen-Korps der Usambara-Schützen... nimmt die Telefunkenstation in Daressalam den Betrieb auf ... erfolgt der Notenaustausch zur Vermarkung der deutsch-portugiesischen Grenze.

Im April wird in Gare bei Neu-Cöln/West-Usambara Kai-Uwe v. Hassel- der zukünftige deutsche Politiker - als Sohn eines Pflanzers und Schutztruppenoffiziers geboren ... werden die deutschen Maße und Gewichte eingeführt ... in Aruscha und Bismarckburg Bezirksämter eröffnet.


Ein deutsches Hotel in Tanga
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Im Mai kostet die Überfahrt Daressalam-Neapel mit der Deutsch-Ostafrika-Linie in den Klassen eins bis drei 750, 525 und 300 Mark ... wird der Abschuss der großen Schraubenantilope verboten... experimentiert die Firma Wilkens & Wiese mit schweren Arbeitspferden französischer Herkunft im Schume-Wald.

Im Juni stirbt Obstlt. Johannes, der 24 Jahre lang in Deutsch-Ost gedient hatte ... gelten rund zehn Prozent der Dschagga, unter denen Pastoren der Leipziger Mission tätig sind, als Christen.

Im Juli untersucht eine technische Kommission die Möglichkeiten eines Bahnbaus von Aruscha zum Victoriasee.


Die von Askaris bewachte deutsche Boma von Moshi in Deutsch-Ostafrika
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Im August wird in Moschi der Kilimandscharo-Bergverein gegründet.

Im September doziert Geheimrat Dr. Ostertag in Aruscha über die Bekämpfung von Viehseuchen ... annonciert W. Wolf Magdeburg-Buckau fahrbare und feststehende Sattdampf- und Heißdampf-Lokomotiven als vorteilhafte Kraftquelle für alle kolonialen Verwendungszwecke.

Im Oktober wird die Zeit von Moschi als Einheitszeit eingeführt ... treffen die Prinzen Leopold und Konrad v. Bayern auf Studienreise ein.

Im November wird der Errichtung einer Maschinistenschule für Schwarze in Daressalam zugestimmt ... stirbt mit Pater Provikas Bauer einer der verdienstvollsten Missionare der Kolonie.

Im Dezember löst Obstlt. v. Lettow-Vorbeck Schleinitz als Kommandeur der Schutztruppe ab.


Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Vom Segen der Kultur: Daressalam


Blick auf das Hafenbecken von Daressalam

1913 leben in Deutsch-Ost 5.339 Weiße (3.536 Männer, 1.075 Frauen, 725 Kinder), darunter 4.107 Deutsche und 99 Personen aus dem Habsburgerreich. Dazu noch diese Leute: »114 Mischlinge zwischen Europäern und Negern sind vorhanden«. Im Kreis der Deutschen finden sich 551 Regierungsbeamte, 186 Angehörige der Schutztruppe, 498 Geistliche/ Missionare, 882 Siedler (Pflanzer, Farmer etc.), 355 Handwerker/Arbeiter, 352 Kaufleute/Händler, 352 Angehörige technischer Berufe, 19 Ärzte und Arztgehilfen.

Bevorzugte Wohngebiete sind die Bezirke Moschi, Aruscha und Wilhelmstal. Deutsch-Ost hat Städte, in Daressalam eine richtig schöne Stadt. Seit dem Tag, an dem Leue die Station gegen Bushiris Leute verteidigte, hat sich die Welt kräftig weitergedreht. Daressalam ist Sitz des Oberkommandos der Schutztruppe, der Landeszentral-, Bezirks-, Eisenbahn- und Hafenverwaltung. Daressalam ist eine multikulturelle Stadt. Wie weit es tatsächlich gekommen war, fiel erstmals 1899 auf: »Damit nur zehn Jahre, nachdem der Platz nicht viel mehr als ein Negerdorf war«, resümierte Richelmann.

1899 hat die Administration die Fleischbeschau eingeführt. »Die Straßen sind sauber und beleuchtet, durch die Umgegend ziehen sich gute Wege, zahlreiche Negerdörfer sind begründet und blühen kräftig auf unter dem Segen der Kultur. So ist es auch an den anderen Plätzen in Ostafrika. Gummibäume, Baumwolle, Kokospalmen und andere Ölgewächse sind angepflanzt und gedeihen unter der Leitung angestellter Kulturinspektoren vortrefflich« (Arning).


Das Gouvernements-Krankenhaus in Daressalam

Daressalam ist wirtschaftliches und geistiges Zentrum von Deutsch-Ost, dazu die schönste Stadt im ganzen tropischen Afrika. Daressalam war als sicherer Ankerplatz an Sansibars Festlandküste schon länger bekannt, doch erst die Kolonialherren haben etwas daraus gemacht. 1887 wurden hier noch um die 3.200 Einwohner gezählt, 1913 sind es genau 22.213.

Denkmäler Wilhelms I. (bei der Post, mit Blick aufs Meer) und Bismarcks (Kreuzung Robert-Koch- und Schelestraße), das Gouvernementshospital, das Gouvernementsgebäude mit Versuchsgarten und ein Fort, die Klöster St. Joseph und St. Maria. Weiße elegante Häuser und Akazienstraßen im Europäerviertel, das Landhaus Lipowsky, die Villa Seidlitz. Die Strandstraße Kaiser Wilhelmufer, die sich im großem Bogen um den geräumigen Hafen legt, zwei Promenadenwege, die auf gut Deutsch Große und Kleine Schleife heißen. Die Eingeborenensiedlung, nach europäischem Bauplan in einen Palmenhain gestellt, liegt vom Europäerviertel getrennt. In Vollmondnächten wehen von dort das Singen, Musizieren und Tanzen der Farbigen herüber.


Das Eingeborenenviertel in Daressalam

Wer als Deutscher nach Deutsch-Ost kommt, landet in Daressalam, bleibt ein paar Tage dort. Er lebt im Hotel, verbringt etwas Zeit im »Kaiserhof« am Strand, wo mit etwas Glück eine böhmische Damenkapelle unterhält. Er lässt sich zum Golf- oder Tennisklub führen, besucht das Casino, einen der Fußballplätze oder den Schießverein. Die Deutschen sind ein exklusiver Club, man kennt sich untereinander oder lernt sich kennen.


Daressalam zum Kaisergeburtstag (1906)
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Gesellschaftliche Höhepunkte im Leben der Stadt sind die Festlichkeiten zu Kaisers Geburtstag und das Sedanfest, zu denen vom Gouverneur eingeladen wird, wer Rang oder nur Namen hat. Zum Auftakt bläst eine schwarze Musikkapelle den Geladenen den deutschen Marsch. Wer beim Zapfenstreich der Askarimusiker, beim Auf- und Abmarsch der Askarifeldkompanie in dunkler Tropennacht noch dabei ist, würde es nicht mehr vergessen. Ostafrikas Küstenstrich ist mehr als Daressalam, hat für afrikanische Verhältnisse eine beträchtliche deutsche Bevölkerung.


Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Koloniale Machtzentren außerhalb von Daressalam


Hätte fast einen deutschen Namen (Neu-Rostock oder Neu-Kiel) bekommen: Tanga mit seinem Deutschen Klubhaus am Indischen Ozean

In der Bezirksstadt Tanga lässt's sich leben. »Von der Kulturstation Kwai kommen Butter, Eier, Schinken, dazu Würste aller Art, von den Missionsstationen frische Gemüse, Käse und Pfirsiche«. Tanga ist ein unter Palmen liegender Edelstein. Die Stadt hat einen Kaisergarten und eine Kaiserstraße mit Uhrturm. Dazu ein »Kaiserhotel« »in dem die schwarzen Kerle ganz gute Musik machen«. Den Küstenplatz wollten Kolonialpioniere eigentlich Neu-Kiel oder Neu-Rostock nennen. Der Grund, dass Tanga Tanga bleiben konnte, lag darin, dass man sich weder für das eine noch für das andere entscheiden konnte.


In einer Strasse von Tanga
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Das ohnehin geschichtsträchtige Bagamoyo hat jetzt noch mehr Geschichte: Auf Bagamoyos Kolonialfriedhof ruhen Soldaten der Wißmanntruppe, denen man eine acht Meter hohe Pyramide als Denkmal errichtete. In Bagamoyo steht der Hanging Tree, an dem die Kolonialherren Widerstandskämpfer aufknüpften. Die Boma, das ehemalige deutsche Kolonialhauptquartier, die erste Schule Ostafrikas, das Kolonialkrankenhaus, die Post... Einer, der Bagamoyo von früher her kannte, es jetzt noch einmal besucht, schreibt in die Heimat zurück: »Die Reinlichkeit in den Straßen hat sich unter deutscher Verwaltung sehr gebessert und die hygienischen Verhältnisse sind infolgedessen nicht unwesentlich gehoben worden.«


Das deutsche Zollamt im Dhau-Hafen

In den Usambara-Bergen, wo die schöne Afrikanerin Amaryllis und das Usambaraveilchen blühen, zirpen Grillen, summen Bienen, zwitschern Vögel. In Usambara in Tangas Hinterland ist es wie daheim, wie zu Hause. Usambara ist vielleicht der schönste und für Deutsche geeignetste Platz im gesamten Kolonialbesitz: »Ich hoffe und ich glaube es bestimmt, unsere Berge werden in nicht allzu ferner Zeit vielen fleißigen deutschen Siedlern eine neue Heimat auf deutschem Boden gewähren«, prphezeite Magdalena Prince, der es ein Anliegen ist, dass Deutsch-Ost deutsch bleiben würde.

»Geht die Regierung jetzt zielbewusst vor«, so Wilhelm Arning, Direktor der deutschen Kolonialschule GmbH, »wird der Erfolg gewiss nicht ausbleiben und Deutsch-Ostafrika eine glückliche und für das Mutterland, speziell für den Handel, der sein Haupttor in Hamburg hat, ersprießliche Kolonie werden.«


Fuhr bis 2018 auf dem Tanganjikasee: Kaiser Wilhelms Auftragsschiff "Graf Götzen", wird angeblich seit "mehreren Monaten" überholt.

1914 geht in Deutsch-Ost das Gerücht um, nach dem Kaiser Wilhelm kommen würde, um 30 Jahre Schutzgebiete vor Ort zu feiern. Im Vorjahr hatte er bei der Papenburger Meyer-Werft ein Fracht- und Passagierschiff für den Tanganjikasee bestellt. Der Doppelschraubendampfer, im Baukastenprinzip als Graf Götzen auf Kiel gelegt, traf in Einzelteile zerlegt und in rund 5.000 Kisten verpackt zwischenzeitlich in Kigoma ein. Angenommen wird, dass Wilhelm das Schiff nur in Auftrag gab, um während eines Besuchs im Jubiläumsjahr standesgemäß über den Tanganjikasse zu fahren. Über Kigoma thront der »Kaiserhof«, für den Fall, dass der Kaiser tatsächlich kommen würde.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien