Eine Kolonie für deutsche Kolonisten

Schtorstraße, Sundowner oder Kaross. Sprachunarten wie Omatako für Sitzfläche (Po, Gesäß) oder Braai für die Fleisch- und/ oder Würstchenbraterei auf offenem Feuer. Ein Pfarrer Ziegenfuß, der im Volksmund Bokkiebein heißt, oder ein Mann wie der Katiti-Müller. Katiti steht für was Kleines ..., Deutschverderber sind am Werk, stellten im Land des gelben Grases die koloniale Ordnung auf den Kopf, gemeint die Kolonie am Südwestzipfel des afrikanischen Kontinents. Und nach ihrer Lage benannten die Deutschen auch ihre Kolonie: Deutsch-Südwestafrika.


Deutsch-Südwestafrika - Diese Kolonie zog die allermeisten Kolonisten aus Deutschland an und wer weiß, wie diese Kolonie sich entwickelt hätte, wenn es keinen 1. Weltkrieg gegeben hätte.

Was Sprachpfleger damals mit gerechtem Zorn erfüllte, ist, dass Afrikanerdeutsch eine Farbigensiedlung zur Werft (wie in Marinewerft Wilhelmshafen), den Hottentotten-Häuptling zum Kapitän, wie etwa beim Kapitän zur See Herbig machte. Oubaas, Dinki und Klein-Missis - »rein spricht in seiner Kolonie/der Deutsche seine Sprache nie«. Babylonische Sprachverwirrung allenthalben, da die Begegnung mit stammverwandten Japies, mit englischen Kakis und afrikanischen Kaffern ihre Spuren hinterlassen hat. Sie noch täglich hinterlässt. Selbst Gottesmänner, die nationalpolitisch-kolonisatorisch ganz im Sinne des Reiches arbeiten, schließen sich dabei nicht mehr aus.


Die Missionsstation Keetmanshoop - der Platz heißt eigentlich Swartmodder für schwarzer Schlamm

Am Beispiel der Missionsstation Keetmanshoop, wie sie der Hoffnung des spendierfreudigen Johann Keetman auf die Verbreitung des Christentums unter Heiden entspricht. Missionspfarrer Vedder: »Missionar Schröder wird mit Keetmans Geld nach dem Namaland gesandt. Ein neuer Ort war in Südwest entstanden, und für den neuen Ort gehörte sich ein neuer Name. Weil Keetmans Hoffnung über das Grab hinaus die treibende Kraft zur Gründung des Ortes gewesen war, so nannte man ihn ihm zu Ehren Keetmanshoop.«

Um die Jahrhundertwende wird es dem Allgemeinen Deutschen Sprachverein, Zweigstelle Windhuk, dann auch einfach zu viel. Die Suche nach einem Stichwort hat zum Wort Rivier geführt, was nur versteht, wer das niederschlagsarme Südwest aus eigener Anschauung kennt. 4.682 Weiße sagen dort Rivier und meinen einen periodisch abkommenden Trockenfluss damit. Der Swakop ist ein Rivier, Nossob, Epukiro und der Kuiseb sind Riviere, der Omusema ist ein Seiten- oder Nebenrivier. Ein Rivier ist, von ein paar Kolken abgesehen, während des Großteils des Jahres ein trockenes Flussbett. Ein Rivier kann allerdings auch ein Fluss im deutschen Wortsinn sein. Es fließt, wofür man die sprachliche Formel kommt ab gefunden hat, wenn es im Einzugsgebiet viel regnet, trägt, wenn es stark abkommt, Busch, Baum, Vieh bis hin zum beladenen Ochsenwagen mit, führt jedoch nicht unbedingt auf ganzer Länge Wasser. Der Swakop kann, so wird erzählt, in einer regenreichen Regenzeit so viel Brennholz mit sich führen, dass er Swakopmund damit für zwei Jahre versorgt. Der Wasserschatz schießt dem Atlantik zu (Südwests Hauptort Windhuk liegt rund 1650 m über dem Meer). Danach läuft das Rivier jedoch schnell wieder ab. In der neunmonatigen regenlosen Trockenzeit ist es wiederum kein Fluss, sondern dessen trockenes Bett, was das Afrikanerdeutsch jedoch nicht erklärt.

18 Jahre nach Kapitän zur See Herbigs Flaggenhissung - das Thema Eingeborenenreservate ist aktuell, ein Orlog (Krieg) mit den Bondels steht bevor - wendet sich der Sprachverein mit der Bitte an Ew. Exzellenz v. Bülow, dass er veranlasse, dass das schauderhafte, durch seine Nähe zum englischen river absolut fremdländisch klingende Wort Rivier von Reichs wegen künftig aus amtlichen Bekanntmachungen verschwinde. Der Reichskanzler ist bekannt dafür, dass er - ohne jemanden in den Schatten stellen zu wollen - auf dem deutschen Platz an der Sonne besteht.


Swakopmund (1910) an der Mündung des Swakop - Wasser führt er fast nie

Vom Reichstag stammt die Formel »Wir sind Deutsche, wir sind Weiße und wollen Weiße bleiben«. Also weiß noch und deutsch selbst unter Schwarzen und Gelben. Um historisch korrekt zu bleiben: Es passiert nicht viel, um die bedauerliche Entartung zu stoppen, ein nachhaltiges Eingreifen Berlins bleibt aus. Vielleicht ist der Grund, dass dort keiner weiß, mit was man Rivier ersetzen könnte. Wasserlauf, Flussähnliches, -artiges oder gar Regenfluss? Sandbett, das aus Lehm, mit Geröll und Klippen aufgefüllt, mit vor sich hinwelkendem Gras gedeckt sein kann? Natürlich hätte man es halten können wie die frühen Pioniere, die den Toa Xoub (Swakop) zum Rhein machten. Doch der Rhein, Inbegriff deutscher Romantik, als Trockenfluss ..., etwas, das selbst Sprachpfleger nicht akzeptierten. Was den Sprachverein ums geistige Überleben bangen lässt, ist, dass Südwester Deutschen das Afrikanerdeutsch viel zu leicht über die Lippen geht. Ist doch zu befürchten, dass wer Mariva zum Geld oder Bambuse zum Küchenjungen sagt, die deutsche Sprache zersetzt..., dass mit der Sprache das Gefühl für Herkunft, mit dem Verlust die eigene Identität verschwimmt, womit das Deutsch vor Südwest seine Berechtigung verliert.

Windhuks Pfarrer Anz, einmal dafür re-nommiert, dass er den Grundstein zur Christuskirche legte, nennt »die bekannte Unart der Deutschen, ihre Sprache jeder beliebigen anderen nachzustellen«, als Grund. Ein Muster macht die Runde: »Leutnant (weiß): Willem, dass tomorrow om sewen Uhr die Reitaffär von die Leutnant klar ist! - Willem (schwarz) Jawohl!-Leutnant: Wat sollst du? - Willem:Um sieben Uhr das Pferd von Herrn Leutnant satteln« ... Wer, fragt sich nicht nur der Pfarrer Anz, wer lernt hier wen Deutsch?

Einer wie Anz hat Recht. Dem Oukie, dem Südwester Deutschen, wird trotzdem unrecht getan, was soviel heißt wie: er kann gar nicht anders. »Wellige, wogende Dünen/Glutroter, rieselnder Sand,/Undurchdringliches Schweigen.AYeites, einsames Land« (Hans A. Aschenborn): Zwergige Buschmänner und gigantische Tierwelt. Der berüchtigte Kralldornenbusch wachteenbeetje/wart' ein bisschen, der landestypische Köcherbaum oder die Nacht unter dem Omumborombonga. Makalani-Palmen, Dornsavannen und Kudubusch. Die Namib als Inbegriff einer Wüste mit den höchsten Dünen der Welt ...Das Gesicht des Landes, als Stiefkind der Natur zwischen zwei Wiegen: der fruchtbaren Kapkolonie und dem tropischen Norden im portugiesischem Angola. Von gleich zwei Wüsten der Namib und der wasserarmen Kalaharisteppe eingezwängt, ist das Land alt, trotzig und verschlossen. Südwest ist etwas für Charaktere, die weit, weit weg von Europas Zivilisation den täglichen Kampf nicht scheuen. Wüste und Weite, die den Besucher erst abstoßen, dann jedoch mit jener Faszination in ihren Bann ziehen, wie es das Südwester-Lied einmal besingt. Oder so wie es Hauptmann a.D. Steinhardt ausrief: »Ich hasse dieses Land und liebe es doch.«

Primärquelle: Längin: Die deutschen Kolonien

Erst Buren dann Deutsche im Land

Ein paar burische Großwildjäger, die sich Jacobus oder Willem riefen, waren in Südwestafrika schon vor den Deutschen hier. Dazu die Nieuwen-huissens oder van der Merwes als Trekker, Sir Francis Galton oder Sir James Alexander als Vertreter englischer Gesellschaften und Forscher. Vorarbeiter der deutschen Kolonisation ist die Mission. Die Knechte des Herrn, die in Bethanien, Otjimbingwe oder Gibeon in großer Distanz zueinander wohnen, haben die eigentliche Lotsenfunktion. Es ist das Wirken zur Beförderung des Reiches Gottes unter nichtchristlichen Völkern, was als Beginn der deutschen Siedlungsgeschichte gesehen werden kann. Die Mission beginnt mit der Expedition, damit auf Pad. Die Pad ist ein Pfad oder Weg, am häufigsten jene Spur, die das Hauptverkehrsmittel Ochsenwagen gezogen hat. Auf Pad kann einer auch mit der handlichen, zweirädrigen Karre sein, dazu futsam, zu Fuß. Gute Pad (gute Reise) gilt als frommer Wunsch, wie ihn frühe, auf jede Hilfe angewiesene Einwanderer gerne hören. Auf Pad sein heißt trekken wie in »Trekk, trekk Fahlperd, Rooiipens, Blauberg, Halsdook ... trekk Osse, trekk«.

Südafrikas Pioniere sind die Buren, Afrikaans oder Kapholländisch sprechendes weißes Afrikaanervolk. Buren und Deutsche stehen sich unbedingt nahe, ihre Sprachen sind miteinander verwandt. Das Einleben in eigenartiger Natur, Inbesitznahme, Behauptung und frühe Kolonisation wurde von Hans Grimm so gerechtfertigt: »Der deutsche Mensch braucht Raum um sich und Sonne über sich.« Als die ersten Siedler kommen -ein derber, meist niederdeutscher Menschenschlag -, ist der Bur ihr Lehrmeister, was Worte wie das Veld (die wilde Steppe), die Feldkost (überwiegend Wurzeln und zwiebelartige Knollen) oder die Puetz (Wasserstelle) zu ihrem Wortschatz macht.

Bülow, der Mann ist Jurist und Diplomat, schreibt in Sachen Rivier nach Südwest zurück: »Wenn aber der tiefere Grund in dem überwiegenden Vorherrschen holländischer Sprachelemente zu suchen ist, deren Einfluss die noch geringe Zahl der deutschen Einwanderer sich nur schwer entziehen kann, so ist gründliche Abhilfe nur von der planmäßigen Besiedlung des Landes durch rein deutsche Volksteile zu erwarten.«


Am Omaruru Fluss - Wasser führt er nur manchmal. Im Hintergrund eine Siedlung.

Volksteile kommen, besonders während der Großen Aufstände und in des Kaisers Rock. Leutnant Lampe fiel bei Gobabis im Kampf mit Khauas-Hottentotten, Leutnant v. Atrock in der Chamsibschlucht, Reservist Obermayr wird beim Ausfall aus Omaruru »von Hereroweibern bestialisch abgeschlachtet« ..., und wiederum typisch, dass für jeden Heldentod künftig ein braver Reiter steht. Brav anstelle von mutig wie im englischen bravel Schutztruppler und Kriegsschwestern, die es ursprünglich nicht nach Südwest, sondern zur Truppe gezogen hatte, um dort was zu werden, bleiben nach Auslaufen der Dienstzeit zurück, ziehen ein Leben nördlich und südlich des Wendekreises des Steinbocks der binnendeutschen Enge vor.

Neusiedler aus dem Reich, die schon etwas sind, gesellen sich dazu ..., »welch klangvolle Namen aus ruhmreicher deutscher Geschichte stehen heute im roten Staub von Deutsch-Südwest, an Melkpferche gelehnt, mit Kastrationsringen oder mit der Mistgabel in schwieliger Hand«. Koch und Käse erwerben Farm Gelwater/ Gibeon, Thalheim Altseeis/Windhuk. Stabs¬arzt Kahle macht sich auf Ogombe Katjimane/Okahandja daran, wildes Land der Kultur zu erschließen, wovon er allerdings wenig Ahnung hat, was auch ihn in die Abhängigkeit von Eingesessenen und deren Sprachgewohnheiten zwingt. »Was uns eint im fernen Land/Was uns hält ein festes Band/Heilig durch die Seele zieht/das ist unser Deutsches Lied« singt der Männer Gesang Verein Windhuk unter Trompeter-Sergeant Schinkothe.

Südwester Schicksale und Originale generierten deutsche Ortsnamen in diesem Wüstenland: Estorffberg im Damaraland, Maerckerpforte zwischen Naukluft und Yarisbergen. Die Müllerschanze an jener Stelle im Omarurubezirk, an der Leutnant Adolf Müller das junge Leben aushauchte. Volkmannhöhe, Stuhlmanndüne, Streitwolfweg und Trothakluft. Maltahöhe, von Hauptmann Henning v. Burgsdoff nach Ehefrau Malta (v. Dallwitz) genannt. Ein Landstreifen zum Sambesi, zu dem sie etwas vulgär Zipfel des Caprivi oder Caprivi-Zipfel sagen. In Aus ist es tatsächlich aus ..., deutscher geht es nicht, hat der Ort doch seinen Namen, weil sich Reisende vom Hochland zur Küste hier für den Namib-Wüstenstrich zum letzten Mal verproviantieren. Aus ist nicht das Ende der Welt, wer dort ist, glaubt es allerdings vor sich zu sehen.

Dem Sprachverein genügt es nicht, erhalten Deutschverderber doch das frühe Werk: Konrad Graf Dohna, Gestütsleiter in Nauchas (auch als Hengst-Dohna bekannt) oder die Freifrau v. Tiesenhausen auf Farm Schweinsburg-Ovikango sagen weiterhin kwaii für böse und mooi für gut. Der Butz, Friedrich auf Farm Hardap oder der Ziegler, Ottokar auf Etiro sprechen von Kameldorn und meinen Acacia giraffae, die Giraffenakazie damit. Das nur, weil die Buren Kamel zur Giraffe sagen. »Nur, wer den deutschen Laut verfälscht, Wer möglichst greulich kauderwelscht, Der, der beherrscht am besten/Die Sprache von Südwesten« (Walter Ahlhorn aus Oldenburg, Bzk.-Amtmann in Okahandja)..., was Sprachpflegern gerade jetzt die Sprache verschlagen muss, ist doch zu befürchten, dass sich im Gegensatz zu 1902, als sich der Südwester nur selbst gefährdete, er mit seinem Wortschatz jetzt das mit der Selbstverwaltung bewusst eingebrachte deutsche Staatsleben unterminiert.


Die Feste Okahandia, dahinter der Kaiser Wilhelm-Berg

Kurz vor Kriegsausbruch lässt »die Sorge der greulichen Verwüstung unserer Umgangssprache durch Plattdeutsch, Holländisch, Englisch und Herero« den Sprachverein erneut in Berlin vorstellig werden. Dort hat Theobald v. Bethmann-Hollweg v. Bülow als Reichskanzler abgelöst. Der Mann hat sein Abitur in Pforta mit Auszeichnung bestanden, weiß, dass ein Stein keine Klippe und die Oryx-Antilope kein Gemsbock ist. Seine Versicherung, wonach Berlin in Zukunft viel entschiedener gegen Sprachverhunzungen vorgehen würde, wird in Windhuk begrüßt, sollte allerdings ohne Folgen bleiben. Ein paar Wochen später wird wiederum Orlog gemacht, zwingt Europas Krieg Japies, Kakis und Oukies auf Pad.

Als das Reich ausgezählt wird, gibt es trotz Afrikanerdeutsch kein überseeisches Gebiet, das »deutscher« geworden ist als das teutoafrikanische Südwest. Der eine oder andere behauptet gar, deutscher selbst als das Deutsche Reich. Und was heißt das für Südwest, wenn es keinen Krieg 1914 gegeben hätte, das österreichische Thronfolgerpaar, wider der Vernunft nach dem ersten Terroranschlag statt weiter zufahren umgekehrt wäre? Über einhundert Jahre deutsche Kolonisation in Südwest hätte sich so tief in den Sand eingegraben, dass dort wohl mehr Deutsche fern der Heimat wohnen würden, als an jedem anderen deutschen Ort außerhalb des Reiches. Und wäre daraus eine Art selbst verwaltetes eigenständiges Land geworden? Eher nicht, doch Hauptsache deutsch, egal wie verwaltet.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Gottesmänner im Kaffernland



Der deutsche Missionar Franz Heinrich Kleinschmidt

Der eine stammt aus dem Baltikum, vom Flecken Aahof bei Riga, der andere aus Blasheim in Westfalen. Was sie im rohen inneren Afrika verbindet, ist der missionarische Auftrag, Eingeborene von der Realität des Christentums zu überzeugen.
Carl Hugo Hahn und Franz Heinrich Kleinschmidt, Sendboten der Rheinischen Missionsgesellschaft (RMG) und Vorboten der deutschen Kolonisation, haben über den Oranje gesetzt, um nach Bethanien zu reiten. In Südwest, wo die Tsetse, der tödliche Feind von Pferd oder Ochs, weithin unbekannt ist, reitet oder fährt man, nur in den Tropen lässt man sich tragen oder geht zu Fuß.

Südwest gleich über dem Oranje ist trocken, trostlos und feindselig, doch selbst das Heilige Land mochte einmal nicht viel anders ausgesehen haben. Südwest ist ein Land ohne Rechtgläubige, ein »Kaffernland«, für das die Buren von den Arabern das verderbte Kafir für Ungläubige übernommen haben. Verkaffern, wozu sie in anderen Schutzgebieten Vernegern oder Verkanakern sagen, kann für »das Herabsinken des Europäers auf die Stufe des Eingeborenen« stehen, Kaffernarbeit ist etwas, zu was sich Weiße nicht herablassen. Landeskindern kommt es allerdings ganz anders über die Lippen. Die Herero nennen sich Rinderkaffern mit Stolz, Bergdamara sind Klippkaffern, auch wenn sie von den Nama, in deren Abhängigkeit sie stehen, nur als chaudaman (Scheißkaffern) bezeichnet werden.


Schmelens renoviertes Haus als Touristenattraktion

Hahn und Kleinschmidt nehmen nicht in Anspruch, die ersten Deutschen im Land zu sein, hatte Gottes Hand einem Johann H. Schmelen aus Kassebruch bei Bremen doch schon vorher den Weg hierher gewiesen. Der Mann baute im Auftrag der im Kapland wirkenden Londoner Mission eine Gemeinde in Bethanien auf, übersetzte mit Ehefrau Zara, einer Hottentottin, Bibeltexte in die Namasprache. Der Missionserfolg hielt sich in Grenzen, das Misstrauen der Nama baute sich nie ab. Als einer Dürreperiode eine Heuschreckenplage folgte, verließ der dafür verantwortlich gemachte Schmelen Bethanien mit Frau und vier Kindern. Zurück blieb das Schmelenhaus, das erste Steinhaus in Südwest. 1830 stieß Schmelen, im zentralen Hochland zur Jagd, am Okakango-Rivier auf eine ergiebige Quelle. Seine akkurate Kunde von Land und Leuten war es, die die nach unbearbeitetem Heidenland suchende RMG in Barmen auf die Gegend aufmerksam machte. Nachdem Schmelen dem Sonnenland den Rücken kehrte, traten die Londoner ihr Arbeitsfeld im Nama/Hottentotten- und Herero/Damaraland an die Barmer ab. Deren Weg sollte ebnen, dass Jonker Afrikaaner, zeitweise mächtigster Mann im Land, gerade jetzt nach Missionaren rief ..., Jonker, vom Beruf her sündiger Räuber, vor der Geschichte Südwestafrikas Napoleon und erster Straßenbauer, dazu getaufter Christ: »Gott liebt die Bösen, damit sie gut werden«


Warmbad in Deutsch Südwestafrika
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Im Jahre des Herrn 1842 stoßen Hahn und Kleinschmidt zu einem fruchtbaren, quellenreichen Talkessel vor, den Eingeborene bisher Aigams (Feuerwasser) oder Otjomuise (Dampfplatz) nannten, Jonker, der an dem von Eros- und Auasbergen gesäumten Platz etwas zu sagen hat, nach dem Stammeszentrum seiner Vorfahren am Winterhoekberg »Klein Winterhoek« nennt. Hahn tauft Klein-Winterhoek Elberfeld, Groß-Winterhoek Barmen, der Kamm des Khomashochlandes im Westen bietet sich ihm als Schwarzwald an. Das ist es allerdings auch schon, was an die deutsche Heimat erinnert.

In »Elberfeld«, wo sie am 24. Dezember 1842 die Weihnachtsbotschaft verkünden, versuchen die Missionare Fuß zu fassen. Was sie daran hindert, die christliche Eintracht stört, ist ein Missionar der konkurrierenden Wesleyaner, der ähnliche Ziele wie sie verfolgt. Als es zu Auseinandersetzungen kommt, ziehen es Hahn und Kleinschmidt vor, nach einer neuen Aufgabe unter den Herero zu suchen, was einen frommen Kraftakt verspricht. Zufall dann oder auch nicht: Deutschlands Missionare haben es in Südwest von Anfang an prominent mit den Völkern der Landesmitte und des sandigen Südens zu tun, mit den gleichen Leuten wie eines ferneren Tages kolonialdeutsche Kaufleute, Siedler, Bürokraten und das wilhelminische Militär.
Allen voran die großen rivalisierenden Völker der Nama, »eine eigene Rasse, die dem Bantu, ja dem Neger selbst ebenso fern steht wie dem Europäer« und der Herero »der brauchbarste Stamm, oft herkulisch gebaut, Gesichtszüge eher hamitisch als übermäßig negerhaft«. Südwests »Hauptrassen« sind völlig anders geartet, sehen auch völlig anders aus. Den Gottesknechten, dann auch Kaiser und Reich, für die sie einmal Verbündete, einmal tödliche Gegner sind, machen beide zu schaffen.


Ein Hottentotten Mädchen (Nama)

Die hellfarbigen, stroh- oder welkgelben Nama sehen sich in ihrem eigenen Selbstverständnis als Khoikhoi, als »Menschen der Menschen«. Ein abgeplatteter Schädelbau, schiefe Augenlinien und breite Backenknochen, der Haarwuchs in warzen-artigen, wolligen Büscheln ..., die Buren wollen in ihnen etwas ganz anderes erkennen. Karl Dove, Tübinger Professor der Geografie, sieht sie so: »Die äußere Erscheinung wird von der Häßlichkeit des Gesichts beherrscht. Platte Nasen von großer Breite, zwinkernde Augen mit oft schiefgestellter Lidspalte. Bei älteren Leuten vereinigen sich Falten in der Haut und ein durch Wulstlippe verunzierter Mund zu einem nicht gerade anziehenden Bilde, das bei alten Frauen bisweilen förmlich an einen Totenkopf erinnert.«

Die Nama, von den Kapholländern aufgrund ihrer mit Schnalzlauten durchsetzten hastigen Sprache Hottentotten (Sprachgestörte, Stotterer) genannt, sind aufgrund tribalistischer Aufsplitterungen nicht auf einen Nenner zu bringen. Urstamm dürfte die Rote Nation zwischen Kuiseb und Nossob sein, als alt eingesessen gelten die Bondelswarts in und um Warmbad, die Feldschuhträger nordwestlich von Rietfontein, die Swartboois im Nordwesten um Franzfontein, die Fransman oder Simon-Kopper-Leute am Auobfluss im Nordosten von Gibeon, die Bethanier und die Topnaars im Gebiet von Walfish Bay. Als Orlam zusammengefasst werden später zugewanderte Stammesgruppen wie die Afrikaaner, die den gefürchteten Jonker stellen, die Berseba-Hottentotten und die Witboois (Kowesin oder Bettler). Letztere sollte man sich merken.

Den schokoladefarbenen, bantusprechenden Herero sind Hochmut, Geiz und eine bis zur Frechheit gehende Anmaßung von Natur aus eigen, auch daran zu erkennen, dass sie jeden, der kein Herero ist, als »omutua«, als Sklave oder Fremden bezeichnen. So jedenfalls die Kolonialliteratur. »Allen gemeinsam ist eine unglaubliche Gier nach Alkohol in jeder Form, ihre Lügenhaftigkeit, ihr Hang zum Diebstahl und ihre Unzuverlässigkeit sind staunenswert. Ehre und Ehrgefühl haben die Herero nicht«, so Kurd Schwabe aus Münster, Oberleutnant der Schutztruppe. Natürlich hat ein Volk, das den größten Bevölkerungsanteil im außertropischen Südwest stellt, auch gute Seiten. Herero sind gastfreundlich: »Um meine Wirte nicht zu kränken, gab ich jeder der etwas penetrant riechenden Schönen einen Kuss, nannte sie geliebte Freundinnen und schickte sie wieder nach Hause« (Leutwein). Ihr Umgang mit Rindern ist geradezu beispielhaft. Mit Rindern kennen sich »die kaum bekleideten Kinder der Natur« besonders gut aus.

Das halbnomadische Hirtenvolk (auch Ova-Herero) wanderte spät erst ein, ist zum Zeitpunkt, als Schmelen in Bethanien missionierte, noch keine 200 Jahre im Land. Herero mit Mbanderu/Ostherero, Tjimba und Himba sind durch fundamentale innere Widersprüche nicht überall gleich Herero. Ihre Schwäche ist die innere Zersplitterung. Im Verhältnis zu Nama und Herero sind die San eine Minderheit. Für die vagabundierenden Wildbeuter und Sammler hatten die Kapholländer das Wort Bosjesmans erfunden, »Leute, die hinter Zweigen wohnen«, woraus die Deutschen Buschmänner machten. Das kleinwüchsige gelbe Volk war hier, bevor die Nama aus dem Süden, verschiedene Bantuvölker aus dem Norden ins wildreiche Land zwischen Oranje und Kunene, Kalahari und Atlantik kamen. Buschleute, »mit der Seele vergnügter Kinder und der Seele blutdürstiger Raubtiere«.


Der Kopfschmuck eines Bergdamara-Mädchens

Karl Angebauer aus Warsow bei Schwerin, (Schriftsteller) sind es Menschen, die nichts haben, sich das, was sie brauchen, holen, dabei sie den Unterschied zwischen Wild und Farmtieren nicht beachten. Ihre Waffe sind Pfeil und Bogen. Buschleute würden Deutschen bis zuletzt als »die gelbe Gefahr« erscheinen, weil sie ihre Pfeilspitzen mit dem milchig verdickten giftigen Saft der Euphorbia candelabria bestreichen: »Polizeisergeant Ahlefelder auf Patrouille von Buschmännern getötet« (1911), »Farmer Küchler erschießt zwei Buschleute auf Farm Nuitsas« (1912), »Buschleute vergiften Farmer Müller von Kleinhuis« (1913). Die negriden Bergdamara, »ein Volk von Sklaven und Vagabunden«, Karl G. Büttner aus Königsberg, RMG-Missionar) sind wie Buschmänner Jäger und Sammler. Als Nahrungsmittel dient ihnen alles, was sich sammeln und erlegen lässt, Viehdiebstahl spielt für den Speiseplan eine nicht unwesentliche Rolle. »Von Kultur im höheren Sinne kann hier keine Rede sein«, doch mit den Bergdamara, die zwischen Nama und Herero leben, verstehen sich die Deutschen am besten. Bergdamara sind arbeitswillig, »selbst in so verantwortungsreichen Stellungen wie Postträger«, während der Großen Aufstände, als alles in Aufruhr ist, verhalten sie sich neutral.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
https://www.reiseblitz.com/fish-river-ca...-karger-sueden/

Nama und Herero

Glänzende Rinder und gefüllte Kalebassen ..., im Hereroland, dem inneren Hochland nördlich des Swakop bis in die weiten Weidelandschaften am Waterberg, sind es die Landesnatur und die Gunst der Regenzeiten, die die Großviehzucht erlauben. Was im Hereroland, wo einen wie Leutwein schon einmal die »Erlkönigstimmung« überkommt, zählt, sind die Verstorbenen, die Lebenden und die Rinder. Es ist der klimatische Vorzug, der die Herero nach afrikanischen Maßstäben eher wohlhabend macht.


Zwischen den Stammesgebieten der Herero und Nama liegend war Rehoboth öfters Schauplatz von blutigen Stammeskriegen dieser Völker

Im Namaland, dem Gebiet vom Swakop nach Süden bis hin zum Oranje, ist es häufig trocken, dominieren reiner Steppencharakter und verbuschtes Land. Wasserstellen sind seltener, das Pflanzenkleid ist dürftiger als im Norden, was die Nama zur Haltung von Kleinvieh wie Schafen und Ziegen zwingt. Küstenhottentotten mögen Robben, Delfine und Pinguine verspeisen, die vom Binnenland müssen sich an alles halten, was da kreucht und fleucht, verschmähen auch Mäuse, Käfer und Eidechsen nicht.

Was unter Nama wie unter Herero zählt, sind die Verstorbenen, die Lebenden und die Rinder. Was das Verhältnis zwischen den im Norden herumziehenden großviehreichen »Schwarzen« und den im Süden heimischen großvieharmen »Gelben« kompliziert, ist, dass sich die Rinder der einen wie der anderen auffällig gleichen: sie sind hochbeinig und schlank, tragen gewaltig ausgeformte, breit gestellte Hörner (Zugleistung prächtig, auch als Reittier zu nutzen, Schlachtgewicht des ausgewachsenen Ochsen um die 225 kg). Mit Bulle und Kuh trotz klimatischer Ungunst am Aufbau eines eigenen Rindviehbestands zu schaffen, würde dem Naturell des gelben Mannes widersprechen. Von tödlicher Konsequenz so auch, dass das Rindvieh der einen wie der anderen den gleichen Besitzer hat: den Herero.

Der kühne Handstreich nach einer Hereroherde hat Tradition, Rinder stehlen ist so viel wie eine offizielle Kriegserklärung, Orlog machen ein Dauerzustand. Böse Geschichten aus der Geschichte: Als Kapitän Jonker aus der Häuptlingsfamilie der Afrikaaner im Pontok auf der Kattel liegt, um von einem großen Hottentottenreich zu träumen, setzt er den geregelten Nachschub von Feuerwaffen, Kugeln, Pulver und Pferden voraus.
Jonkers Handelsbeziehungen zur Kapkolonie sind gut, die weißen Wanderhändler geben ihm Waren auf Kredit, was ihn abhängig, dazu manipulierbar, aber eben auch stärker macht. Elfenbein als Zahlungsmittel ist knapp geworden, was Jonker zum Räuber- und Kriegerleben zwingt, sind somit Hererorinder, die er den Händlern zutreiben kann.


Deutsch-Südwestafrikas Rinderherden blieben für die Nama immer eine begehrte Diebesbeute, egal ob sie Herero oder später Deutschen gehörten

Der Nama aus dem trockenen Süden greift die großen Rinderposten der Herero an, nimmt ein paar tausend Kopf Großvieh als Beuteobjekte mit. Die Herero, denen Großviehherden als Grundlage für ihren Lebensunterhalt und Statussymbol dienen, schlagen zurück. Wer sich gerade wo behauptet, besitzt das Land (die Weide, die Wasserstelle), kann seine Schulden bezahlen, Kriegsgerät, Bedarfsartikel, dann auch Branntwein kaufen. Das so lange, wie kein Stärkerer auftaucht. Jonker besiegt die Herero eins ums andre Mal. Als er 1861 stirbt, ändert das am Waffen-Rinder-Handelskreislauf mit seinen blutigen Händeln nichts. Christian Afrikaaner unterliegt den Herero bei Otjimbingwe (Christian fällt). Hottentotten greifen Otjimbingwe erneut an, dort lebende Weiße retten sich durch Flucht. Nama tauschen in einem emzigen Monat 4.000 erbeutete Rinder ein, Herero besiegen sie bei Okahandja und Otjikango. Orlog machen ist ein Kreislauf von biblischer Brutalität, für Leute wie Hahn oder Kleinschmidt etwas wie die Vorstufe zum Jüngsten Gericht.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Licht im Dunkel

Hahn und Kleinschmidt verlassen Elberfeld, aus gegebenem Grund jetzt Zankbrunnen genannt. Da ein neuer Ruf nicht zu erwarten ist, schlagen sie auf eigene Faust die Richtung Okahandja ein, wo sie beim Flussbett des Okakango auf eine Quelle stoßen, die eine Missionsstation versorgen kann. Bei einem Platz, den sie zu Ehren Schmelens Schmelens Erwartung nennen, wird mit dem Hausbau begonnen: »Unser Herz war voller Dankbarkeit gegen den Herrn«. Als die Quelle überraschend versiegt, was im Sonnenland das Ende jeden Anfangs ist, ziehen sie ins nahe Otjikango, so viel wie »Ort der heißen Quellen«, weiter. Dort eröffnen Hahn, Kleinschmidt und der farbige Johannes Heinrich Bam am Reformationstag des Jahres 1844 eine erste Missionsstation, nach dem RMG-Hauptsitz Neu-Barmen genannt.


Zwischen Okahandja und Windhuk bei Teufelsbach, Deutsch-Südwestafrika (vor 1910)

Leicht wird es den Sendboten nicht gemacht, sind der Bekehrungsarbeit doch enge Grenzen gesetzt. Der kleinliche Charakter, die brutale Grausamkeit - waren Eingeborene überhaupt Menschen? »Nein, noch waren sie nicht Menschen. Auch die nicht, die Christen geworden waren. Sie ließen sich taufen aus Nachahmungstrieb« (Friede Kraze, »Heim Neuland«). Vieles, was als gottgefällig vermittelt werden müsste, kommt einfach nicht an. Die Frage so auch, wo die Kirche im Dorf lassen, wenn noch keine Kirche im Dorf ist? »Ein Mann darf seine Frau und eine Frau ihren Mann nicht schlagen oder beißen oder auf ähnliche Art behandeln.« - »Ein Mann, der mehr als eine Frau hat, soll die älteste heiraten und die anderen verlas-sen. Hurerei wird mit 40 Schlägen bestraft«, was die Arbeitskraft der Frau übersieht, die die Polygamie so attraktiv macht. Einer wie Herero-Chief Kamaharero (Maharero ua Tjamuaha) nennt, ein Beispiel von vielen, 40 Frauen sein Eigen.

Broschüren zu Themen wie »Die Gefahr des Zuckerbiertrinkens« oder »Vom Segen der Arbeit« verfehlen den Zweck, sind Abstinenz und protestantische Arbeitsethik, einmal irdisch gesehen, doch absolut nicht jedermanns Geschäft. Kleinschmidt in Rehoboth, Scheppmann von Rooibank aus unter den Topnaars, Rath in und um Otjimbingwe, Kolbe in Okahandja, Franz H. Vollmer in Berseba ..., der eine oder andere Gottesmann hätte die Sache dann auch gerne hingeschmissen, »wenn er Ihn nicht fürchtete, will er doch das Opfer«. So fassen sie auch immer wieder Fuß, legen auf Kreuz-Zügen fern jeglicher Zivilisation Missionsstationen, Handelsposten und Viehtransportstationen an, bahnen durch die allmähliche Erschließung des Landesinnern den Weg für eine gezielte Besiedlung durch Weiße.


Berseba in Deutsch Südwestafrika (1910)

Hahn wird kurzfristig abberufen, um in der Heimat als Reiseprediger zu dienen, kehrt - Schnee, Regen und Graupel überdrüssig - jedoch wieder zurück. In der Auszeit hatte er die Muse gehabt, über den Neuanfang nachzudenken. Frühere Versuche, das Nomadenvolk der Herero sesshaft zu machen, sind fehlgeschlagen. Wo sie bodenständige Gemeinden bilden wollten, zogen Sendboten von Wasserloch zu Wasserloch, Weideplatz zu Weideplatz. Was man brauchte, war das Missionszentrum, die Musterwirtschaft deutscher Missionskolonisten, die Näh- und Flickstube, den beispielhaften Handwerkskurs.


Die Festung Otjimbingwe

In Otjimbingwe, dem Sammelpunkt von Jägern und Händlern im südlichen Hereroland, gründet Hahn mit Missionskolonisten die erste deutsche Kolonie. Als erstes Siedlerehepaar reisen der Schmied und Missionshandwerker Eduard Hälbich (28) aus Schlesien und Braut Amalie Bartel an. Das Schlacht- wird neben das Warenhaus gestellt, die Wagenmacherei neben die Schmiede. Otjimbingwe ist einer der heißesten bewohnten Plätze, den man sich denken kann, aber auch der wichtigste Rastplatz für den Ochsenwagenverkehr zwischen dem Landesinnern und der Küste.

Die Sendboten haben zum Monopol auf Friedensliebe das Monopol des Handelsgeschäfts. In vorkolonialen Tagen ist es üblich, dass die Gottes- in der Zeit, die ihnen neben dem Christenmachen verbleibt, als Geschäftsmänner dienen, worüber es 1868 in Neu-Barmen zur Gründung der Missionshandels AG, der ersten Handelsgesellschaft Südwestafrikas, kommt. Da Branntwein vom Missionshandel ausgeschlossen ist, dominieren alte Militär-, Steinschloss-, Perkussions- und Minigewehre das Angebot der Mission, dazu Vorderlader-, selbst noch Doppelbüchsen mit Hinterladung, Pulver und Blei. Das Missionarisch-Erweckliche leidet nicht, wird doch behauptet, dass die bessere Bewaffnung Eingeborene zu Herren über das Wild machen würde, was fraglos ein kultureller Fortschritt wäre.


Curt von François

Curt v. Francois, der eines Tages derart gerüsteten Landeskindern gegenübersteht, würde sich wundern, dass ausgerechnet Friedensboten mit Vernichtungswaffen und Munition handelten: »Man hat der Mission vorgeworfen, dass sie vom Krieg profitiert hätten, lagerten zu Zeiten doch 15.000 Pfund Pulver in Otjimbingwe ..-., die sonst leichtsinnigen Eingeborenen kauften die Munition zentnerweise und versteckten ihre Vorräte an geheimen Orten in den Bergklüften, wo sie sich bei der Trockenheit des Klimas ausgezeichnet hielten.«

Herero-Grammatik, Krönlein übersetzt das Neue Testament und Luthers Kleinen Katechismus. Johannes Olpp schreibt am Deutsch-Nama-Wörterbuch, Friedrich W. Weber studiert die Schnalzlaute der Hottentotten, Missionar Schaar sammelt Nama-Fabeln. Hahns Frau Emma führt zur Kleiderhygiene die viktorianischen Missionskleider der Hererofrauen ein, wie sie sie heute noch tragen. Die Missionsstationen scheinen die richtigen Missionare zu haben, doch die falschen Geschäftsleute. Hahns Kolonisten machen sich selbständig, die Zahl der Gläubigen bleibt hinter der Zahl der Gläubiger zu-rück. Die schlechten Nachrichten häufen sich, bereits 1873 muss die Missions-Handelsgesellschaft liquidieren. Zum echten Erfolg war dagegen das von Hahn und Diehl arrangierte Treffen zwischen Kamaharero und Jan Jonker Afrikaaner im Jahre des Herrn 1870 geworden, reichte der Missionsfrieden von Okahandja doch immerhin zehn Jahre. Wenn alles gut gehen würde, konnte das Gute jetzt dem Bösen folgen, doch so ganz traut man dem Frieden nicht. 1877 ersuchen die Herero England um Protektion, bieten dafür als Gegengeschäft zwei Drittel ihres Landes, darunter die gesamte Küste. Die Petition bleibt unbeantwortet, den Hafen von Walvis Bay sollten die Engländer im Alleingang besetzen, was an Südwests hafen- wie lebensfeindlicher Küste zum Volltreffer wird.


Eine Gruppe von Herero zur deutschen Kolonialzeit

Herero ziehen hinunter nach Rehoboth, damit auf Nama-Gebiet. Ihre Herden grasen Jan Jonkers Viehweiden ab, was die Spirale der Gewalt erneut in Bewegung setzt. Unter den Opfern ist der Missionssitz in Klein-Windhuk. Hahn, ganz ehemaliger Pionieroffizier, hatte zuvor schon die englische Regierung und Preußens König zu einer Machtdemonstration gedrängt, um Erreichtes durch staatliches Auftreten zu schützen. RMG-Inspektor Fabri fordert jetzt die Stationierung eines deutschen Kriegsschiffes in Walvis Bay, um zu zeigen, dass Gott auch eine andere Seite hat. Berlin fragt in London an, ob es zugunsten der RMG intervenieren könne. Bismarcks Bitte wird mit der Begründung ausgewichen, dass England lediglich für das Territorium von Walvis Bay zuständig sei, alles andere außerhalb seines Hoheitsgebietes liege.

Deutschlands Missionsveteranen müssen es so auch als Gotteswink sehen, als ausgerechnet in jenen Landstreifen, wo sie so aktiv wirken, deutsche Kaufleute Grund und Boden erwerben. Die RMG grenzt zwar ab, dass »die Kolonisation der Ausbreitung von Macht und Ansehen des lieben deutschen Vaterlandes diene, die Mission dagegen die Ausbreitung des Reiches und der Ehre unseres himmlischen Königs, Jesus Christus suche«. Doch man hilft sich gegenseitig. Kaufhand und Reich profitieren von den Landeskenntnissen der Missionare, die Mission, die sich mehr Schutz und mehr Ordnung verspricht, strengt sich dafür kräftig an, um Eingeborene politisch wie wirtschaftlich auf Vordermann zu bringen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Adolf Lüderitz in Südwest

Adolf Lüderitz, mehr Abenteurer als Geschäftsmann, hatte sich als junger Mann in der Neuen Welt umgesehen, den Tabakmarkt in Virginia studiert, dann in Mexiko eine Ranch geführt. Dort Opfer einer der üblichen Revolutionen, kehrte er nach Europa zurück. Lüderitz heiratet gut, übernimmt das Tabakgeschäft des verstorbenen Vaters, hat jetzt das Geld, um sich an einer Faktorei im englischen Lagos zu beteiligen, was ihn in den Handel an Afrikas Westküste einführt.



Lüderitz: »Keine Schwierigkeiten schrecken, sondern auf rauem Pfad voran«, lernt einen Kapitän Timpe kennen, kauft auf dessen Vorschlag, mit Afrikas Wilden Geschäfte zu machen, die 260-t-Brigg "Tilly". Vordergründig wird an den Tausch von Exotischem wie Elfenbein gegen Zivilisationsgut gedacht, der Erwerb von herrenlosem Land ist geplant. Auf die Suche nach Naturschätzen, um die es Europäern in Afrika immer geht, würde sich der Bremer machen, sobald ihm irgendwo etwas gehört. Unter den Ideengebern des Lüderitz ist der 21-jährige Handelsgehilfe Heinrich Vogelsang, der sich nach einem Afrikaaufenthalt zutrauen würde, Togo als deutsche Kolonie zu gewinnen. Von hier bis zur Erkenntnis, dass Südwest das gesündere Klima hat, ist es nicht weit.


der clevere Heinrich Vogelsang

Bevollmächtigter der Firma F.A.E. Lüderitz, trifft Vogelsang mit der "Tilly" unter Kapitän zur See Timpe im April 1883 in Angra Pequena, der »Engen Bucht«, ein. Eng ist die Bucht tatsächlich, auch im kolonisatorischen Sinne, sitzen auf vorgelagerten Inseln doch bereits seehundjagende Kapholländer und Briten. Der Mann bleibt trotzdem optimistisch: »Am Abend unseres ersten Tages auf südwestafrikanischem Boden ließen wir die Becher kreisen.« Wir in Feierlaune, das sind neben Vogelsang und Timpe die Herren v. Pestalozzi, Francken, Wagner, Lahnstein, De Jongh und Klisser.

Die Strecke nach Bethanien reitet Vogelsang in fünf Tagen. Dort erwirbt er vom gegenwärtigen Besitzer, dem Bethanier-Kapitän Fredericks, die Angra-Pequena-Bucht nebst anschließendem Land im Umkreis von fünf Meilen. Zurück an der Küste hämmern sie in Bremen vorgefertigte Holzhäuser zu »Fort Vogelsang« zusammen, über dem sie die Flagge des Kaiserreiches wehen lassen.


Zuerst gab es hier nichts ... Doch durch das Wirken von Lüderitz entstand eine Stadt, die noch seinen Namen trägt. Lüderitz zur deutschen Kolonialzeit.

Schon im August wird ein weiterer Vertrag mit Fredericks unterschrieben, der die Firma in den Besitz des Küstenstreifens vom Oranje nordwärts bis zum 26° südl. Breite »mit Inbegriff aller Häfen und Baien« bringt. Dazu kommt das Hinterland auf eine Breite von 20 Meilen. 500 Pfund Sterling in Gold, 60 Wesley-Richard-Gewehre und ein paar Spielzeugsoldaten sind ein Schnäppchenpreis, geht Vogelsang doch von der geografischen Meile (7,5 km), der Nama von der rund 6 km kürzeren englischen Meile aus. Deutschlands Kolonialgegner sollten das Geschäft so auch »Vogelsangs Meilenschwindel« nennen. Noch im August reist Lüderitz nach Berlin, um sich dort für den Schutz seiner Niederlassung einzusetzen. Sein Bonbon hat er dabei: »Da Angra Pequena Bay in meinen, also deutschen Besitz gekommen ist, so beabsichtige ich, dieser Bay auch einen deutschen Namen zu geben ..., Kaiser Wilhelm Bay.« Vom Auswärtigen Amt wird eine recht allgemein gehaltene Zusage erteilt. Diese für den Fall, dass der Landstrich von keiner anderen völkerrechtlich anerkannten Macht mit Recht beansprucht würde. Im Reich wird die Erwerbung des Lüderitz von Zeichnern jetzt so dargestellt: Papageien, Palmen, Affen, grüne Haine und weißer Strand. Hier und da spielende, rundherum zufriedene Negermassen. Als der Bremer im Oktober 1883 in 14-tägiger mühseliger Wanderung mit dem Ochsenwagen sein Eigentum kennen lernt, fällt ihm zum Vegetationslosen jedoch eher das biblische Tohuwabohu ein. Nachzulesen unter 1. Mos. 1,2.

Hätte Lüderitz auf lokale Buschmänner gehört, die Angra Pequena »einen Platz, an dem es nichts gibt« nennen! Doch Lüderitz hört nicht auf Buschmänner. Lokalen Hottentotten verspricht er einen Kaufladen, was er auch halten kann, dazu den Schutz vor anderen Stämmen, wozu weder er noch seine Firma die Möglichkeiten haben. Der Bremer schätzt seine Grenzen ausnahmsweise richtig ein und wendet sich an Bis-marck persönlich.

Die Politik sieht die Probleme, den sensiblen Auftrag, beim Kolonialriesen England abzuklären, ob er Souveränitätsrechte über den Platz ausübe, erhält der ksl. Botschafter in London Graf Georg Herbert Münster v. Derneburg »Wenn es Afrika, dieses dunkle Land, nicht geben würde, hätten wir Diplomaten wenig zu tun.« Angra Pequena ist auf Afrikas Landkarte nur ein winziger Klecks, doch Großbritannien liegt als Mutterland viel daran, fremde Mächte von der Kapkolonie fernzuhalten. Bismarcks Anfrage löst so auch einen regelrechten Kolonialhickhack aus. Zur Wahrung eigener Interessen schicken die Kapbehörden das Kriegsschiff "Baodicea", zur Überprüfung des Lüderitzschen Besitzes steuert S.M. Kbt. "Nautilus" Angra Pequena an. Kapitän zur See Aschenborn sieht sich um, stellt auf der höchsten Erhebung ein Kreuz als amtliche Landmarke auf, fährt anschließend nach Kapstadt weiter. Als Aschenborns positiver Bericht in Berlin eintrifft, sagt Bismarck unter dem Datum vom 19. April, damit mitten im rhetorischen Säbelrasseln, Lüderitz den Schutz des Reiches zu. Kaiser Wilhelm I. bestätigt zwei Tage später.

Ende Juli erhalten S.M. Kbt. "Wolf" unter Kapitän zur See Raven und die Kreuzerfregatte "Leipzig" unter Kapitän zur See Herbig Befehl, Unternehmungen der Kreuzerfregatte "Elisabeth" unter Kapitän zur See Schering an Westafrikas Küste zu unterstützen. Am 7. August 1884 geht des Kaisers Flagge in Angra Pequena hoch. KzS Raven hisst die deutschen Farben am Nordufer der Swakopmündung, Lüderitz erwirbt von Topnaarkapitän Piet Haibib Land »in den Grenzen des 22° und 26° südl. Breite« für 20 Pfund Sterling. Schon im September erkennt Britanniens Kgl. Regierung die deutsche Schutzherrschaft an.

Die Firma schickt mehrere Expeditionen ins Land, die im Prinzip nach Bodenschätzen suchen, denen Schutzbegehren jedoch gelegen kommen. Das wehrhafte Reich schützt den Besitz des Lüderitz, der eine oder andere "Kapitän" stellt sich, ohne zu wissen, was er von der neuen Zeit zu halten hat, aus Angst vor seinen Nachbarn unter den Schutz des Lüderitz. Mineningenieur Höpfner trifft Hermanus van Wyk, Kapitän der Rehobother Baster. Baster/Bastards wird in DSWA als Stammesbezeichnung für Abkömmlinge von ca. 30 burischen Siedlern und Namafrauen verwendet, die aus der Kapkolonie zugewandert sind. Wyk »bittet den Kaiser, seinen kaiserlichen Schutz auch über sein Gebiet [im nördlichen Namaland] zu erstrecken«. Der umtriebige Höpfner verpflichtet sich »so weit tunlich«, Ruhe und Ordnung im Lande herzustellen, durch Grubenabbau Arbeitsplätze zu schaffen und die Baster zur Wiederherstellung des Friedens mit Waffen und Munition zu versorgen.


Bastards (Baster) und Herero auf Reitochsen

Die Baster - »stattlicher Mittelwuchs, an Zigeuner erinnerndes Äußeres [die Männer], recht anziehende Gesichtszüge, in höheren Jahren zum Starkwerden neigend [die Frau]«) gestehen dem Lüderitzvertreter die Regelung ihrer Verhältnisse zu Nachbarstämmen zu, die Gerichtsbarkeit und volle Vergünstigungen für Handel und Geschäfte. Höpfner selbst erhält die Prioritätsrechte für den Grubenerwerb. Im Oktober trifft Gustav Nachtigal, der fürs Wahljahr die deutschen Farben in Togo und Kamerun hisste, in Angra Pequena ein. Den ersten Südwester Schutzvertrag schließt er mit Fredericks. Zu denen, die das Werk bezeugen, zählt leutnant zur See Graf Spee. Eine Fusion unter Gleichen ist es nicht. Missionar Bam hinterher über Fredericks: »Derselbe hatte sich in seinen schwarzen Sonntagsanzug geworfen und hätte gewiss ein einnehmendes Äußeres präsentiert, wenn nur seine Hände nicht gar so schmutzig gewesen wären.«

Eines Tages wurde erzählt, dass Graf Spee beim Herumlungern auf vom Wind landeinwärts getriebenen Küstendünen ein paar gelbliche Steinchen gefunden habe, die Vogelsang jedoch für wertlos hielt. Lüderitz klotzt, er kleckert nicht. Seine Leute errichten Faktoreien in Aus, Kuibis und Bethanien, schließen Kaufverträge und erwerben Minenrechte in geografisch lediglich roh begrenzten Gebieten. Sein Agent, Missionsspediteur Koch, erwirbt von Afrikaaner-Kapitän Jan Jonker den Platz Windhuk und das dazugehörende Weideland mit Ausnahme der Privatrechte des Stammes für 100 Pfund Sterling.


Das befestigte Windhuk - Herr Koch kaufte die Gegend für 100 Pfund Sterling von Jan Jonker ab.

Lüderitz hat jetzt Land im Überfluss, dazu jedoch ein verkorkstes Geschäft. Aus der Heimat angereiste Mineningenieure und Geologen wie der Obersteiger Grimm, wie Mertens oder Beck finden keine abbauwürdigen Bodenschätze. Zwischen Angra Pequena bis hinauf zum Kunene, abgesehen von Walvis Bay mit seiner Europäerkolonie, über Hunderte von Kilometern nichts. Kein richtiges Haus, kein richtiger Hafen, weder Gold noch Kupfer, Silber oder Blei. Für die Anlage weißer Siedlungen scheint Südwest ungeeignet zu sein, der Tauschhandel mit Eingeborenen lohnt den Aufwand nicht.

Eines nicht allzu fernen Tages hat der Bremer rund 1 Mio Goldmark in seine afrikanischen Besitzungen gesteckt. Als die Brigg Tilly mit teuren Bohrmaschinen an Bord gegen das Angra-Riff fährt und sinkt, kann sich die Firma davon nicht mehr erholen. Lüderitz verkauft im April 1885 einen Teil seiner Besitzungen mit den dazugehörenden Minenrechten an die Deutsche Kolonial-Gesellschaft für SWA (DKG/SWA, nicht zu verwechseln mit der Kolonial-Gesellschaft DKG). Den neuen Herren der alten Erde wird von Berlin die Landeshoheit übertragen.

Wie der Aufstieg des Kolonialpioniers, ist auch sein Ende schnell auserzählt. Lüderitz hat einen Fehlstart hingelegt, sein Geld buchstäblich in den Sand gesetzt, was seinen hanseatischen Unternehmergeist nur noch fördert. Im Juli 86 bricht der nicht mehr so junge Lüderitz in Aus zu einer Expeditionsreise auf, um im Süden nach Mineralien zu suchen. In seiner Begleitung Bergwerksingenieur Iselin, der Seemann Steingröver und Faktoreileiter Müller. Dazu eingeborene Führer, zwei Wagen und 40 Zugochsen, drei Tragochsen, sechs Pferde, Schlachtvieh und Treiber. Am Oranje besteigen Lüderitz und Steingröver ein Faltboot, um damit die Schiffbarkeit des Flusses zu testen. In seinem letzten Brief schreibt der Bremer: »Der Oranjefluss ist hübsch und romantisch, machte uns aber viel Arbeit, da wir 52 Stromschnellen zu überwinden hatten.«
Lüderitz und Steingröver übernachten auf Farm Kort Doorn, verlassen dann das Festland und sind seither verschollen. Von den einen wird ein Sturm aus Nord/Nordwest dafür verantwortlich gemacht, andere deuten auf umherziehende Buschleute. Das Schicksal des Großkaufmanns im Mündungsgebiet des Oranje bleibt Spekulation, zur Bildung der Lüderitz-Legende trägt es kräftig bei. Zurück im Reich gibt es bald Lüderitzstraßen und -Cafes, in Sachsen-Anhalt den Ort Lüderitz. Nach seinem Tod wird Angra Pequena, eines Tages der reichste Platz im deutschen Kolonialbesitz, Lüderitzbucht genannt.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Heinrich Göring in Südwest

Im April 1885 schickt das Reich den ksl. Gebietskommissar Heinrich E. Göring und Kanzler Louis Nels ins Sonnenland. In ihrer Begleitung Polizeimeister Hugo v. Goldammer, der eines Tages hier Proviant-, mit Einrichtung eines Postamts Generalpostmeister wurde. An Bismarcks Konzept, nach dem der Kaufmann, nicht der Berliner Bürokrat das Schutzgebiet regiert, hat sich nichts geändert. Doch Göring, zuletzt Landgerichtsrat in Metz, ist als Jurist der richtige Mann, um angelaufene, überaus verwickelte Rechtsverhältnisse zu klären. Hochwohlgeboren legt er den Weg von der Küste nach Otjimbingwe im schwerfälligen, ungefederten Ochsenwagen zurück. Auf dem nördlichen Swakopufer richtet er sein Reichskommissariat ein, was das Missions- und Handelszentrum zur ersten »Landeshauptstadt« macht.


Heinrich E. Göring, erster Kaiserlichen Kommissar von Deutsch-Südwestafrika

Göring kann in Warmbad Schutzverträge mit Bondels und Feldschuhträgern schließen. Ein früher Höhepunkt ist das Abkommen mit Kamaharero, zu dem man im Oktober 1885 in Okahandja, dem Hauptort der Herero im Tal des oberen Swakop, zusammenkommt. Für das Reich verhandeln neben Göring, August Lüderitz, Missionspfarrer Büttner und Sekretär Nels, für die Gegenseite Vorleute wie Nikodemus, Barnabas und Josaphat. Dazu Riarua, den sie den »Bismarck der Hereronation« nennen. Ort der Handlung ist das Haus des Missionars Diehl.

Ironie der Geschichte jetzt, dass ausgerechnet Hendrik Witbooi - Gottes Freund, doch aller Welt Feind, so auch Hauptgegner der Deutschen - zur Annäherung zwischen Weißen und Schwarzen beigetragen hat. Der Nama sieht sich als Christ und Gottesgeißel in einer Person. Mit den Herero steht er im Krieg. Es war sein Überfall auf Okahandja gewesen, der die Schwarzen über ein Schutzbündnis gegen ihn hatte nachdenken lassen. Um einen Vertrag mit Vater (Moses) und Sohn (Hendrik) Witbooi bemüht sich Göring vergeblich. Die beiden haben die Gefahr für ihre Selbständigkeit erkannt, ziehen es so auch vor, sich gegenseitig zu schützen. Bei ihnen hilft selbst die Bottel Eau de Breme nicht weiter, Weinbrand, den Lüderitz in euphorischer Gründerstimmung als Parfüm einführt, um die Missionare nicht zu verstimmen.

Der gelbe Hendrik, tatsächlich einer der verwegensten Räuber, und der weiße Wilhelm sind als König und Kaiser von Gottes Gnaden für zwei verschiedene Reiche bestimmt. Als die Deutschen seinen Waffenhandel unterbinden wollen, vertritt der Nama die Meinung, dass der Mensch ein natürliches Recht auf das Tausch- und Prestigemittel Waffen habe. Ebenso wie auf Sonne und Regen ... Südwest hat jetzt eine Schutzmacht, die die Herren Göring, Nels und Goldammer vertreten. Was es nicht hat, ist ein einziger Soldat, der den Ruhm deutscher Waffen hochhalten kann. Kaiser und Reich haben die Reihenfolge auf den Kopf gestellt, anstatt einer militärischen Hand mit Goldammer einen Polizeimeister, mit Nels einen Kanzler und mit Hochwohlgeboren einen Reichskommissar gestellt. Als die durch Schutz- und Trutzbündnisse verbandelten Landeskinder um militärischen Schutz gegen die Nama ersuchen, muss Göring Berlin um die Entsendung von Truppen bitten. Die Dringlichkeit der Anfrage unterstreicht der Reichsvertreter damit, dass er etwas von Goldfunden im naturrauen Küstenbereich gehört haben will, was man später »Görings Goldschwindel« nennt.


Otjimbingwe zur Kolonialzeit

Protektionsverträge klammern die Stationierung deutscher Truppen (noch) aus, den Notruf aus Otjimbingwe reicht Bismarck an die DKG/SWA als Rechtsnachfolgerin des Lüderitz weiter. Die Gesellschaft stellt eine private Schutztruppe zusammen. Leutnant Hans Ulrich v. Quitzow, die Unteroffiziere Böhsel, Grundmann, Schad und Höpfner landen im Mai 1888 in Walvis Bay. Zu ihrer Verstärkung reist der in Kamerun verabschiedete Frhr. v. Steinäcker an, die Ränge füllen 20 Baster und Nama. Unter den Rehobother Baster lässt Göring zusätzlich 80 Gewehre verteilen, damit sie sich im Notfall selbst verteidigen können.

Große Worte, k(l)eine Taten, mit der Gesellschaftstruppe ist es nicht allzu weit her. Der Widerstand lebt, die Witboois zwingen die Weißen aus ihrer »Landeshauptstadt« und zur Flucht ins englische Walvis Bay. Herero und Baster müssen sich wie bisher auf sich selbst verlassen. Als die Raubzüge der Nama auf ihre Rinderposten nur noch zunehmen, S.M. der deutsche Kaiser den Schutz nicht wie versprochen übernimmt, wird das Abkommen von den Herero gekündigt.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Ein Held für Deutsch-Südwest - Hauptmann Curt Carl Bruno v. François


Graf Henckel v. Donnersmarck, die Deutsche und die Dresdner Bank, das Bankhaus Sal. Oppenheim, der Kommerzienrat Hansemann, Leo & Co., die Bank Delbrück ..., an der Kolonial-Gesellschaft für SWA sind Vertreter des großen Geldes beteiligt. Für Bismarcks Kolonialkonzept fehlen trotzdem die Mittel. Das Grundkapital ist von 1,548 Mio auf 150.000 Mark geschrumpft, die Kritik »wegen erwiesener Unfähigkeit« zweifellos angebracht, doch des Kanzlers bloße Schutzgewährung war bereits in Togo und Kamerun ein recht gestriges Rezept. Mit des Kaisers Statthalter auf der Flucht, kann Bismarck nicht anders, als des Reiches Muskeln spielen zu lassen. Zur Wiederherstellung des eigenen Ansehens »nimmt Mutter Deutschland das Kind Südwestafrika an die Brust«. Zu dessen Disziplinierung wird eine Privattruppe unter staatlicher Führung gebildet, wobei zu klären wäre, ob es so etwas überhaupt gibt.


Curt v. François

Die Kolonialkämpfer sind eine reine Söldnertruppe, nicht dem Reich, sondern alleine ihrem Kommandeur verpflichtet. Der Soldat erhält monatlich 83,33 Mark, postnumerando zu zahlen, freie Verpflegung und Unterkunft, dazu die Kleidung vom Waffenrock (Kord) über zwei Unterhosen zu sechs Paar wollenen Socken. Dazu die Waffen, vorerst Karabiner 71, Revolver 79 und Bowiemesser. Preußens Kriegsminister und die Generalkommandos vermitteln, sechs Aktive aus dem Heer und 13 Freiwillige aus dem Beurlaubtenstand machen die Reise nach Walvis Bay mit. Unter ihnen die Unteroffiziere Trautvetter und Ballnuß, der Gefreite Kaliweit und der Jäger Bremen, Grenadier Hellberg, Husar Felix, Ulan Jahn und der Trainsoldat Heim. Den Befehl halten die Hugenottenenkel und Soldaten aus Familientradition Carl und Hugo v. François.

Hauptmann Curt Carl Bruno v. François - »ein starker, breiter Mann mit scharfgeschnittenem Gesicht und unbeugsamem Willen« (Bernhard Voigt) - hatte seine militärische Karriere im Pommerschen begonnen, sich im Krieg von 1870/71 das Eiserne Kreuz verdient. Weggefährte Wißmanns war er als Topo- und Kartograf bei der Erforschung des Kongo-Nebenflusses Kassai dabei. François bereiste die Flussgebiete des Tschuapa und Lulongo, nahm den von Leopold v. Belgien gestifteten, nur ein einziges Mal verliehenen Orden »Kreuz des Südens« entgegen. Zur Kolonialabteilung des AA abkommandiert, führte er zwei Reichsexpeditionen im Togo-Hinterland. Einer wie François kennt Afrika, weiß, wie man sich dort bewegt. Kaiser und Reich lieben Helden wie ihn. Bruder Hugo diente als Adjutant des II. Bataillons Inf.-Rgt. Fürst Leopold v. Anhalt-Dessau (1. Magdeburgische) Nr. 26, bevor er zur Kolonialabteilung wechselte.


Hauptmann Hugo von François

Der Kreis der Mitwisser ist vorerst so klein wie nur möglich, doch mit dem Eintreffen der als wissenschaftliche Expedition getarnten François-Truppe beginnt des Reiches »bewaffnetes Fußfassen«, tritt Südwest aus dem Stadium der kaufmännischen Selbst- in das der Militärverwaltung ein. Die Dienstanweisung stellt den polizeilichen Charakter heraus, die Truppe soll die Wiedereinsetzung der Beamten forcieren, den Waffen- und Munitionsschmuggel eindämmen, dazu deutschfreundliche Landeskinder so gut es geht unterstützen. 21 Reiter zwischen großen Stämmen in einem weiten, wilden Land. Eine Bewaffnung dazu, die die mit dem weittragenden Hinterlader bereits vertrauten Räuber- und Steppenvölker nur wenig überzeugt..., was François, kaum im Land, nach Verstärkungen rufen lässt.

Bis zu deren Eintreffen errichten die Brüder mit gutem strategischen Blick am Swakopufer bei Tsaobis, ca. 40 km von Otjimbingwe, eine befestigte Station. Die Platzwahl könnte besser nicht sein, da von hier aus der Warenverkehr auf dem Baiweg zu überwachen ist, der von Walvis Bay den Swakop entlang durch das Khomashochland bis nach Windhuk führt. »Die Bauten der Station haben eine beherrschende Lage, und ich kann mit 18 Mann jedem Angriff der Herero in Ruhe entgegensehen« (François). Wasser und Weide sind ausreichend vorhanden, der Name Wilhelmsfeste bietet sich an. Anfang 1890 trifft Lt. Georg Maercker mit 43 Mann in Sandwichhafen ein. Die Truppler - Männer wie der Büchsenmacher-Unteroffizier Gutsche, der Gefreite Junker oder der Reiter Talheim - sind mit dem neuen Inf.-Gewehr 88 und dem kurzen Inf.-Seitengewehr ausgerüstet.


Die Gegend von Windhuk ist das beste Siedlungsgebiet für deutsche Kolonisten

Mit der Verstärkung erhält François die Befugnisse eines Korpskommandeurs in Kriegszeiten, dazu die Dienstanweisung, die deutsche Herrschaft im Land unbedingt aufrechtzuerhalten, was seinen Handlungsspielraum erweitert. Fünf Jahre nach dem Okahandja-Vertrag zwingt der Aufmarsch von 800 Witbooi-Reitern die Herero dazu, sich erneut unter des Kaisers Schutz zu stellen. Die Protektion hat ihren Preis, der bereits kränkelnde Kamaharero wäre zu Konzessionen ohnehin bereit gewesen. Herero und Nama haben in und um Winterhoek etwas wie ein neutrales Gebiet geschaffen. Warme und kalte Quellen, prächtige Weiden und ein guter Baumbestand, 1650 m über dem Meeresspiegel ein Klima, in dem Weiße angenehm leben könnten. Der Platz ist seit längerem unbewohnt, als der Botaniker Hans Schinz hier zuletzt vorbeikam, hat ihn lediglich eine Schakalfähe (Canis mesomelas) begrüßt. In Winterhoek/ Windhuk kann sich François sein Hauptquartier vorstellen. Anstelle von Tsaobis oder Wilhelmsfeste.

Göring lässt Witbooi wissen, dass sich die Herero erneut unter den Schutz des Kaisers stellten. Im Prinzip nichts Neues, Vertrag oder nicht. Südwests Deutsche stehen dort, wo sie stehen wollen: in der Mitte. Solange Nama und Herero ihre traditionellen Fehden pflegen, beschäftigen sie sich weniger mit ihnen. Doch die Herero besitzen Großvieh, Nama produzieren, von wertlosem Kleinvieh abgesehen, wirtschaftlich nichts. Wenn der Kolonist eines Tages Waren aus dem Reich kaufen würde, musste er etwas haben, um dafür zu bezahlen. Das können aus aktueller Sicht nur die Rinder der Herero sein.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Wie Windhuk zur Hauptstadt wurde

Curt v. François trifft am 17. Oktober 1890 mit 32 Mann in Windhuk ein, die Truppe biwakiert an der Stelle des späteren Ausspannplatzes. Da die Zeiten alles andere als sicher sind, wird schon am Tag darauf auf Groß-Windhuks beherrschendem Quellhügel mit der Errichtung der (heute Alten) Feste begonnen. Den Plan hat François selbst gezeichnet, die Ausführung teilen sich weiße Soldaten und farbige Arbeiter, die Bauaufsicht führt der Obermaurer Tünschel. Die Feste ist, 61,5 m lang, 35,5 m breit, mit vier Ecktürmen so konzipiert, »dass sie Eingeborene nicht einnehmen können«.


Windhuks "Alte Festung", damals Wilhelmsburg genannt.

Windhuk wird 1891 Regierungssitz: »Somit sind deutsche Männer wie der Lessing, der Ehmke, Wilke I und Wilke II als Gründer der späteren Landeshauptstadt anzusehen«. Die beiden François' richten sich in den Überresten der Missionsstation Klein-Windhuk ein. Schmerenbeck baut das erste Steinhaus zwischen den Auas- und Erosbergen. Das eigentliche François-Haus, das Proviantamt, Ställe und Depots werden neben das Lehmhaus der Firma Mertens & Sichel gestellt. Zwischen Groß- und Klein-Windhuk wächst ein Beobachtungsturm. Auf was dann nur noch gewartet wird, was man zum Werden einer Landesmetropole einfach braucht, sind Weiße, die hier leben wollen. Prominent wird dabei an den Kleinsiedler, den körperlich schaffenden, im Idealfall wehrtüchtigen Landwirt gedacht.


Windhuk 1905 mit seiner beherrschenden Wilhelmsfeste
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0

Um Kolonisten anzulocken, gründet die DKG/SWA das Südwestafrikanische Siedlungssyndikat. Da eine Zuwanderung aus dem Reich noch etwas verfrüht erscheint, wirbt ein Graf Pfeil um Deutsche in Südafrika. Deutsch von Geburt oder Abstammung sollten Windhuker schon sein. Aus dem Süden trifft der Nordschleswiger Christian Nissen-Lass ein, Frau Nissen-Lass ist die erste weiße Frau, die auf Windhuks neudeutschem Boden steht. Die Kaufleute Albert Voigts und Fritz Wecke ziehen nach, dazu ein John Ludwig, der seinen Garten an jener Stelle anlegt, wo später das Gasthaus »Ludwigslust« steht. Neusiedler kommen, doch nie genug, nach einem neuen Konzept wandern 1893 um die 60 Reichsdeutsche ein. Einer von ihnen, der Nitze, Albert, bringt den ersten Simmenthaler Bullen mit. Höhenfleckvieh, mit dem sich lokales Rindvieh aufkreuzen lässt.


Das deutsche Windhuk mit Blick auf das Auasgebirge

Im Reich hat der junge Kaiser das Amt des wachhabenden Offiziers auf dem Staatsschiff übernommen: »Der Kurs bleibt der alte und nun voll Dampf voraus«. Neu im Amt ist der preußische General Leo Graf v. Caprivi, mit dem Wilhelm (»Ich bestimme«) Bismarck aufgrund persönlicher und sachlicher Differenzen ersetzte. Unter Caprivi, im Jahre 16 nach der Flaggenhissung, erfüllt sich der lang gehegte Wunsch der Berliner, im Südwester Norden eine Verbindung zum Flusslauf des schiffbaren Sambesi, damit zu den Wasserwegen Zentralafrikas, zu schaffen. Für das deutsch-englische Abkommen, damit im Rahmen eines viel größeren Geschäfts, haben Unterhändler mit dem Lineal vom Okawango (etwa auf der Höhe des 18. Breitengrads) einen geraden Strich zum Flusslauf des Sambesi, dann einen Parallelstrich gezogen, der auf einen seiner Nebenflüsse stößt. Die weitere Grenze folgt dem Wasserlauf bis zu dessen Mündung kurz vor dem 26. Längengrad. Das Ergebnis ist ein 450 km langer, an keiner Stelle weniger als 20 englische Meilen breiter Korridor, den man nie ganz ohne Ironie den Caprivi-Zipfel nennt. Macht einer wie Caprivi, mit der Vision »Kolonisation ohne Blutvergießen« angetreten, doch absolut keinen Hehl daraus, dass er im Besitz von Südwest nur die Belastung sieht ..., dass er sich kein größeres Übel vorstellen könnte, als wenn man dem Reich ganz Afrika schenkte, was ökonomisch richtig, politisch ziemlich töricht ist, ihn dann auch zum Umdenken zwingt. Caprivi im Februar 1891: »Erst muss was zu schützen sein, dann kommt die Truppe.« Caprivi im März 1893: »Südwestafrika ist deutsches Land und muss als deutsches Land geschützt werden, einerlei ob es gut war, es zu erwerben oder nicht.«


Windhuk Sperlingslust entstand ebenfalls 1890

Aus der François- ist die Kaiserliche Schutztruppe hervorgegangen, die organisatorisch dem Reichsmarineamt, danach der Armeeabteilung des Preußischen Kriegsministeriums untersteht. Der Truppler ist Freiwilliger, die Truppe selbst Teil des deutschen Heeres, was Versorgungsansprüche, z.B. bei Invalidität oder Todesfall, auf eine gesetzliche Basis stellt. Afrika ist ein romantisches Ziel der Jugend, nur hin und wieder tritt noch einer mit den Narben von 1870/71 an.

Schutztruppler sind Ordnungskräfte, dazu Pioniere, werden im Wege- und Bahnbau eingesetzt, sie erbohren Quellen, bauen Staudämme, impfen Rinder. Schutztruppler studieren die Paarungsgewohnheiten der Oryx-Antilope und die Klagelieder der Bergdamara. Sie beschreiben den Fettansatz an den Oberschenkeln der Namafrauen, lassen sich über »jene sonderbare Entwicklung ihrer Gesäße zu einer überwuchernden Größe« aus und über das Stammesmerkmal prae-putium clitoritus, die Hottentottenschürze. Ein halber Tag Soldat, ein halber Tag Straßenbauer, Schuhmacher oder Schneider ist durchaus normal. Wer in den Kolonien ans Gewehr will, muss der ersten Schießklasse angehören, die körper- und charakterliche Eignung dafür erbringen und straflos sein. Schon in Deutschland wird daneben darauf geachtet, dass genügend Handwerker unter den Uniformierten sind.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Die Suche nach einem Hafen

Mit dem Hauptort Windhuk im Werden, wendet sich François der Küste zu. Die Nachverhandler haben Walvis Bay, den einzigen natürlichen Seehafen des Landes, offenbar vergessen, befindet sich der Platz doch weiterhin in englischer Hand. Der Hafen von Lüderitzbucht kann aufgrund von Untiefen und Klippen nur mit Risiken angelaufen werden, Sandwichhafen, unter dem Wendekreis südlich von Walvis Bay, versandet mehr und mehr.


Walvis Bay - Wäre diese Hafenstadt zu Deutsch Südwest gekommen, wäre Swakopmund wohl nie entstanden

1892 sucht S.M.S. Hyäne unter Frhr. v. Sohlern im Küstenstrich nördlich der Swakopmündung nach einer geeigneten Landestelle. Die Reede spielt für die Auswahl eine Nebenrolle, viel wichtiger ist die Lage zum Binnenland. Bei Peilungslinie »SSO 3/4°, ungef Breite 22° 40 min, Länge 14° 29,5 min« wird Sohlern fündig, eine Stelle, die zumindest »nicht schlechter als der Zugang von See her nach Togo« ist. An Land wird nach Wasser gebohrt. In der Errichtung des Stationsgebäudes für Unteroffizier Hannemann und fünf Mann Besatzung sieht Swakopmund, in Zukunft Ausgangspunkt der Dursttrecks ins Landesinnere, seine Gründungsstunde.


Ausschiffung vor Swakopmund...

Die ersten, die hier auf offener Reede ausgeschifft und mit Brandungsbooten an Land gerudert werden, sind 40 mit Hausrat und Vieh angereiste Siedler. In ihrer Begleitung ein 129 Mann starker Kavallerietransport, womit das Abenteuer Afrika für Mensch und Tier mit einem rechten Abenteuer beginnt. Die Techniken differieren, drei davon sind bis zum Bau des hölzernen Landungsstegs populär:

1. Schiffsreisende werden entweder auf Prahmen (Landefähren) ausgeschifft, dann mit Seilwinden durch die wilde Brandung gezogen.

2. Schiffsreisende werden von Kruboys, von Woermann in Liberia angeheuerte Paddler, in Ufernähe gebracht, wo Landungs-Hottentotten auf sie warten.

3. Schiffsreisende werden im Lehnstuhl sitzend mittels Kran in ein Boot gehievt, kurz vor dem Land müssen sie ins Wasser springen (noch 1904).



Dass es nicht immer gut gehen konnte, beweisen die ältesten vier Gräber der Gegend, in denen vier Matrosen ruhen, deren Boot in der Brandung gekentert ist. Die Namib, viel Nebel durch den kalten Benguelastrom vor der Küste, landeinwärts, bis nach ca. 50 km die ersten Grasflecken kommen, viel Sand, schlechte sanitäre Verhältnisse und der gefürchtete Swakopmundfioh: »Nach kurzer Fahrt entlang der traurigsten von allen bisher gesehenen Küsten entdeckt das Auge auf einem Sandhügel eine elende Wellblechhütte, vor der ein Mast steht, an welchem stolz die Flagge Schwarz-Weiß-Rot weht« (Max Corlei).


Im Nichts von den Deutschen gegründet: Swakopmund

Zur Jahrhundertwende gründet ein Bierbrauer, der ausgerechnet Jauche heißt, hier die Bavaria-Brauerei. Das Leben wird dadurch etwas angenehmer, wer es angenehm findet, kommt ohne eine Überportion an Lokalpatriotismus nicht aus. Als Eingangshafen und atlantisches Ausfallstor sollte sich der zwischen weitem Meer und weiter Namib eingebettete Ort jedoch bewähren. Der Großteil der Versorgung der Kolonie wird hier eingeführt, in einem ganz normalen Jahr wie 1912 laufen 430 Dampfer Swakopmund an.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Offensive am Vormittag


Aus der Frühzeit Windhuks

»Die [anderen Kapitäne] haben alle nicht verstanden, was sie unterschrieben haben. Ich habe es verstanden, darum schieße ich vorher, nachher ist es zu spät.« Hendrik, durch die Unterwerfung weiterer Nama nur noch selbstherrlicher geworden, hat jährliche Zahlungen von 5.000 Mark fürs Stillhalten abgelehnt, macht auch sonst kein Geheimnis daraus, dass er sich Weißen nicht beugen will. Seine Raubzüge gegen die Herero sind im Prinzip Feldzüge gegen die Deutschen. François, der sich dem im afrikanischen Kriegshandwerk versierten Gegner nicht gewachsen fühlt, sind die Hände gebunden. Das bis zum nächsten Verstärkungstransport. Im März 1893 treffen Oberleutnant Kurd Schwabe und 224 Schutztruppler mit der »Carl Woermann« in Walvis Bay ein. Mit an Bord sind der Militärarzt Richter, der Allgemeinmediziner Gadow und sieben Einwanderer, denen das Siedlungssyndikat Heimstätten versprochen hat.


Kurd Schwabe

Für den Fußmarsch von Wasserstelle über Wasserstelle nach Windhuk benötigt die landfremde Truppe zwölf Tage. Zivilisten, Umzugsgut und Bagage fahren im Ochsenwagen mit. Wo immer sich die Gelegenheit
bietet, lässt Schwabe vor Landeskindern exerzieren, weist doch nichts besser auf die tatsächliche Stärke des Reiches hin, als das technisch fortgeschrittene Armeegewehr 88 (mit rauchlosem Pulver und fünf Patronen im Laderahmen). 1893 ist ein gutes Regenjahr, wovon ein deutscher Feldzug nur profitieren kann. Die Riviere schieben gewaltige Wassermengen der Küste zu, an Weide für Reit-, Zug-und Schlachttiere fehlt es nicht.


Hendrik Witboois Kriegertruppe
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0

In Windhuk sind Bokkie oder Ziege schon für zehn Mark, ein Ochse für 60 Mark zu haben. Mit dem Eintreffen Schwabes am Hauptort teilt François, jetzt mit dem Titel Landeshauptmann, seine Garnison in eine 1. Ko. (Oblt. Hugo v. François, Fw. Heller) und 2. Ko. (Oblt. Schwabe, Fw. Hesse) ein. Am 8. April setzt er, 11.000 km von seiner vorgesetzten Dienstbehörde entfernt, mit 13 OffzAJffz., 2 Lazarettgehilfen, 2 Trompetern und 93 Reitern (die marschieren, da man kurz an Pferden ist) zum Präventivschlag gegen Hoornkrans, das Kriegslager Witboois westlich von Rehoboth, an. 50 Baster leisten Waffenhilfe. Als die Weißen und Farbigen im Morgengrauen des 12. kommen, sitzen die Gelben gerade beim Frühstück. Die Orlogleute halten sich einen knappen Vormittag lang. Erst als sie das Aussichtslose eines weiteren Widerstands erkennen, machen sie sich »unter Hinterlassung der Weiber und Kinder« auf und davon. Die Truppe hat mit etwas, das sie kerndeutsche Hiebe nennt, ein ziemliches Blutbad angerichtet. »Die schwer zu schätzenden Verluste der Hottentotten waren beträchtlich. Die Werft bot einen schrecklichen Anblick. Leichen von Menschen und Tieren, Hausgerät und Waffen lagen reglos herum.« Auf deutscher Seite sind die braven Reiter Sakalowsky und Bartsch gefallen. Was auf den ersten Blick wie ein Sieg deutscher Waffen erscheint - die Truppe kehrt mit 40 Frauen und Kindern, 50 erbeuteten Gewehren, 40 Kühen und 10 Pferden nach Windhuk zurück -, ist in Wirklichkeit eher dumm gelaufen. Die Witboois sind geschlagen, doch nur für den Augenblick.

François hat erreicht, was er eigentlich verhindern wollte: den langwierigen Klein- oder Bewegungskrieg. Rund 800 waffenfähige, dazu gut berittene Nama setzen sich in die Berge ab, wohin ihnen die marschierende Truppe nicht folgen kann. Hendrik erbeutet 120 für Windhuk bestimmte Pferde, wenig später 400 Zugochsen des Kaufmanns Schmerenbeck. Nachdem ihm Gerd Wieses Wagenzug auf dem Baiweg in die Hand gefallen ist, schleppen seine Leute weg, was ihre Pferde tragen können. Der Rest wird vernichtet.

Die Witboois legen den Frachtverkehr von der Küste nach Windhuk still, worunter Kaufleute wie Mertens, Sichel oder Voigts leiden, radieren Kubub, die Versuchsfarm der DKG/SWA für Wollschafzucht aus, töten die Reiter Skolik, Kramarz und Hölscher. Sie tauchen unmittelbar vor Windhuk auf, was nur heißen kann, dass der deutsche Einfluss auf den Landessüden im Schwinden ist.


Das wieder aufgebaute Kubub 1905

Nach Hoornkrans verliert der Vorwärts-Verteidiger François an Rückhalt und Ruf. Der Vorwurf, mit einer taktisch unklugen Operation einen vermeidbaren Kolonialkrieg ausgelöst zu haben, wiegt schwerer als vergangene Heldentaten. Obwohl noch zum Major befördert, wird er von Caprivi als Landeshauptmann und Befehlshaber der Schutztruppe abgelöst. François' Nachfolger ist Theodor Leutwein aus Strümpfelbrunn im Odenwald, zuletzt in Posen stationiert. Der Badener wartet Hauptmann Ludwig v. Estorffs Kavallerietransport ab, um im August 1894 mit zwei Groot Rohr (Geschützen) gegen Witboois Stellung im zerklüfteten Naukluftgebirge zu ziehen. 160 Baster leisten ihm Waffenhilfe. In der Naukluft, nordwestlich von Maltahöhe, kommt es zu einem richtigen Gefecht, bei dem zwei Truppler auf sich aufmerksam machen, die aus der Geschichte der Südwester Truppe dann nicht mehr wegzudenken sind. Richard Volkmann, Leutnant aus Pforta/Kreis Naumburg, verfolgt den Feind bis zu einer Anhöhe, die künftig Volkmannhöhe heißt. Volkmann wird Distriktchef von Omaruru und Grootfontein, ist bei den Kämpfen bei Okangundi und am Waterberg dabei.


Der später zum Hauptmann beförderte Richard Volkmann


Der "Alte Römer", später zum Major beförderte Ludwig v. Estorff

Hauptmann Ludwig v. Estorff wird verwundet, macht hinterher jedoch schnell Karriere. Der Hannoveraner wird Bezirkschef von Outjo, führt im Hererokrieg die Westabteilung und hält von 1907-11 das Kommando über die Truppe. Zu diesem Zeitpunkt weiß ganz Südwest, dass Estorff bei Feldgottesdiensten gerne selbst predigt. Den Spitznamen »alter Römer« trägt er seit jenem Tag, an dem er einer schwer schuftenden Straßenbau-Kompanie Cäsars Legionen als Vorbild nannte, die durch Straßenbau Gallien erobert hätten. Die Gelben ziehen sich tiefer ins Gebirge zurück. Während eines Patrouille-Gefechts bei Gurus fallen sechs Reiter, darunter der Dragoner-Oberleutnant Diestel als erster deutscher Offizier.

Als sich Witbooi Leutwein im September ergibt, nimmt ihm der Badener das Versprechen ab, den Deutschen künftig Heeresfolge gegen innere und äußere Feinde zu leisten. Die Auflage ist logisch aus militärischer wie politischer Sicht, da »Unterdrücker« fortan nicht nur Deutsche sind. Hendrik steht zehn Jahre lang, in sechs Feldzügen zu seinem Wort. Südwest ist längst nicht befriedet, ein absoluter Luxusartikel für Kaiser und Reich, in Krisenzeiten gar eine echte Hypothek. Nama und Herero zwingen zu Überwachung und zu militärischen Aktionen. Doch die Unterwerfung Witboois, »der erste freundliche Sonnenstrahl auf dem unter Nöten erworbenen Schutzgebiet« verspricht ruhigere Zeiten, lockt dann auch mehr und mehr Landsleute an. 1896 ist ihre Zahl auf 2.628 gestiegen, was aus dem Land der Gelben und Schwarzen »unter dem schützenden Panier der deutschen Kriegsflagge« auch ein Land für Weiße macht.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Martin Luther im Wüstensand

Großwildjäger mögen weite Strecken leergeschossen haben, Südwest ist trotzdem noch für seinen Loxodonta africana (Schulterhöhe des Bullen 3 bis 3,20 m, Länge mit Rüssel 9 m) bekannt. Ihm sollte ein wohl-habender Leutnant der Reserve einen weißen Elefanten zur Seite stellen, was zum zugstarken Beitrag für die Landesgeschichte wird.


Swakopmunds Dampfochse

Die allerersten Siedler waren schlichte Leute aus Handwerker- und Kleinbauern-kreisen, die ihre Kraft fürs Überleben brauchten. Wirtschaftliches Fortkommen war wichtiger, als Kulturträger zu sein. Jetzt kamen auch welche, die die höhere Schule oder gar eine Universität besuchten, aus recht angesehenen und/oder begüterten Familien stammten. Unter ihnen der Kunstmaler Edmund Troost, 1894 eingereist und mit der 2. Ko. beim Kampf in der Naukluft dabei. Was einem wie ihm im Sonnenland auffallen muss, ist der Ochsenwagen als Verkehrsträger für Personen und Frachten. Es sind Treckochsen, die Europas Kultur auf weide- und wasserarmen Strecken 18 bis 35 km am Tag ins Landesinnere schleppen.


Jakkalswater in Deutsch-Südwestafrika

Um innovativ zu sein, Mensch und Kreatur zu helfen, führt Troost auf eigene Kosten eine Dampf-Straßenlokomotive der Maschinenfabrik Dehne/Halberstadt ein. Der 1,4 Tonnen schwere Koloss wird 96 in Walvis Bay entladen, braucht für die Strecke nach Swakopmund allerdings volle drei Monate, da er immer wieder im Sand oder Gesteinsschutt der Namib versinkt. Troosts Lokomobil fährt mit zwei großräumigen Anhängern ein paar Transporte nach Nonidas, doch die Probleme bündeln sich. Holzgefeuerte Dampflokomotiven brauchen viel Brennmaterial, alleine für die Fahrt nach Jakkalswater werden zwei Waggons Holz verfeuert, wodurch sich der Transport weitgehend selbst verbraucht. Holzgefeuerte Lokomotiven »saufen« dazu viel Süßwasser: »Um am Sonnabend arbeiten zu können, musste man von Montag bis Freitag Wasser heranfahren«, (Troost). Südwest ist weder für seinen Holz- noch für seinen Wasserreichtum bekannt. Nachdem Troosts Lokomobil beim Abkommen des Swakop recht »troostlos« aufgegeben hat, wird es im Volksmund Martin Luther und in modernerer Zeit auch Martin Luther King (»I had a dream«) genannt ...

»Aus dem Deutschen Reiche ist ein Weltreich geworden« (der Kaiser). In Südwest ist davon allerdings nur wenig zu spüren. Kein Jahr ohne Unterwerfungsfeldzüge, Säuberungsaktionen und besitzergreifende Expeditionen. 1895 wird der Truppe eine Bastereinheit zur Seite gestellt, im Beamtendeutsch Mischblutstammkompanie. Ausbilder ist Oberleutnant Schwabe vom 5. Ostpreuß. Inf.-Rgt. Nr. 41. Die Baster sind, nachdem sie Schwabes Losung »Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps« verstanden haben, geborenes Soldatenmaterial, dann schon während des Aufstands der Ostherero und Khauas-Hottentotten dabei.


1896 bricht in Südwestafrika die Rinderpest aus - mit einer verhängnisvollen Entwicklung für die Herero

1896 bricht an der Ostgrenze eine Rinderpest aus, die verheerende Folgen hat. Die Schutztruppe impft nach einem Verfahren von Robert Koch, kann um die 80.000 Rinder retten. Doch die Herero, die mehr als die Hälfte ihrer Herden verloren haben, zwingt das Ende des Rinderüberflusses zum Landverkauf. Wer keine Rinder mehr hat, kann als Lohnarbeiter in weiße Dienste treten oder zum Lofer, zum Landstreicher, werden.


Robert Koch bei der Obduktion eines Ochsen in Südwestafrika

Deutschen Planern kommt die neue Situation nicht ungelegen. Da sich das ursprünglich für Südwest angestrebte Kleinsiedlungskonzept nur mäßig bewährte, will man es durch klimatisch bedingt große Farmen ersetzen. Um trotzdem Siedlungskolonie zu werden, muss es koloniale Zielsetzung sein, dass Weiße viel Land und viel Vieh besitzen, wofür Berlin den Ankauf von Hereroland auch erlaubt. Weiße Händler, darunter solche, die als Spekulanten nur nach Farmland suchen, geben fürs Borggeschäft Waren auf Kredit, verlangen dafür übertriebene Gegenleistungen und fordern Schuldenzahlungen unbarmherzig ein. Bezirksämter werden angerufen. Wem das Mariva fehlt, wer keine Rinder mehr hat, muss Land abgeben, für das der Stamm als Garant aufkommen muss.

»Das blutsaugerische Volk der Händler hat die armen Herero in den Klauen« (Bebel), der Ausverkauf des Hererolandes zeichnet sich ab. Die Südwester Schwarzen und Gelben haben die Weißen ins Land gelassen, dann auch akzeptiert, dass sie missionierten, Handel trieben oder Minenrechte erwarben ... dass sie jetzt Pflöcke bei ihren Wasserstellen und Weiden einschlagen, akzeptieren sie nicht.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Alarm im Sonnenland

»Hin und wieder brechen die negativen Merkmale der schwarzen Rasse einfach durch. So ihre doppelte Natur, ihre religiöse Scheinheiligkeit, die zu bösen Verbrechen unter dem Deckmantel der Religion führt. Dazu der Krieger, der in vielen steckt.«

1903 ist es wieder einmal so weit. Im Oktober bricht im Bezirk Warmbad ein Aufstand der Bondels aus. Der Grund dürfte eine erneute Registrierung und Abstempelung der in Eingeborenenhand befindlichen Feuerwaffen sein, irgendjemand in Windhuk geht von 20.000 aus.

Unmittelbarer Auslöser ist allerdings ein Fettschwanzhammel (Schlachtgewicht bis zu 50 kg). Kapitän Abraham Christian hatte einem Unterkapitän den Hammel weggenommen, Distriktchef Jobst mischte sich entgegen der Dienstvorschrift ein. Einer Schießerei fielen Jobst, Uffz. Sney, der Siedler Kuhn, der Kapitän und ein paar Vorleute zum Opfer. Die waffenfähigen Bondels fürchteten das kaiserliche Gericht, versorgten sich über dem Oranje mit Waffen und tobten sich damit im Krisengebiet zwischen Oranje und den Großen Karrasbergen aus.


Hauptmann v. Heydebreck

Die Farmer Mähler und Hupfeld, der Landmesser Gärtner (mit Helfer) werden ermordet. Eine Abteilung der 3. Feldkompanie unter Leutnant von der Bussche sitzt in der Station Warmbad fest. Hauptmann v. Koppy marschiert mit einer Kolonne von Keetmanshoop her, Graf Stillfried kommt mit der 1. Kompanie unter Hauptmann v. Heydebreck und der Gebirgsbatterie aus Windhuk. Bezirksamtmann Graf Kageneck trifft mit einer Abteilung Witbooi-Krieger ein. Koppy kann die Bondels bei Sandfontein schlagen. Am Morgen des 12.12. stürmt Oberleutnant Böttlin das Bondels-Hauptlager bei Hartebeestmund. Bei Humsdrift setzt die überlegen bewaffnete Abteilung Fiedler »dem gelben Feind« vier Tage vor Weihnachten noch einmal zu. Chief Johannes Christian und Fiedler reden über einen Waffenstillstand, Gouverneur Leutwein erreicht das Krisengebiet. Um sicher zu gehen, rückt Frankes Feldkompanie trotzdem noch von Omaruru aus. Mit dem Friedensvertrag von Kalkfontein liefern die Bondels 283 Gewehre ab. Eine Abstrafung unterbleibt.


Die berittene Schutztruppe in Südwest
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

1904, damit 20 Jahre nach der Flaggenhissung, sind Befriedung und Erschließung so weit fortgeschritten, dass man nach schweren Anfangsjahren darangehen kann, höhere Ansprüche ans Leben zu stellen. Die Kolonialdeutschen, in der Regel trinkfeste Bürger (das Klima macht Durst), denken an Kolonisation, nicht an Orlog. Was wichtig ist, was zählt, sind die Preise für Zugochsen, die bei 125 Mark liegen, und jene für die etwas billigere Damarakuh. Zum Preisvergleich: Münchner Bier hell kostet die Kiste 40 Mark, die Packung Maggies Bouillon-Würfel zwei Mark, der Riegel Gelbe Harzkernseife 40 Pf. Ein eingeborener Farmarbeiter ist im Monat schon für fünf bis zehn Mark »nebst Beköstigung« zu haben.

Südwest ist auf dem Weg vom »Niemandsland« zum Ordnungsstaat. Das Reich hat den Markt geschaffen, den es jetzt auch bedient, hohe Wellen schlägt die Besitzung dort allerdings (noch) nicht: »Wenn jemand nach einem Urlaub in Deutschland wieder hierher zurückkehrt und man sich mit ihm darüber unterhält: Wie ist das Interesse für die Kolonien und namentlich für Südwest daheim, was denkt man darüber? lautet die Antwort gewöhnlich: Recht gering, denn die Vorstellungen sind im allgemeinen noch nicht viel klarer als früher« (»Deutsch-Südwestafrikanische Zeitung«).

Als sich der »Sturm ohne Warnung« zusammenbraut, »der Blitz aus heiterem Himmel« trifft, haben die Deutschen in der Heimat, aber auch jene vor Ort, so auch keine rechte Erklärung dafür: »Der Aufstand der Herero ist ohne sichtbaren Anlass und auch für Kenner des Schutzgebietes unerwartet zum Ausbruch gekommen. Die Früchte des Fleißes und der Ausdauer eines Jahrzehnts sind im Aufstandsgebiet vernichtet. Windhuk selbst, die Hauptstadt ist ernstlich bedroht« (Bülow im Reichstag). »Über die Gründe, die die Herero zu ihren Feindseligkeiten veranlasst haben, ist Zuverlässiges nicht bekannt« (»Kolonial-Zeitung«).

Hinterher würde man zugeben müssen, dass 1904 zwar ganz normal begonnen hatte, doch dann hätte man hellhörig werden können. Herero zogen im Land herum, kauften Sättel, Decken und Lebensmittel. Natürlich alles auf Pump. Aus dem Umland von Gobabis wurden Viehdiebstähle »in frechster Weise« gemeldet, aus Karibib »die Frechheit der Negermassen« die dort derart angestiegen ist, dass der schwarze Maherusa oder die schwarze Kaminjose glaubten, Weiße nicht mehr grüßen zu müssen. In Omaruru gingen die Neger gar davon aus, dass ihnen Afrika gehört.


Theodor Leutwein

Mit Leutwein bei den Bondels im äußersten Süden, dem Zentrum und dem nördlichen Landesteil weitgehend von Truppen entblößt, wäre generell größere Wachsamkeit geboten gewesen, spätestens dann, als um die Hauptstadt, bei Kapps Farm, Brakwater und Aris starke Hereroverbände gesichtet wurden. Natürlich waren auch Ignoranz und Arroganz im Spiel, traute doch niemand den Herero ein diszipliniertes Vorgehen gegen die disziplinierten, als unschlagbar geltenden Kampfverbände der Schutztruppe zu.

Leutwein sollte später erklären, dass der Aufstand für ihn eine echte Überraschung war, ging er doch davon aus, dass ihm die Herero dankbar sein müssten, da er sie vor den Viehräubereien der Nama schützte ...,
allen voran Kamahareros Sohn Samuel Maharero, der ihm die Würde des Oberhauptlings verdankte, die die Tradition des Volkes nicht kennt. Doch das war nur die eine Seite, nach der anderen brauchte niemand lange zu suchen. »Sie waren Viehzüchter und Besitzer, und wir waren dabei, sie zu landlosen Arbeitern zu machen; da empörten sie sich. Sie taten dasselbe, was Norddeutschland 1813 tat.« (Frenssen)

1904 haben die Herero, »ein Volk von 60.000 oder 70.000« (Leutwein), 700.000 Mark Schulden, eine Zahl, die todsicher übertrieben ist. Dagegen stehen um die 300.000 Rinder und Weideland von 10 bis 12 Mio ha. In Sachen Borggeschäfte hatte man zu ihrem Schutz ein Gesetz durchgeboxt, wonach Verbindlichkeiten bei Weißen verjähren konnten. Die Verfügung war gut gemeint, bewirkte jedoch, dass Schulden so rücksichtslos eingetrieben wurden wie bisher, nur eben in kürzerer Zeit. Im Schutzgebiet ist die Schaffung von Eingeborenen-Territorien in der Diskussion, um Schwarze und Gelbe von Weißen zu trennen. Eine Alternative, wie sie viele der auf ihren Nomadenrechten bestehenden Herero allerdings nicht verstehen.

Unter den Gründen für den Hererozorn, der Reihe nach, doch nicht unbedingt in dieser Reihenfolge: der Bau der die Ahnengräber schändenden Otavi-Bahn. Rechts-Unsicherheit und Diskriminierung: »Wie Du weißt, wie viele Herero durch die weißen Leute, besonders Händler, mit Gewehren und in Gefängnissen getötet sind. Und immer, wenn ich diese Sache nach Windhuk brachte, immer kostete das Blut meiner Leute nicht mehr als einige Stücke Kleinvieh« (Maharero an Leutwein).

Die Beschränkung der Waffeneinfuhr über die englische Grenze, sexuelle Belästigungen schwarzer Frauen. Der Abschuss von Hererorindern, die sich auf weißes Farmland verliefen. Der kulturelle und wirtschaftliche Verfall einzelner Völker, eine brutale Strafjustiz. »Einen erschießen die Deutschen an jedem Tag«, am häufigsten vor Sonnenauf- und nach Sonnenuntergang, damit Fotografen Kolonialgegner damit nicht aufmunitionieren können. Tagesaktuell dazu die Haltung von Okahandjas Distriktchef Zürn, von dem Maharero behauptet, dass dieser ihn habe umbringen wollen: »dies machte mich wütend und ich gab den Auftrag, die Weißen zu töten«. Nicht unwesentlich, dass die Herero eine Nachricht erreichte, nach der Leutwein im Süden gefallen sei. Den Badener hatten sie respektiert »lass doch Herrn Major Leutwein hierbleiben, lass ihn doch hier in Südwestafrika bleiben, darum bitte ich von ganzem Herzen«, Maharero an Wilhelm, 1896). Tatsache so auch, dass zu diesem Zeitpunkt absolut nichts reiner Zufall sein konnte.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Das Massaker an deutsche Siedler beginnt


Im Inneren von Okahandja

Die ersten Schüsse fallen in Okahandja, dem Sitz Mahareros. Wer sie feuerte, wurde nie ganz geklärt. Missionar Diehl, der die Eskalation vor Ort verfolgte, würde behaupten, dass es Deutsche waren, die zuerst auf sein Haus geschossen haben. Gleich darauf stoßen im Land, »das Gott im Zorn erschuf«, zwei Herrenvölker aufeinander: die stolzen Herero, »ein Herrenvolk mit vielen guten Seiten und allen schlechten Eigenschaften eines solchen«, (Heinrich Vedder aus Lenzinghausen, RMG-Missionar) und die überaus stolzen Deutschen. Ein Hirtenvolk mit einer naiv-sozialistischen Grundeinstellung und der fortgeschrittene Kulturmensch mit seinem ausgeprägten Individualismus, was Karl Dove vom Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee »das Aufeinanderprallen von zwei Weltanschauungen nennt«.

Berlin sieht sich zu seinem ersten großen Waffengang seit 1870/71 gezwungen, der Kriegsschauplatz ist von der Größe des preußischen Königreiches. »Bestien« und »Paviane« ermorden »zu Hause oder auf offener Straße unter viehischen Martern« innerhalb von ein paar Tagen 123 Weiße - darunter 13 aktive Soldaten, 5 Frauen -, »wild gewordene Neger« stehlen Vieh, greifen Militärstationen an, fackeln Farmhäuser ab, kappen Telegrafenleitungen. Die Angst kriecht durchs grimmig schöne »wohlerworbene Land«, erreicht jedes Farmhaus, jeden Viehposten, dazu manch einsamen Held auf einsamer Station.

Gemessen am heutigen deutschen Text von Wikipedia, sind es heute 140 weiße Opfer, doch die 5 toten Frauen sind vergessen: Neben Angriffen auf Farmen wurden die ersten Schläge der Herero gegen Depots, Eisenbahnlinien und Handelsstationen geführt. Dabei kamen rund 140 Deutsche und sieben Buren ums Leben. An fast allen Orten wurde den deutschen Frauen und Kindern freies Geleit zur nächsten Schutzstation gewährt. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit der Deutschen – im Aufstandsgebiet lagen nur zwei Ersatzkompanien – gelang es ihnen, die Städte und letztendlich auch die Telegraphenlinie zu halten. Verstecken sich die 5 toten Frauen also hinter den Wörtern "an fast allen Orten"? Und wenn ja wurde das ganze nur deshalb so formuliert, damit die Reaktion der deutschen Schutztruppe für unverhältnismäßig hart ausgelegt werden soll?


Im Begleittext dieser Illustration steht bei Wikimedia Commons folgendes: ‎"Bilder wie diese finden sich in zeitgenössischen Kolonialbüchern und zeigen deutsche Frauen als Opfer des Krieges. Obwohl zu Beginn des Krieges vier weiße Frauen ihr Leben verloren, war bekannt, dass Herero-Kämpfer Frauen und Kinder verschonten und ihnen gelegentlich sogar Schutz boten...[...]. Bis zu fünf tote weiße Frauen verdeutlichen jedoch, dass man die Behauptung von Verschonung und angeblichen Schutz nicht überzustrapazieren braucht!

Und wie man heute auf deutscher Seite die Barbarei der Herero klein reden möchte, auf der englischen Wikiseite liest man noch diesen Absatz über den Hererokrieg: Ein Herero-Krieger, der 1895 von deutschen Behörden interviewt wurde, hatte die traditionelle Art und Weise seines Volkes beschrieben, mit mutmaßlichen Viehdieben umzugehen, eine Behandlung, die während des Aufstands regelmäßig auf deutsche Soldaten und Zivilisten ausgedehnt wurde: "Wir stießen auf ein paar Khoisan, die wir natürlich getötet haben. Ich selbst habe geholfen, einen von ihnen zu töten. Zuerst schnitten wir ihm die Ohren ab und sagten: "Du wirst niemals Herero-Rinder hören." Dann schnitten wir ihm die Nase ab und sagten: "Nie wieder sollst du Herero-Rinder riechen." Und dann schnitten wir ihm die Lippen ab und sagten: "Du sollst nie wieder Herero-Rinder schmecken." Und schließlich schnitten wir ihm die Kehle durch." Dazu noch die Opferangaben der englischen Wikiseite: Die Herero revoltierten Anfang 1904 und töteten zwischen 123 und 150 deutsche Siedler sowie sieben Buren und drei Frauen. Und da sind sie wieder: von Herero getötete Frauen, die angeblich keine Frauen töten durften. Gute Nacht, deutsche Wiki-Autoren der "Völkermord-Herero-Nama"-Seite.

Deutsches Schicksal in der Fremde: »Kein Trommelschlag und kein Hörn erklingt - Hyänen bellen, der Schakal singt - Wir reiten, wir streiten im Wüstensand, - wir werben, wir sterben fürs Vaterland« (Max Geissler). Die dichterische Schilderung: »Steh fest, Süd-West! Steh fest'. - Dir sind wir ergeben, trotz Mühen und Sorgen - trotz Dornen und Busch und trotz Sand und Gestein im Schoß deiner Erde ruht treulich geborgen - so manch braven Streiters und Freundes Gebein« (Albert Cutis).

An Rhein, Elbe oder Spree, wo sie den fern der Heimat kämpfenden Bruder bald vom Sturmwind der Steppe umheult, bald im glühenden Sonnenbrand sehen, werden in den ersten Nöten knapp 300.000 Mark gesammelt, die zur Verteilung an die von Haus und Hof Vertriebenen, um Hab und Gut Gebrachten gehen. Das deutsche Volk hilft mit Kleidungs- und Wäschestücken, ist die Unterstützung der »Kulturpioniere« im fernen Afrika doch über Nacht moralische Pflicht.

Berlin ist nervös, wird nur noch nervöser. Das Vertrauen in die Möglichkeiten der Truppe leidet, mit alten Zuschreibungen ist es schnell dahin. Der Schutztruppler überwindet alles, was zu überwinden vor ihm liegt? Der Schutztruppler schießt sich aus jeder Krise? Die sieggewohnte Truppe ist für einen Aufstand dieser Größenordnung einfach nicht vorbereitet. Das Reich muss sich zudem fragen lassen, ob seine Soldaten überhaupt noch auf der alten Höhe stehen.

Ernste Stunden schlagen jedem, wie die Geschichte aller Kolonialherren zeigt. Engländer, Franzosen oder Portugiesen registrieren trotzdem mit Schadenfreude, wie schwer sich die Deutschen jetzt tun. Zum Krisengespräch reisen Südwester in der Vorheimat an, darunter Kürsten, Erdmann und Schlettwein. Dort werden sie vom Reichskanzler dem Kaiser zugeführt.

»Fern im fremden Land begraben, sollen sie vergessen sein?' - Deutschland sende deine Stimme übers Meer und rufe: Nein« (Ernst v. Wildenbruch) ... Mit dem militärischen Ansehen auf dem Spiel, ziehen tausende Soldaten aus allen Gauen jetzt hinaus, um die Greueltaten zu sühnen, um Sicherheit für eine friedliche Aufbauarbeit ..., fürs Weitermachen zu schaffen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
Wikipedia
https://www.klausdierks.com/Geschichte/61.htm

Erste Kämpfe und ermordete Deutsche

»Die sicherste Gewähr für erfolgreiche kriegerische Tätigkeit liegt in dem vortrefflichen kriegerischen Geiste, der die ganze Truppe beseelt und sie für die Stunde der Gefahr auch in den schwierigsten Lagen zu großer Hingabe befähigt« (Wilhelm Külz). Die Schutztruppe besteht bei Kriegsbeginn aus 796 Offz/Uffz. und Mannschaften, die in der Regel langgedient und landeskun-dig sind. In ruhigeren Zeiten über das Land verteilt, konzentriert sich die Hauptmacht wegen des Bondeisaufstands im Süden. In Windhuk kann Hauptmann a.D. Hugo v. François, Farmer auf Otjihase, mit Ausbruch der Feindseligkeiten hier Stadtkommandant, lediglich über 20 Soldaten verfügen.


Die Festung Okahandja 1904/05

Die aktive Truppe kann sich durch Einberufung von Reserven und Landwehr (764 Mann) und 120 militärisch ausgebildete Baster verstärken. Dazu kommt die Waffenhilfe durch Buren, Witboois und Bethanien
Der Hererokrieg beginnt am 12. Januar 1904, morgens gegen 7.45 Uhr. Zentrum des Geschehens ist vorerst Okahandja, wo 71 deutsche gegen 1.000 Hererogewehre stehen, besonders betroffen sind die Gegenden um Karibib am Südfuß des Erongogebirges und Omaruru im Tal des Eiseb. In der Südwester Nacht vom 12. auf den 13. werden in Windhuk Frauen und Kinder in die Festung gebracht. Am 14., einem Donnerstag, ist Okahandja eingeschlossen, die Telegrafenverbindung unterbrochen, die Eisenbahnbrücke bei Osana zerstört.


Karibib zur deutschen Kolonialzeit

Soldaten und Reservisten unter Leutnant Boysen und Leutnant der Landwehr Voigts, die mit einem Zug mit vorgespanntem MG-Wagen von Windhuk aus Okahandja entsetzen wollen, werden bei einem aufgerissenen Schienenstrang zurückgeschlagen. Boysen, Lokomotivführer Fackert und fünf Mann fallen. Oberleutnant v. Zülows Entsatzkolonne dampft mit einem durch Wellblech und Sandsäcke notdürftig geschützten »Panzerzug« von Swakopmund her, bleibt jedoch bei Waldau stecken. Die Spähpatrouille des Feldwebels Kühnel wird von einer »großen Masse von Wilden« eliminiert.

Die Hiobsbotschaften häufen sich: Im Bezirk Windhuk wurde Vorberg ermordet, bei Omaruru Fuchs, bei Karibib Kronewitter, in Okahandja der Polizeibeamte Tausendfreund. Kaufmann Joost, der zwischen Omaruru und Karibib einen populären Ausschank betrieb, und Unteroffizier Schneidewind haben sie ohne Vorwarnung umgebracht.


Ein Lager der Schutztruppe 1904
Bundesarchiv

Noch am 14. Januar war beim Militärposten Waterberg, dem Omuverume der Herero, viel deutsches Blut geflossen. Unter den 17 Toten Sargent Rademacher, Unteroffizier Kottier, Graf Dohna und der Kaufmann Sonnenberg, den sie vor den Augen von Frau und Kind erschlugen. Missionar Wilhelm Eich aus Dierdorf, Chef der Hereromission, war mit dem Leben davongekommen, da Maharero befohlen hatte, Frauen, Kinder, Engländer und Missionare zu schonen - die Familie des Missionars Kuhlmann wird nicht getötet, dafür sieben Wochen im Ochsenkarren mitgeschleppt.

Franke, über Heliografen informiert, bricht in Gibeon südlich von Mariental mit seinen Reitern, der 2. Feldkompanie und 1 Feldgeschütz unter Oberleutnant Griesbach auf, erreicht Windhuk in nur vier Tagen. Den Eilmarsch haben schwere Regengüsse zum Gewaltmarsch gemacht, was eines Tages zu den Denkwürdigkeiten des Krieges zählen würde. SMS. Habicht unter Kapitän zur See Gudewill, das halbwrack in Kapstadt gelegen hatte, wirft am 18. vor Swakopmund Anker. Ein Landekommando unter leutnant Gygas (54 Mann, 1 MG, 2 Rev.-Kanonen) übernimmt die Sicherung der Bahnstrecke bis zum Depotplatz Karibib. Oberleutnant Volkmann weist einen Angriff bei Grootfontein ab.


Victor Franke

Die Truppler erobern die Militärstation Otavi zurück, Franke im heftigen Gefecht bei Teufelsbach, nördlich von Windhuk. Okahandja wird ausgerechnet an Kaisers Geburtstag entsetzt: »als sich Soldaten und Besatzungsleute zu einer Geburtstagsfeier zusammenfinden wollen, erhalten sie überraschend heftiges Feuer, was durch einen würdigen Gegenschlag erledigt wird«. Leutwein bricht zur Vermeidung eines Zweifrontenkriegs den Feldzug im Süden ab, Kurt Streitwolf, Oberleutnant aus Heide im Dithmarschen, macht seinem Namen bei Gobabis alle Ehre.

Ende Januar nutzt Ovambo-Nebenhäuptling Nechale die Situation, um mit 500 Kriegern Namutoni, den nördlichsten Truppenposten, anzugreifen. Sieben tapfere Reiter - Unteroffizier Fritz Grossmann, San.-Sgt. Bruno Lassmann, die Gefr. Albert Lier und Richard Lembke gehören dem aktiven Sol-datenstand an, Karl Hartmann, Jakob Basindowsky und Franz Becker sind flüchtige Farmer - schlagen den Angriff ab. »100 bis 300 tote Ovambos«, im Zweifelsfall auch mehr ..., der Legendenbildung sind keine Grenzen gesetzt. Den glorreichen sieben gelingt die Flucht in Richtung Tsumeb-Station in der Nacht. Namutoni wird zerstört.


Das deutsche Fort Namutoni

Oberleutnant Winkler, in Berlin mit Regimentsmusik, donnernden Hurras, »Glück Euren Waffen« und »Adieu, Kameraden« verabschiedet, an Hamburgs Petersenkai (Schuppen 28) eingeschifft, landet mit 230 Trupplern in Swakopmund. Die Frischlinge, auch Klippdachse oder Schweißfußindianer genannt, sind für Europa ausgebildet, kommen aus Unkenntnis von Land und Leuten so auch schnell aus dem Tritt: »Als wir uns anschickten, die [Maul-]Tiere einzuspannen, lief fast die Hälfte weg.« (Richard Christel) Der eine oder andere kommt dazu aus dem Trab: die Soldaten repräsentieren alle Waffengattungen, was in der Schutztruppe, organisatorisch eine berittene Infanterie, häufig den Nachteil hat, dass der reitende Fußsoldat nichts von Pferden versteht.

Die Neuen haben die Schiffsreise für Schießübungen mit dem Karabiner 98 genutzt, einmal auf den sonnendurchglühten Sandpads fehlt ihnen für Marschtiefe und -geschwindigkeit die Kondition. Berlin hat zu viel Wert auf die Artillerie gelegt, das Maschinengewehr vernachlässigt, was sich nachteilig bemerkbar machen muss. Die Kulturarmut des Landes, das ohne Wege und Wasser auf weiten Strecken einer Wüste gleicht, die Eigenart des Gegners, der keine Uniformen trägt, die so andere Kriegsführung: »Von fünf gefangenen Herero haben wir vier aufgehängt, der fünfte wird zu Arbeiten herangezogen.« (Hauptmann Victor Franke aus Zuckmantel)..., so macht Kriegführen absolut keinen Spaß, so hatte man sich den Krieg auch nicht vorgestellt. Franke schlägt die Herero am wild zerklüfteten Kaiser-Wilhelmberg, für jene, die dabei waren, die glänzendste Waffentat des Krieges. Franke rückt nach Karibib vor und entsetzt seinen Garnisonsort Omaruru. Mit Franke hat der Krieg seinen ersten Überhelden, was 1908 vor Ort zur Errichtung des massigen, aus Felsstücken des Hauptkampfplatzes zusammengesetzten Franketurms führt.


Franz Georg v. Glasenapp
Bundesarchiv

Mit dem Eintreffen des Marine-Expeditionskorps, 2 Seebataillone (Btl.) unter Major Georg v. Glasenapp, fühlt sich Leutwein stark genug, um die zum Krieg angewachsene Empörung gezielt niederzuschlagen. Die Westabteilung Estorff (2., 4. Feldkompanie, 3. Kompanie des See-Btl., Artillerie) übernimmt den Distrikt Omaruru. Die Hauptabteilung Leutwein (5., 6., und 7. Ko., Artillerie, 2 Masch.-Kanonen, 1. Ko. des See-Btl.) geht gegen Mahareros Hauptmacht bei Otjosonjati und Ogandjira vor. Die Ostabteilung Glasenapp (1., 4. Kompanie des See-Btl., Kompanie Winkler, Kompanie Eggers, Artillerie) hat Tjetjos Streitmacht, die Abteilung Gygas die Otjimbingwe-Herero als Gegner.


Soldaten der Schutztruppe in einem Zelt für Verwundete

Die Herero, um die 8.000 Krieger mit ca. 6.000 Gewehren, zum Teil noch mit Vorderladern und Munition aus Heimproduktion, stehen mit Frau, Kind und Vieh konzentriert in den Onjatibergen, im Khomashochland und zwischen dem Kleinen und Großen Waterberg. Mahareros Vorhersage, wonach »ganz Afrika gegen die Deutschen fechten« würde, hat sich bis dato nicht erfüllt. Abteilung Fischel unterliegt bei Seeis, Gygas besiegt den Gegner im Gefecht von Lievenberg. Die Truppe setzt sich bei Groß-Barmen durch. Franke kann die Herero von der Wasserstelle Otjihinamaparero vertreiben, doch der 13. März wird zum Unglückstag. Glasenapp, der Tjetjo an der Wasserstelle Owikokorero stellen will, gerät mit seinem Stab und 36 Reitern in eine Falle. Von 11 Offizieren fallen 7, darunter der »alte Afrikaner« Hugo v. François und Oberleutnant Eggers, Leutnant Thiesmeyer und Marinearzt Veiten. Glasenapp und 19 Soldaten wurden verwundet.

Bei Okaharui kommt es Anfang April zum verlustreichen Gefecht zwischen Tjetjo und der 1. Kompanie des See-Btl. Zwei Tage später zwingt der Ausbruch von Typhus Glasenapps Ostabteilung in Quarantäne, wird die Missionsstation Otjihaenena Typhuslazarett. Für das Gefecht von Onganjira, das Leutwein gegen 3.000 Herero stellt, hat der Gegner das Gelände gewählt. Erst der massierte Artilleriebeschuss entscheidet, doch die Deutschen erlitten erhebliche Verluste. Nach dem Gefecht von Oviumbo, wo das Umland Artillerie nicht zur Geltung kommen ließ, zieht sich Leutwein zurück, um Verstärkungen abzuwarten. Des Kaisers Souffleure widersprechen, glauben, dass der Badener eine Beinahe-Niederlage kaschieren will. Abgesehen davon: Ein deutscher Offizier weicht vor Gegnern, die gestern noch Kuhhirten, Ochsentreiber oder Bambusen waren, nicht zurück. Nicht wenn er in der Unterzahl kämpfen muss, nicht im afrikanischen Dornbusch.

Drei Monate nach dem Kriegsausbruch ist Leutwein, der jahrelang taktisch kluge Kreuz- und Querzüge gegen Friedensstörer führte, auch anderweitig angezählt. Aufgebrachte Kolonisten kritisieren seinen Optimismus: »nicht mit Blut und Eisen nach der Art eines Tartarenkhans sollte die Kolonialpolitik betrieben werden, sondern mit Verständnis für die historisch gewordene Eigenart der vorgefundenen Bevölkerung«. Leutwein habe den Ernst der Lage viel zu spät erkannt, die Kampfkraft des Gegners unterschätzt. Der Pfarrersohn aus Strümpfelbrunn sei zudem ein Kaffernfreund, was ihn für eine Reihe empfindlicher Schlappen verantwortlich mache.

Nach dem für sie Ende April ungünstig verlaufenen Gefecht von Okangundi setzt sich die Hauptmacht der Herero zum Waterbergmassiv, einem über 1.600 m aufsteigenden wasserreichen Gebirgsstock der Hochlandtafel östlich von Otjiwarongo, ab. Dort kann sich Maharero den Abschluss eines Verhandlungsfriedens vorstellen, allerdings auch eine Entscheidungsschlacht.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien