Trotha kommt - Die Schlacht am Waterberg


Die Ankunft von Generalleutnant Lothar v. Trotha

Zu wenig ist einfach zu viel gewesen, Mitte Mai löst Berlin Leutwein von seinem Frontkommando ab. Sein Nachfolger, Generalleutnant Lothar v. Trotha, zuletzt Div.-Kommandeur in Trier, landet am 11. Juni, einem Samstag, in Swakopmund. In seiner Begleitung reist mit Oberleutnant v. Lettow-Vorbeck kein gewöhnlicher Offizier, doch das ist auch alles andere als ein gewöhnlicher Krieg. Trotha, ein Mann mit Gespür, sich in Szene zu setzen, hat der Kampf mit Franzosen, Afrikanern und Chinesen gestählt. In Deutsch-Ost war er während des Wahehe-Aufstands zur generellen Erkenntnis gekommen, »dass sich die Neger keinem Vertrag, sondern nur roher Gewalt beugen«, was den Haudrauf, wenn man so will, zur Antithese zu Leutwein macht.

Nur harte und heroische Entscheidungen führen zum Frieden, einer wie er kennt die Welt, auf einen wie ihn ist Verlass: »Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld«, je eher, desto besser. Wo genau er den Feind in Wild-(Süd-)West vernichten würde, weiß er noch nicht, weil es im Prinzip ja auch nebensächlich ist. Der Truppenaufmarsch gegen das Waterbergmassiv, wo es Trotha mit einer großen, weit ausholenden Offensive jetzt richtig krachen lassen will, beginnt Anfang August.


Das Waterberg Plateau

Am Waterberg haben sich um die 35.000 Herero (Männer, Frauen, Kinder) mit rund 10.000 Stück Großvieh versammelt. Die Zahlen müssen nicht unbedingt richtig sein, sind sie doch lediglich geschätzt. Am Waterberg will Trotha Kolonialgeschichte schreiben, wie sie zuvor auch Engländer, Franzosen oder Portugiesen schrieben. Wenn alles nach Schlachtplan läuft, würde der Gegner an der Südseite des Bergmassivs so eingekesselt, dass er nicht ausbrechen, entweder militärisch vernichtet oder zur Übergabe gezwungen werden kann. Franke, der Sieger vom Kaiser-Wilhelmberg, nennt den Plan von vornherein quartanerhaft, wobei zu berücksichtigen ist, dass er als »alter Afrikaner« wenig Sympathien für Neuankömmlinge wie Trotha oder Deimling hat.

Zur Entscheidungsschlacht, die eher eine Serie von zum Teil weit auseinanderliegenden Gefechtshandlungen ist, geht die Truppe mit sechs Abteilungen in Stellung. 96 Offz/Uffz. mit 1.392 waffentechnisch und taktisch überlegenen Soldaten, mit 30 Geschützen und 12 MGs, durch Hilfstruppen der Witboois und Baster verstärkt, gegen knapp 6.000 Hererogewehre. Die Frontlinie ist 40 km lang, weist allerdings Lücken auf. Am Abend vor dem 11. August war es Leutnant v. Auer gelungen, eine Lichtsignalstation in Gang zu bringen, damit die Truppe entsprechend kommunizieren kann.


Die Schutztruppe beim Verladen von Kriegsgerät im Bahnhof von Windhuk

Am nächsten Morgen geht es bei Sonnenaufgang los. Trothas Hauptabteilung stößt von Ombuatjipiro gegen die Schwarzen vor. Oberst Deimling kommt von Omuveroume, von der Heyde von Okakarara. Die Angriffe, als Infanteriegefechte geführt, schlagen nicht durch, lediglich Estorff, der von Otjosongombe her als erster am Feind ist, richtet gegen die sich tapfer schlagenden Herero etwas aus. Verlustreich geht es bei der Wasserstelle Hamakari zu.

Am Tag darauf drängt Deimling Flügel und Front des Gegners zusammen. Die Herero, von vier Seiten angegriffen, erkennen die Aussichtslosigkeit ihrer Lage, übergabebereit oder gar geschlagen sind sie nicht. Anstatt sich in die Feuerzone treiben zu lassen, binden sie durch Angriffe zwei Abteilungen östlich und südöstlich des Waterberges, reißen dadurch größere Lücken in den Einschließungsring. Das Gros der Krieger kann mit Familien und Herden am Streitwolfschen Weg und Hamakari-Rivier, wo die Abteilung Heyde stehen soll, nach Südosten entkommen. Trotha und seinem Stab waren die Stellen bekannt, mit einem Durchbruch in Richtung auf das Sandfeld-Omaheke-Durstgebiet hatte niemand gerechnet. Am Waterberg bleiben viel Vieh, viele Habseligkeiten und ein paar Leichen zurück. Die Herero haben das Gesetz des Handelns weiterhin in der Hand, ins Durstgebiet »abgedrängt« wurden sie nicht, doch die Ortswahl war sicher die katastrophalste, die sich die Orlogleute ausdenken konnten. Eine Durchquerung der Omaheke etwa entlang der Trockenflussbetten Eiseb und Epukiro ist schwierig, jedoch möglich. Zum Schicksal der ohne Proviant oder Wasser Flüchtenden wird erst, dass es im Hereroland zuvor gut geregnet hatte, doch ausgerechnet in der Omaheke-Region nicht.

»Wir ließen die schwarzen Teufel auf zirka 300 Meter herankommen, dann gings aber los. An das Geschütz treten und losschießen war das Werk eines Augenblicks. Wie mit einer Sense hingemäht fielen die Kerle massenhaft, denn ein solches Maschinengewehr gibt zirka 500 Schüsse in einer Minute ab« (aus dem Kriegstagebuch eines Reiters am Waterberg). Trotha dann an den Kaiser: »Jeder Einzelne war ein Held.« Der Kaiser an Trotha: »Mit Dank gegen Gott und hoher Freude habe Ich Ihre Meldung aus Hamakari über den erfolgreichen Angriff auf die Hauptmacht der Herero empfangen. Wenn bei dem zähen Widerstand des Feindes auch schmerzliche Verluste zu beklagen sind, so hat die höchste Bravour, welche die Truppen unter größten Anstrengungen und Entbehrungen nach Ihrem Zeugnis bewiesen, Mich mit Stolz erfüllt. Wilhelm.«

Die Kolonial-Gesellschaft kommt zu dem Schluss: »Allenthalben ergab sich, dass der moralische Erfolg des Gefechts am Waterberg ein durchschlagender war.« Eine einseitige Begegnung war es allerdings nicht. Der Gegner kannte jeden Fußbreit Boden, wusste, wie man sich im Dornbusch bewegt, wie man sich dort camoufliert. In der Truppe waren es Landfremde, die überwogen, viele von ihnen an Typhus erkrankt. Die Artillerie hatte Probleme, dem Kampfgeschehen zu folgen. Mit dem Schweigen der Waffen mussten 5 Offiziere und 21 Soldaten der afrikanischen Erde übergeben werden: in Decken gehüllt, ihre Gräber mit vielen Steinen beschwert, wegen der Geier und der Hyänen. Sieben Offiziere und 53 Mann sind verwundet.

An eine unmittelbare, gezielte Verfolgung laut Führungsvorschrift ist nicht zu denken, Trothas großes Strafgericht nur ein halber Erfolg. Hunderte von Truppenpferden sind verendet, Reserven fehlen, die Truppe ist erschöpft. Die Wasserstellen am Waterberg sind mit Tierkadavern gefüllt, die Deutschen dort erst einmal auf Wassersuche.

Mühlenfels und Deimling folgen den Hererospuren am 13., geben am Tag darauf wegen Wasser- und Weidemangels wieder auf. Trotha bleibt die ehrenvolle siegreiche Schlacht versagt, würde das Kriegsziel jetzt doch erst im roten Sand der Omaheke erreicht: »Wenn es mir nicht gelang, sie durch Geschütze zu schlagen, so muss es auf diese Weise geschehen«. »Wie die kommenden Ereignisse indessen lehren sollten, wurde gerade dieser fluchtartige Abzug der Herero nach Südosten in die zu dieser Zeit wasserlose Omaheke ihr Verhängnis. Die Natur ihres Landes sollte ihnen ein vernichtenderes Schicksal bereiten, als es je die deutschen Waffen selbst durch eine noch so blutige und verlustreiche Schlacht hätten tun können« (Generalstabswerk, Berlin 1906). Das eigentliche Drama spielt sich dann auch auf der dunklen Bühne des Sandfeldes ab,
wo zwei Drittel der Flüchtigen umgekommen sein dürften: »Wenn sie an einen Sandbrunnen kamen und es gab Wasser, dann tranken die Krieger. Die Frauen tranken nicht, damit die Krieger Kraft hätten zu kämpfen. Und wenn sie Hunger hatten, sagten die Männer zu den Frauen: Das Kind kann ruhig sterben. Ich muss aus deiner Brust die Milch saugen, denn ich kann nicht anders, damit ich kämpfen kann« (Alex Kaputu).

Estorff und Heyde verhindern den Durchbruch des Feindes bei Omatupa. Trotha geht wegen des Namaaufstands nach Windhuk zurück, lässt den Norden jedoch in bewährten Händen. Die Deutschen riegeln den Süd- und Westrand der Omaheke auf rund 250 km ab, Patrouillen besetzen die Wasserstellen. »Wir lagen an den letzten großen Wasserstellen vor dem Sandfelde, die ergiebig und schön waren, und machten gelegentlich Züge in das Sandveld. Sie waren sehr anstrengend und wenig ergiebig, denn wir fingen nur noch Versprengte und wenig Vieh« (Estorff).


Generalleutnant Lothar v. Trotha

Der Generalstabsbericht: »Die Verfolgung des geschlagenen Feindes zeigte die rücksichtslose Energie der deutschen Führung in glänzendem Licht. Keine Mühen, keine Entbehrungen wurden gescheut, um dem Feinde den letzten Rest seiner Widerstandskraft zu rauben: wie ein halb zu Tode gehetztes Wild war er von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis er schließlich willenlos ein Opfer der Natur seines eigenen Landes wurde.« Erst als die Regenzeit kommt, als sich die Bühne allmählich erhellt und deutsche Patrouillen bis zur Grenze des Betschuanalandes vorstoßen, sollte sich ihnen das grauenhafte Bild verdursteter Heereszüge enthüllen, »das Röcheln der Sterbenden, das Wutgeschrei des Wahnsinns«.

Trotha: »Ich, der große General der deutschen Soldaten« wäre nicht Trotha, hätte er es jetzt dabei belassen. Dieser Aufstand sollte der letzte sein, die Zeiten waren alles andere als human. Anfang Oktober verliest er gleich nach dem Feldgottesdienst in Ozombo ja Windimbe eine Proklamation, um Landeskindern zu zeigen, wie exemplarisch gegen jene vorgegangen wird, die sich gegen ihre Kolonialherren erheben. Trotha sagt: »Ich sage dem Volk: Jeder, der einen der Kapitäne an eine meiner Stationen als gefangen abliefert, erhält 1.000 Mark, wer Samuel Maharero bringt, erhält 5.000 Mark. Das Volk der Herero muss jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen.« Und dann sagt er: »Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen.« Er sagt und meint es sicher auch, was Lothar v. Trotha zum Symbol des häßlichen Kolonialdeutschen macht.


Die Schutztruppe während des Hererokrieges

Der Rigorismus des Oberkommandierenden, »alles, was schwarze Farbe hat, niederzuschießen« (Bebel), entsetzt Freund und Feind, aus der Koalition der Empörten meldet sich Liebknecht mit: »Vor Deutsch-Südwestafrika erbleichen selbst die Sterne eines Cortez, selbst eines Pizzaro« zu Wort. Kolonialdirektor Oskar W. Stübel erklärt in Berlin, damit offiziell, dass es doch zu den Grundzügen des deutschen Charakters zähle, »zu Grausamkeiten und Rohheiten nicht geneigt zu sein«.

Bülow verurteilt mit einem »die vollständige Ausrottung der Herero würde das gebotene Maß der Bestrafung übersteigen« den Schieß-, dann auch den Kettenbefehl, nach dem Gefangene ihren Arbeitsdienst in Ketten ableisten sollen. Der Kaiser, dafür bekannt, dass er gerne »den zerschmettere Ich« sagte, hebt beides auf, um noch größeren Imageschaden zu vermeiden. 1904 würden die Herero, die keine Jahreszahlen kennen, ojombindu, das Jahr des Blutvergießen nennen, was zweifellos stark untertrieben ist. Sind die Herero, die den Krieg und den anschließenden Frieden überleben, jetzt doch keine viehzüchtenden Nomaden mehr, sondern Taglöhner, die zum Schuldabtragen für Weiße arbeiten. Wo sie gehen und stehen, müssen sie Messingmarken mit einer Nummer tragen. Ihr heiliges Feuer ist erloschen, der Stammesverband und Ahnendienst vorerst dahin. Ihr Oberhäuptling sitzt im Betschuanaland, wo ihm die Engländer Asyl zusagten, Hereroland ist Kronland, das die Regierung zur Besiedlung freigeben kann.


Deutsche Schutztruppler bewachen gefangene Herero

Über die Frage, wie viele Herero getötet wurden, wie viele umgekommen sind, würden sich Historiker, die glauben, die Deutungshoheit zu haben, bis heute streiten. Ohne Zweifel waren es viele, viel zu viele. Mit seiner Eingeborenenpolitik in Scherben, erhält Leutwein noch kurzfristig das Kommando im Süden, wird dann jedoch durch Deimling ersetzt. Der Badener verlässt Südwest »wegen angeschlagener Gesundheit« im November. Sein »Na dann proscht« - unter den großen Weinkennern des Landes war der Gouverneur der größte gewesen - würde einigen Südwestern fehlen. Einer wie Leutwein, der im Sonnenland erst die Übersicht, dann den Befehl verlor, sollte erleben, dass Vergangenheit nie so richtig vergehen wollte, erfuhr er doch, bereits aus Amt und Würden, was S.M. inzwischen tatsächlich von ihm hielt. Normalerweise hätte ..., doch es ist nicht normal. Als der Kaiser eines Tages an Leutweins Haus am Bodensee vorbeikommt, straft er ihn strikt durch kaiserliches Übersehen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
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Und plötzlich morden die Nama

Als es ganz danach aussieht, als ob das Land befriedet werden könnte - die Schutztruppe hetzt den letzten flüchtigen Herero hinterher -, braut sich im Süden ein neuer Sturm zusammen. Die Truppe hat eine verstärkte Kompanie unter Major v. Lengerke vor Ort, was offenbar zu wenig ist, um den »Herero-Bastard« Jakob Morenga zu stellen. Morenga, der als Kopfbedeckung nur den Schutztruppenhut trägt, kann mit gerade mal 60 Gewehren ganze Landstriche östlich der Karrasberge zu Schauplätzen seiner Abrechnung machen.


Blick auf die Karrasberge

Im Kap-Boy Morenga (die Mutter ist Hottentottin, der Vater Herero) hat Windhuk den geradezu genialen Gegner. Der legendäre Schimmelreiter - »eine unter den Negern ganz ungewöhnliche Erscheinung«, (Berlin) liefert einer 32-Reiter-Patrouille am Schambockberg Ende August ein Gefecht, das für Leutnant Nikolai Baron v. Stempel und vier Mann das letzte ist. Gleich danach überfällt er die Patrouille des Unteroffiziers Ebernickel bei Garabis. Lengerke kann er in Platbeen, den Hauptmann Fromm bei Gais und Hauptmann Wehle im Gefecht von Wasserfall schlagen.


Jakob Morenga (Mitte)

Wenn es um die Situation im Süden geht, setzen Militärs und Zivilbeamte auf des 80-jährigen Witboois christliches Ehrgefühl und Loyalität. Hendrik hatte seit der Naukluft zur deutschen Fahne gestanden, der Truppe gegen die Herero mit 150 Spähern und Fährtenlesern ausgeholfen. Der persönliche Draht zu Noch-Gouverneur Leutwein und Henning v. Burgsdorff, Bezirkschef von Gibeon, war hilfreich bis hierher. Mit was Windhuk nicht rechnet, ist der Einfluss des Propheten Stürmann, der dem alten Witbooi zur göttlichen Weisung »Afrika den Afrikanern« verhalf. Das Schicksal der Herero vor Augen, geht Hendrik davon aus, dass alles, was nicht weiß ist, jetzt ausgerottet werden soll, selbst ein Frieden mit den Deutschen »den Tod für mich und mein Volk« bedeuten muss.« »Solange es Hottentotten oder Buschleute gibt, wird es Räuber- und Diebesgesindel geben«: Tatsächlich sind Falken laut geworden, die jetzt dazu drängen, nach den Schwarzen auch Schluss mit den Gelben zu machen, um endlich Herr im eigenen Haus zu werden.


Kündigte das Bündnis mit den Deutschen mit einer Kriegserklärung auf: Hendrik Witbooi

Den Vertrag, den er mit Leutwein geschlossen hat, will Hendrik nicht brechen (es existiert eine Fotografie, die Leutwein und Witbooi kumpelhaft beim Sekttrinken zeigt. Aus seiner Sicht war das Abkommen jedoch zwischen ihm und Leutwein zustande gekommen, nicht zwischen ihm, Kaiser und Reich.

Okaharui oder Onganjira ..., die Herero haben vorgeführt, dass Deutsche verwundbar sind. Aus den Kämpfen am Waterberg liest Hendrik den Sieg der Verlierer heraus, weil ihnen der Ausbruch gelungen ist. »Die [deutsche] Zeit ist vorbei, und der Heiland will nun selber wirken und uns erlösen durch seine große Güte und Barmherzigkeit«, der Grund, warum die Deutschen den Namaaufstand jetzt religiösem Wahnsinn zuschreiben.

Die Bündnistreue kündigt Hendrik am 3. Oktober 1904 mit einer förmlichen Kriegserklärung auf. Seine Witboois sammeln sich, rund 600 Gewehre stark, beim Stammsitz Rietmont und bei Kalkfontein. Als Feldzeichen dient ihnen das weiße Tuch am Hut. Den Witboois - »für Gutes und Böses gleich leicht beeinflussbar«, (Vedder) schließen sich Simon Koppers Fransman, Hans Hendricks Feldschuhträger, die Bondels unter Johannes Christian und die Nordbethanier unter Cornelius mit rund 600 Orlogleuten an. Die Rote Nation stellt 190 Krieger. Dazu kommen flüchtige Herero, jene Witbooi-Späher, die sich mit ihren Waffen aus dem Hereroland absetzten, und natürlich Morenga.

Witboois Aufstand beginnt auf Farm Mariental. Dort wird Burgsdorff, der vermitteln will, vom Baster-Nama Salomon Saal hinterrücks erschossen. Gleich darauf ist die Hölle los. Im Süden der Kolonie werden 38 weiße Farmer und Polizisten ermordet. Unter den ersten Opfern ist Missionar Wilhelm Holzapfel, der mit den Gelben ein paar Stunden zuvor noch über die im Christentum wurzelnde Lebensbejahung gesprochen hatte. Danach war gemeinsam gebetet worden. Die Witboois, kriegskundig, gut beritten und bewaffnet, sind Meister des blitzschnellen Überfalls auf eine marschierende Kolonne. Die Gelben greifen die Telegrafenstation Falkenhorst an, schlagen sich bei Narib mit der Patrouille des Hauptmann v. Krüger, bei Nomtsas mit Leutnant Steffen, bei Kunjas mit Landwehr-Unteroffizier Raabe und mit Leutnant v. Brandt vor der Kamelbaum-Station. Kaum ein Tag so auch, an dem nicht irgendwo geschossen wird.


eine MG-Stellung der Schutztruppe

Trotha warnt: »Ich frage Euch in Vertretung des mächtigen deutschen Kaisers, wo ist heute das Volk der Herero, wo sind seine Häuptlinge? Nicht anders wird es dem Volk der Hottentotten ergehen.« Seinen Worten schickt er Oberst Deimling zur Waffenabrechnung hinterher. 300 Witboois greifen die Militärstation Kub unter Hauptmann v. Krüger an. Deimling trifft gerade noch rechtzeitig ein, um den Angriff abzuschlagen. Zwölf brave Reiter sind auf dem Feld der Ehre geblieben. Der durch die Bondels verstärkte Morenga und »die unter Durstqualen aufmarschierte« 3. Kompanie unter Koppy liefern sich bei Alurisfontein ein heißes Gefecht. Die Truppe zählt 22 Tote, Verwundete und Vermisste. Koppy schlägt Morengas Angriff auf Warmbad zurück, die 7. Kompanie unter Oberleutnant Grüner hält sich bei Litfontein.


Kamelreiter der Schutztruppe (1904)

Die Witboois lassen beim Rückzug von der Naris-Quelle dort 60 Tote und 12.000 Stück Vieh zurück. Abteilung Lengerke reibt bei Koes die Feldschuhträger auf. Bei Stamprietfontein trifft Leutnant v. Vollard-Bockelberg auf den Gegner ... Der Krieg gegen das Hirtenvolk der Herero ist mit dem Krieg gegen das Jägervolk der Nama nicht zu vergleichen. Selbst die Taten und Helden beider Seiten unterscheiden sich. Die Herero stellten sich dem offenen Kampf mit geballten Kriegermassen, endeten dafür am Waterberg und in der Omaheke. Die Nama weichen einer Entscheidungsschlacht aus, greifen Meldereiter, Nachschubkolonnen und schwach besetzte Posten an, ziehen sich danach in wildes, schwer zugängliches Gebirgsland zurück...

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Witboois Kleinkrieg

Nach Morenga erweist sich auch Witbooi als ein Meister der afrikanischen Kleinkrieg-Führung, wobei zu klären wäre, wer von beiden der Gefährlichere ist. Bei Orlogsende haben rund 2.000 Nama mit ihrer Taktik auf einem 600 x 400 km großen Kriegsschauplatz um die 15.000 deutsche Soldaten beschäftigt, es dabei auf mehr als 200 Gefechte gebracht. Der Feldzug gegen die Nama wirft auch andere Probleme als jener gegen die Herero auf. Da der Süden des Landes von Swakopmund abgeschnitten ist, geht die Versorgung der Truppe über Lüderitzbucht. Dort werden Offiziere, Soldaten und Sanitätspersonal für Front und Etappe, die Abteilungen für Funk- und Feldtelegrafie an Land gesetzt.


Das deutsche Kamelreiterkorps im Einsatz
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Von Lüderitzbucht aus werden die zähen Panje-Pferde aus dem ostpreußischen Masuren, Bespannungsmaultiere und -esel aus Argentinien, Ochsen, Munition und Bedarfsmaterial aus Südafrika zur kämpfenden Truppe transportiert. Um die Inlandtrecks zu decken, hat Trotha Kamele angefordert, was als Geburtsstunde des Kamelreiterkorps gilt. Die Verproviantierung der Truppe kostet monatlich um die zwei Mio Mark, ein guter Teil wird für den herkömmlichen Ochsenwagenbetrieb ausgegeben. Zeitweise sind 11.000 Ochsen, 4.000 Maultiere und 200 Dromedare im Wüstengürtel unterwegs. 75 Prozent des Transport-Nutzgewichts bestehen aus Futter, das unterwegs aufgefressen wird.


Hauptmann Friedrich v. Erckert (1869-1908) aus Bromberg (Posen), der Schöpfer der Kamelreitertruppe

Zu den Kernfragen der Trotha-Truppe zählt, woher das Frischwasser nehmen, ohne das der Soldat nicht kämpfen, das Zugtier nicht transportieren kann: ein Ochse säuft an die 40 Liter wie nichts. Wasser, das mit Tankschiffen aus Kapstadt angeliefert und von Ochsen 25 Tage lang nach Keetmanshoop geschleppt, am Endpunkt zwischen 40 und 50 Mark pro Kubikmeter kostet. In ihrer Wasser-Not installiert die Truppe Kondensatoren zur Entsalzung von Meerwasser, die das teuerste Trinkwasser der Welt produzieren. Mobile Geräte, die Tümpelwasser mit Berkefiltern biologisch reinigen, gehen ins Feld. Wasser und immer wieder Wasser ..., der Durst als der schrecklichste Feind der Kriegsführung, worüber der Kampf um eine Wasserstelle zum ruhmreichsten in der Südwester Kriegsgeschichte wird:

Zum Jahreswechsel 1904/05, damit in der heißesten Zeit, werfen sich die Witboois der von Stamprietfontein her das Auob-Rivier entlang marschierenden Abteilung Meister entgegen. Die Gelben sind mit modernen Hinterladern ausgerüstet, ein Teil trägt deutsche Beuteuniformen, reitet deutsche Pferde. Der eine oder andere Führer gibt, bevorzugt mit dem erbeuteten Säbel in der Hand, Kommandos auf Deutsch.


In Groß Nabas wurde später die gefallenen Deutschen geehrt

Zwischen dem 2. und 4. Januar kommt es bei der Wasserstelle Groß-Nabas zum 54-Stunden-Gefecht, das hinterher beschrieben und immer wieder beschrieben wurde. Hendrik, bei dem sich der Unheil predigende Prophet Stürmann aufhält, hat sich durch 250 Herero unter Frederick Maharero verstärkt, womit der Feind der Truppe numerisch gleich fünffach überlegen ist. Die Witboois kennen jede Klippe der Örtlichkeit, viel wichtiger noch, dass sie die Wasserstelle halten. Major Meister setzt auf die fast abergläubische Furcht der Gelben vor dem Großen Rohr (der Artillerie) und dem langen Messer (dem Bajonett).

Auf dem Talkessel lastet sengende Hitze, um Mittag steigt die Temperatur auf über 40 Grad. Die Truppler, vom stundenlangen Liegen im glühend heißen Sand mit Brandblasen überzogen, haben ihre Wassersäcke und Feldflaschen geleert. Was einzig noch vor dem Verdursten rettet, ist das Blut getöteter Pferde und der eigene Urin.
»Wasser! Die Witboois halten es fest - Um den Trunk tobt seit drei Tagen der Tod - Wasser! Dann mag mich fressen die Pest! - Nur ein Tropfen in letzter Not!« (Detlev v. Liliencron, den Kriegs- und Heldengeschichten faszinieren).


Major Freiherr v. Nauendorff, gefallen im Kampf um die Wasserstelle

Freiherr v. Nauendorff liegt nach einem Unterleibsschuss tödlich verwundet am Boden: »Getroffen im Unterleib ächzt der Major/In der furchtbaren Hitze drei Tage lang. - Kein Arzt. Er rafft sich vergebens empor: Was-ser. Er hört nur Höllengesang.« Nauendorff, um den es hier geht, bietet 10.000 Mark für einen einzigen Schluck und stirbt gleich darauf den Heldentod. Leutnant v. Vollard-Bokkelberg läuft dem Gegner im Delirium entgegen und fällt. Die Geschützmunition ist knapp, Kanoniere schießen nur noch im Ausnahmefall. Am Abend knien Offiziere und Mannschaften nieder, um gemeinsam zu beten.
»Und dann kam der Tag - da der Mordfeind lag - hinter Felsen und Klippen - kein Trunk auf den Lippen - das Fieber glüht in den Adern - wir aber stürmten die Quadern - mit wildem Hurra!« (Wilhelm Kotzde) ... Am Vormittag kann die Truppe, obwohl total erschöpft und dem Verdursten nahe, die Felsenfeste mit dem in der Sonne blinkenden Bajonett erstürmen, Hurras brüllten sie immer. 22 Mann sind gefallen, 47 verwundet. Die Gelben lassen 70 Tote zurück.

Abteilung Ritter, durch eine frisch aus dem Reich eingetroffene Ersatzkompanie und eine Gebirgsbatterie verstärkt, ficht bei Haruchas im Auobtal gegen Simon Kopper. Leutnant Stuhlmann und Leutnant Graf Stosch verlieren bei Gochas vier Reiter. Abteilung Lengerke hat es bei Swartfontein mit Kopper zu tun.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Der Feldzug gegen Morenga

Mit den offiziell besiegten Witboois - Hendrik ist, um seine Verfolger zu narren, in der Kalahari verschwunden - kann sich Deimling jetzt gezielt auf den Kap-Boy Morenga konzentrieren, den er mit 400 Mann, 13 Kompanien, mit 22 Geschützen und zwei MGs in höchst blutige Gefechte verwickelt. Im März gehen vier Abteilungen aus vier Richtungen gegen Morenga vor. Der Schimmelreiter kann die Abteilung Kirchner bei Kosis und Aob am Rand der Großen Karrasberge schlagen, unter den 11 Gefallenen ist der Artillerie-Hauptmann Georg Kirchner.


Morenga (4.v.l.) vor dem Krieg bei einer Zusammenkunft mit den Deutschen

Am Tag darauf gerät er bei Narudas zwischen die Abteilungen Kamptz, Lengerke und Koppy. Morenga erleidet schwere Verluste, entkommt jedoch in die Karrasberge. Den Deutschen lässt er 50 Pferde, 700 Rinder und 7.000 Stück Kleinvieh zurück. »Die Erbeutung oder Nichterbeutung von Vieh ist der sicherste Maßstab dafür, ob ein Gefecht mit Eingeborenen einen wirklichen Erfolg im afrikanischen Sinne bedeutet oder nicht.«

Die Abteilung Manger schlägt sich am Elefantenfluss, verliert sieben Mann. Im April fällt Siegfried v. Bülow während eines Patrouillenritts bei Huams. Der Schweriner hatte in Kamerun an der Unterwerfung des mohammedanischen Nordens teilgenommen, bei Marua war es sein Massentöter MG gewesen, der die Schlacht gegen den Sultan von Jola entschied.


Der Grabstein von Thilo v. Trotha

Estorff kämpft bei Mukorob (Mukurob), Häring bei Kowes, Siebert bei Leukop, Kamptz, zuletzt Kommandeur der Kameruner Schutztruppe, bei der Wasserstelle Narus. Bei Kanibes reitet der Wahlstadter Patrouillenreiter Thilo v. Trotha, ein Neffe des Generals, in den Tod. Sein Grabstein, den ihm seine Familie am Fischfluss errichtet, würde eines Tages zur ausgesprochenen Touristenattraktion werden.
Angesichts der vielen Toten werden die Stimmen der Lebenden laut. Die ganze Welt weiß inzwischen, wer Trotha ist, die internationale Presse sucht sich einen wie ihn immer wieder als Hererofresser und Buhmann aus. Die Heimat will seine Ablösung.


Die Gegend von Mukurob, mit den damals noch existierenden "Gottesfinger"-Felsen.

In der Kritik steht Trotha längst nicht mehr alleine. Kriegs- sind immer auch Krisenzeiten, doch ob Herero oder Nama ..., Proviant- und Bekleidungsämtern, Konservenfabriken und Remontedepots ist nahezu jeder Gegner recht. Werften, Waffen- und Munitionsfabriken erhalten lukrative Kontrakte, wodurch es einigen Kaufleuten besonders gut geht. Krupp, Loewe, Hagenbeck oder Stumm ..., mit jedem Namen ist zumindest ein Skandal verbunden, der den Kaiser, der auch Souverän von Tschu tscha tau, Bagamayo oder am Otjihanamapareroberg ist, in Erklärungsnot bringen muss.

Ausstatter der Truppe, die durch etwas, das sie Übersee-Equipierung nennen, vom Krieg mehr als vom Frieden profitieren, sorgen für politischen Wirbel. Adolph Woermann nutzt seine Monopolstellung in der Afrikafahrt maßlos aus. Die Berliner Tropenfirma Tippeiskirch & Co, die die Soldaten einkleidet und equipiert, hat ihren Umsatz mit weit überhöhten Preisen von zwei Mio (1903) auf 11 Mio Mark (1904) erhöht...
Hauptmann Pichler, gerade erst in SWA eingetroffen, fällt bei Kleidorus. Lettow-Vorbeck hetzt mit Rittmeister Haegele Morenga hinterher. Major Meister steht bei Nubib in den Zanisbergen nach sechs Stunden Aufstieg fünf Stunden im erbitterten Kampf. Hauptmann Friedrich v. Erckert kämpft bei Nochas gegen Morenga und Johannes Christian.

Zwischendurch der Hauruck-Redner in Berlin: »So ist es Mein Wunsch, der Welt den Frieden zu erhalten, desgleichen aber nach außen die Ehre des Reiches in jeder Weise hochhalten zu können.« Dazu die kaiserliche Bewunderung: »Ich weiß Mich eins mit dem deutschen Volke in dem warmen Danke und der stolzen Anerkennung für die Offiziere und Mannschaften, die auf Meinen Ruf hinausgegangen sind und mit heldenhafter Tapferkeit unseren Besitzstand bis zum Tode verteidigt haben. Wilhelm.«

Der ehrgeizige Trotha, von Sozialdemokrat Bebel als Metzgerknecht charakterisiert, von Estorff als unedel, selbstsüchtig und kalt hingestellt, wird zurückgerufen. Bevor er in Lüderitzbucht an Bord der SMS "Prinzregent" geht, erreicht ihn die Nachricht, dass es »den alten Verräter« nicht mehr geben würde. Hendrik Witbooi, der mit Leutwein »in der Weltgeschichte unsterblich geworden wäre, hätte ihn das Schicksal nicht nur auf einen kleinen afrikanischen Thron gehoben«, war nach einer Verwundung den ehrlichen Soldatentod gestorben. Ein Überfall auf die Truppe in der Nähe von Fahlgras (Bezirk Keetmanshoop) gilt als sein letztes Gefecht.

Hendriks Nachfolger wird Sohn Isaak, doch die Widerstandskraft der Nama ist gebrochen. Die meisten Kapitäne ergeben sich Anfang 1906. Morenga, Cornelius, Christian und Kopper kämpfen weiter ... Der Reichstag geizt, gibt pro Kopf der Bevölkerung in den Kolonien jährlich gerade mal 53 Pfennige aus. »Die große Firma Deutsches Reich etablierte sich hier in der Erwartung, mit geringer Einlage gleich Millionen einzuheimsen« (»Windhuker Nachrichten«). Doch im Dezember 1905 kann Berlin nicht mehr anders, als die Mittel zum Bau der Bahnlinie Lüderitzbucht—Aus bereitzustellen, um den Südwester Süden militärisch zu sichern, dann auch politisch wie wirtschaftlich von Südafrika unabhängig zu machen. Kurz nach Weihnachten schafft eine Kaiserliche Verordnung die Rechtsgrundlage, wonach Grund und Boden jener Eingeborenen, die gegen Weiße oder friedliche Eingeborene feindliche Handlung begangen haben, zu Kronland erklärt, Vieh und bewegliche Habe eingezogen werden können. Womit die alten Schutzverträge mit Herero und Nama verfallen.

Im Süden kommt es noch zu Geplänkel und kleineren Gefechten. Im März ergibt sich der Bethanier Cornelius, der die Majore Träger, Gräser und Hptm. v. Koppy bis zuletzt beschäftigte. Im Dezember schließen Estorff und die Bondels ihren »Weihnachtsfrieden von Ukamas«. Das Abkommen hatte ein Pater Johann Malinowski vermittelt, Nama-Missionar und Feldgeistlicher in einer Person, da die Mission die Militärgeistlichen aus Spargründen stellt.


Das Buch über Erckerts Kalahari-Expedition

Am 31. März 1907 wird der Südwester Krieg offiziell für beendet erklärt. »Nun gilt es, den aufs neue erkämpften Boden fruchtbringend zu bereiten.« Der Oberbefehlshaber und Souverän. Die Kolonialkrieger Trotha, Franke und Meister werden mit dem Pour le Merite dekoriert, Deimling in den erblichen Adelsstand erhoben. Die Denkmünze »Den siegreichen Streitern« geht allen, die bei der Niederwerfung der Aufstände geholfen haben, in Bronze zu. Morenga, nach dem Ausbruch aus seinem Internierungsort in der Kapkolonie auf dem Weg zu Simon Kopper, wird von einer Polizeitruppe unter Major Elliot, dem Major von dem Hagen zur Seite steht, bei Witpan in den Tod getrieben. Es folgt noch eine Kalahari-Expedition: Im April 1908 führt Hptm. v. Erckert 16 Offiziere, 323 Kamelkorpsreiter und 129 eingeborene Helfer »über einen gedachten, die deutsche Grenze darstellenden Strich« auf britisches Gebiet. Im Gefecht von Seatsub kann die Truppe Koppers Fransmänner schlagen. Unter den Gefallenen ist Kamelreiterführer Erckert, dem die Schutztruppe in Gochas ein Denkmal setzt.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Von Mischehen zum unerwünschten Mischehenvolk

»Der deutsche Soldat hat das Land mit seinem Schwert erobert, der deutsche Farmer und Kaufmann sucht seine wirtschaftliche Nutzbarmachung, doch die deutsche Frau allein ist berufen und imstande, es deutsch zu erhalten.« (Ada v. Liliencron)

Johann H. Schmelen, Sendbote unter den Nama, hatte sich eines Tages (draußen war's kalt) mit der schwarzen Missionsgehilfin Zara allein im geschlossenen Planwagen gefunden. Dem Verdacht der Sünde war nur schwer zu entkommen, was zur Ehe zwischen den beiden, dann auch zu Nachwuchs führte. »Damals suchten die Missionare dadurch Einfluss zu gewinnen, dass sie eingeborene Frauen heirateten, ein Verfahren, von dem man jetzt ganz abgekommen ist.« (François)

Die RMG kann nichts Falsches in der Verbindung zwischen Schwarz und Weiß sehen, da sie dem ungeordneten Zusammenleben vorzuziehen sei. Die katholische Kirche geht davon aus, dass ein Eheverbot das Ziel verfehle, da Weiße, die Farbige zu Werkzeugen ihrer Lüste machten, in der Regel zum diskret geduldeten Konkubinat tendierten. Missionar Klamroth, der in Deutsch-Ost die Sinnesfreuden seiner Landsleute im Verhältnis zu ihrer Vorbildfunktion studierte, beteiligt sich mit einem »Der Weiße frönt für wenig Geld seiner Lust..., warum soll es der Schwarze nicht ebenso machen?« an der Diskussion.

In den ersten Jahren der Besiedlung war es durchaus vorgekommen, dass ausgediente Schutztruppler - »im jugendlichen Alter stehend, ohne Gattin zur Seite ein raues Geschlecht.« (Pastor Heye) - etwa Mädchen der Rehobother Baster heirateten. Hauptgrund war das Fehlen »ebenbürtiger« Frauen, nie zu übersehen, dass »das Bastardweib« häufig eine gute Aussteuer an Land und Vieh mitbrachte: »Leider ist in den Anfangsjahren, woran die damalige kaiserliche Regierung nicht unschuldig war, auf die Reinhaltung des Blutes in Einzelfällen nicht so scharf geachtet worden, wie es wünschenswert gewesen wäre, und die Nachkommen haben darunter zu leiden.«

Der Mangel an weißen Frauen war absolut, der Germanen Lust auf Landestöchter konnte nur eine Zeit lang totgeschwiegen werden. Trieb Kolonialdeutsche wie den Heimstättenbesitzer Rößler, den Farmer Blume oder den Zollamtsassistenten Nörr doch eines Tages die Sorge um, dass sie aufgrund kolonialer Kontaktzonen dabei sein könnten, sich selbst abzuschaffen. Mischlings-Kinder als Ergebnis farbenfroher Seitensprünge gehören zum Straßenbild. Für den Spross einer schwarzweißen Verbindung- »auch wenn er vielleicht tätowiert ist oder halbnackt herumläuft« - galt nach deutschem Recht der Gerichtsstand des Vaters. Der war in der Regel weiß und deutsch, was den Neu- zum Reichsbürger machte.


Gegner von Mischehen: Siedlungskommissar Paul Rohrbach

Mischehen bargen, konsequent zu Ende gedacht, die Gefahr, draußen ein Mischvolk zu werden, damit zu »Verkaffern«: »Da mit Mischlingen, dem Verschwinden des Weißen in einer Masse von Schmutz kein bodenständiges Deutschtum zu entwickeln ist«, so Siedlungskommissar Rohrbach.

Beziehungshöllen gibt es natürlich auch anderswo, Südwest steht nie alleine. Jede Südseeplantage ist ein Sündenpfuhl mit zum Teil sehr schönen Frauen, »die allerdings schnell verblühen«. Die Deutschen treten nur selten als sittliche Vorbilder auf, was auffallen muss, ist, wie viele Missionare an Geschlechtskrankheiten sterben. Am einfachsten, sich zu verlieben, scheint es dabei auf Samoa zu sein. Auf Samoa ist das rassisch-volkhafte Eigenleben dann auch in größter Gefahr. Ein so bewährter Kolonialpolitiker wie Albert Hahl genoss den lokalen Brauch, sich in paradiesischer Einfachheit von jungen Frauen mit Kokosnussöl einreiben zu lassen, lebte einige Zeit mit einer Einheimischen auf Ponape. Der kaiserliche Richter Paul Boether (DNG) ist mit Korinombo, Stationsleiter Hans Klink (Morobe) mit der Melanesierin Ambo verheiratet. Stationschef Winkler hat seiner Ngeribongel auf Palau das Ja-Wort gegeben. Das Gerücht, dass in Südwest farbige Nachkommen Curt v. François leben, stirbt einfach nicht aus.

Die Amerikaner haben es auf Guam verboten, die Engländer auf Neuguinea, die Buren der Kapkolonie schließen legitime Ehen mit Farbigen aus, wogegen Franzosen und Portugiesen die Verschmelzung akzeptieren. Frankreichs Eintopf vor Augen, wird in Südwest, wo noch 1901 lediglich 19 weiße Frauen auf 100 weiße Männer kommen, die Mischehe heiß diskutiert. Die rechtlich und sozial sanktionierte Blutmischung ist bis zum Hererokrieg dank allergnädigster Entscheidung möglich. Erst der Krieg spült zur Angst vor dem schwarzen Mann auch die Zeitbombe Eheirrungen hoch. Die Deutschen müssen Farbe bekennen, wäre ein farbiger Stamm deutscher Reichsbürger gerade jetzt doch alles, was das schwer geprüfte Land noch braucht.

Conrad Rust, Farmer auf Monte Christo, fordert die Beachtung der Grenzlinie, die der Schöpfer in der Farbe gezogen habe, Solf die Prügelstrafe bei Eheirrungen. Leutwein verurteilt, »dass Soldaten Afrikanerinnen heiraten und so ein Geschlecht von Afrikanern erzeugen«. Gouverneur Lindequist nennt die »Rassenmischehe« gar ein Verbrechen.


Gouverneur Friedrich von Lindequist vor dem Baum stehend

Da das Rassenbewusstsein Einzelner nicht wirksam ist, müssen prohibitive Gesetze erlassen werden. Mit der Null-und-Nichtig-Erklärung aus Mischehen entstandener Ansprüche gewährleistet nur noch das Familienleben mit der weißen Frau, »der Frau desselben Stammes, welche dem Manne Gefährtin und Gehilfin, den Kindern liebevolle Mutter und Erzieherin ist, die für eine gesunde Entwicklung einer Kolonie nötige Ordnung und sittliche Anschauung«. Unter der Selbstverwaltung wird Weißen, die mit Eingeborenen verheiratet sind, das aktive und passive Wahlrecht entzogen, nehmen Organisationen wie Krieger-, Schützen- und Turnvereine Männer mit farbigen Frauen nicht mehr als Mitglieder auf. Wirksamste Maßnahme gegen die Mischehe wird allerdings das Einwanderungsprogramm des Frauenbundes der DKG. Die Organisation hat sich zur Aufgabe gemacht, deutschen Beamten, Soldaten und Siedlern unverheiratete Frauen und einwandfreies Mädchenmaterial zwecks Festigung der Kolonialsiedlung durch Ehen nachzuschicken.


Die Missionsschule Rehoboth: Ihr gehörten bereits viele Mischlinge an.

Ehefrauen, Bräuten, Schwestern und Töchtern kann aufgrund der Familienverhältnisse weitergeholfen werden, heiratswilligen Frauen und weiblichen Dienstboten wird die Reise nach Südwest in der 3. Schiffsklasse bezahlt. Die Suche gilt ganz gezielt der deutschen Frau, die weiße Kinder gebären kann. Von unten kommen und nach oben heiraten: Der Ruf wird am häufigsten von Damen aus sogenannte unteren Schichten gehört. Zu Hause selbst Dienstmädchen, hier mit Dienstmädchen, verspricht die Ehe im Sonnenland den gesellschaftlichen Aufstieg, den wirtschaftlichen Erfolg. 1911 kommen dort bereits 27 weiße Frauen auf 100 weiße Männer. Bis 1913 hat die DKG durch Anwerbung über See 2.036 Frauen und Mädchen ins Land gebracht.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Der Kolonialkrieg in der Literatur

Im Kriegsjahr 1904 hatte alle Welt nach Ostasien geblickt, wo sich Russen und Japaner gegenüberstanden. Selbst die Deutschen interessierten sich eine Zeit lang mehr für Kuropatkins Armee als für Leutweins heroisch ringende Truppe, was Port Arthur oder Shenyong bekannter als Okahandja oder Omaruru machte. Für einen wie Gustav Frenssen der Grund, sich als Kolonialliterat zu versuchen. Frenssen hatte das Sonnenland nie besucht, sich mit Hilfe des Tagebuchs eines Angehörigen des See-Btl., der den Orlog mitmachte, jedoch ganz gut informiert. »Peter Moors Fahrt nach Südwest« würde ein absoluter Bestseller werden, mit dem sich der Pastor und Heimatdichter aus Barlt in der Kolonialliteratur gleich hinter Hans Grimm einreiht.

Peter Moor, holsteinischer Bauernlümmel, erreicht Südwest als unbedarfter Matrosengefreiter, erwartet er doch, dort auf mit Pfeil und Flitzbogen unter Palmen spielende Schwarze zu treffen. Einmal von Bord, glaubt er so auch, er sei im falschen Land. Wüste, Halbwüste und Trockensteppe, Schauplätze und Gegner, wie sie so ganz anders als jene in Europa sind. Krankheit dann und Verwundung, das so genannte Fronterlebnis, Hunger und Durst: Bevor er seinen letzten Vernichtungsritt in der Omaheke reitet, macht der Romanheld {»wir müssen noch lange hart sein und töten«) so ziemlich alles mit ... Südwest war bis zu den großen Aufständen ohne schöngeistige Luft ausgekommen. Beamten hatte eine engherzige Bürokratie verboten, Erfahrungen und Erlebnisse niederzuschreiben, Neusiedler, häufig abgeschieden lebend, über weite Flächen zerstreut, schlugen sich mit ganz anderen Sorgen herum.


Südwester Kriegsliteratur

Die Herero- und Namakriege lösten Darstellungen von vielen Seiten, eine regelrechte Flut von Wild-(Süd-)West-Literatur aus: »Wie es am Waterberg zuging« (Sonnenberg), »Gegen die Herero« (Belwe) sind darunter, »Heiße Tage« (Stülpnagel), »Groß-Nabas« (Wies) und »In des Kaisers Rock« (Lüth). Kriegslyrik dazu wie Kotzes »Der Reiter« oder »Die Patrouille« von Doensch, gerade auch Max Geisslers »Reiterballade«, die die Toten sprechen lässt: »Rings liegen Gräber, die keiner nennt - der Dornbusch droht, und die Weide brennt - Der Hauptmann, der war so tapfer und stolz - nun schläft er, nun trägt er sein Kreuz von Holz.«



Der Ritt gegen den Feind, den Klima und Landschaft zur Folter machen, ist der literarische Stoff, aus dem unendlich viele Romane und Verse sind. Zeitungen füllen Spalten mit handfesten Heldengeschichten, Stabsärzte werten kriegschirurgische Erfahrungen aus. »Die Literatur über unseren Südwester Kolonialkrieg ist unvergleichlich viel größer, als die über unsere Kolonialkriege in Ostafrika. Das ist begreiflich, denn in Südwestafrika waren es deutsche Soldaten, die gekämpft, gelitten und das Leben gelassen haben, während in Ostafrika farbige Truppen unter deutscher Führung fochten«, schrieb die »Die Tägliche Rundschau« im Jahr 1909.

Hinterher würde behauptet, dass deutschkolonialer Stoff den Ausgang der sogenannten Hottentottenwahlen mitentschied. Was bedeuten würde, dass Herero und Nama Reichspolitik machten.
Die Südwester Kriege, dazu der Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ost, gelten Unpatrioten als Beweis, dass Berlin Kolonien nicht führen kann. »Das Recht zum Aufstand«, so August Bebel, »das Recht zur Revolution hat jedes Volk ..., der Aufstand der Herero ist nur die natürliche Folge unserer Kolonialpolitik, des Verhaltens der Ansiedler, kurz, der ganzen Tätigkeit, die von uns in Südwestafrika ausgeübt worden ist.« Fürst Bülow löst den Reichstag auf und schreibt Neuwahlen aus, nachdem Zentrum und SPD gegen einen Nachtragsetat zur Finanzierung des Kolonialkampfes gestimmt hatten.

Der anschließende Wahlkampf wird zur Abstimmung über Deutschlands Kolonialpolitik. Interessengruppen wie Flottenverein, Alldeutscher Verband oder DKG schlagen dazu kräftige nationale Töne an. Wer nicht denkt, wie sie denken, wird als antinational hingestellt. Tote Soldaten und alte Negerklischees ziehen sich wie ein roter Faden durch die Wahlagitation, die Schlachtfelder von Teufelsbach, Kaiser-Wilhelmberg oder Kub fordern Solidarität heraus. »Ein Land, in dem so viele deutsche Söhne gefallen und begraben sind, ist uns kein fremdes Land mehr, sondern ein Stück Heimatland«, so der Karlsruher Oberst Deimling und längst nicht nur er.

Aus der Wahl geht der sogenannte Bülow-Block aus Konservativen, National- und Linksliberalen als der große Gewinner hervor, was Kolonialfreunde so auslegen, dass die Kolonialidee im Volk Wurzeln geschlagen hat. Das Sonnen- hat damit ein Mutterland, in dem das Nationalgefühl durch Mehrheitswillen legitimiert den Parteigeist übertrifft, was bedeutet, dass Soldaten wie der jüngere Trotha, wie Wöllwarth, Griesbach oder der brave Reiter Johann Dann, die in den trotzigen Bergen und spröden Steppen begraben liegen, nicht umsonst gefallen sind.

Berlin gewährt Beihilfen, zahlt Entschädigungen, verspricht den zunehmend politisierten Südwestern Mitbestimmung und kommunale Selbstverwaltung. Südwest würde weiterhin der Staatsgewalt des Reiches unterstehen, kann jedoch eigene Entscheidungen treffen, etwa in Sachen Land-und Forstwirtschaft, Straßen- und Wasserbau ..., einer der Gründe, warum die Südwester als Zeitbestimmung in Zukunft »Vor dem Orlog« und »Nach dem Orlog« sagen.

Romanfiguren wie Frenssens Peter Moor haben das Sonnenland zur volkstümlichen Kolonie gemacht. Über Nacht hat Deutschlands Jugend, bisher auf Lederstrumpfgeschichten angewiesen, die von kolonialen Heldentaten fremder Völker erzählen, ihre eigenen Helden »denn was die deutschen Siedler und Soldaten leisteten, wog schwerer als das Leben von Lederstrumpf«, (Georg J. Trümpelmann). Der deutsche Lederstrumpf, fast immer ein Truppler in Kriegsgarnitur, mit Feldmütze oder Brandenburger Hut (Südwester), einem Rock aus zweckmäßigem, graugelbem Kord, mit dem Gewehr 88 und Infanterie-Seitengewehr 71/84, mit Koppel und Patronentasche (im Schutztruppenjargon Donkey geschirr), die hohen Stiefel aus naturfarbenem Leder ..., der Truppler ist der deutsche Lederstrumpf. Geschossen wird übrigens auch weiterhin, doch Südwest ist jetzt eher etwas für Jagdtouristen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Diamantenfieber in Südwest


Gouverneur Bruno von Schuckmann

1908 leben in Südwest rund 8.000 Deutsche. Gouverneur ist »Väterchen« Bruno v. Schuckmann aus Rohrbeck, der Friedrich v. Lindequist aus Wostevitz auf Rügen ablöste. Letzterer hatte sich um Land und Leute verdient gemacht, als er zwei Karakulböcke und zehn Mutterschafe einführte. Die Tiere, ursprünglich aus Asien, sind anspruchslos, akklimatisieren sich. Die Nachzucht ist vielversprechend. Die Lämmer, die unmittelbar nach der Geburt geschlachtet werden, liefern die schwarzgelockten Fellchen für den Breitschwanzmantel, über den das Fettschwanzschaf wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Das Karakullämmchen ist ein schwarzer Diamant, doch Südwester Diamanten sind nicht nur schwarz ...

An der Südbahn zwischen Lüderitzbucht und Aus steht ca. alle 20 km ein Bahnmeisterposten, der darüber wacht, dass Treibsand den Schienenstrang nicht blockiert. Die Bahn kommt nur zweimal die Woche vorbei. Einer davon steht in Grasplatz, einem Heulager für Treckochsen ein paar Kilometer vor Lüderitz, bei dem noch nie Gras gewachsen ist. Hier wacht Bahnmeister August Stauch als Angestellter der Kolonial- und Eisenbahnbau-Gesellschaft Lenz & Co. über seinen Teilabschnitt. Stauch, den ein Asthmaleiden ins trockenheiße Schutzgebiet brachte. Im Mai 1908, Stauch ist mit der Draisine unterwegs, pickt sein farbiger Streckenarbeiter Zacharias Lewala im Kiessand bei Kolmanskuppe ein paar wasserklare Klippies auf, die nach Regierungsgeologe Paul Range Diamanten sind. Diamanten, die der Oranje vor Jahrmillionen ins Meer spülte, die Wind und Wellen zurücktrugen und im Dünensand versteckten. Womit das Märchen beginnt.


Der Diamantenrausch in Südwest beginnt - Schürfer bei Kolmanskop

Die Nachricht vom sagenhaften Hottentottenparadies löst den Diamantenrausch aus. Wer ohnehin schon in der Nähe ist, kauft Schürfscheine fürs schnelle Glück, um damit in die Wüste zu stürmen. Glücksritter von weiter her stellen dort ihre Schürftafeln auf. »Die Diamanten in ihrer ganzen breiten Aussaat fanden in den nächsten sieben Monaten die zähen Lüderitzbuchter unter einem fast übermenschlichen Aufwand an Energie« (Grimm). »Alles liegt im Sand und scharrt, verwegene Gestalten hinter jeder Klippe.« Kolmanskuppe, wo sie den diamanthaltigen Kies sieben und waschen, wird zur blühenden Diamantenstadt. Ist doch genug für alle da, braucht man sich doch nur danach zu bücken ..., am besten vormittags, vor Einsetzen des Nebels.

Zuerst werden einzelne Claims verkauft, Stauch selbst steckt sich das »Edelmineralschürffeld Nr. 1« ab. Als Berlin das Ausmaß des Segens erkennt, wird damit allerdings schnell Schluss gemacht. Bodenschätze sind Sache des Staates, nicht des einzelnen Abenteurers oder Siedlers. Da die Gefahr bestehe, dass deutsche Diamanten verschleudert würden, glaubt sich Dernburg zu drakonischen Maßnahmen gezwungen.
Schon im September wird die Schürffreiheit aufgehoben, ein 100 km breiter Küstenstreifen zwischen Oranje und dem 26. Breitengrad zum Sperrgebiet erklärt. Die Maßnahme löst in und um Lüderitzbucht »kampfesfreudige Stimmung« aus, im Reichstag werden wiederum hitzige Debatten geführt.

Wie die Dernburgsche Sperrverfügung dem Großkapital für die Ausbeutung der Diamantenfelder den Löwenanteil sichert, schlägt sie - Zuwiderhandlung wird nach § 90 der Bergwerksverordnung mit 500 Mark bestraft oder mit Haft - dem kleinen Mann ins Gesicht. »Die Dernburgsche großkapitalistische Gesellschaftspolitik ist ein Unglück für Südwestafrika und fördert letzten Endes nur den Ruf: Südwestafrika den Südwestafrikanern« (der Zentrumsabgeordnete Erzberger). 1909 kommt es zur Gründung der Deutschen Diamanten-Gesellschaft (DDG), einer Tochter der DKG/SWA. Eine Diamanten-Regie-Gesellschaft dient als Sammelstelle und hält das Monopol für die Vermarktung.


Auf den Diamantenfeldern der Namib, rechts der Glückspilz August Stauch...

Während Buren und Engländer voll Neid über die Grenze blicken, werden Lagerstätten wie Elisabethbucht, Pomona, Bogenfels oder Charlottental abgebaut. Südwester Steine sind nicht besonders groß, jedoch wasserklar und auf dem Markt sehr beliebt. Zwischen 1908 und 1913 werden 4,7 Millionen Karat im Wert von rund 150 Mio Mark gewonnen, was in etwa einem Fünftel der Weltförderung entspricht. Nicht ganz ohne Ironie ist die Namib, die älteste Wüste der Welt, damit zum wertvollsten Teil des gesamten deutschen Kolonialbesitzes geworden.

Gleich nach den großen Aufständen, mit dem Ende der Schutzvertragspolitik, war es schon aufwärts gegangen, jetzt geht es erst richtig los. Kolonialdeutsche anderer Besitzungen blicken voll Eifersucht auf das Land. Glauben sie doch, dass während sie sich zu Tode schuften müssen, dort die Last der Arbeit nur noch auf den Schultern von Schwarzen ruhe, der Farmer keine andere Aufgabe mehr habe, als seinen Stuhl vor dem Farmhaus so zu rücken, dass er im Schatten sitzen kann. Einer friedlichen Aufbauarbeit scheint nichts mehr im Wege zu stehen.


Gross-Windhuk 1910

1910 wird Windhuks in malerischer Lage errichtete Christus- als Friedenskirche geweiht. Die eiserne Dachkonstruktion kommt aus Hamburg, die Orgel aus Ludwigsburg. Die Fenster stammen aus Nürnberg, die Glocken, von der eine die Inschrift »Friede auf Erden« trägt, aus Apolda. Die Altarbibel stiftete die Kaiserin. Nach der Festrede durch RMG-Präses Olpp geht es zum Festessen in die »Kaiserkrone«.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Denkmäler für gefallene deutsche Soldaten

»Den Toten zur Ehre, den Lebenden zum Ansporn, zu erhalten und auszubauen, was in einem schweren Kampfe von aufopfernder Vaterlandsliebe errungen wurde« ..., Südwest sucht nach einem geeigneten Ehrenmal, das dem Gedenken über Generationen hinweg dienen würde. Die Initiative stammt von Estorff, dem »alten Römer«, die finanziellen Mittel wurden durch Spendensammlungen aufgebracht. Ein früher Entwurf löst allerdings erst einmal Bedenken aus, da von zwei Soldaten einer, die Waffe noch in der Hand, hingestreckt am Boden liegt. Welchen Eindruck würde ein toter Deutscher auf lebende Eingeborene machen?
In Windhuk, vor dessen wehrhafter Feste? Der Entwurf wird realisiert, allerdings nicht für Windhuk, sondern für Swakopmunds Marinedenkmal.


Das Marinedenkmal in Swakopmund für gefallene und ermordete Deutsche, während des Herero- und Namakrieges

Aus einem Wettbewerb unter fünf namhaften Künstlern geht der Berliner Bildhauer Adolf Kürle als Sieger hervor. In Berlin gegossen, per Schiffstransport ins Land gebracht, bietet sich als Datum, um der Geschichte das Denkmal zu setzen, Kaisers Geburtstag im Jahre 1912 an. Den Vorabend krönte ein Zapfenstreich bei Pechfackelbeleuchtung. Gouverneur Seitz, Major Franke, Polizei-Major Bethe und Richter Bach: Wer weiß ist und halbwegs gesunde Beine hat, ist dabei, vom Krieger- über den Gesang- und Schützen- zum Turnverein wirklich alles vertreten. Festreden halten ein Pater und ein Pastor, der eine heißt Klayele, der andere Hammer. Natürlich sehen der deutschen Selbstinszenierung auch ein paar Schwarze und Gelbe zu.

»Der eherne Reiter verkündet der Welt, dass wir hier die Herren sind und bleiben« (Seitz). Gleich darauf legt die Enthüllung das in unbehauenen Granit geschlagene Opfer frei: »Zum ehrenden Angedenken an die tapferen deutschen Krieger, welche für Kaiser und Reich zur Errettung und Erhaltung dieses Landes während des Herero-und Hottentottenaufstandes 1903 bis 1907 und während der Kalahari-Expedition 1908 ihr Leben ließen. Zum ehrenden Angedenken auch an die deutschen Bürger, welche den Eingeborenen im Aufstande zum Opfer fielen. Gefallen, verschollen, verunglückt, ihren Wunden erlegen und an Krankheit gestorben, von der Schutztruppe: Offiziere 100, Unteroffiziere 254, Reiter 1.180, von der Marine: Offiziere 7, Unteroffiziere 13, Mannschaften 72. Im Aufstande erschlagen: Männer 119, Frauen 4, Kinder 1.«


Der Südwester Reiter bei seiner Einweihung. Das Denkmal wurde inzwischen von seinem Originalstandort entfernt und steht jetzt im Innenhof der Alten Feste.

Prunkstück und Wahrzeichen war seit 1912 in Windhuk der Südwester Reiter - eine überlebensgroße bronzene Reiterfigur, wie sie Kürle der Wirklichkeit abschaute. Der Reiter hält mit der linken Hand sein Pferd fest am Zügel, die Rechte umklammert das auf dem Oberschenkel aufgepflanzte Gewehr. Die symbolische Kraft würde jene aller übrigen Kolonialdenkmäler übertreffen, waren Herero- und Namaaufstände doch Deutschlands letzte Kriege, die es gewonnen hat. Dass dabei nicht nur Deutsche starben, wird verdrängt, der Krieg begann eben zuerst mit einer grausamen Mordserie an deutsche Frauen, Männer und einem Kind.

Unter den Kränzen, die jetzt niedergelegt werden, stammt einer vom Kaiser. Nach der Parade der 4. Kompanie, der von Johann-Albrechtshöhe angereisten 2. Bttr. und der Landespolizei geht, wer dazu eingeladen ist, zum Festessen ins Hotel »Stadt Windhuk«.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

1913 - Ein Jahr in Deutsch-Südwestafrika



Im Januar tritt die Viehbrandverordnung in Kraft. In Grootfontein und Omaruru wird der Luftfahrer-Verein gegründet.

Im Februar werden in Windhuk 2.871, in Lüderitzbucht 1.616, in Swakopmund 1.463 und in Karibib 1.170 Einwohner gezählt - die Regenzeit war wenig ergiebig, was bedeutet, dass Farmer knapp bei Kasse sind.

Im März verweist das Obergericht in Windhuk Diplom-Ingenieur Hermann L. Baumann, obwohl zu sieben Achtel der weißen Rasse zugehörig, vor ein Eingeborenen-Gericht. Der Reichstag fordert die Rückführung der nach Kamerun deportierten Nama.

Im April stirbt mit Kaufmann Fritz Wecke einer der Südwester Siedlerpioniere. In DSWA gibt es jetzt 1.587 Farmer.

Im Mai zeigt die Windhuker Landesausstellung zu Rettich und Kohlrabi, dass sich die Kreuzung einheimischen Rindviehs mit europäischen Rassen bewährte. Im Norden werden Mordtaten von Buschleuten gemeldet.


Peter Müller, links im Jahr 1915, während der Übergabe Windhuks an die britischen Eroberer

Im Juni kommt es durch kaiserliche Verordnung zur Gründung der Landwirtschaftsbank für DSWA. In Windhuk wird Peter Müller zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt.

Im Juli findet die Evgl. Pfarrerkonferenz in Karibib statt.


Victor Franke (rechts) 1913 in Deutsch-Südwest

Im August erschüttert ein Erdbeben Windhuk und Umgebung. Das Johanniter-Krankenhaus in Keetmanshoop wird eröffnet In Rehoboth kommt es zur Gründung eines Kriegervereins.

Im September tritt die Fleischverwertungsgesellschaft in Okahandja erstmals zusammen.

Im Oktober wird das Postamt Otjundaura eröffnet. Es wird zudem diskutiert, ob sich Deutsch-Südwestafrika zur Aufnahme von Schwindsüchtigen eigne.


das spektakuläre Erongogebirge befindet sich südwestlich von Omaruru

Im November beginnen Bauarbeiten für ein Verwaltungsgebäude (im Volksmund »Tintenpalast«). In Omaruru öffnet eine Genossenschaftsbank für den Norden.

Im Dezember wird die neue katholische Kirche in Tsumeb geweiht. Dr. Göring stirbt, der Vater des späteren NS-Reichsmarschalls. Die Mission in Klein-Windhuk hat 125 hl Wein gekeltert.

Das »Jahrbuch der deutschen Kolonien« für 1913, herausgegeben von Baedecker in Essen, bezeichnet Südwest als einzigen überseeischen Besitz, der »deutsch geworden« sei, damit nicht mehr dem Charakter eines Schutzgebiets entspreche. »Berliner Rangen« und »Die Logenbrüder« in Swakopmunds Literarischem Verein, Bord- und Marinekapellen bei Flotten-und Witwenbällen. Das Gauturntreffen, Schlacht- und Bockbierfeste, Tage des Karnevals, Wettschießen für Damen in Lüderitzbucht..., was alles nur heißen kann, dass sich rund 5.800 Seemeilen von der Heimat entfernt ein überseeischer deutscher Neustamm zu bilden beginnt.

Südwest gilt als gesundes Auswanderungsziel: »Im Gegensatz zu den Tropen ist der Winter hier kalt, dazu herb genug, um die Auffrischung durch Hitze verbrauchter Kräfte sicherzustellen ... Eine Degeneration, eine Verschlechterung der Rasseeigenschaften ist nicht mehr zu befürchten« (Warhold Drascher).

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien