Deutsch-Ostafrika - Die Entstehung der Kolonie



Die Kolonie Deutsch-Ostafrika in seinen letzten Grenzen

Carl Peters war während seines Aufenthaltes in London 1881- 83 , der ihm durch einen vermögenden Onkel ermöglicht wurde, von der tatkräftigen und weltoffenen englischen Mentalität stark beeindruckt. Eine Art Hassliebe zu England entstand: einerseits Bewunderung für das große britische Weltreich, andererseits Neid wegen des an den Rand gedrängten Deutschen Reiches. Deutschland die ihm gebührende Stellung in der Welt zu verschaffen, war eines der wichtigsten Motive der Kolonialpolitik von Carl Peters. Darüber hinaus gab er auch wirtschaftliche Interessen Deutschlands an. Die im 19. Jahrhundert aufgetretenen Probleme wie Bevölkerungswachstum, soziale Spannungen, Rohstoffmangel und Absatzschwierigkeiten glaubte Peters am besten durch Erwerbung von Kolonien bewältigen zu können. Dabei gab er offen zu, dass Kolonialismus die Bereicherung eines Volkes auf Kosten schwächerer Völker sei. Der mögliche Gedanke einer wirtschaftlichen Entwicklung des Kolonialgebietes im Interesse der eingeborenen Bevölkerung findet sich nicht explizit bei Peters.

Hanseatische Handelshäuser waren schon vor Carl Peters geschäftlich unter englischem Schutz im Raum Sansibar und Ostafrika tätig. Seit Jahrhunderten bestanden an der Küste afrikanisch- arabische Mischkulturen, die mit Gewürzen und Tabak Handel trieben. Besonders wegen des Elfenbeins schickten arabische Kaufleute Karawanen ins Landesinnere, wobei die zum Transport mitverpflichteten Eingeborenen an der Küste als Sklaven verkauft wurden. Der Sultan von Sansibar, Said Bargasch, kontrollierte die etwa 2000 km lange Küste zwischen Warscheich im Norden und dem portugiesischen Mocambique im Süden. Ein Vertrag mit England und Frankreich von 1862 sicherte seinen Besitzstand.

Bismarck hatte sich schon vor dem Auftreten des Kolonialpioniers Carl Peters zu einer Intensivierung der Handelsbeziehungen zur afrikanischen Ostküste und Sansibar entschlossen, wobei er ein freundschaftliches Verhältnis zum Sultan und die Respektierung des englischen Einflusses anstrebte. Dieses eher behutsame Vorgehen Bismarcks war Teil seiner großen außenpolitischen Konzeption, Englands Wohlwollen gegenüber Deutschland zu erhalten. So gingen Bismarck schon die Pläne des am 27.9. 1884 zum deutschen Generalkonsul in Sansibar ernannten Rohlfs, der gegen den Sklavenhandel an der ostafrikanischen Küste vorgehen wollte, zu weit, da sie zu Konflikten mit dem Sultan hätten führen können.

Carl Peters, der am 28.3. 1884 die "Gesellschaft für Deutsche Kolonisation" (GfDK) gegründet hatte, kam deshalb Bismarcks "informell empire"- Konzeption in die Quere, als er im November 1884 mit Graf Joachim von Pfeil und Karl Jühlke im Auftrag der GfDK in Sansibar eintraf. Das auswärtige Amt warnte Peters vor unüberlegten Aktionen, da außerdem Ende 1884 die Berliner Kongokonferenz begann. Carl Peters begab sich mit einer kleinen Gruppe ins Landesinnere und schloss auf seiner Usagara- Expedition vom 23.11. - 17.12.1884 zwölf Verträge mit Eingeborenen - Häuptlingen, besonders mit Sultan Muinin Sagara und dessen Sohn Kibuna.


Carl Peters
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Und so lief das ab, als Carl Peters durch Usagara zog:

Muinin Sagara im Tal des Mukondokwa in der Landschaft Usagara im afrikanischen Sonnenbrand, Kolonisation als Akt der Nächstenliebe, wie von Carl Peters & Genossen modelliert. »Die üppigen Landschaften, verödet durch jahrhundertelange Sklavenjagden, liegen da wie die Obstbäume der Frau Holle und harren der Hand, die bereit ist, den reichen Segen zu ernten!«

Wo deutsche Kartoffeln, Sisalagaven und der Kaffeestrauch wachsen könnten, nichts als Bataten, Bohnen, Erdnüsse, Sorghum-und Pennisetumhirse. Eingeborene, die unter Ulcus tropicum, perniziöser Malaria und Wurmkrankheiten leiden ... doch das ließe sich ändern. Kolonial-Peters würde, erst einmal wieder zu Hause, in allen Einzelheiten erklären, dass überall Not herrsche, sich die indigene Gesellschaft, wenn man so will, nach einem wie ihm nur so sehnte (»selbst den Schwarzen dämmerte die Erkenntnis auf, dass es besser mit ihnen werden würde, wenn Weiße als Herren des Landes unter ihnen wohnten«). Hakuna matata ... den Leuten würde es in Zukunft viel besser gehen. Schuf er doch die Voraussetzung dafür, dass Deutsche anstatt Spatenbräu in München bald Hirsebier auf der Baräsa ihrer Häuser am Mukondokwa trinken können.

Das landschaftlich schöne Usagara umfasst zwischen Makattaebene und Massaisteppe ca. 12.000 qkm, wobei zu berücksichtigen ist, dass Ostafrika keine Grenzlinien im europäischen Sinne kennt. Ostafrika hat Negerreiche mit fließenden Grenzen, die Europäer als nobodys land, als Niemandsland bezeichnen. In Usagara leben halb- oder ganz wilde Völkerschaften wie Wasagara, Wanguru, Wakaguru, Wakamba und Wanjamwesi geografisch zerstreut, wie überall, wo sich Handelsrouten entlangziehen oder gar treffen. Dazu kommen Suaheli, Inder und Araber. Usagara ist an Stellen dicht besiedelt, dann wieder zwei, drei Tagesreisen weit unbewohnt. Die Wanguru, um eines der Völker näher kennen zu lernen, sind aufgrund des Sklavenhandels »zu einem armseligen, scheuen Geschlecht degeneriert«. Die Wanjamwe-si wiederum (»Wanderarbeiter, die Sach-sengänger Ostafrikas, die Männer je ein Fellschurz vorne und hinten, die Weiber mit einem Hüfttuch aus Rindenbast«) würden eines Tages als zukunftsreichstes Element im ganzen Schutzgebiet gelten.

Muinin Sagara im Tal des Mukondokwa ... war da was los, passierte da etwas am 4. Dezember 1884?

Auf der Karawanenstraße von der Küste in Richtung auf Tabora, die als Trampelpfad durch das Mukondokwa-Tal führt, zieht eine Erwerbs-Expedition. An der Spitze im Schutz schwarz-weiß-roter Fähnchen - wie klein die Welt doch geworden ist - Carl Peters aus Neuhaus/Elbe - in Afrika marschieren Weiße, wenn die Straße halbwegs sicher ist, immer an der Spitze einer Kolonne, da es mittendrin oder gar hinten zu sehr staubt. Carl Peters, den sie in Usagara bald Bwana mkubwa nennen. Bwana ist der Herr der Kisuaheli-Sprache, für Eingeborene dann so ziemlich alles, was männlich ist, ein weißes Gesicht und weiche Haare hat. Mkubwa steht für hoch oder groß. In Peters Begleitung der Jurist Karl Jühlke, ein August Otto, im wirklichen Leben Kaufmann, und Joachim Graf v. Pfeil und Klein-Ellguth, Rittergutsbesitzer und Forschungsreisender aus Schlesien. Hinter ihnen Dolmetscher und sechs Diener, die ihr Schießzeug tragen, dazu 36 bewaffnete Träger mit Hausrat, Glasperlen, bunten Stoffen und Preußenschnaps in größeren Mengen.
Das Tal des Mukondokwa ist die Eingangspforte zum zentralen Hochland, Muinin Sagara Sitz des alleinigen und uneingeschränkten Herrschers von ganz Usagara, der ebenfalls Muinin Sagara heißt.

Da war etwas los, auch wenn es im Handumdrehen vorüber ist. Ein paar Minuten, die Geschichte machen, in nostalgischen deutschen Sammelbilderalben auf Jahre hinaus wieder und immer wieder nach-gezeichnet werden. Wer im Reich künftig eine Flasche Kupferberg, Margarine oder Cigaretten kauft und etwas Glück hat, bekommt Bilder von Peters in Usagara oder Jühlke am Kilimandscharo als Werbezulage mit eingepackt.
Im Zeitraffer, auch wenn absolut nichts zu raffen ist: Eintreffen der Erwerbs-Expedition des Herrn Peters, Grußzeremoniell mit Händeschütteln, Aufstellen der Klappstühle {»das offizielle Reisemöbel jedes Europäers«) und Aufbau eines Zeltes. Vorzeigen der Präsente mit Inaussichtstellen von viel mehr und ein Trunk guten Grogs, wonach man ganz schnell zum Thema übergeht. Triviale Versprechungen von Seiten der Deutschen, darunter prominent der Schutz vor Sklavenfängern, was so sicher etwas fischig klingt, das koloniale Begehren jedoch unterstreicht.

Nach Erledigung der Schauris, wie man Palaver hier nennt, zum Entspannen ein Kokospalmweingelage. Vorlegen eines Freundschafts-, Handels- und Schutzvertrags, da alles ganz legitim zugehen muss. Bestätigen per Handzeichen durch Muinin Sagara und Sohn Kibuana. Hissen der deutschen Flagge vor versammeltem Volke, Vorlesen des Vertragsinhalts.

Ein Hoch auf S.M. den großen Sultan in Berlin durch die anwesenden Weißen, drei Salven, um Naturmenschen von der Überlegenheit europäischer Waffen zu überzeugen. Erneutes Händeschütteln, das den offiziellen Teil beendet {»bald schäumte das Bier, bald perlte der Sekt«), man schreibt immer noch den 4. Dezember. Das war es dann tatsächlich schon, womit die Runde eindeutig an Peters geht. »Peters und sein Freund Jühlke schauten, Arm in Arm auf einer Anhöhe, in die herrliche Landschaft«: Der Ugombosee, die Talmulde von Mamboia, die bergigen Komplexe von Itumba und Mangaheri und das Rubeho-Gebirge waren in ihrem Besitz. Muinin Sagara hatte sie zu etwas gemacht, das Reich auf dem Weg zum Weltreich einen weiteren Schritt vorangebracht. Hätte der Peters in Neustadt/Elbe vor ein paar Wochen noch über so etwas auch nur laut nachgedacht, hätten sie ihn dort ausgelacht. »Wer konnte es den beiden Männern verdenken, dass das stolze Gefühl der Freude über das Gelingen der Tat ihnen die Tränen des Glücks in die Augen trieb?« (August Leue, ksl. Hptm. aus Dützen bei Minden).


Die Pangani-Fälle in Deutsch-Ostafrika

In Usagara sollte nach dem 4.12. alles ganz anders werden, was die Bewohner, die ihr Land zur freien Verfügung auf ewige Zeiten abgaben, auch bald zu spüren bekommen. In Usagara würde es jetzt nur noch ein vor dem Vertrag oder nach dem Vertrag geben. Kolonialpionier Peters, »meine Vorbilder in der Geschichte waren Perikles, Hannibal, die Gracchen bis zu Cortez« hat entweder alles ganz richtig oder alles ganz falsch gemacht. Deutsch-Ost, dessen Besitz ihm zu verdanken ist, würde als bedeutendstes deutsches Schutzgebiet gelten. Wer einmal den Sigifluss hinauffuhr, die mächtigen Panganifälle besuchte, in der unendlichen Ebene Serengeti ein Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis) erlegte oder an Daressalams großer Strandpromenade gestanden hat, will von dort nicht mehr fort. Das bis zum Tag, an dem man damit spekulieren konnte, in Deutsch-Südwest das schnellere Geld zu machen, wegen der Diamanten.

Graf Pfeil und Kaufmann Otto bleiben in Muinin Sagara zurück, um eine Handelsstation anzulegen. Peters und Jühlke ziehen durch die Landschaft Ukami nach Bagamoyo an die Küste. Den Peters müssen vier Träger jetzt über große Strecken tragen, da er sich am Fuß verletzte, dazu die Hitze nicht verträgt. Die Eingeborenen würden Peters Gesellschaft für Deutsche Kolonisation (GDK) jetzt Usagara nennen, tatsächlich hatte die deutsche Flagge zuvor schon in Useguha geweht. Das am 19. November nach dem gleichen Konzept. Die Deutschen, die mit Usagara oder Useguha wenig anfangen können, sagen zu den frühen Erwerbungen der Kolonialpionierlegende einfach nur Petersland, was wortwörtlich genommen absolut kein unpassender Name ist. Auf der Ostafrika vorgelagerten Gewürzinsel Sansibar arbeiten deutsche Handelshäuser wie Wm. O'Swald & Co. oder Hansing & Co. schon länger, doch ohne Stützpunkte auf dem Festland. In Deutsch-Ost sind es so auch keine großen Geschäftshäuser wie F.M. Vietor & Söhne in Togo oder Woermann & Co. in Kamerun, die den Kolonialerwerb anstoßen. In Deutsch-Ost ist es ein einziger Mann, den das offizielle Deutschland ablehnt, die Heimat (noch) verlacht. Der Peters hat, von Jühlke, Graf Pfeil und Otto begleitet, sich selbst erschaffen. Der Peters ist einer wie keiner. Bwana mkubwa hat das simple Hauruck-Verfahren, durch das er berühmt wie berüchtigt wurde, nicht erfunden, aber er hat etwas daraus gemacht. Was sich im Herbst '84 auf dem Festland gegenüber von Sansibar abspielte, entsprach der Abenteuersehnsucht vieler Europäer. In Peters »ich würde mich verpflichten, an einem Nachmittag, mit einer guten Zigarre auf dem Sofa liegend, ein halbes Dutzend Kolonialpläne auszuhecken« kann sich der eine oder andere am heimatlichen Stammtisch wiedererkennen, wenn nicht nach dem ersten, so spätestens nach dem nächsten Bier.

Peters und der GfDK wurde die privatrechtliche Nutzung und Ausbeutung von Bodenschätzen, das Recht auf Steuererhebung und die deutsche Oberhoheit über 140.000 km² übertragen, wobei Peters den privaten Besitzstand des Sultans und den Schutz seiner Dynastie zusicherte. Peters stellte den Antrag auf einen Schutzbrief, den Bismarck am 27.2. 1885 - einen Tag nach Abschluss der Kongokonferenz- gewährte.
Es regte sich aber Protest bei Sultan Said Bargasch, der in London wegen der Verletzung seiner Hoheitsrechte Einspruch erhob. Bismarck erreichte in London eine für das Deutsche Reich wohlwollende Haltung. Um den widerspenstigen Sultan zum Einlenken zu bewegen, schickte Bismarck ein Flottengeschwader nach Sansibar, das am 7.8. 1885 eintraf.


Die deutsch-englische Interessensgrenze 1886

Nach einer Woche Machtdemonstration gab der Sultan nach. In einem Vertrag mit Sansibar vom 20.12. 1885 erreichte Admiral Knorr freien Warenverkehr mit freiem Ausfuhrzoll und geringen Einfuhrzöllen, sowie das Benutzungsrecht für den Hafen von Daressalam. Eine deutsch- englische Kommission versuchte vom Dezember 1885 bis Frühsommer 1886 die genauen Grenzen des Sultanats festzulegen. Im deutsch- englischen Ostafrika-Abkommen vom 29.10. 1886 garantierten beide Mächte den Inselbesitz des Sultans und einen 10 km breiten Küstenstreifen vom portugiesischen Kap Delgado bis nördlich des Tangaflusses. Außerdem wurde eine deutsch- englische Interessensphärengrenze festgelegt und Deutschland erhielt das Protektorat über das Witu-Gebiet am Tana.

Die "Deutsch- Ostafrikanische Gesellschaft" (DOAG), die im Februar 1885 aus der GfDK hervorgegangen war, hatte in der Zwischenzeit weitere Expeditionen unternommen. Trotz des Engagements von Bankhäusern hatte die DOAG zu wenig Mittel, um eine echte Herrschaft über das Schutzgebiet aufzubauen. Bismarck hielt sich weiter zurück, getreu seinem Grundsatz "den Pionieren folgen, aber ihnen nicht den Weg ebnen". Carl Peters, der 1887 von der DOAG als "Direktor" zu weiteren Verhandlungen nach Sansibar geschickt worden war, hatte erst Erfolg, als Said Bargasch 1888 starb. Dessen Nachfolger übertrug im April 1888 der DOAG die Oberhoheit über die gesamte Küste gegen einen prozentualen Anteil an den Zöllen. Als aber die DOAG ihre Verwaltungshoheit durchsetzen wollte, brach in den Küstenstädten ein Aufstand los, der von der arabischen Händlerschicht getragen wurde.


Hermann v. Wissmann

Bismarck, der sich immer noch distanziert zu den Erwerbungen als "Stück Papier mit Negerkreuzen darunter" äußerte, musste erkennen, dass seine Politik des "informel empire" gescheitert war. Deutsche Kriegsschiffe bombardierten ab Mai 1889 die Hafenorte und eine Expeditionstruppe unter dem Befehl von Hermann v. Wissmann schlug den Aufstand mit Hilfe von Askaris (schwarzen Söldnern) bis Januar 1891 nieder. (Peters befand sich 1888 in Deutschland und danach bis 1890 auf seiner Emin-Pascha- Expedition.) Ende 1890 stellte das Deutsche Reich das Schutzgebiet der DOAG unter seine staatliche Verwaltung; Deutsch- Ostafrika wurde zu einer deutschen Kolonie.


Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Bis Uganda - Der Kolonialtraum von Carl Peters

Carl Peters, achtes von elf Kindern einer Pastorenfamilie, Leitartikler am Seesener »Beobachter am Harz«, Frontmann der Gesellschaft für Deutsche Kolonisation: »Ich behaupte, dass wir die erste Rasse in der Welt sind und dass es umso besser für die menschliche Rasse ist, je mehr von der Welt wir bewohnen.« Nach dem Besuch einer Klosterschule hatte er mal Philosophieprofessor werden wollen, mal Schweinehändler in Chicago wie ein Bruder der Mutter. Was ihn prägt ist die Reichsgründung mit den in sie gesetzten großen Erwartungen, dazu die Entdeckung der Ruinen des Steinpalasts von Simbabwe durch den Schwaben Karl Mauch. Will er jetzt doch fest daran glauben, dass die Überreste von König Salomons Goldland Orphir im Bergland zwischen Limpopo und Sambesi zu finden sind.

Für den Militärdienst taugt Peters aufgrund seiner Kurzsichtigkeit nur bedingt, ein Aufenthalt beim wohlhabenden Onkel Karl in London führt ihm vor, welche Kräfte dem Inselvolk durch das Imperium zuwachsen. Er publiziert Werke wie »Entrissen und Errungen« und »Willenswelt und Weltwille«, entwickelt dazu ein Vorstellungsvermögen, wie es dem eines Cecil Rhodes: »Gott hat die englisch sprechende Rasse zu seinem ausgewählten Werkzeug formiert« entspricht.


Kolonialpropaganda konnte Peters auch

Carl Peters ist laut Selbsteinschätzung ein frommer Mann. Das »Mohrenland wird erschrecken« (Hesekiel 30) und »Mohrenland wird seine Hände ausstrecken zu Gott« (Psalm 68, 31) bekam er von zu Hause mit. Ham ist durch Vater Noah zum Knecht seiner Brüder geworden, der Mohr als Nachkomme des Ham »zur Roharbeit geschaffen«. Dazu kommen Gedankenspiele, die zum Teil gar nicht so abwegig sind: Der deutsche Proletarier strömt ins Ausland, um teilweise der Armenpflege zur Last zu fallen. Wie, wenn der potentielle Auswanderer, ohnehin fleißiger und geschulter als andere, künftig anstatt Roggen in der Ukraine oder Winterweizen in den USA in der Massaisteppe Mohrenhirse anbaute oder in der Panganisenke Rindvieh, Schafe und Ziegen züchtete? Vom Reichwerden durch Kolonialbesitz träumen schließlich auch andere. Ganz abgesehen davon: Warum sollte sich ein Oberlehrer wie er, ein Dr. phil., der in der Prima eines Gymnasiums Geografie und Geschichte unterrichten könnte, nicht zum Herrn über ein paar tausend Quadratkilometer Negerland machen?

Dem Berliner AA schlägt Peters die Gründung einer Kolonie am Sambesi vor. Bismarck, mit den Phantasien des Kolonialtreibers überfordert, lehnt ab, da er das Gebiet in der englischen Interessensphäre sieht, den Mann ohnehin nicht leiden kann. Majestät brauchen Sonne, doch (noch) nicht um jeden Preis. Im März '84 hält Peters im »Magdeburger Hof« in - nomen est omen - Berlins Mohrenstraße einen Vortrag über den Vorteil von Kolonien. Gleich darauf kommt es zur Gründung der Gesellschaft für Deutsche Kolonisation, einer kleinbürgerlichen Kapitalistengruppe, die sich für die Annexion und Verwaltung großer Kolonialländer unter deutscher Flagge einsetzen will, sich dabei auf Leute wie den Kammerherrn Felix Graf v. Behr-Bandelin und den Hofgartendirektor Jühlke senior stützt. Ein Aufruf erinnert die Deutschen daran, dass ihre Nation bei der Verteilung der Welt bisher leer ausgehen musste. Das Reich sei bei der Beschaffung von Rohartikeln und Tierprodukten auch weiterhin aufs Ausland angewiesen, etwas, das ein Anteilschein zu 5.000 Mark jetzt ändern kann. Kolonien stünden nicht nur für Gummi, Kaffee oder Vanille, Kolonien stehen für Weltgeltung und Weltgeschichte.

Den ursprünglichen Plan, sich im südlichen Afrika niederzulassen, hat Lüderitz mit dem Kauf Angra Pequenas vereitelt. Neues Wunschziel ist Afrikas Ostküste, mit der Eröffnung des Suezkanals Europa viel näher als zuvor. Die Ostküste und das dazugehörende Hinterland haben so vieles, was Kaiser-Deutschland nicht hat. Glaubt man Berichten, können auch Deutsche, haben sie sich erst einmal festgesetzt, dort unten am Wirtschaftsboom partizipieren. Europa konsumiert, was Afrika produziert, die Ostküste ist obendrein ein Sprungbrett für den asiatischen Raum.

Ostafrikas zentrale Landschaften sind, als Peters & Genossen sich dafür interessieren, keine Terra incognita mehr, wozu neben dem Schotten Livingstone, dem Amerikaner Stanley oder den Engländern Burton und Speke gerade auch deutsche Reisende beigetragen haben. »Die Erforschung Schwarzafrikas ist ein Stück deutscher Weltpolitik und ein Abschnitt deutscher Heldenzeit« (Eduard v. Liebert, ksl. Offizier aus Rendsburg). Johann Rebmann und Johann Krapf waren in unmittelbarer Nähe des Äquators auf Schneeberge gestoßen, Böhm, Kaiser und Reichard zum Tanganjikasee vorgedrungen.


Albrecht Röscher aus Hamburg-Ottensen

Albrecht Röscher hatte noch vor Livingstone den Njassasee erreicht, Gustav Fischer am Natron- und Naivashasee gestanden, was im Wettlauf um Afrika ganz gute Trümpfe sind. An Fieber oder Erschöpfung gestorben, vergiftet oder ermordet, was Deutschlands Anspruch auf schwarzafrikanischen Boden nur noch unterstreicht ... einige Männer, die vor Ort gewesen waren, hatten dafür mit dem Leben bezahlt. Der Berliner Zoologe Richard Böhm war zu Katapäna am Lualaba an Fieber gestorben, Decken und Begleiter Linck hatten sie bei Bardera, Röscher am Malawisee umgebracht.

Im Sommer '84 reicht Peters in Leipzig seine Habilitationsarbeit ein, Themenstellung: »Inwieweit ist Metaphysik als Wis-senschaft möglich«. Im September reist er zur Ausrichtung einer ersten Erwerbs-Expedition nach Sansibar, dem Handelsplatz für Sklaven und Gewürze. Die Insel der tausend Düfte ist der Schlüssel zum tropischen Afrika, für Peters allerdings nur Zwischenstation, sein Ziel so schwammig wie fest umrissen: »Eine Landerwerbung zwecks Anlegung einer Ackerbau- und Handelskolonie an der Ostküste, Sansibar gegenüber, in Usagara, falls dies nicht möglich, an einem anderen Punkt.« Auf Sansibar treffen Peters, Jühlke, Otto und Graf Pfeil als Mechaniker verkleidet und unter falschen Namen ein, damit Briten, Belgier und Portugiesen nichts merken. Deutschlands Konsul Wilhelm O'Swald, der von ihrem Kommen wusste, legt ihnen ein Schreiben Bismarcks vor, das keine Zweifel daran aufkommen lässt, dass Berlin Unternehmungen eines gewissen Dr. Peters missbilligt, dieser bei der Gründung einer Kolonie keinen Anspruch auf Reichsschutz hat. Bismarck schätzt den zupackenden Peters auch weiterhin nicht, vor Sansibar liegen drei englische Kriegsschiffe.


Konsul William Henry O’Swald

Kleine Geschichten aus einer großen Geschichte: Peters: »Als wir das O'Swald'sche Haus verließen, legte Jühlke seinen Arm um meine Schulter und sagte: "Dann lass uns zusammen sterben, Peters."« - Peters: »Ich antwortete dem Fürsten Bismarck, wenn er mir einmal wieder etwas abschlagen wolle, so möge er gefälligst warten, bis ich um etwas gebeten habe.« In Sansibars Shangani-Viertel treiben sich Mitglieder einer belgischen Expedition herum, die sich für die gleichen Landschaften interessieren wie die Deutschen. Macht, und dafür steht der Scramble for Africa, heißt so viel wie schneller sein als alle anderen. Wichtig für Peters und seine verspätete Nation ist es so auch, sich jetzt nicht noch einmal zu verspäten. Von Sansibar setzt das Erwerbsquartett aufs Festland über, um dann »Heia Safari, vorwärts mit der sinkenden Sonne« ins Hinterland zu marschieren. Im Hinterland »westlich von dem Reiche des Sultans von Sansibar, außerhalb der Oberhoheit anderer Mächte« mussten Stammeshäuptlinge sein, die sich für Schutzverträge der GDK interessierten.

Was Muinin Sagara und Sohn Kibuana am 4. Dezember '84 Peters per Handzeichen rechtmäßig und auf ewig überschreiben, umfasst in der Summe alle diejenigen Rechte, die nach dem Begriff des deutschen Staatsrechts den Inbegriff staatlicher Oberhoheit ausmachen. Das Vertragswerk billigt der Gesellschaft die völlige und uneingeschränkte privatrechtliche Nutzung der Landschaft zu, die Einrichtung einer eigenen Verwaltung, die Aufstellung einer bewaffneten Macht, die Erhebung von Steuern und Zöllen, die Ausbeutung von Bodenschätzen, Forsten und Flüssen bis hin zur ungestörten Wassernutzung, schließlich das ausschließliche Recht, Kolonisten hier anzusiedeln.

Was ein Potentat wie Muinin Sagara dafür erhält, ist der erbliche Titel Sultan, der Schutz vor Sklavenjägern, eine Rente in Handelsartikeln oder Vieh und ein Freundschaftsversprechen ... das allerdings gleich auf ewig. Usagara ist lediglich ein Streifen Petersland, auch die Herrscher von Nguru, Useguha und Ukami stellen sich unter Gesellschaftsschutz bzw. unter den ihrer Vertreter. Wie bei Muinin Sagara geht es bei Mangungu von Msovero zu, dann beim nächsten und übernächsten Würdenträger, was ausgesprochen gut für die einen, ausgesprochen schlecht für die anderen ist. Peters sichert sich und seiner Gesellschaft gewaltige Vorteile zu, lässt die Vertragskontrahenten auf den Nachteilen sitzen, ohne dass diese es zu diesem Zeitpunkt schon wissen.

Peters in seinen Lebenserinnerungen: »Die bloße Erwerbung von Negergebieten erfordert ein gewisses diplomatisches Talent«, was von einem, der es im küstennahen Binnenland gegenüber von Sansibar in rund vier Wochen auf zwölf »Schutzverträge« bringt, sicher nicht übertrieben sein kann. Geniestreich oder Amoklauf: Im Reich sind die Reaktionen so gespalten wie bei den Erwerbungen des Lüderitz. Der Abgeordnete Richter, dem bei jeder Gelegenheit »je weniger Afrika, desto besser« entfährt, sieht voraus, dass das mit Peters nicht lange gut gehen kann, andere spornen ihn zum Weitermachen an.

O-Ton dazu des Carl Peters, dessen Gesellschaft zeitweise die Hoheitsrechte über ein Gebiet besitzt, das jenes Kaiser-Deutschlands übertrifft: »Von der Erteilung des Schutzbriefes ab schossen in Deutschland die kolonialgründerischen Talente wie die Pilze aus der Erde. Dutzende haben sich an mich gewandt mit der Bitte, ihnen doch zu sagen, wie das gemacht werden müsse.«

Dem immer noch blockierenden Bismarck droht Peters für den Fall, dass man ihm die Schutzgewährung verweigere, mit dem Verkauf der Erwerbungen an König Leopold v. Belgien. Angesichts dieser Möglichkeit beginnt ein ganz neuer Wind durch Berlins Wilhelmstraße zu blasen, ist Leopold v. Belgien nach europäischen Standards doch ein zweitrangiger Monarch. Mit den ersten vier Landschaften des Peters ab Februar '85 unter kaiserlichem Schutz, erkennt Berlin die aus den Verträgen fließenden Rechte, einschließlich der Gerichtsbarkeit gegenüber den Eingeborenen und den in diesen Gebieten sich niederlassenden oder zu Handels- und anderen Zwecken sich aufhaltenden Angehörigen des Reiches an, gelten die Negerländer als deutsche Territorien.

Useguha, Usagara, Nguru und Ukami mit zusammen rund 140.000 qkm bilden den Grundstock zum späteren Deutsch-Ost, sind jedoch nur als ein Anfang gedacht. So lange es in diesem Teil Afrikas noch kolonisierbare Territorien gibt, gehen Kolonialmänner wie Jühlke, Pfeil oder Rochus Schmidt auf Erwerbs-Expeditionen. Negerreiche fallen wie Dominosteine, werden danach Schlag auf Schlag unter des Kaisers Schutz gestellt. Peters märchenhafter Werdegang zwingt die Gesellschaft in eine juristische Form. Die GDK wird zur Kommanditgesellschaft Carl Peters und Genossen, schließlich zur Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG), einer Charter Company nach englischem Vorbild, für die sich - die Bankiers Hugo Oppenheim und Ludwig Delbrück, Finanzassessor Klüpfel oder der Prinz zu Sayn-Wittgenstein - endlich auch Reiche und Einflussreiche gewinnen lassen.


Die deutsche Witu-Land Garnison, 1890 in Lamu

Carl Peters hat eine effiziente Art, sich Freunde und Feinde zu schaffen. Generelle Kritik bügelt er mit der Begründung ab, dass wer anders denkt oder nur nachdenklich wurde, ins Lager der Unpatrioten gehöre. »Lügen der Presse« legt er unter dem Stichwort Petershetze ab. Ernster sind die Schwierigkeiten, die der Pfarrersohn mit Herbert v. Bismarck, »dem kleinen Sohn des großen Vaters«, hat. Von Bismarck jr. fühlt er sich direkt bedroht, hatte der doch angeblich ein paar Totschläger gedungen, die nur darauf warteten, ihn umzubringen. Bevorzugt im Landstrich zwischen Witu und Ukamna Mumoni, und damit im Dunkel des dunklen Erdteils, wo Mord nicht weiter auffallen muss.

Peters ist ein Getriebener, als Überzeugungstäter sicher der deutscheste Deutsche in Afrika. 1889/90 übernimmt er die Leitung der Emin-Pascha-Expedition {»durch welche ich Deutsch Ostafrika bis zum Oberen Nil abrunden wollte und Uganda unter deutschen Schutz brachte«). Das Unternehmen ist als Hilfsexpedition für den als verschollen geltenden Emin Pascha gedacht, dessen Schicksal während des Mahdisten-Aufstands im Sudan weltweite Prominenz erhalten hatte. Mit der Befreiung Emin Paschas musste sich sein Image verbessern lassen (der Mann hieß eigentlich Eduard Schnitzler und stammte aus Oberschlesien).


Deutsch Wituland - Infolge des sogenannten Helgoland-Sansibar-Vertrages von 1890 ließ das Deutsche Reich alle Ansprüche hinsichtlich Witus zugunsten des Vereinigten Königreiches fallen

Peters landet in der Witubucht, stößt von dort mit einem Major a.D. v. Tiedemann, 17 Somalis und 58 Trägern ins Landesinnere vor, wo es zu Verträgen mit König Mwanga von Uganda kommt, die das zukunftsreiche, besiedlungsfähige Land in Deutschlands Interessensphäre rücken. Um Emin Pascha kümmert sich unterdessen kein Geringerer als Sir Henry Morton Stanley persönlich. Die Frage, ob Peters & Genossen das Mord¬komplott erfunden oder ob Herbert v. Bis-marck nur die falschen Mörder gedungen hatte, muss offen bleiben. Die Verträge, die Peters mit König Mwanga von Uganda schloss, sind zweifellos seine allergrößten Nummern. Uganda, so Winston Churchill einmal, Uganda ist Afrikas Perle. Nach dem Beispiel des Peters bildet sich in Deutschland ein zweites Konsortium, dessen Vertreter vor Ort die Gebrüder Clemens und Gustav Denhardt sind. Den Denhardts, in Zeitz an der Schwarzen Elster zu Hause, verkauft Suaheli-Sultan Ahmed Abdullah Simba von Witu Landbesitz mit allen Hoheits- und Privatrechten. Das Sultanat Witu liegt bei der Mündung des Tana-Flusses, landeinwärts von Hafen und Stadt Lamu. Deutsch-Wituland umfasst rund 40 qkm, hat eine Küstenlänge von 60 km und verblieb 5 Jahre in deutschen Besitz.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
Wikipedia

Carl Peters und die Emin Pascha - Expedition 1889-90

Ägypten hatte sich Anfang des 19. Jahrhunderts unter dem Statthalter des türkischen Sultans, Khedive genannt, Mehmed Ali (1768- 1849) vom Osmanischen Reich gelöst und den Sudan unter seine Herrschaft gebracht. Die Nachfolger Mehmed Alis begünstigten die Einwanderung von Europäern, holten europäische Techniker ins Land (1854 - 69 Bau des Suezkanals) und überließen die Herrschaft der Grenzprovinzen des Sudans europäischen Gouverneuren. Die Äquatorialprovinz des Sudan war zunächst dem Engländer Samuel Baker , ab 1878 dem deutschen Oberarzt der Provinz Dr. Eduard Schnitzer übertragen worden. Unter dem Namen Emin war er zum Islam übergetreten und regierte als Emin Pascha die Äquatorialprovinz.


Emin Pascha (links) und Carl Peters 1890

Der Sudan war damals Hauptumschlagplatz für die am oberen Lauf des Nils gefangenen Sklaven. Seit den Berichten europäischer Forschungsreisender über die Grausamkeiten islamischer Sklavenjäger und - händler bemühte man sich auf Drängen europäischer Politiker um die Bekämpfung des Sklavenhandels.

Nach vergeblichen Versuchen Samuel Bakers sah ab 1877 der englische Generalgouverneur Charles Gordon in Khartum dieses als eine seiner Hauptaufgaben. 1881 entlud sich die soziale Unzufriedenheit mit den hohen Steuern, einer Hungersnot und dem Hass gegenüber "den Fremden" im Mahdi-Aufstand unter Führung eines Derwisches namens Mohammed Achmed. Dieser behauptete, das Ende der Zeiten sei gekommen und er sei der erwartete Nachfolger des Propheten Mohammed, der Mahdi, der ein Reich der Gerechtigkeit aufrichten werde. Seine Truppen wurden aus den Reihen ehemaliger Sklavenhändler verstärkt, denen er Freiheit des Sklavenhandels versprach. Nachdem er sich gegen kleinere britische Militärinterventionen behauptet hatte, eroberte der Mahdi 1885 unerwartet Khartum; Gordon wurde bei der Eroberung getötet. Die Engländer, die 1882 Ägypten übernommen hatten, beschlossen, den Sudan zu räumen. Das Herrschaftsgebiet, das nach dem plötzlichen Tode des Mahdi 1885 vom Nachfolgekalifen errichtet wurde, schnitt Emin Pascha vom übrigen Sudan und Ägypten ab, er wurde aufgefordert sich zu ergeben. Emin Pascha verlegte seinen Verwaltungssitz nach Wadelai ,um eventuell von dort aus zur Ostküste zu gelangen.

Die Briten bereiteten eine Entsatzexpedition für Emin Pascha vor, deren Leitung Henry Morton Stanley übernahm. Stanley begann seine Expedition 1887 und wählte den Weg vom Kongo her . Schon im Dezember 1887 erreichte er nach großen Strapazen den Albert- See, galt aber ab Anfang 1888 selbst als verschollen.

1888 begann man in Deutschland sich für Emin Pascha zu engagieren. Carl Peters wirkte an der Gründung eines "Emin- Pascha- Komitees" mit und erhielt Anfang 1889 von Bismarck die Leitung einer Expedition. Peters brach im Juni 1889 von Daressalam mit dem Schiff auf und wählte den Weg über das Sultanat Witu nach Westen in Richtung Viktoria- See. Peters wusste nicht , dass Stanley bereits im April 1888 den gesuchten Emin Pascha getroffen hatte und sich seit April 1889 auf einer Marschroute westlich des Viktoria- Sees nach Süden bewegte.


Bagamojo in Deutsch-Ostafrika

Stanley und Emin Pascha erreichten am 4. 12. 1889 ihr Ziel Bagamojo an der Küste, als Peters' Expedition gerade gut die Hälfte des Weges zum Viktoria- See zurückgelegt hatte. Peters verfolgte weiterreichende Ziele, nämlich eine "gewaltige Erweiterung der deutschen Einflusssphäre". Auf dem von ihm gewählten Weg nördlich der seit 1886 geltenden Grenze zwischen englischer und deutscher Interessensphäre auf ursprünglich englischem Interessengebiet nahm er zahlreiche Flaggenhissungen vor und schloss Schutzverträge ab, z.B. mit dem Sultan von Kawirondo am 1. 2. 1890 . Peters betrachtete diese Gebiete als "nobody's country" und wollte die deutsch- ostafrikanischen Schutzgebiete bis an den Viktoria - See vergrößern und die verbliebenen südlichen Teile der ehemaligen Äquatorialprovinz unter Emin Paschas Herrschaftsanspruch an Deutsch- Ostafrika angliedern. Dafür mutete Peters sich und seiner Expedition große Strapazen zu und provozierte mit seinem offensiven Auftreten gegenüber Eingeborenen bewaffnete Konflikte mit Toten auf beiden Seiten, in deren Verlauf er auch Dörfer brandschatzte und Viehherden raubte.

Erst am 20. 6. 1890 traf Peters auf seinem Rückweg Emin Pascha in Mpuapua. Emin Pascha war bereits wieder auf dem Weg ins Landesinnere, um die Eingeborenen- Häuptlinge westlich des Viktoria- Sees der deutschen Herrschaft zuzuführen. Der Helgoland- Sansibar - Vertrag vom 1. 7. 1890 machte alle diese Pläne jedoch zunichte. Deutschland verzichtete auf das Sultanat Witu inklusive des dazu gehörigen Küstenstreifen Kenias und auf alle Ambitionen in Bezug auf Uganda und erhielt dafür das als strategisch wichtig eingestufte Helgoland. England sicherte sich Pemba, Kenia, Njassaland und das Protektorat über Sansibar. Das Reich des Mahdi wurde erst 1898 in der blutigen Schlacht von Omdurman, am linken Nilufer gegenüber Khartum gelegen, durch Truppen der europäischen Mächte England, Italien, Frankreich und Belgien besiegt.


Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
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Peters zwischen Traum und Alptraum

»Helgoland, Deutsch bist Du Englisch warst Du Deutsch sollst Du ewig bleiben« ... Als Berlin, dem ausgerechnet jetzt an guten Beziehungen zum Empire liegt, im Kolonialabkommen von 1890 zu Gunsten Ihrer britannischen Majestät auf Uganda verzichtet, ist es mit Peters Illusion von einem ganz großen Deutsch-Ostafrika vorbei: »um der germanischen Rasse diejenigen Lebensbedingungen zu sichern, denen sie zur vollen Entwicklung ihrer Kräfte bedarf«. Und doch sollte am Ende dieser Vertrag Deutschland eine Insel sichern, die sie bis heute behalten konnte, während das ganze übrige kaiserliche Kolonialreich nach dem 1. Weltkrieg verloren ging. Und doch hätte man womöglich mehr bekommen, wenn Bismarck es gewollt hätte.

Davon ahnte natürlich Peters noch nichts, weshalb er argumentierte, dass man eine Badewanne (Helgoland) gegen zwei Königreiche (Uganda und Witu) eingetauscht habe. Sir Stanley assistiert sogar mit der Behauptung, Deutschland hätte einen Anzug für einen alten Hosenknopf hergegeben. Peters hat den Sprung in jedes deutsche Geschichtsbuch geschafft, der Kolonialhandel seinem Lebenswerk jedoch einen Tiefschlag versetzt. Aus Plänen, mit Hilfe der frühen Erwerbungen ein Wirtschaftswunder aufzubauen, will zudem nichts werden. Die DOAG hat als Wirtschaftsunternehmen weder das Kapital noch das Konzept, um das Schutzgebiet zu stabilisieren. Berlin kommt um eine Übernahme nicht herum, mit dem 1. Januar 1891 ist Petersland, dazu alles, was zusätzlich erworben wurde, Kronkolonie.


Der Kilimandscharo zur deutschen Kolonialzeit

»Ich bin ich Peters« zieht als Reichskommissar ins Kilimandscharogebiet, was zweifellos ein Fehler ist. Er nimmt sich die Zeit, um »den guten alten Nietzsche zu lesen«, er baut sich einen kleinen Harem auf, wie es landesüblich ist, auf Linie bringt ihn allerdings auch der Staatsdienst nicht. Muss er unterm Schneedom des Kilimandscharo doch etwas treiben, wofür ihn die Eingeborenen jetzt häufiger Mikono wa Damu als Bwana mkubwa nennen. Mikono wa Damu heißt soviel wie »der Mann mit Blut an den Händen«, etwas, das sich bis ins Reich herumspricht. Peters kehrt, in den einstweiligen Ruhestand versetzt, in die Heimat zurück, wo er in ein politisches Unwetter gerät. Sozialdemokraten und Linksliberale wollen in ihm den Negerfresser sehen, einen, der beim Anblick von Eingeborenen lieber »Waidmannsheil« als Jambo habari gani (»Hallo, wie geht es?«) ruft. Das an ganz normalen Arbeitstagen.


Ein verurteilter Mörder wird 1893 in Deutsch-Ostafrika gehängt

Zum »Hänge-Peters« wird der niedersächsische Pastorensohn durch August Bebels Schilderung, wie er seinen Diener Mabruk und seine Konkubine Jagodja hinrichten ließ. Es gibt verschiedene Versionen dieser Geschichte, meistens laufen sie auf Folgendes hinaus: Peters hatte Mabruk und Jagodja bei Intimitäten überrascht. Jagodja war ein Geschenk des Bergvolks der Dschagga, Jagodja also auch die Seine. Da Eifersucht noch kein Grund zum Hängen war, bezichtigte er den Diener des Diebstahls, die Konkubine der Desertation, worauf sie - das Land unterm Kilimandscharo befand sich im Kriegszustand - ein Kriegsgericht zum Tod verurteilte. Peters führt zu seiner Verteidigung an, dass Wilden als Teil der Natur alles abgehe, was der aufrechte Deutsche Ehrfurcht, Dankbarkeit und Hingebung nennt. »Leider geht mein Weg über Leichen«, hatte er einmal selbst gesagt, was er noch sagte, möchte man lieber nicht wissen.

Die unbefugte Tötung von Schutzbefohlenen auf neudeutschem Boden, der regelrechte Amtsmissbrauch ... zum eigentlichen Stolperstein für ihn wurde, dass er nicht nur mit seiner Jagodja und weiteren Haremsdamen, sondern auch mit der Frau des Sergeanten Schubert schlief. Etwas, das man einfach nicht machte.

Nach einem Disziplinarverfahren dienstentlassen, siedelt der Feuerkopf, von seinen Deutschen einmal mehr im Stich gelassen, nach England über, kehrt - durch einen Gnadenakt des Kaisers mit dem Titel Reichskommissar a.D. und Pensionsanspruch - erst 1914 wieder nach Deutschland zurück. Seine Zukunft hat er allerdings längst hinter sich, die Enthüllung eines Peters-Standbilds in Daressalam verhindert der Krieg. Das bittere Ende braucht Peters nicht mehr zu erleben, als die Siegermächte daran gehen, Deutsch-Ost unter sich aufzuteilen, ruht er auf Hannovers Stadtfriedhof.

Hohenlohegraben, Hoffnungshöhe, der Graf-Götzen-Krater und Ratzelgletscher, die Hans-Meyer-Höhe, Kaiser-Wilhelm-Spitze und das Bismarckriff, Neu-Cöln/Usambara oder Mariental/Ulungwa geraten als deutsches Land in fremde Hand. Kolonisten, die sich nicht ohne Stolz Usambaraleute, »wir Tanganesen«, Kolonialmänner oder Kulturpioniere nennen, werden ausgewiesen, leben bald über die ganze Welt zerstreut. »Ich bin ich. Der Roman Carl Peters'«, »Carl Peters erobert Ostafrika«, »Karl Peters und sein Volk«, »Dr. Carl Peters. Der Weg eines Patrioten« ... was Peters im Leben versagt bleiben musste, wird ihm posthum zuteil. Die Dreißiger Jahre stellen ihn als Bannerträger des Deutschtums heraus. 1939, als Kolonien erneut als »völkisch, politisch, wirtschaftlich und ethisch unentbehrlich« gelten, wird in Berlins Afrikanischem Viertel mit viel Trara eine Petersallee eröffnet.


Hans Albers als Carl Peters

1940/41 dreht die Bavaria-Filmkunst München den Streifen »Carl Peters«. Da Außenaufnahmen in Muinin Sagara im Tal des Mukondokwa oder auf Sansibar die Weltlage verbietet, dienen die Insel Rügen und Schäftlarn in Bayern als Kulissen. Den Peters spielt der blonde Hans Albers, den Jühlke ein Karl Dannemann. In Nebenrollen sorgen ehemalige Schutzbefohlene wie Mbebe Mpessa aus Duala/Kamerun und Bayume Mohamed Husen aus Daressalam für Authentizität. Die Geschichte ist die Geschichte des Peters, wie sie Goebbels Propagandamaschine diktiert. Der blonde Hans-Carl in der Schlussszene zur Mutter: »Ach, lass die nur reden, es gibt etwas, das können sie mir nicht nehmen. Und das ist Afrika.« Womit er Usagara, Nguru, Useguha, Ukami, sicher auch das Land unterm Kilimandscharo meint. Der Uraufführung im Hamburger Ufa-Palast folgen Auszeichnungen wie »kulturell wertvoll«, »volksbildend« und »jugendwert«.

Eine ganz andere Geschichte ist die des Negerdarstellers Bayume Mohamed Husen, im Film der Peters-Diener und Dolmetscher Ramassan. Vater Husen hatte als Askari für 240 Mark im Jahr unter Lettow-Vorbeck gekämpft, war für seinen Bwana mkubwa Kaisari gefallen. Bayume hatte den Krieg als Kindersoldat mitgemacht, danach in englischer Gefangenschaft gesessen.


Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Schnee am Kilimandscharo


der deutsche Missionar Johann Ludwig Krapf

»Die Waganga (Zauberer) sind Lügner und Betrüger und verlangen nur Mali (Eigentum)«, so Johann Ludwig Krapf, 1844-55 Missionar in Mombasa und der Missionsstation des Dorfes Rabbai Mpia ein ums andere Mal. Galla und Wanika sind in Gefahr, vom »Ungeheuer Islam« verschluckt zu werden, zu Christus bekennen wollen sie sich trotzdem nicht. Die Leute neigen auch weiterhin den Waganga zu, nach rund fünf Jahren besteht Rabbai Mpias christliche Gemeinde aus einem einzigen Getauften, »und der ist ein Krüppel«, so Krapf.

Krapf kommt mit seinem Auftrag, in der Urheimat des homo erectus zu missionieren, so auch einfach nicht weiter, was ihn erneut an seiner Afrika-Vision »Zwölf-Apostel-Kette« arbeiten lässt. Gedacht ist an die Anlage einer Kette von zwölf Missionsstationen, die sich von der Ost- zur Westküste erstreckt, damit Gottesboten im Inland weitergeben können, was an der Küste offenbar nicht zu vermitteln ist. In Johann Rebmann hat Krapf einen tatkräftigen Mitarbeiter. Rebmann ist wie er in Basel ausgebildet und an die englische Church Missionary Society ausgeliehen, um die Frohe Botschaft in Afrika zu verbreiten.


Johannes Rebmann

Zur Verwirklichung der »Zwölf-Apostel-Kette« bricht das Schwabenfähnlein aus Derendingen bei Tübingen (Krapf) und Gerungen bei Stuttgart (Rebmann) zu ausgedehnten Reisen durch Ukambani und Usambara auf. Die beiden wollen Heiden im Rahmen von Bibelstunden zu Christen machen, an deutsche Hausberge in Afrika wird Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht gedacht. Im Mai '48 stößt Rebmann ins Gebiet der Dschagga vor, wo ihm sein Führer einen großen mit einem hellen Mondglanz bedeckten Berg verspricht. An dessen Hängen hausten böse Geister, die Menschen umbrächten, sobald sie ihnen in Gipfelnähe zu nahe kämen. Rebmann ist Gottesmann, kein Bergsteiger, erwartet im Savannenland eher ein Bergle als einen Berg. Den Tod am Hang schreibt er dem Glauben von Falschgläubigen zu, nicht dem Schweregrad der Höhenkrankheit.

»Am 11. Mai, inmitten einer großen Wüste, die voll ist von großen wilden Tieren ... schliefen wir unter Dornbüschen sicher und ruhig unter Gottes gnädigem Schutz. Wir sahen am anderen Morgen die Berge von Dschagga immer deutlicher, bis ich gegen 10 Uhr den Gipfel von einem derselben, mit einer auffallend weißen Wolke zu sehen glaubte. Mein Führer hieß das Weiße, das ich sah, schlechtweg Kälte, es wurde mir aber ebenso klar als gewiss, dass das nichts anderes sein könnte als Schnee.« Die allerletzte Gewissheit mochte ihm fehlen, doch der Gerlinger dürfte jetzt der erste Weiße sein, der rund 14 Tagesreisen von der Küste des Indischen Ozeans entfernt die Schneekuppe des Kilimandscharo vor sich sieht. Das durch geflossene Lava doppelgipflige Kilimandscharomassiv - dem Hochplateau sind Kibo und Mawensi aufgesetzt - ist der Welt größte frei stehende Erhebung.

Krapf, den Fieberschübe der Malaria von Rebmann trennten, wird im Jahr darauf im Massailand zum schneebedeckten Mount Kenia, dem nördlichen Nachbarn des Kilimandscharo geführt. Die Kikuyu nennen den Berg Kirinyaga, was Krapf als Kegnia missversteht. Der Umstand, dass sich im Raum Mombasa lediglich »ein Krüppel« für Christus interessierte, hatte zwei Schwaben zu den Entdeckern der beiden höchsten Berge Afrikas, ein rechter Schwabenstreich aus britischem Kolonialbesitz Kenya (Kenia) gemacht. Das rund 40 Jahre bevor Peters erst die Augen, dann die Hand aufs Land legte ... das war doch was. Schneeberge drei Grad südlich des Äquators: Was Rebmann seinen Missionsoberen berichtet, Krapf Landsleuten vorzuschwäbeln beginnt, löst in Europa ungläubiges Staunen aus. Von ewigem Schnee am Äquator hatte bis dahin noch keiner etwas gehört. Die beiden Missionare mochten die Väter des Protestantismus in Ostafrika sein, für ihre Entdeckungen ernten sie wenig Lob und viel Spott. Anstatt sich über Bergriesen auszulassen, schreibt Krapf dann an einer Grammatik des Kisuaheli in lateinischen Buchstaben, die Kenias Lingua franca als Basis dient.


Baron Carl Claus Frhr. von der Decken

Zurück in Europa wird die Schneefrage so lange diskutiert, bis Carl Claus Frhr. von der Decken Rebmanns Spuren zum Vulkanmassiv des Dschaggalandes folgt. Decken entdeckt den Mount Meru (4.630 m), der mit dem Kilimandscharo so vieles gemeinsam hat, kehrt eines Tages zurück und besteigt, vom jungen Otto Kersten begleitet, den Kilimandscharo bis auf 4.300 m. Das Schneephänomen geklärt, stellt sich die Frage, wer als Erster den Gipfel erreichen würde. Der Engländer Charles New arbeitet sich bis auf 4.420 m, Harry Hamilton Johnson bis auf 4.970 m vor. Ein Graf Samuel Teleki v. Szek aus Saromberge, der in Begleitung des Preßburger Seeoffiziers Ludwig Ritter v. Höhnel Afrika bereist, schafft es bis in die Alpinzone (ca. 5.000 m). Kurz nach ihm steht der Leipziger Geograf und Verleger Hans Meyer (»natürlich war ich vom Gedanken erfüllt, dass dieser höchste Berg Deutschlands auch zuerst von einem Deutschen erstiegen werden muss«) am Eisrand bei ca. 5.500 m.


1898 - Erstbesteiger Dr. Hans Meyer und Pater Rohmer mit einheimischen Trägern vor ihrem Zelt am Südosthang des Kibo im Kilimandscharo-Massiv


einst Deutschlands höchster Berg: der Kibo mit der Kaiser Wilhelm Spitze

Meyers zweiter Versuch, den »Sechstausender« als höchsten Punkt deutscher und afrikanischer Erde durch Erstbesteigung zu bezwingen, endet echt afrikanisch (es kommt alles ganz anders, als man denkt): Als die Expedition, der sich der Wiener Forschungsreisende und Topograf Oskar Baumann angeschlossen hatte, auf dem Weg von der Küste her durch das zu jener Zeit noch recht unbekannte Gebirgsland Usambara zieht, bricht der Aufstand der Küstenleute aus. Die Reisenden schaffen es noch bis Mazinde (»einem schmutzigen, verwahrlosten Dorf von ca. 100 Hütten«, Baumann), werden dann jedoch gefangengenommen und kommen erst nach der Zahlung von Lösegeld wieder frei. Bergspitzen eignen sich seit altersher als Symbole der Macht, auch dann noch, wenn sie im Lauf der Zeit einige Meter verlieren. War der Kilimandscharo nach Hoehnels Messungen noch 6.130 m hoch, hatte sich Meyer beim Hauptgipfel Kaiser-Wilhelm-Spitze auf eine Höhe von 6.010 m festgelegt. In Zukunft sind Korrekturen angebracht: 1999 - die Kaiser-Wilhelm-Spitze, für Deutschlands Darstellung im Herzen Afrikas einmal von überragender Bedeutung, ist eine Freiheitsspitze (Uhuru Peak) - legt sich eine deutsch-tansanische Vermessungsexpedition auf 5.893 m fest.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
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Expansion in Innere Ostafrikas

Usagara, Nguru, Useguha und Ukami sind in der Hand seiner Gesellschaft; um den deutschen Besitzstand zu mehren, schickt Peters Expedition auf Expedition hinaus, allein 1885 sind es elf. Die Kolonialtreiber schließen Verträge im Schatten großer Affenbrot- und Mangobäume, raffen zusammen, was sich zur wirtschaftlichen Nutzung zusammenraffen lässt. Triebfeder bleibt der private Unternehmungsgeist, Erwerbungen kommt entgegen, dass im präkolonialen Ostafrika viele Völker leben, der indigenen Gesellschaft das Nationalbewusstsein fehlt.


der Greifswalder Karl Ludwig Jühlke. Zwischen März und August 1886 war Jühlke noch einmal in Deutschland, bevor er nach Ostafrika, diesmal an die Benadirküste (Südsomalia), zurückkehrte. Er versuchte, den Küstenstreifen nördlich von Witu bis zur Mündung des Juba unter deutsche Kontrolle zu bringen. In der Wubuschi-Bucht plante er die Station Hohenzollernhafen. Er wurde am 1. Dezember 1886 von einem Somali ermordet.

Jühlke und Oblt. Max Weiß marschieren zum Kilimandscharo, wo sie die Landschaften Usambara, Pare, Bondei, Aruscha, Kahe, Dschagga und Ugemo erwerben. Im Festpreis findet sich neben dem deutschen Schutz das Versprechen, die Söhne des Sultans deutsch auszubilden. Sultan, arabisch für einen Mächtigen, wird inzwischen nahezu jeder genannt, mit dem man verhandeln will. Sultan, weil sich damit die nominelle Oberheit des rechtmäßigen Sultans von Sansibar überspielen lässt. 1886 erwirbt Jühlke, des Peters' treuester Genosse, die Benadir-Küste auf ewige Zeiten. Lt. Rochus Schmidt legt die koloniale Hand auf die Landschaft Usaramo, Graf Pfeil auf Khutu bis zum Rufiji, auf Uhehe, Ubena und Mahenge, danach auf Wamatschonde und Wangindo, womit sich das Land zwischen Kilimandscharo im Norden bis nach Uhehe und hinunter zum Rovuma in deutscher Hand befindet.

Während der Berliner Kongo-Konferenz ist es gerade auch Bismarcks Verhandlungsgeschick, das eine internationale Verständigung ermöglicht. Als Dank dafür addiert die Gemeinschaft der Zivilisierten das große Negerreich Ruanda und das landschaftlich attraktive Urundi im ostafrikanischen Zwischenseengebiet dem deutschen Einflussbereich zu. In Ruanda und Urundi herrschen viehzüchtende Tutsi (Watussi, Tussi) über ackerbauende Hutu (Wahutu) und Batwa-Pygmäen. Tutsi sind Hamiten, Hutu Bantu, die Batwa freie Paria, was für die Zukunft einiges erklärt. Ruanda und Urundi trennen keine natürlichen Grenzen vom deutschen Besitz.


S.M. Kreuzerfregatte "Gneisenau" - 1900 sank das Schiff in einem Sturm vor Malaga (Spanien)

Eine Grenzregulierung gegenüber dem portugiesischen Estado d'Africa Oriental gibt den Deutschen einen noch größeren kolonialen Spielraum, aus der Gesellschaft für Deutsche Kolonisation geht die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin hervor. Die DOAG ist eine Erwerbsgesellschaft mit Regierungsrechten, wichtigster Schritt zur Belebung des Handelsverkehrs würde der Erwerb von Hafenplätzen vom Sultan von Sansibar sein. Noch im Frühjahr '85 bringt S.M. Kreuzerfregatte Gneisenau unter Kapitän zur See Valois Gerhard Rohlfs als ksl. Generalkonsul nach Sansibar.


Generalkonsul Gerhard Rohlfs: Soldat Österreich-Ungarns, französischer Fremdenlegionär und deutscher Forschungsreisender und Generalkonsul von Sansibar

Rohlfs ist die schillerndste Figur der deutschen Afrikaforschung, die Deutschen reisen viel, doch keiner reist so viel wie er. Zu seinem Empfang spielt des Sultans Kapelle »Die Wacht am Rhein«. Kaum ist die Gneisenau am Horizont verschwunden, will Sultan Said Bargasch den Zeitpunkt sehen, das weitere Vordringen der Deutschen aufzuhalten. Ländereien, die Peters und die Denhardts erworben haben, wären die seinen, so Bargasch zu Rohlfs, Geschäftsgebahren der DOAG würden seine Zollinteressen gefährden. Etwas, wogegen er protestieren müsse. Bargasch ist der Sohn Sultans Sayyid ibn Sultan bin Ahmad von Oman und Sansibar aus der Osmanischen Dynastie der al Busaid. Sayyid hatte das Land von 1806 bis 1856 regiert, was im Reich natürlich kaum jemanden interessiert.


die SM "Stosch" 1884 in Kiel

Auf Bargaschs Protestnote reagiert Berlin mit schwerstem Kaliber, eben so, wie Berlin jetzt auf Jahre hinaus reagiert. Man ist Weltmacht geworden und will es auch zeigen. Für die sehr energische Antwort einer Flottendemonstration nehmen die Kreuzerfregatten Elisabeth, Stosch, Prinz Adalbert und erneut Gneisenau Kurs auf Sansibar. Von der Heimat her kommt der Hansa-Dampfer Ehrenfels mit afrikatypischen Tropenhelmen, Taschen-Wasserfiltern, Bier und Wein. Geschwaderchef ist der Schweriner Admiral Carl Paschen.


der alte Sultanspalast von Sansibar

Die Flotte, die den Sultan zur Anerkennung deutscher Interessen zwingen soll, ist mit 60 Geschützen armiert, hat mit der Bürgerlichen Emily Ruete alias Sayyida Salima bint Said bin Ahmad al Busaid und Sohn Rudolf Said-Ruete zusätzlich zwei regelrechte Geheimwaffen an Bord. Emily Ruete, 1844 in Sansibars Mtoni Palast geboren, ist die Tochter von Sultan Sayyid und einer tscherkessischen Nebenfrau. Emily Ruete, hier kurz Salme genannt, steht für ein Leben zwischen den Kulturen: »ich verließ meine Heimat als vollkommene Araberin und als gute Mohammedanerin, und was bin ich heute? Eine schlechte Christin und etwas mehr als eine halbe Deutsche«.

Als Salme Rudolf H. Ruete, Handelsvertreter der Hamburger Firma Hansing & Co., auf Sansibar kennen lernte, und die Verbindung fruchtbar wurde, war ihr Leben bedroht. Salme ist Mohammedanerin, Rudolf Christ, die Verbindung eine Schande für die Dynastie der al Busaid. Vor der Verurteilung kann sich Salme durch die Flucht an Bord von HMS Highflower entziehen. Als Emily christlich getauft, heiratet sie Ruete, mit dem sie nach Hamburg zieht. Ihre Bemühungen nach Ruetes Tod mit ihrer Familie Kontakt aufzunehmen, kann selbst die Unterstützung durch Kaiser Wilhelm I. nicht weiterbringen, was die Deutschen ganz kurz bewegt. Berlin käme Sansibar als Protektorat ohne Zweifel gelegen. Sansibar ist ein Schmelztiegel mit Menschen aus aller Herren Länder, dazu Umschlagplatz zwischen Afrika, Arabien und Indien. Sansibar steht für Syzygium aromaticum, die Königin unter den Gewürzen, für Kokosnüsse, Zimt und Vanille, Papayas, Orangen, Mandarinen, Felle, Sklaven und Elfenbein. Unter den verschiedenen Versionen, wie Salme/Emily Deutschlands Kolonialanspruch jetzt helfen könnte, ist diese: Salme und ihr im Berliner Kadettenkorps erzogener Sohn Rudolf sind deutsche Staatsbürger. Sollte einem von beiden im Rahmen der Flottendemonstration etwas zustoßen, könnte man Bargasch dafür zur Rechenschaft ziehen, Rudolf nach erfolgter Okkupation des Inselreichs zum Sultan von Sansibar machen.

So weit kann es Bargasch nicht kommen lassen, er will nicht, doch die Verhältnisse sind stärker als er. Mit Paschens Geschwader vor seinem am Meer gelegenen Sultanspalast erkennt er die deutschen Ansprüche »im vollsten Umfange« an. Ein Benutzungsrecht der Häfen von Daressalam und Pangani wie von der DOAG gewünscht? Haku-na matata ... absolut kein Problem.


Fünf Jahre deutsch und gegen Helgoland eingetauscht: Sansibar...

»So führe uns, Du bist bewährt In Gott-vertrau'n greif zu dem Schwert Hoch Wilhelm! Nieder mit der Brut!/Und tilg die Schmach mit Feindesblut!« ... Zur Vertragsunterzeichnung am 12. August, zu der die deutschen Offiziere in Bargaschs Haremsgebäude geladen sind, intoniert des Sultans Kapelle erneut »Die Wacht am Rhein«. Als Admiral ä la suite Edward Knorr, der in Kamerun gerade für Ordnung sorgte, mit der Bismarck vor Sansibar eintrifft, meldet ihm Paschen, dass dort alles zur Zufriedenheit verlaufen sei.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
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Der Küstenvertrag mit Sansibar

Salam bedeutet so viel wie Friede oder Heil, die islamische Grußformel salam aleikum lässt sich mit »Friede sei mit euch« übersetzen, was korrekt mit alaikum salam beantwortet wird. Ein Küstenaraber, der an Allah glaubt, nicht an den lieben Gott, entbietet sein salam aleikum jedoch nur Religionsgenossen, was üblich, doch auch typisch für die Verhältnisse ist: Araber, Sua¬heli {»Mohammedaner, doch des alten Ne-gerglaubens noch recht voll«) und Deutsche verstehen sich nicht, kommen miteinander nicht aus.


Das deutsche Postamt in Sansibar

Als Suaheli wird der zwischen Lamu und Mosambik lebende Völkermix bezeichnet. Die Mischung, die durch die Melange von Arabern, Negerstämmen, ungezählten Sklavengenerationen, die Bastardierung mit Indern, Persern, Syrern, Europäern und anderen zusammenwuchs, ist die Signatur der Ethnografie. Suaheli, die im palmenreichen Simiji, in Shungubwebi oder Pugu wohnen können, sind, so der Leipziger Ethnograf Karl Weule, gesellig, genussfreudig, heiter, unbeständig, unwahrhaft und misstrauisch, jedoch auch »bereit, sich dem europäischen Herrn anzuschließen, sofern er sie gut, das heißt freundlich, streng und gerecht behandelt«.

Ausgerechnet hier machen die Deutschen ein paar ganz gravierende Fehler. Auf Sansibar ist der Sklavenmarkt offiziell geschlossen, was jedoch absolut nichts bedeutet. Landeskinder, im Landesinnern eingefangen, müssen auch weiterhin Handelswaren wie das erjagte Elfenbein zur Küste schleppen, werden dort dann selbst verkauft. Elfenbein hat einen hohen wirtschaftlichen Wert, da Europäer daraus Klaviaturen, Kämme, Messerhefte und Billardkugeln fertigen. Auf Sansibar kann eir Sklave - inshallah - zum Verkaufsschlager werden, immer vorausgesetzt, er ist gesund. Hauptverdiener beim Menschenhandel dürfte der Sultan von Sansibar sein, Hauptträger sind die Araber. »Wenn man nur das schöne Land sieht, das herzlosen Arabern preisgegeben ist, deren einzige Beschäftigung es ist, Neger zu fangen und sie wieder zu verkaufen. Sie sind seit Jahrhunderten hier, haben die Kinder des Landes nichts anderes gelehrt als ihr mohammedanisches Glaubensbekenntnis, ohne welches es den Wilden viel besser ginge« (Christian Lautherborn aus Aalborg, Angestellter de DOAG im Plantagenbetrieb).


Ab 1886 gehörte Daressalam zu Deutsch-Ostafrika

Neben Sultan und Arabern profitieren Suaheli und sklavenjagende Stämme wie Warjamwesi oder Wahehe vom Sklavengeschäft: »gejagt wird in den unglücklichen Gegenden, wo sich der Eingeborene nur mit Speer und Bogen gegen die unmenschlichen Räuber wehren kann« (Hermann Wißmann). Der Deutsche, eine ganz klägliche Minorität, hat im Sklavenhandel seine Chane erkannt, um die Negerbevölkerung für sie zu gewinnen. Die Kalkulation kann einfach nicht einfacher sein: Die neuen Herren der alten Erde unterbinden die Menschenräuberei, die Eingeborenen, Gejagte durch Jahrhunderte, danken es ihnen, indem sie in Scharen ins deutsche Lager überlaufen ...

Als Berlin und London 1886 ihre Aktionsgebiete abstecken, sieht der Sultan von Sansibar einmal mehr wie ein Verlierer aus. Seine Hoheitsrechte wurden weitgehend auf Sansibar beschränkt, vom Festland ließ man ihm lediglich einen 16 km breiten Küstenstreifen. 16 km zwischen Witu und der Rovuma-Mündung, die einen wie Carl Peters allerdings nicht ruhen lassen, ergibt sich für ihn jetzt doch folgende Situation: Von seinem Besitz im Hinterland aus kann Peters den Indischen Ozean sehen, vorausgesetzt, es herrscht gute Sicht. Wasser, Wellen und Palmenstrand; was richtig stören muss, ist der Umstand, dass der Ozean zwar vor der Haustür liegt, des Sultans Küstenzone jedoch den ungehinderten Zugang verwehrt.
Wer Geschäfte machen, kräftig zulangen will - darin stimmen alle imperialistischen Mächte über ein - braucht Hafenplätze.


Daressalam 1908
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Peters Versuch, Sultan Sayyid Khalifa, Nachfolger des verstorbenen Bargasch, das Gebiet abzuhandeln, führt zu nichts. Berlin, mit den Methoden des »üblen Burschen Peters« (Herbert v. Bismarck) hinreichend vertraut, beauftragt seinen Generalkonsul Gustav Michahelles, beim Sultan in Sachen Küstenstrich vorstellig zu werden. Von Reichs wegen offiziell darauf angesprochen, mit Bismarcks Flottendemonstration in unguter Erinnerung, unterschreibt Sayyid Khalifa einen Zoll- und Küstenvertrag, und diesen gleich auf 50 Jahre. Das Abkommen sichert der DOAG die Verwaltung der Küstenregion von der Umbamündung bis nach Kap Delgado über dem Rovuma. Im gepachteten Neuland für Deutschland liegen mit Tanga und Daressalam die besten Häfen der Küste. In Berlin wird zum Pachtvertrag die Frage gestellt, »ob die Gesellschaft die ihr übertragenen Hoheitsrechte überhaupt würde ausüben können«. Fehlt den Beamten und Kaufleuten der DOAG doch das klare Konzept, um sich mit denen, die vor ihnen hier gewesen sind, friedlich auszugleichen.

»Würden diese Wenigen mit Freundlichkeit gekommen sein, sich auf den Zolldienst beschränkt und alles aufgeboten haben, um uns, die herrschende Partei der Araber, zu gewinnen, so säßen sie wohl heute noch ruhig in den Küstenstädten« , so Bushiri bin Salim al-Harthi, Hauptrebellenführer, nachdem er gegen die Deutschen losgeschlagen hatte.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Aufstand in Pangani

Mit dem Küstenvertrag kaum unter Dach und Fach, brechen die ersten schweren Zeiten der deutschen Kolonialgeschichte an, hinterher Araber-, Bushiri- oder Aufstand der Küstenleute genannt. Führer ist der bei Pangani ansässige charismatische Bushiri, der als »halber Afrikaner und halber Araber in sich das Beste wie das Schlechteste von beiden Welten vereint«. Oskar Baumann, mit Meyer zum Kilimandscharo unterwegs, hält Bushiri für einen auffallend klugen Kopf, die Kolonialprogaganda stellt eher eine diabolische Wendigkeit heraus: »wenn einer im Verdacht steht, mit den Deutschen zu kollaborieren, werden ihm Füße oder Hände abgeschlagen oder er wird lebendig verbrannt«.


Buschiri bin Salim - der Kopf des Araberaufstands in Deutsch-Ostafrika

Neben Bushiri gibt es eine ganze Reihe von Nebenführern, die Bomboma, Malela, Makanda, Pori oder Soliman bin Sef heißen. Dazu einen Bana Hcri, der sich angestammter Sultan von Wasegua nennt. Warum es zum Aufstand kommen muss, lässt sich mit kultureller und wirtschaftlicher Konkurrenz generalisieren: Die Araber sehen, wie Fremde ihre Menschenjagdgründe in Frage stellen, die bisher von ihnen kontrollierten Handelsstationen besetzen. Indische Kaufleute befürchten, dass mit dem Ende des Sklavenhandels mit den Arabern kein Geld mehr zu machen ist. Die Inder schießen dann nicht, erweisen sich dafür als Spezialisten im Schleichhandel mit Pulver und Waffen.

Von Bedeutung ist, wie die DOAG, obwohl nur Pächter, ihren Herrschaftsanspruch unterstreicht. Ihre Vertreter gehen kolonisatorisch vor, ziehen entgegen der Abmachungen an mehreren Plätzen die Sultansflagge ein und die Gesellschaftsflagge auf. In Bagamoyo ist die Bevölkerung über das Abholzen des alten Flaggenmasts gleich so aufgebracht, dass sie das Usagara-Lagerhaus stürmt. Lediglich in Tanga kommt es zum Kompromiss: In Tanga dürfen beide Flaggen wehen, die Gesellschaftsflagge lediglich etwas höher als jene des Sultans.

Das Religiöse spielt dort eine Rolle, wo der Bekehrungseifer der Missionen Kulturen zersetzt, alte Maßstäbe lächerlich macht. Dazu kommt rein Persönliches, benehmen sich DOAG-Vertreter, erst kurz im Land, im Prinzip noch gar nicht richtig angekommen, doch wie Konquistatoren: »wie wenn sie Herren des Landes und wir alle ihre Sklaven wären«, (Bushiri). Sie reiben sich an traditionellen Suaheli-Strukturen, provozieren, wofür das Auftreten eines Emil v. Zelewski, Stationschef in Pangani, aktenkundig wird.


Emil von Zelewski sorgte für böses Blut unter den Eingeborenen Deutsch-Ostafrikas

Der Mann, den sie bald "Nyundo, den Hammer", nennen, macht beim Erfahrungensammeln absolut keine gute Figur. Er stellt sich selbst als Sultan hin, bedroht Unbotmäßige mit Hinrichtung oder Deportation ins ferne Reich. Er weiß nicht, warum Mohammedaner ständig bismi 'llahi 'rrah-mani 'rrahim (»im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen«) sagen. Am Tag des Opferfests Idul Adha betritt er eine Moschee, was Giauren, Ungläubigen, generell verboten ist. Zelewski bringt seine Hunde mit und behält die Stiefel an. Der Mann stammt aus dem westpreußischen Borreck im Kreis Karthaus.

Pangani, ca. 50 km südlich von Tanga, ist als End- und Ausgangspunkt der nördlichen Karawanenstraße nach Massailand und über Nord-Unguu nach Irangi ein wichtiger Handelsmittelpunkt, als Kraftzentrum von Arabern, Suahelis und Indern eine recht wohlhabende Stadt. In Pangani muss schon etwas faul gewesen sein, als Hans Meyer und Oskar Baumann hier ihre Kilimandscharo-Expedition an Land brachten: »natürlich hatte anfänglich niemand gedacht, dass es einem Haufen aufständischer Araber und Neger gelingen könnte, angesichts der deutschen Flotte die Deutschen fortzujagen«. (Meyer).


Pangani in Deutsch-Ostafrika (1906)
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In Pangani beginnt der Reigen der Gewalt, Pangani wird zum Pulverfass, als Zelewski die Anladung größerer Mengen Schießpulver blockiert. Von einer aufgebrachten Menschenmenge festgesetzt, bleibt er so lange in Gefangenschaft, bis ihn Truppen des Sultans befreien. Hauptpreis des Aufstands dürfte das geschichtsträchtige Bagamoyo sein. Der auf einer vom Strand allmählich ansteigenden Hügellehne liegende volkreichste Küstenplatz ist Beginn und Endpunkt der großen Karawanenstraße nach Tabora und Ujiji. Bagamoyo gilt als Umschlagplatz des ostafrikanischen Menschenhandels, von hier werden die Sklaven nach Sansibar verschifft. Bagamoyo lässt sich mit »Leg dein Herz nieder« übersetzen, was eine Beziehung zum Geschäft mit Landeskindern hat ...


die SMS "Leipzig" im Jahr 1885

Im Hafen von Sansibar werden S.M.S. Möwe unter Kkpt. Riedel und S.M.S. Leipzig unter KzS Plüddemann unter Dampf gesetzt, auf dem Festland Missionsneger bewaffnet und einexerziert. Die Gesellschaft befestigt ihre Stationen. Um es denen in Pangani noch einmal zu zeigen, wird dort ein Kommando der Kreuzerkorvette Carola unter Kkpt. v. Raven an Land gesetzt, wobei es zu ein paar unschönen Szenen kommt. Seemannsbraut ist nicht nur die See, Pangani für einen Typ schöner Frauen bekannt (»die wir alle zu unseren Sklaven machen wollen«, Lautherborn). Die Seesoldaten prügeln, plündern und vergewaltigen wohl auch. Im Koppelschloss das »Gott mit uns«.

Der Volkszorn wächst sich gleich derart aus, dass man jetzt weniger auf eine Ketten- als auf eine konzertierte Aktion schließen muss. Ein Angriff »fantastisch gekleideter Araber und waffenstarrender Neger« auf Bagamoyo läuft sich im wohl gezielten Feuer aus dem Stationsgebäude fest: »die Versuche der Wilden scheiterten am Hinterlader«. Als Kkpt. Donner die Stadt mit 260 Marinesoldaten der Leipzig entsetzt, ist ihr musealer Kern weitgehend zerstört. Donner, der auf der Außenreede völlig durchnässt worden war, wird fiebrig und stirbt, Bushiri zieht sich nur leicht angeschlagen zum Dorf Kaule zurück. Im September sind Kilwa, Lindi, Tanga und Pangani von Empörern besetzt, Missionsstationen und Handelsniederlassungen verlassen. Lediglich das notdürftig befestigte Bagamoyo und Daressalam befinden sich noch in deutscher Hand, worauf die DOAG, die aufgrund klammer Finanzen gerade mal 80 Askaris beschäftigen kann, das Reich zur Pazifizierung Bushiris um schnelle und wirksame Hilfe bitten muss.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Kampf den Sklavenjägern

Bismarck, der die Dinge nicht einfach treiben lassen kann, steht vor der Wahl, die Stellung Ostafrika aufzugeben oder sich militärisch zu engagieren. Ein Rückzug muss dem Ansehen im Ausland schaden, das politische Ziel überwiegt alle anderen Bedenken. Mit England stimmt man sich über eine strenge Seeblockade der festländischen Küste Deutsch-Ostafrikas mit Einschluss der Inseln Mafia und Lamu ab.
Kein Kriegsmaterial rein, keine Sklaven raus, würde die Aufständischen in die Knie zwingen. Parallel dazu, um negative Wählerreaktionen schon im Vorfeld zu ersticken, schiebt die Koloniallobby eine Volkskampagne gegen das unmenschliche Wegfangen von Menschen an. Zelewski oder des Sultans Flagge? Es ist die christliche Verantwortung für arme Heiden-Neger, die das afrikanische Geschehen zum Kampf zwischen Gut und Böse macht.

Zwischen Alpenrand und Meeresstrand will man arabische Sklavenhändler an deutsche Galgen sehen. Dass Sklaven nicht mehr fortgeschleppt werden dürfen, ist Ziel aller Deutschen. Die Kreuzzugstimmung erfasst selbst die politisch Wichtigen, von Bedeutung ist, dass jetzt das hin und wieder kolonialkritische katholische Zentrum herüberkommt, das bei Etatabstimmungen im Reichstag den Ausschlag geben kann. Als die Seeblockade, von den Kriegsmarinen Englands, Belgiens, Italiens, Frankreichs und Portugals unterstützt, gegen Mittag des 2. Dezember 1888 beginnt, regt Bismarcks Engagement so auch niemanden mehr auf. »Es heult der Sturm, es braust das Meer/ Die Woge brüllt, die See geht schwer« ... Die deutsche Blockadeflotte wird von den Kriegsschiffen SMS Leipzig, SMS Carola, SMS Sophie, SMS Olga, SMS Möwe, SMS Schwalbe und dem Aviso Pfeil gestellt. Geschwaderchef ist Konteradmiral Deinhardt, die Sperrung der Ein- und Ausfuhr zieht sich bis Oktober 1889 hin. Sklaven, die deutschen Jungs in die Hände fallen, kommen zur Verteilung auf die Missionsstationen im Hinterland. Aufgebrachte Dhaus werden nach Sansibar geschleppt, dort in der Nähe des deutschen Konsulats zersägt.

Die Abschnürung des Feindes bleibt lückenhaft, kann lediglich ein paar Propagandaerfolge erzielen. Wo immer es in Küstennähe zu Wettrennen kommt, sind die Kriegsschiffe aufgrund ihres Tiefgangs den wendigen Einmastern mit den Dreieckssegeln unterlegen. An Land hat der Gegner genügend Kriegsmaterial gebunkert.



Der Küstenstrich lässt sich von See her nicht pazifizieren, die Krisenmeldungen häufen sich:

Daressalam: Überfall auf die DOAG-Station durch räuberische Aufständische in der Nacht auf Heilig Abend.

Kilwa: DOAG-Agenten Hessel und Krieger ermordet.

Sadani, gegenüber von Sansibar: Useguhas wichtigster Küstenplatz von Bana Heris Leuten besetzt.

Lindi: Weiße retten sich unter Zurücklassung von Hab und Gut.

Pugu: Schwester Martha Wansing und zwei Brüder in der Benediktiner-Missionsstation ermordet.

Daressalam: Erneuter Angriff von Chef August Leue und Landungstruppen der SMS Möwe zurückgeschlagen, »die Marine schickte den Empörern ein paar Granaten hinterher, welche bewirkten, dass die Flüchtigen nach allen Seiten auseinanderstoben«.


die Region Lindi in Deutsch-Ostafrika

Da es Schiffsgeschütze und Landungstruppen allein nicht bringen, sieht sich Berlin noch im deutschen Winter gezwungen, eine erste Kolonialtruppe aufzustellen. Die ksl. Schutztruppe für Deutsch-Ost wurde offiziell erst im März '91 gebildet. Der 8. Februar '89 ist ihr eigentlicher Stiftungstag, die Grundlage das Gesetz betreffend den Schutz der deutschen Interessen und der Bekämpfung des Sklavenhandels. Bwana Wissmani oder Bwana Kitsawa, der Mann, der den Empörern das Gesetz des Stärkeren beibringen soll, heißt Hermann Wißmann im richtigen Leben. Bismarck zu Wißmann: »Siegen Sie«, wofür ihm das Reich zwei Mio Mark zur Verfügung stellt. Mit Wißmanns Bestallung zum Reichskommissar bei voller Selbständigkeit und Entschlussfassung wird das Schutzgebiet faktisch von Berlin verwaltet, beginnt die neue Zeitrechnung.
»Unserem Wißmann«, der Bismarcks Vertrauen, dazu einen emotionalen Bezug zu Afrika hat, geht ein außergewöhnlicher Ruf voraus. 1853 im Haus Lindenstraße 9 in Frankfurt/Oder geboren, hatte er es nach der Erziehung im preußischen Kadettenkorps im mecklenburgischen Inf.-Rgt. Nr. 90 zum Leutnant gebracht. Im Standort Rostock aufgrund zahlreicher Eskapaden mit dem Prädikat »der tolle Wißmann« belegt, studierte er Meteorologie und Astronomie, wenn auch nur flüchtig, um sich danach für eine Forscherlaufbahn im Dienst der Afrikanischen Gesellschaft zu entscheiden.


Hermann v. Wißmann (sitzend links) mit Offizieren und in Ägypten angeworbenen Sudanesenaskaris der Wißmanntruppe.

Mit dem bereits berühmten Zierstorfer Paul Pogge stößt er von Malange/Angola über den Kongo-Nebenfluss Kassai nach Nyangwe am Lualaba vor, zieht, da Pogge nach europäischen Maßstäben den Verstand verliert, dann allein weiter gen Osten. Als er am Indischen Ozean steht, gilt er als erster Europäer, der Afrika von West nach Ost durchquerte. Wißmann führt eine Expedition von Luanda zum Unterlauf des Kassai, in seiner Begleitung die Gebrüder Hans und Franz Müller, Curt v. Frangois und Ludwig Wolf. 1886 reist er im Dienst der Belgier, da Berlin seine Verwendung im Kolonialdienst ablehnte, von Leopoldville über Luluaburg zum Sambesi und zur portugiesisch-ostafrikanischen Hafenstadt Quelimane. Auf Sansibar lernt er Carl Peters kennen.

Held Wißmann, dem Bismarck den Auftrag zum Siegen gab, kennt Afrika wie kaum ein Zweiter. Er weiß, dass Müller, Meier oder Schulze dort nur bedingt verwendungsfähig sind, sich mit deutschen Soldaten in feuchtigkeitschweren tropischen Küstenzonen keine Kriege gewinnen lassen. Was er aufgrund des Klimas, der Landesnatur und der Sonderfechtart des Gegners braucht, sind farbige Mannschaften, die bereits etwas vom Handwerk verstehen. Während Wißmann nach Soldaten für seine Truppe sucht »für die aufgrund der Verhältnisse fast nur landfremde Neger in Frage kommen«, versucht Konteradmiral Deinhardt vom Blockadegeschwader, die Zeit bis zum Losschlagen mit Scheinverhandlungen zu überbrücken. Die Bedingungen, die ihm Bushiri fürs Stillhalten stellt, kommen ihm »geradezu lächerlich« vor. Der Mann fordert für sich den Posten des Gouverneurs, dazu eine eigene Armee, ein Stationierungsverbot für deutsche Kriegsschiffe und die Rückführung entlaufener Sklaven.

Wißmann scheint nicht nur Afrika zu kennen, er kennt auch die Afrikaner. In Ägypten wirbt er kriegsgeübte Sudanesen an »die mit Frau und Kind beschäftigungs-und brotlos in den Straßen von Kairo und Alexandrien herumlungern«. Die Soldaten hatten unter Hicks Pascha gegen die Mahdisten gekämpft und trauten sich, demobilisiert, nicht mehr in ihre Heimat zurück. In Mosambik finden sich »als Gegengewicht zu den mohammedanisierten Sudanesen« 350 Zulus »von Mutter Natur mit sehr guten kriegerischen Eigenschaften«. Seine Truppe hat er in den ersten Maitagen in Bagamoyo zusammen. Hptm. Wißmann unterstehen acht Chefs (Hauptleute), 13 Leutnants, ein Arzt, drei Beamte im Offiziersrang, sieben Proviantmeister und 56 Uffz. (einschließlich der Lazarettgehilfen), die aus allen deutschen Waffengattungen stammen. Unter den Offizieren fallen Rochus Schmidt, Chef Georg Richelmann, der Frhr. v. Eberstein, der Frhr. v. Bülow und der Frhr. v. Gravenreuth auf.

Bewaffnet sind die Europäer mit dem zeitgemäßen Offz.-Feldzugsäbel, mit Revolver und der Mehrlader-Mauserbüchse 71/84. Zur tropen- wie feldmäßigen Uniformierung zählt ein leichter, blusenartiger Rock aus Baumwolle, ein bequem sitzendes Beinkleid ohne Biese, das für den Garnisonsdienst weiß, für die Expedition kakifarben ist. Zum dauerhaften Schnürschuh aus Segeltuch wird im Feld die Ledergamasche getragen. Als Kopfbedeckung dient der helmartige, mit der deutschen Konkarde geschmückte weiße Sonnenhut aus Kork. Den Kern der Truppe stellen die in Ägypten angeworbenen Sudanesen mit sechs Kompanien zu je 100 Mann. An ihrer Seite zwei Zulukompanien, ein Zug eingeborene Suaheli-Askaris mit 80 Mann, 40 Somalis und 22 türkische Polizisten. Sudanesen und Zulus marschieren mit der Jägerbüchse 71 ins Feld, die Suaheli-Askaris mit dem Karabiner 71 und dem Infanterie-Seitengewehr 71/84, das sich unaufgepflanzt als Buschmesser verwenden lässt. Als Artillerie verfügt Wißmann über zwölf Feldgeschütze, ein mobiles 6-cm-Berg-geschütz, sechs 4,7-cm-Schnellfeuerkanonen und ein Maxim-Maschinengewehr. Der schwarz-weiß gemischten Truppe schließen sich mit Speer, Pfeil und Bogen, durch das Rindshautschild gedeckt, regionale Stammeskrieger an. Die Landessöhne werden bevorzugt in der Aufklärung eingesetzt, tragen, damit sie sich von allen anderen unterscheiden, als Erkennungszeichen rote und weiße Stoffzipfel.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Wißmanns Schutztruppe


Askaris bei der Ausbildung
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»Ob wir auch schwarz, wir fühlen warm Der Kaiser ist uns gut. Drum weihen wir ihm Herz und Arm Und unser heißes Blut«

Die Wißmanntruppe ist als Privattruppe aufgestellt, ihre Rekrutierung war heftig umstritten. Gehen die Meinungen darüber doch weit auseinander, ob Eingeborene (Wilde etc.) überhaupt ausgebildet und modern bewaffnet werden können, ohne die »Weltgeltung der Weißen« aufs Spiel zu setzen. Held Wißmann »ich habe in zehn Jahren meines Afrikalebens nicht annähernd solche Leistungen von Schwarzen gesehen« weiß die Diskussion schnell hinter sich. Es gibt Feldzüge, während denen mehr Weiße etwa durch Hitzschlag ums Leben kommen als vor dem Feind:

Leutnant v. Medem, Stationschef von Mpwapwa, wird Opfer wiederholter Dysenterieanfälle. Unteroffizier Witzick und Unteroffizier Gombert sterben vor Sadani »da sie keine Schwäche zeigen wollten und so lange vorwärts gingen, bis sie umfielen«, so Wißmann. Die unter seinem Kommando stehenden Kriegsveteranen aus dem Sudan und aus Mosambik zeigen sich dem Tropenklima, dazu allen anderen Strapazen, gewachsen, gehen gegen den Feind so tadellos vor wie europäische Soldaten. Der Sudanesen-Askari Bachit-Bachit, die Betschauschs Muniemvua und Pandascharo ... nachdem Versuche mit Söldnern des Sultans von Hyderabad und Rekruten aus Deutsch-Neuguinea zu nichts führten, nimmt die Truppe neben landfremden Soldaten auch Ethnien wie Wanyamesi, Manyema, Wasukuma, Wasaramo, Wanganda, Wajao, Wahehe und Massai auf. Farbige Landsknechte, denen das tunak-wenda tunashindo (»wir marschieren, wir siegen«) leicht über die Lippen geht, die an Gräbern »Ich hatt' einen Kameraden« singen als stünden sie nicht am Mbemkurru, sondern am Rhein, sind aus Deutsch-Ost bald nicht mehr wegzudenken.

Der ostafrikanische Askari, der für Deutschland kämpft und stirbt, ist eines Tages so deutsch wie Sauerkraut und Bier.

Der Askari, der seinem allergnädigsten Kaisari ewige Treue geschworen hat, steht für Loyalität, Kameradschaft und Tapferkeit. Der Askari vor dem Feind, beim Karabiner- und Stiefelappell oder auf verstärkter Löwenwache liefert den Stoff, aus dem ganze Romane sind »ich war nicht der Einzige, der feststellte, wie schön auch diese Leute trotz wulstiger Lippen und aufgeworfener Nasenlöcher sein können«, so Lettow-Vorbeck.


Mit Askaris gelang es die deutschen Afrikakolonien zu stabilisieren und später trotz Unterzahl den Weltkrieg zum Gegner zu tragen.

Schausch (Uffz.) und Betschausch (Sergeant) sind von deutschen Drillsergeants nach Exerzierreglement und Schießvorschrift der Marineinfanterie gut einmarschiert und einexerziert, Sol (Feldwebel) und Ombascha (Gefreiter) brauchen sich, wenn es zum Schießen, Hauen oder Stechen kommt, hinter den Deutschen nicht zu verstecken. Der Gemeine, wofür das Wort Askari steht, kennt sich in der Gesamtmarschordnung aus, Kommandos werden auf Deutsch erteilt, das Dolmetscher für Neuzugänge übersetzen. Wer als Nicht-Weißer die fächerartige deutsche Kokarde, den Reichsadler oder die schwarz-weiß-rote Kordel trägt, ist gewohnt, von seinen Landsleuten bewundert zu werden »die aus Metall geschlagene Kompanienummer oder gar ein versilberter Adler macht den farbigen Soldaten stolz auf die Truppe, die ihn so schmuck kleidet und dadurch aus der Masse der Eingeborenen hervorhebt«, sagte Oberstabsarzt Becker.


Beschützte in deutscher Uniform auch ihr eigenes Zuhause: Ein Askari bei seiner Familie
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Askaris bekommen Sold, werden mit Pensionsbezug verabschiedet, um sie an weitere Interessen der Kolonialherren zu binden. Askaris haben allerdings auch eine ganz andere Seite: Sie können sich, besonders wenn durch Alkohol enthemmt, außerordentlich schlecht benehmen, was Missionar Schüler von der Berliner Mission in Berichten mit einem »wir hoffen und flehen zum Herren, dass es bald besser werden möge« unterstreicht. Eine Begegnung zwischen Schwarz und Weiß auf gleicher Ebene bleibt ausgeschlossen, da der Ejfendi (der farbige Offizier) hinter dem weißen Unteroffizier rangieren muss. Die Weißen halten die führenden Kommandoposten, doch beim Kriegshandwerk kommen sich Afrikaner und Europäer am nächsten. Die Waffenbrüderschaft beruht auf gegenseitigem Respekt. Deutsche Offiziere, als starre Zuchtmeister verrufen, sind in Afrika flexibel genug für den Busch- und Guerillakrieg. Wie Lettow-Vorbeck in den letzten Kriegsjahren kämpft, hat er in Südwest dem legendären Schimmelreiter Morenga und dem alten Witbooi abgeschaut. Einen wie Lettow-Vorbeck hatte der Gegner nicht.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Die Feuertaufe der Askaris

Um zu testen, wie kampfstark er wirklich ist, geht Wißmann am 8. Mai, durch 200 Marinesoldaten unter Korvettenkapitän Hirschberg verstärkt, gegen Bushiris Stützpunkt Jahazi bei Bagamoyo vor. Der Gegner kämpft tapfer, ist mit der Landesnatur vertraut, die Wißmanntruppe überlegen bewaffnet. Bushiri verliert 106 Mann, kann selbst jedoch entkommen. Anfang Juni beschießen SMS Leipzig, SMS Möwe, SMS Schwalbe und SMS Pfeil die gegnerischen Befestigungen von Sadani von der Reede her, damit Wißmann den Hauptplatz der feindlichen Elemente in Useguha ohne größeren Widerstand nehmen kann. Am gleichen Tag fällt Uwindje.


Eine rastende Askari-Kolonne - Ihren hohen Kampfwert haben sie seit dem Araberaufstand bewiesen

»Unser Wißmann« erobert Pangani, rapportiert er dann nach Berlin, um zu zeigen, zu was seine Truppe fähig ist: »Meine Leute, die 24 Stunden fast durchgängig seekrank gewesen waren, wegen der starken Dünung vor Pangani nicht schlafen konnten, dann einen Tag lang gefochten und gearbeitet hatten, ohne zu essen, die nächste Nacht in strömendem Regen unter freiem Himmel lagen, hatten für mindestens zwei Tage mit dem Löschen und Unterbringen der für Pangani bestimmten notwendigsten Befestigungsmaterialien und des Proviants zu tun, mussten zudem die allernotwendigsten Befestigungsanlagen soweit herstellen, dass ich die Garnison von nur 150 Mann für Pangani allein lassen konnte.«


Unter deutscher Flagge: Tabora in Deutsch-Ostafrika
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Wißmann richtet die zerstörte Station Mpwapwa als Deckung der Karawanenstraße nach Tabora neu her, während seine Söldner Dörfer und Erntevorräte der Bushiri-Leute zerstören. Geschossen wird viel und überall »um die Unschlüssigen aufzumuntern, sich dem Frieden anzuschließen«. Der Frhr. v. Gravenreuth hält sich mit Simultanangriffe gegen Bagamoyo und Daressalam auf, aus den Kämpfen mit dem durch mehrere tausend Mafiti (Wangoni) verstärkten Bushiri geht der Bayer in überzeichnender Heldenversion als »Simba ja Mrima«, Löwe von Afrika hervor.

Meldungen nach Berlin und aus der Presse: In Daressalam wurde von Proviantmeister Janke ein Löwe erlegt, der die Gegend in Schrecken versetzte. »Die Eingeborenen singen jetzt, dass die Deutschen sie von zwei- und vierbeinigen Menschenräubern befreien«, so Wißmann. In Bagamoyo nahm ein Jumbe den bösen Makanda fest, ein anderer verhalf ihm wieder zur Freiheit. Der eine Jumbe erhielt eine Geldbelohnung, der andere wurde gehängt, »was einen guten Eindruck hervorrief« (Gravenreuth).

Der gefangene Masiri, ein wohlhabender Mann, der an der Ermordung der Pugu-Missionare beteiligt war, wurde mit dem Tode bestraft. »Er hatte einigen unserer Angestellten brieflich gedroht, er würde ihr Fleisch essen, wenn sie nicht unseren Dienst verließen«, so Wißmann. Beim Angriff auf Bushiris Hauptlager Yombo schlug ein Kanonenschuss 50 Schritte hinter Gravenreuths Abteilung ein. Die Sudanesen, Zulus und Somalis stürzten - den Schrecken ausgerechnet im Rücken - nach vorn, »Das Entsetzen unter den Mafitis war so groß, dass sie einen von Krokodilen wimmelnden Fluss durchschwammen, um den mörderischen Waffen des bayerischen Freiherrn zu entkommen. Nur wenige entrannen der Vergeltung«, erzählte Rittmeister Kronberger.


Deutsche Musik konnten sie auch: Eine Askari-Kapelle in Deutsch-Ostafrika

Im Dezember versuchte Bushiri nach Britisch-Ostafrika zu entkommen. In Kwamkoro von Eingeborenen festgenommen, wobei das ausgelobte Kopfgeld von 15.000 Mark sicher eine Rolle spielte, wurde er nach der Auslieferung gehängt. »Sein Todesurteil überraschte ihn sehr, jedoch blieb er gefasst«, so Wißmann. Das Expeditionskorps unter Rochus Schmidt griff Bana Heris Hauptstellung bei den Höhen von Mlembule in Sadanis Hinterland an. »Bei einer Rekognoszierung war man plötzlich auf eine stark befestigte Verschanzung gestoßen, aus der heftiges Feuer kam, sodass sofort ein weißer Unteroffizier und sieben Zulu tot hinfielen«, berichtet Franz Stuhlmann, Zoologe, der »wegen der schönen nationalen Sache« dabei war.

Bushiris Nachfolger Bana Heri hat von vornherein die schlechteren Karten, da sich mehr und mehr Häuptlinge ergeben. Der Unterwerfungsakt erfolgt jeweils nach Landessitte, die das Bedecken des Hauptes und der Brust mit Staub vorschreibt. Die gut disziplinierte Truppe eilt von Sieg zu Sieg, mit der Erstürmung des »Raubnests« Palamakaa ist Bana Heri am Ende. Als er sich Gravenreuth in Sadani ergibt, überreicht er sein Schwert als Zeichen der Kapitulation. »Ihm ist vollständig verziehen worden, seine Leute haben nur die Hinterladergewehre hergeben müssen«, berichtet Korvettenkapitän Valette, von seiner Kreuzerkorvette Carola. Für den Wiederaufbau der Moschee von Sadani steuert der Kaiser, jetzt wieder ganz Landesvater, 2.000 Rupien bei. Den nördlichen Küstenteil unterworfen, wendet sich die Truppe der Landschaft südlich von Daressalam zu. Wer sich rechtzeitig unterwirft, muss ein paar hundert Stück Rindvieh oder auch nur Kleinvieh abgeben und bekommt dafür eine schwarz-weiß-rote Flagge geschenkt.

Plätze wie Kilwa-Kiwinje und Lindi, wo die Kriegsparteien das Gesetz des Stärkeren ignorierten, werden gestürmt, Mitte Mai ist der Aufstand im Wesentlichen vorbei.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Sansibar gegen Helgoland

»Ein Anzug für einen alten Hosenknopf« ... Märchenhaftes wie aus tausendundeiner Nacht für einen Sandsteinfelsen der Nordsee. »Viele Perlen gegen einen Stein« ... Kilometerlange, palmengesäumte Sandstrände sechs Grad südlich des Äquators gegen die von Wind und Wellen umnagte Lange Anna! Die Welt überschlägt sich in Kommentaren, die für Berlin nicht immer schmeichelhaft sind.

Um einen Schlussstrich unter ihre kolonialen Rivalitäten zu ziehen, hatten sich England und Deutschland an Europas grünen Tischen getroffen. Jede Seite meldete Prioritäten an, wie es in der Diplomatie üblich ist. Als der »Vertrag über Kolonien und Helgoland« im Juli 1890 unterschrieben wird, sind ihre Interessensphären in Afrika weitgehend abgesteckt, sieht der Sultan von Sansibar ein weiteres Mal wie ein Verlierer aus. Die Vertragskontrahenten einigen sich: Die Grenze gegen Imperial British East Africa läuft im Norden in gerader Linie vom Ufer des Victoriasees durch das Land der Massai zum Indischen Ozean. Lediglich zwischen dem 36° und 38° östl. Länge, wo der nördliche Abhang des Kilimandscharo liegt, wird eine Ausbuchtung von 100 km erlaubt. Die Westgrenze bildet eine Linie von der Mündung des Kilambo bis zum 1° südl. Breite mit der Grenze des Kongostaats, die Südgrenze eine Linie vom Nyassasee nach Portugiesisch-Ost/Mosambik... gezeichnet für die deutsche Seite: Caprivi, Reichskanzler und General der Infanterie, Dr. Krauel, geheimer Legationsrat im Auswärtigen Amt.


Helgoland wird 1890 deutsch. War es für viele damals ein Verlustgeschäft: Deutschland besitzt heute noch Helgoland, während England von diesem Tauschhandel nichts mehr besitzt.
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Damit ist Deutsch-Ost das in sich geschlossenste, am besten abgerundete und bestbegrenzte von allen Schutzgebieten. Deutschland erhält Helgoland, hat Ruanda-Urundi international abgesichert als Aktionsgebiete, dazu geregelte Grenzen in Westafrika. Deutschland verzichtet auf Uganda und Ansprüche auf Sansibar, das ihm ohnehin nie gehörte, und zieht seine Schutzherrschaft über Witu zu Gunsten Englands zurück. London sichert sich Kenia, Pemba, Njassaland und das Protektorat über Sansibar.

Das arabisch-afrikanische Sansibar, Uganda und Witu mit dem dazugehörenden Küstenstreifen für die Insel Helgoland ... da kann etwas einfach nicht stimmen, doch auf »Sansibar für Helgoland« legen sich die Kritiker fest, wofür es erst viel später eine plausible Erklärung gibt. Hatte ein nach seinem Abgang leicht verstimmter Fürst Bismarck vor Zeitungsleuten doch laut darüber nachgedacht, dass Abwarten auch in der Politik hin und wieder geraten sei. Was der Ruheständler damit sagen wollte, war, dass Berlin Sansibar eines Tages vielleicht doch noch bekommen hätte. Wenn es jetzt kein deutsches, sondern englisches Protektorat würde, so sei das Abkommen des Caprivi ein Verlust.

Verlust ist ein Wort, mit dem sich Kommentare aufblasen lassen, in der Presse sieht es so aus, als habe man Sansibar für Helgoland hingegeben. Etwas, das den »Vertrag über Kolonien und Helgoland« von 1890 für alle Zeiten zum Helgoland-Sansibar-Abkommen macht, woran alle Berichtigungen nichts ändern. Caprivi kommt Kolonialenthusiasten schon länger verdächtig vor, dass er jetzt auf von Deutschen erforschte Aktionsgebiete verzichtet, mit Witu seinen verlässlichsten Partner in der gesamten Region politischen Interessen opfert, ist fraglos zu viel.

Auch deutsch Kolonisierte halten nicht still. In Witu, das man gegen den Willen seines Sultans an England verschacherte, brechen Unruhen aus, die neun Deutschen das Leben kosten. Die Denhardts sind über den Handel so aufgebracht, dass sie die ihnen für den Verlust Deutsch-Witus angebotene Entschädigungssumme ablehnen.

Es gibt mehr lokal denkende Leute, die in Kaiser Wilhelm jetzt einen echten Mehrer des Reiches sehen. Auf Helgoland hatte Fallersleben das Lied der Deutschen geschrieben, Helgoland liegt in der Deutschen Bucht. Rechte Kreise, von der Diplomatie der Wilhelmstraße enttäuscht, werfen Berlin dagegen den Tiefstand des kolonialen Verständnisses vor. Die einen wie die anderen schießen über das Ziel hinaus. Fest steht, dass Flottenkaiser Wilhelm das nordfriesische Eiland aus militärischen Gründen unbedingt wollte. Nachdem er es hat, ist für ihn die erste Bedingung für den Ausbau der Flotte erfüllt. Doch Wilhelm wollte nicht nur Helgoland, sondern auch den Kilimandscharo, weil ein Schwabe den Berg entdeckte, ein Thüringer ihn deutsch bewimpelte, die Kaiser-Wilhelm-Spitze von allen afrikanischen Erhebungen dem Himmel am nächsten, die gesamte Landschaft dort einfach vielversprechend ist und Großmutter Victoria bereits den Mount Kenia besitzt.



Londons Diplomaten schlugen die Teilung des Bergmassivs vor, worauf Berlin dagegenhielt, dass sich ein Koloss dieser Größenordnung einfach nicht teilen ließe. Ein Geschenk Königin Victorias an Enkel Wilhelm war die Ausbuchtung zwischen dem 36° und 38° östl. Länge trotzdem nicht, wie hinterher kolportiert. Im Gegenteil. Mombasa, die Hafenstadt auf einer gleichnamigen Koralleninsel, gehörte dem Sultan, doch Berlin spekulierte darauf, da das Klima dort viel gesünder als in Tanga ist. London brauchte es, nachdem sich britische Handelshäuser dort festgesetzt hatten. Nachgeben wollte keiner. Als es zu den Unterschriften kommt, liegt Mombasa in Britisch-, der Kilimandscharo in Deutsch-Ost. Um deutschen Vorstellungen weiter gerecht zu werden, wird die koloniale Beute noch zusätzlich abgerundet. Von London und Berlin unter Druck gesetzt, verkauft der Sultan von Sansibar der DOAG die Landrechte im Festland-Küstenstreifen zum Preis von vier Millionen Mark. Bereits am 1. Januar '91 wird auf den ostafrikanischen Küstenstationen die rote Flagge des Sultans eingezogen und durch die deutschen Farben ersetzt.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Eine Chance für Deutsch-Ost

Die DOAG hatte vor, dann auch während des Araberaufstands ausgesprochen schlecht ausgesehen. Zur Zivilisierung des Schutzgebiets durch Ansiedlung und Handel fehlten die richtigen Leute und das entsprechende Kapital. Bismarcks favorisierte Organisationsform der Handelskolonie muss wie schon in Togo oder Kamerun Wunschdenken bleiben. Mit Vertrag vom Oktober 1890 verzichtet die Gesellschaft auf ihre Souveränitätsrechte, wird Deutsch-Ost als Kronkolonie Berlin direkt unterstellt. Das Reich verpflichtet sich, eine von der Gesellschaft aufzunehmende Anleihe von 10,5 Mio Mark mit Jahresraten in Höhe von 600.000 Mark zu verzinsen und zu amortisieren. Der DOAG verbleiben in Teilen des Schutzgebiets das ausschließliche Okkupationsrecht von Herrenlosem und das Monopol zur weiteren Ausbeutung des Landes, darunter das Vorrecht zum Eisenbahnbau.


Daressalam - Die Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika

An die Spitze des Schutzgebietes rückt Exzellenz Julius Frhr. v. Soden, bisher Gouverneur von Deutsch-Kamerun, als Reichskanzler fungieren der durch Stanley »befreite« Emin Pascha, Held Wißmann und das koloniale Schwergewicht Peters. Kolonialhauptstadt wird Daressalam, da Bagamoyos Küste einfach zu flach ist, Bagamoyos Außenreede auf drei km mit Daressalams natürlichem Tiefseehafen nicht konkurrieren kann. Daressalam bedeutet so viel wie Hafen des Friedens, der Hafen, nur durch eine schmale Einfahrt zu erreichen, ist so groß, dass eine ganze Kriegsflotte darin Platz finden kann.

Carl Peters hatte trotz aller Blessuren den Grundstock zur Kolonie gelegt, Wißmann durch die Niederwerfung des Araberaufstands das Land erobert. Mit England gibt es keine Grenzprobleme mehr, Häuptlinge, die jetzt noch keine deutsche Flagge besitzen, bitten darum »nach Aufstand und Abkommen fühlt jetzt jeder instinktiv, dass eine neue Zeit heraufzieht, eine Zeit, an der wir Deutsche mit daran arbeiten sollen, helles, segenspendendes Licht in den dunklen Kontinent zu tragen«.


Trägerkolonne in Deutsch-Ostafrika
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Nach 1891 kann man sich um das kümmern, was man erworben hat. In Zukunft würde es nur noch aufwärts gehen, immer vorausgesetzt, »dass der Neger gewohnt bleibt, in uns den Herrn und nicht den nachgiebigen weißen Bruder zu sehen, und solange wir mit einer schnell beweglichen Schutztruppe zur Hand sind, wenn es irgendwo zu gären beginnt«. Der wirtschaftliche Aufbruch scheint berechenbar, das Land würde mit der verkehrsmäßigen Erschließung wachsen. Noch ist es so, dass es zum Trägerverkehr, der afrikanischsten aller Transportarten, keine Alternativen gibt. Für gute Maultiere muss viel zu viel Geld hingelegt werden, Ochsen sind nicht kräftig genug, um wie in Südwest im Überlandverkehr eingesetzt zu werden. Pferde, Massai-, Maskatesel und Kamele scheiden wegen Tsetsekrankheit, Küsten-, Texasfieber und anderen Seuchen aus. Die eingeborenen Träger schleppen Lasten zwischen 40 und 80 Pfund auf der Schulter (abwechselnd auf der einen, dann auf der anderen), auf dem Kopf oder in einer so genannten Kraxe auf dem Rücken. Schwere Lasten erfordern lange Stangen, die mehrere Träger übernehmen. Eine Safarikolonne legt am Tag zwischen 20 und 40 km zurück.

Für den Trägerverkehr werden die Hauptkarawanenstraßen zwischen Tanga und dem Kilimandscharo, Pangani und Udjidji mit Brunnen, Brücken und Isolierstationen ausgebaut. Über der Zukunft steht die Parole »Mehr Dampf, mehr Dampf«. Irgendwann würden Waggons mit vorgespannten Lokomotiven die Lasten schleppen, große Schiffe große Mengen Baumwolle, Elfenbein, Kaffee, dazu Nutz- und Edelhölzer von hier in die Heimat bringen. Zur Sicherung der Schifffahrt werden Riffe und Sandbänke entlang der Küste lokalisiert, zwischen Tanga und Mikindani Bojen und Leuchttürme aufgestellt.

Mit der Rechtssicherheit wird in Berlin über ein Besiedlungsprinzip nachgedacht. »Der Charakter der Landschaft um Kidatu an der östlichen Grenze Uhehes entspricht dem Bilde des Austritts der Isar oder des Inn aus den Alpen« (Liebert). - »Uluga erinnert mit Gänse- und Butterblümchen, Brombeeren und Rittersporn an die blumigen Halden der Schweiz« (Bumiller). - »Unser weißer Hausstorch, Ciconia ciconia, kommt auf seiner Winterwanderung nach Deutsch-Ostafrika« (Reichenow).


Das Biologisch-Landwirtschaftliche Institut Amani in Deutsch-Ostafrika untersuchte Nutzpflanzen für die koloniale Landwirtschaft

Mit der Bildung einer geschlossenen deutschen Bevölkerung von auch nur annähernd derselben Dichte wie in der Heimat ist selbst in den klimatisch besten Landesteilen nicht zu rechnen »das geht deshalb nicht, weil in Afrika überall Eingeborene vorhanden sind und diese auf keinen Fall von der Verrichtung der groben Arbeit ausgeschaltet werden können«, (Rohrbach). Ein starkes und bodenständiges Deutschtum müsste es trotzdem sein, damit sich das Land einmal aus eigener Kraft gegen schwarze und weiße Gegner behaupten kann, sollte man dazu gezwungen werden.

Einer wie der Gelegenheitsreimer August Leue, während des Araberaufstands Sta¬tionschef in Daressalam, trifft die Entscheidung, für immer hier zu bleiben. Sein Usagaralied »Leb' ich auch im fremden Lande,/Fühl' ich mich der Heimat naht/Rauschet doch am Meerstrande/Dein Panier Germania« ist, lange bevor Aschenborns »Heia Safari« aufkommt, Deutsch-Ostafrikas allererste Hymne.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Mit Kanonen und Kultur


Die Kongokonferenz hat der Gemeinschaft der Zivilisierten aufgetragen, die Effektivität der Besitzname von Ländereien durch die genauere Kenntnis von Ethnien, Flüs¬sen, Bergen, Ortschaften, Tieren, Pflanzen etc. nachzuweisen. Bald lagen erste Erkenntnisse vor: Strauße ziehen ihre Federn aus, wenn sie Läuse quälen, Wanjamwesi-Hunde haben einen Ringelschwanz, Maulwürfe lächeln, wenn chloroformiert. Der Sandfloh ist dem Moskito als Plage ebenbürtig »sein Lieblingssitz sind die Füße, man betrete Eingeborenenhütten so auch nur in festen Stiefeln« Oder: »Der Afrikaner schaut seinen Frauen beim Arbeiten zu, trinkt dabei Pombe und schwatzt. Nur wenn er Geld für irgendein Kleidungsstück für sich oder seine Bibi braucht, verdingt er sich auf einige Tage.« Pompe ist »jungem Bier ähnlich, schmeckt im Gletscherbach gekühlt nicht übel« (Liebert). Pompe wird aus dem Mehl der Hirse, mit oder ohne Zusatz von Maismehl oder Honig hergestellt, aus dem Saft der Kokospalme und aus Reis. Zur Gärung verhilft eine spezielle Hefe ...


Machte sich mit Land und Leute in Deutsch-Ostafrika vertraut: Gouverneur Eduard von Liebert, den man später wegen selbst verschuldeter Unruhen wieder ablösen musste

Die deutschen Kolonialmänner studieren Rennmaus, Schönsteißducker, Flügeltaschenflatterer und die bunte Stinkschrecke (Zonoverus elegans Thunb.), die so manche Kaffeepflanzung ruiniert. Oskar Baumann zieht von Tanga durch die Massailänder zum Victoriasee. Graf v. Götzen, Kersting und v. Prittwitz und Gaffron erreichen während ihrer Afrikadurchquerung Ruanda und entdecken den inselreichen Kiwusee.

Der Hamburger Franz Stuhlmann sammelt Amphibien, Reptilien, Mollusken, Krebse und Fische. Georg Volkens, Kustos der Berliner Botanischen Zentralstelle für die Kolonien, legt zusammen mit dem Dortmunder Heinrich Lent die wissenschaftlich-wirtschaftliche Kilimandscharostation an. Hptm. Moritz Merker aus dem schlesischen Oels, Leiter der Station Muansa, führen jahrelange Studien zu den alten Hebräern als Vorfahren der Massai - womit er total daneben greift. Carl Veiten aus Fluterschen im Kreis Altenkirchen sammelt Prosa und Poesie der Suaheli. Julius Vosseier aus Freudenthal in Württemberg, Zoologe am Ksl. Institut Amani, kümmert sich um Usambaras Wanderheuschrecken und die Malariabekämpfung durch Moskitofische.


Adalbert Emil Walter v. Saint-Paul-Illaire

Adalbert Emil Walter v. Saint-Paul-Illaire, ksl. Bzk.-Hptm. in Tanga, entdeckt in den Usambarabergen das Usambara-Veilchen (botanischer Name: Saintpaulia), das im klassischen Blau, dann von Weiß über Rosa bis Violett aus dem deutschen Alltagsleben bald nicht mehr wegzudenken ist. Richard Hindorf aus Ruhrort/Duisburg führt die Sisalagave und den Kaffeestrauch ein. Agave sisalana ist das blonde Gold Afrikas, Kaffee in der Heimat das Volksgetränk Nummer eins.


der dritte Berg von links: der von Beringe und Engeland bestiegene Vulkan Mount Sabinyo

Worüber sie sich an Rhein oder Ruhr ganz besonders freuen, was die Leute dort schon länger interessiert... eine Entdeckung und ihre Vorgeschichte (auf Affen hat man sich auch in Kamerun konzentriert): Seit uralten Zeiten kursieren Geschichten, nach denen in Ruandas vulkanischen Virunga-Bergen affenartige Monster Jungfrauen rauben und buchstäblich zu Tode lieben. Volkslegende, Eingeborenenmärchen, Überlieferung? 1902 besteigt Hptm. Robert »Oskar« v. Beringe, Jahrgang '65, aus Aschersleben, zusammen mit Militärarzt Engeland den Mount Sabinyo. Beringe, vor dem Wechsel zur Schutztruppe Offizier im Husarenregiment Nr. 1 (Totenkopfhusaren), ist Chef des Militärpostens Usumbura, der späteren Hauptstadt Burundis. In ca. 3.100 m Höhe stoßen Beringe und Engeland auf eine Herde schwarzer, menschenähnlicher Affen »welche versuchten, den höchsten Gipfel des Vulkans zu erklettern«. Die beiden können zwei der Tiere erlegen, eines davon - Körperlänge: 1,5 m, riesige Hände und Füße, Gewicht über 200 Pfund - dann auch bergen.

Der Deutsche, der in den Kolonien jagt, ist aufgerufen, die Schädel erlegter Arten möglichst mit Unterkiefer und sicheren Angaben über den Ort der Erbeutung der Wissenschaft zugänglich zu machen. Dem Monsteraffen zieht eine Hyäne das Fell über den Kopf, ihm fehlt danach eine Hand. Was übrig blieb schickt Beringe nach Berlin. Dort beschreibt Paul Matschie, Kustos am Zoologischen Museum, den dem Menschen eng verwandten sanften Riesen aus den Virunga-Bergen als neue Gorilla-Unterart Gorilla gorilla beringei beringei nach einem aufrecht gehenden Vetter.

Von Entdeckern, Forschern, Missionaren und Militärs wird erwartet, dass sie sich durch das Studium von Sitten und Gebräuchen in die Denkweise der zu Kolonisierenden einarbeiten. Für Wissenschaft und Kolonialliteratur wird zusammengetragen, was sich zwischen Tanganjikasee und Indischem Ozean zusammentragen lässt: Babembe sind »räuberisch«), Mafiti »kriegerisch«, Batwa-Zwerge »pygmoid, von den Nachbarn gefürchtet, verachtet, gehasst.« Massai »rindergierig, mit der Sprache der nilotischen Völker, die Männer im ziegelroten Baumwolltuch, die Frauen in Fell- oder Leinenstreifen«, Wabena sind »ein guter Arbeiterstand für Europäer«. Waboni »ein tüchtiges Jägervolk, aber als Sklavenjäger gefürchtet«, bei den Wagaia sind »die Männer Modelle für Bildhauer, die Weiber hübsch und zierlich«. Wahuma sind »die längsten Menschen der Erde, 1,80 bis 2,20 m mehrfach gemessen«, Wangoni »große wohl gestaltete Menschen, Ackerbauer und Karawanenträger«, Wapokomo »stramme, kräftige Gestalten, als Fischer geschätzt« und Wasaremo wären »völlig unkriegerisch«.


Bogenschützen der Warundi (1910)
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0


Bei den Wagogo »rasieren sich die Weiber die Schädel oder tragen die Haare ohne Frisur«. Massai sind Menschen, die zur Begrüßung nicht »Wie geht es dir«, sondern »Ich hoffe, es geht deinen Kühen gut« sagen. Eine Eigentümlichkeit der Wangoni sind die Nutschie, kleine Kapseln zur Bedeckung der Glans des Penis. »Unter den Wandorobbo muss ein junger Ehemann einem seiner Jagdgenossen das jus pri-mae noctis gewähren ... Die Wandorobbo tauschen ihre Weiber untereinander jeweils für sechs bis zehn Monate aus.«

Die Heimat hilft ihren Kulturpionieren mit Altkleidersammlungen und Wohltätigkeitsveranstaltungen. Unterstützung kommt vom Evgl. Hauptverein für deutsche Aussiedler und Auswanderer, vom Afrikaverein deutscher Katholiken und Evangelischen Afrika-Verein. Die gute Tat ist schon bald an einigen Missionsstationen abzulesen: Milow in der Landschaft Upangwa wurde nach dem Heimatort des Kommerzialrats Carl Bolle benannt, der das Berliner Missionswerk nach Kräften unterstützte. Die Station Pommern in Uhehe im Ostafrikanischen Randgebirge erinnert daran, dass gerade aus Pommern viele Spenden eintrafen. Emmaberg heißt Emmaberg, weil die tief religiöse Mutter des Missionspfarrers Christoph Bunck aus Borstel im Kreis Stendal Emma hieß.


die "Hermann von Wissmann" im Njassasee

Auf eine Spendenbitte von Gouverneur Liebert hin sind im Reich stolze 30.000 Mark zusammengekommen, mit denen sich die evangelische Bevölkerung Daressalams ein stattliches Gotteshaus baut. Die Antisklavereilotterie finanziert den Bau von Schiffen. Wißmann schafft die Hermann von Wissmann, einen in Teile zerlegten recht brauchbaren Dampfer, von der Sambesimündung zum Njassasee. Hptm. Otto Schloifer überwacht den Trägertransport der mit Hamburger Geldspenden für den Tanganjikasee gebauten Hedwig von Wissmann.



Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
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Der Wahehe-Krieg


Leutnant Wilhelm Langheld

Ugogo, Ujansi, Unjamwesi, Usamniro ... zur Festigung der Herrschaft gehen die Kolonialherren gebietsweise vor: Emin Pascha und Lt. Wilhelm Langheld führen eine Expedition zu den großen Seen. Die Antisklavereibewegung schickt Hptm. Wal-demar Werther zum Victoria-, Wißmann an den Njassa- und Tanganjikasee. Am Nordende des Njassa wird an der Station Langenburg gebaut, am Victoriasee errichtet Langheld, nachdem er sich mit meuternden kongolesischen Soldaten herumschlagen musste, die Station Bukoba. Den deutschen Waffen kommt der Respekt zu, den man erwarten konnte, für eine direkte Kontrolle von Land und Leuten reicht das stehende Personal jedoch nicht aus. »Ich glaube, dass die afrikanische Rasse nicht bestimmt ist, maßgebend oder herrschend aufzutreten, sondern zum Gehorchen und Dienen«, so Eduard v. Liebert. Was nicht heißen kann, dass man sich dort, wo heimische Regierungsmodelle absolut nicht funktionieren, nicht auf herkömmliche Autoritäten verlässt.


Bukoba (1910) in Deutsch Ostafrika

In Afrika kann keine europäische Kolonialmacht auf die Zusammenarbeit mit Eingeborenen verzichten. Deutsch-Ost mit seinen verschiedenen Ethnien, sozialen Systemen und Konflikten ist ein Paradebeispiel dafür. Die Kolonialherren umwerben die Oberschichten, binden Sultane, Häuptlinge und Sippenführer als Unterbeamte in ihre Verwaltung ein. In Gebieten wie im zwischen 1898 und 1903 eroberten Ruanda und Urundi, wo sich die Verwaltung auf die Beeinflussung lokaler Herrscher beschränkt, wird denen ein weißer Resident zur Seite gestellt. Dubiose Koalitionen bleiben nicht aus. Tatsächlich wird am Beispiel des Sklavenhändlers Semboja dann schon einmal darüber diskutiert, ob es richtig ist, dass lange Zeit praktizierende Sklavenjäger oder gar Menschenfresser jetzt in deutschen Schutzgebieten als Männer der Verwaltung dienen.

Für den kolonialen Kontrollapparat unersetzlich, häufig die einzige Möglichkeit, den Hoheitsanspruch ohne entprechende Machtmittel durchzusetzen, ist das Ausspielen verschiedener Ethnien. Die Deutschen schüren Zwietracht und traditionelle Fehden (etwa zwischen Bantu und Massai), spielen Kriegsparteien gegeneinander aus. Regiert wird mit Hilfe von Gegensätzen, im Kolonialjargon als System Leutwein bekannt. War es doch Leutwein, der als Gouverneur von Südwest das taktisch komplizierte »Teile-und-herrsche« am besten beherrschte.

Unter den Völkern, die sich den Deutschen am längsten entziehen, sind die Wahehe, ein bantu sprechender, Buckelrinder züchtender Stamm im Flussgebiet des Rufiji. »Eine der wenigen, die von politischer Bedeutung für größere Teile Afrikas gewesen sind und auch eine für uns verfolgbare Geschichte haben«, so Weule. »Die Leute waschen sich niemals und da sie es lieben, in warmer Asche zu schlafen, so zeigt ihre Hautfarbe meist ein schwärzliches Grau« erzählt August Seidel. - »Die Wahehe haben ihren Namen von ihrem markerschütternden Kriegsgeschrei Hä! Hä!, warum man Wahehe auch wie Wahähä ausspricht« (Liebert).


Wahehe-Leute in Iringa (1906)
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Sieben Jahre nach der Flaggenhissung demonstriert Wahehe-Oberhäuptling Mkwawa seine Unabhängigkeit von den Fremden. Mit drei von Mkwawas Unterhändlern wird kurzer Prozess gemacht, eine Reihe von Dörfern geht in Flammen auf. Im April '91 marschiert Emil v. Zelewski, jetzt Schutztruppenkommandeur, mit vier Kompanien und drei Geschützen die Straße nach Morogoro hinauf, um die Unbotmäßigkeit des schwärzlich-grauen Volkes endgültig zu ersticken. Die Expedition hat im Vertrauen auf ihre militärische Überlegenheit auf ein Vorauskommando verzichtet. Zelewski ist, wie zuvor schon in Pangani, für die Aufgabe nicht der richtige Mann.

Bei Rugaro, rund zwölf km vor dem befestigten Iringa, liegt Mkwawas Bruder Mpangie mit gut 3.000 Kriegern durch hohes Gras gedeckt im Hinterhalt. Als die weit auseinandergezogene Truppe dort aufmarschiert, räumt der kurze Stoßspeer mit der spannenlangen Klinge in ihren Reihen auf. Die Wahehe sind Zelewskis Truppe Mann gegen Mann klar überlegen, den Askaris lassen sie lediglich die Zeit, um zwei Runden zu feuern. Nach wenigen Minuten ist nur noch das »Hä-Hä« zu hören, in 15 Minuten ist alles vorbei. Rugaro hat 10 von 14 Europäern das Leben gekostet, darunter Emil v. Zelewski aus Borreck/Kreis Karthaus. Auf dem Schlachtfeld bleiben 256 von 320 Askaris und 74 Träger zurück, dazu 300 Gewehre und die Geschütze, womit Mkwawa genügend Waffen hat, um die Kolonialherren auf Jahre hinaus zu beschäftigten.

Zelewskis Debakel, tatsächlich die verlustreichste Begegnung einer deutschen Seite in der Kolonialgeschichte, würde nicht ungerächt bleiben. Frhr. v. Schele, zuletzt Major im brandenburgischen Ulan.-Rgt. Nr. 3, stürmt Iringa, Tom Prince nimmt Mkwawas Fort bei Kalenga, gleich darauf auch den Wahehe-Hauptort Kalenga. Im Kampf gegen die Wahehe kommt Lothar v. Trotha zur Überzeugung, »dass sich Neger nur roher Gewalt beugen«. In Tom Prince, den die Eingeborenen Bwana Sakarani nennen, hat Ruhestörer Mkwawa seinen fähigsten Gegner. Prince, für seine Leistungen als Schutztruppler in den preußischen Adelsstand erhoben, ist ein auf Mauritius geborener Engländer. Sakarani heißt so viel wie »ein Wilder«.


Tom Prince und Ehefrau Magdalene

Strafzüge und Vergeltungsschläge lösen sich ab, der Guerillakrieg zieht sich über vier Jahre hin »die Hauptstärke des Wahehekriegers liegt im Auflauern und katzenähnlichen Ansprung, um danach schlangenähnlich in schwer zugänglichen Verstecken zu verschwinden«. So richtig vorbei ist der Wahehe-Aufstand selbst dann noch nicht, sorgte er doch für internationale Verwicklungen. Im Juni 1898 in Mlambalasi von Truppen unter Sergeant Merckel hart bedrängt, hatte sich Mkwawa das Leben genommen. Sergeant Merckel trennte dem Toten den Kopf vom Rumpf, um ihn zur Station Neu-Iringa zu bringen. Für Mkwawas Kopf waren 5.000 Rupien ausgelobt, den Erfolg krönt die Trophäe. »Seitdem ist der [kopflose] kriegerische Stamm ein gutes Material unter deutscher Leitung geworden und hat keine Unbotmäßigkeit mehr gezeigt« (Liebert), was die Sache mit Mkwawas Totenkopf überspielt.

Zu belegen ist, dass Mkwawas Schädel in Neu-Iringa ausgekocht und ein paar Tage ausgestellt wurde. Was anschließend passierte, will dann keiner mehr wissen. Angenommen wird, dass ein Schutztruppler, vielleicht sogar Prince persönlich, den Kopf als Souvenir behielt. Behauptungen stehen im Raum, wonach Mkwawas Schädel nach Deutschland geschickt wurde, dort in einer Schädelsammlung verschwand. Mkwawa kann nicht in Frieden ruhen, die Frage nach dem Verbleib seines Totenkopfs kommt auf, als Versailles das kaputte Reich unter Artikel 245 (»Wiedergutmachungen«) verpflichtet, diesen innerhalb von sechs Wochen der britischen Regierung zu übergeben. Die Suche sollte sich über 34 Jahre hinziehen, erst 1953 wird man im Bremer Überseemuseum »ein Ort seltener und wertvoller Objekte« fündig. Kurz darauf übergibt der britische Gouverneur den Wahehe im Rahmen einer feierlichen Zeremonie einen Schädel, der mutmaßlich jener von Mkwawa ist.

So richtig befriedet ist Deutsch-Ost auch mit dem Tod Mkwawas nicht. In der Taboraregion, am Kilimandscharo und Rovuma brechen Unruhen aus, Frhr. v. Eberstein kämpft bei Kilwa-Kiwinje. Frhr. v. Schele erobert Moschi, bei Mabuene schlägt die Truppe gegen den Jumben Kissanda los ... der Kleinkrieg zieht sich bis zum Maji-Maji-Aufstand hin. »Unser Wißmann«, der für Bismarck gesiegt, danach mehrere Expeditionen unternommen hatte? Der Afrikakenner, den die Eingeborenen den »Mann mit den fünf Köpfen« oder den »Mann mit dem zwölffachen Verstand« nennen, übernimmt das Amt des Gouverneurs, kehrt dann in die Heimat zurück, wo er in den erblichen Adelsstand erhoben und Dr. h.c. der Universität Halle wird. 1905 stirbt Wißmann nach einem Jagdunfall in der Steiermark.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien