1004: Die ranischen Peene-Clans im Kampf gegen die Daglinger

Als Vorlage dient für diesen Abschnitt, ein Kapitel aus J. Herrmanns Buch "Der Wendenkreuzzug von 1147", der hier vom Slawendogma befreit, berichtig widergegeben wird:

Nachdem Heinrich II. 1002 zum König gekrönt war, suchte er zunächst auf friedlichem Wege einen Ausgleich mit dem Gnesener Herzog Bolsleif Chrobry. Heinrich II. belehnte diesen mit den östlichen Teilen der Mark Meißen und der sächsischen Ostmark, dem sogenannten Milzener Land, und zunächst schien dadurch der Frieden gesichert zu sein. Nachdem sich jedoch der Fürst der Daglinger Bolsleif Chrobry Böhmens bemächtigt hatte, sich selbst zum böhmischen Herzog proklamiert und Prag besetzte hatte, reichte sein politischer Einfluss von der Ostsee bis zu den Karpaten, von Bug und Weichsel bis zum Böhmerwald. Das Wikingerreich (Licicaviki) an Warthe und Weichsel begann ähnlich dem Warägerreich der Rurikiden am Dnjepr zu expandieren.

König Heinrich bot Bolsleif Chrobry an, er wolle ihm seinen gesamten "Besitz" bestätigen, wenn er Böhmen vom deutschen König als Lehen empfange - und somit die deutsche Oberherrschaft anerkennen würde. Thietmar berichtet uns von der Reaktion des Gnesener Oberhauptes: "diese Botschaft nahm Bolsleif Chrobry unwillig auf und verdiente so die Sfrafe": Im Bewusstsein der errungenen Macht verweigerte Bolsleif Heinrich II. die Huldigung. Der Jarl der Licicaviki unterstützte anschließend die Opposition verschiedener sächsischer Herzöge und Markgrafen, die dem König die Krone streitig machten. Damit sah sich Heinrich II. im Osten einer neuen Lage gegenüber.


1002 wurde kurzzeitig der östliche Teil der Mark Meißen (Misni) bis zur Elster von den Weichselwikingern aus dem Herzogtum Gnesen besetzt

Heinrich konnte nicht länger die Rivalität Gnesens und Böhmens für sich ausnutzen. Ein großes Wikingerreich begann sich im dünn besiedelten Osten zu formieren und zudem bekamen die oppositionellen Kräfte im Reich prominente Unterstützung. Heinrich brach mit der politischen Konzeption Ottos III.. So kam es von 1003 bis 1018 zum Ausbruch langjähriger Kriege zwischen Gnesen und dem Reich. Kurz vor der Jahrtausendwende hatte Bolsleif Chrobry bereits ganz Pommern bis zur Oder unterworfen und war dadurch unmittelbarer Nachbar der sogenannten Liutizen geworden. Die ranischen Wikinger-Clans an der Peene sahen sich von Osten und von Süden bedroht und brauchten einen starken Verbündeten, um ihre Freiheit gegen den zu erwartenden Angriff der Daglinger verteidigen zu können.

Im Jahre 1003 kam es zu einem Bündnis zwischen den Wikingern an der Peene und dem christlichen Reich gegen das „christliche" Herzogtum Gnesen. Thietmar beschreibt, dass der König die Liutizen Ostern 1003 in Quedlinburg empfing: "Auch empfing er milden Sinnes die Abgeordneten der Redarier und Liutizen und stimmte diese bisher Widerspenstigen durch schmeichelhafte Geschenke und freundliche Verheißungen so um, dass aus seinen Feinden seine besten Freunde wurden." Herrmann meinte, dass es verwunderte, dass Thietmar an diese Stelle zwischen Redariern und Lutizen unterscheidet, waren doch die Redarier höchstwahrscheinlich ein Teilstamm der Liutizen. Brüske vermutet, dass diese Stelle auf die führende Rolle der Redarier innerhalb des Liutizenbundes hinweisen würde. Insgesamt lag das jedoch daran, dass man bis heute die Liutizen als Eigenname eines Stammesbundes, denn die Peene-Clans kaum kannten, geschweige für sich selbst verwendeten. Die sogenannten "Redarier" könnten hingegen von einem altnordisch-germanischen Eigennamen abgeleitet sein, weswegen sie von Thietmar eher unwissentlich gesondert aufgeführt wurden. Ob dieser eine Führungsrolle innehatte könnte man von Thietmar nur ableiten, wenn dieser selbst das Peenegebiet bis zur Ostsee bereist hätte. Eine nicht unwesentliche Rolle wird dagegen das dänische Jomsgau an der Ostsee gespielt haben, was schon den Zusammenbruch der deutschen Herrschaft in Ostelbien 983 mit herbeigeführt hatte.

Über die Bedingungen des Abkommens berichtet Thietmar nichts, obwohl er vielleicht die Hintergründe darüber erfahren hat. Zu dieser Zeit war Thietmar schließlich Probst im Quedlinburg nahe gelegenen Walbeck. Diese Dinge mussten, wie Brüske bemerkt, "doch damals Tagesgespräch unter den führenden Geistlichen" gewesen sein. Schließlich ging hier ein christlicher Herrscher einen Bund mit Heiden gegen andere Christen ein. Für den tief gläubigen Thietmar, zur Zeit der Niederschrift bereits Bischof, muss es unerhört und unverzeihlich gewesen sein. Vermutlich war sein auffälliges Schweigen eine Erklärung für seine gute Kenntnis der politischen Lage. Ihm wird bewusst gewesen sein, dass Heinrich den Gnesener Herzog Bolsleif Chrobry nicht gewähren lassen konnte, sollte die Stellung und das Ansehen des Reiches in Europa nicht dauerhaft geschwächt werden. Thietmar unterstützte im Grunde die Politik Heinrichs, durch seine Nähe als Reichsbischof zu ihm, zumal das Eindringen der Weichselwikinger in Meißen auch für das benachbarte Merseburg bedrohlich war. Es zeigt sich die Sorge um sein späteres Bistum. In der Darstellungsweise Thietmars zeigt sich im Gegensatz zu Brun von Querfurt einerseits seine tiefe Religiosität, anderseits passt er sich realpolitischen Erfordernissen an.

Brun von Querfurt, ein ehemaliger Mitschüler Thietmars und späterer Missionserzbischof, geht mit Heinrich weit aus schärfer ins Gericht. Vom Gnesener Hof aus forderte Brun 1007 Heinrich auf, den schändlichen Krieg im Bündnis mit den Heiden sofort zu beenden und sich zusammen mit Bolsleif, den er als Ideal des christlichen Herrschers mit Konstantin und Karl dem Großen verglich, der Mission zu widmen. Ähnlich ablehnend verhielten sich auch andere Geistliche, darunter der Abt vom Kloster Reichenau am Bodensee, der den vorläufigen Friedensschluss Heinrichs II. mit Gnesen in Merseburg ausdrücklich begrüßte. Zwar ließ sich Heinrich II. nicht von seiner Bündnispolitik abbringen, doch machte er auch Zugeständnisse: Im Jahre 1004 stellte der König das 981 aufgelöste Bistum Merseburg wieder her -1009 wurde Thietmar Bischof von Merseburg - und gründete 1007 das Bistum Bamberg, mit dem Ziel die Heiden am oberen Main und im Fichtelgebirge zu christianisieren.

Das sächsische Bündnis mit den Wikinger-Clans an der Peene war in dieser Situation für beide Seiten von Vorteil. Heinrich erhielt militärische Unterstützung und für die Peenewikinger bot sich die Chance, ihre Eigenständigkeit dem ehemaligen Feind gegenüber zu unterstreichen und die Bedrohung durch Gnesen wirksam abzuwehren. Es ist anzunehmen, dass die Peene-Clans in dieser Zeit die deutsche Oberhoheit formal anerkannten und sich zu Tributzahlungen bereit erklärten. Aus den weiteren Berichten von Thietmar geht trotzdem eindeutig hervor, dass Deutsche und Peenewikinger gleichberechtigte Bundesgenossen im Kampf gegen den gemeinsamen Feind waren: "Diese Krieger also, welche vormals unsere Knechte, nun ob unserer Gottlosigkeit frei waren, kamen in so gräuelvoller Begleitung, dem Könige zu helfen."

Es gelang Heinrich II. 1004, im Bund mit den Peenewikingern, Bolsleif aus Böhmen zu vertreiben und den böhmischen Herzog Jaromir wieder einzusetzen. Bolsleif Chrobry musste auf Böhmen, die Burg Bautzen und damit auf das Milzenerland und die Niederlausitz verzichten. Der Machtbereich des Herzogtums Gnesen wurde verkleinert. Von einer vollständigen Niederlage Bolsleifs konnte jedoch nicht gesprochen werden. Die weiteren Berichte über die Rolle der Peene-Clans in den folgenden Kriegen gegen die Weichselwikinger bleiben auf Randnotizen beschränkt. Festzuhalten bleibt, dass die Peene-Clans scheinbar zu der Überzeugung gelangt waren, dass ein Gleichgewicht zwischen Reich und Gnesen für ihren Siedlungsraum am günstigsten sei. So ist zu erklären, warum sie an einem entscheidenden Sieg des Reichs wenig interessiert waren.

Primärquelle: Herrmann, Der Wendenkreuzzug von 1147

Der Krieg der Peene-Clans bis 1018

Als Vorlage dient für diesen Abschnitt, ein Kapitel aus J. Herrmanns Buch "Der Wendenkreuzzug von 1147", der hier vom Slawendogma befreit, berichtig widergegeben wird:

Auf die Einstellung der Peene-Clans keiner Seite einen entscheidenden Sieg zu gönnen, deutet bereits der Verlauf des von Heinrich II. 1005 geführten Feldzuges gegen Gnesen hin. Nachdem Bolsleif Chrobry sieben Tage dem angreifenden Heer den Flussübergang verwehrt hatte, konnte es schließlich über eine Furt den Fluss überqueren und das Heer der Daglinger überraschen. In diesem Zusammenhang klagt Thietmar:
"Die Voranziehenden [Sachsen] hätten, wenn sie nicht auf die lange zögernden Liutizen gewartet hätten, die Feinde in ihrem Lager überraschen und überwältigen können."

Zum Schrecken des sächsischen Heeres erscheinen die Peen-Clans mit ihren heidnischen Götterbildern, wobei an dieser Stelle natürlich eine Beschreibung interessant wäre, welcher Clan welche Götzen mit sich führte. Wie zu erkennen, fehlte es nicht an Spannungen mit den Peenewikingern. Thietmar berichtet uns davon, dass sich Heinrich II. nach dem Feldzug von 1005 mehrfach mit den Wenden traf: "Zu Werben an der Elbe ordnete er [Heinrich II.] dringende Fragen des Reiches in zahlreichen Zusammenkünften mit den Sclavi, ob sie wollten oder nicht, und setzte sich machtvoll durch".

Wieder ist festzuhalten, dass ein großer Teil der sächsischen Großen nur mit Unlust an den Feldzügen gegen die Gnesener teilnahm. Viele von ihnen bekräftigten damals das sächsisch Bündnis mit den Daglingern unter Otto III. durch eheliche Verbündnisse. Sprachliche Barrieren gab es ja auch nicht. Dago Miseko I. heiratete zum Beispiel Oda, die Tochter des Markgrafen von Haldensleben, und der Markgraf des Milzenerlandes, Hermann, war mit Bolsleifs Tochter Regelindis verheiratet, ein Name aus dem althochdeutschen Sprachraum! Außerdem war Heinrich eben nicht Sohn Ottos III., sondern Sohn des Bayernherzogs. Schließlich beriefen sich manche der sächsischen Großen auf ihre ursprüngliche "Christenpflicht", die Heiden zu bekämpfen. Den meisten der politischen und religiösen Eliten dürfte es jedoch eher darum gegangen sein, das einstige dänische Wendenland (bis 955 Vindland) zu unterwerfen, um vor allem Tribute und Zehnte einzutreiben. Doch daran hinderte sie das vom König mit den Peene-Clans geschlossene Bündnis. Die persönlichen Anliegen der sächsischen Großen dürften Heinrich, der schließlich der Sohn des Bayernherzogs war, nicht über die Maßen interessiert haben.

Thietmar berichtet, dass 1005 der Feldzug Heinrichs II. gegen Gnesen "auf Bitten seiner Großen", die verhandeln wollten, vor Posen zum Stehen kam. Bolsleif Chrobry war ebenfalls verhandlungsbereit. Thietmar schreibt: "Erzbischof Tagino von Magdeburg und andere Vertraute des Königs begaben sich auf Boleslaws (Bolsleif) Bitten in die Burg und schlossen mit ihm unter Eid gegen angemessene Entschädigungen Frieden. Dann zogen die Unsrigen voller Freude heimwärts."

Es zeigt sich, dass der Erzbischof genau wie die sächsischen Großen eher an Kriegszügen gegen in das Wendenland als an Feindseligkeiten mit dem fernen Gnesen interessiert gewesen waren. Der Quedlinburger Annalist klagt: "Der König kehrte sehr betrübt, weil er keinen guten Frieden erlangt hatte, mit einem jämmerlich zugerichteten Heer zurück."

Der Friede hielt indes nicht lange. Im weiteren Verlauf des Krieges gelang es den Daglingern, bis Magdeburg vorzudringen, die Lausitz und das Milzenerland erneut zu erobern. Im Frieden von Merseburg von 1013 wurde das Wikingerreich mit der Lausitz und dem Milzenerland belehnt. Das verschaffte Bolsleif Chrobry die erforderliche Rückenfreiheit im Kampf gegen das rivalisierende Warägerreich der Rurukiden und Heinrich konnte nach Italien ziehen. Immer wieder war das Gebiet der Wenden direkt von Gnesen bedroht und auch oft genug Kriegsschauplatz, sodass die Peene-Clans nicht aufgaben, Heinrichs Abwehrkämpfe im Wesentlichen zu unterstützen. Zu keiner Zeit beabsichtigten die Peenewikinger ernsthaft, zu den Weichselwikingern überzulaufen, denn in Gnesen hatte sich die herrschende Kaste inzwischen ebenfalls dem Christentum zugewandt. Von sächsischer Seite erhofften sie sich dagegen eher die Bewahrung ihrer Autonomie als von den expansiven Wikingern aus Gnesen.

Im Sommer 1015 kam es erneut zum Krieg, an dem auch die Peene-Clans unter der Führung von Hermann Billung teilnahmen. Die Daglinger fügten der vereinten Streitmacht schwere Verluste zu. Bei der Durchführung von Heinrichs letztem großen Feldzug gegen Gnesen nutze der König die Spannungen zwischen Daglingern und den Rurikiden und verbündete sich 1017 mit Jarizleifr I. (979-1054), dem Großfürsten von Känugard (Kiew).


die schlesische Burg Nimptsch - Die Ursprünge der Burg gehen auf den Gauvorort der Vandalen im 4. Jahrhundert zurück!

Im Jahr 1017 erlitten die Peene-Clans eine Reihe von militärischen Misserfolgen im Kampf gegen die Daglinger, weil ihr Engagement für Heinrich II. in diesem Jahr besonders stark gewesen war. Zunächst verloren sie viele Krieger bei der erfolglosen Belagerung der Burg Nimptsch in Schlesien. Thietmar berichtet von den weiteren Ereignissen: "Die Liutizen aber kehrten voll Zorn, indem sie über einen ihrer Göttin (welche?) angetanen Schimpf klagten, nach Hause zurück. Diese war nämlich auf ihren Fahnen abgebildet, und ein solches Bild war von einem Knappen des Markgrafen Herman [Billung] durch einen Steinwurf durchlöchert. Als das nun die Priester der Göttin klagend vor den Kaiser brachten, bekamen sie zur Entschädigung zwölf Pfund. Und als sie dann bei der Stadt Vurcin [Wurzen] über die stark übergetretene Milda [Mulde] setzen wollten, verloren sie ein zweites Bild ihrer Göttin nebst einem auserlesenen Gefolge von fünfzig Kriegern."

Das deutsche Bündnis mit den heidnischen Peene-Clans schien stark gefährdet, obwohl Heinrich II. sie finanziell wegen der Schmähung durch die Freveltat des Knappen entschädigt hatte und sie stets wie Partner behandelte. Der nicht enden wollende, fast erfolglose Kampf gegen Polen, die hohen Verluste und die bösen Vorbedeutungen drängten viele Slawen, das Bündnis mit den Sachsen zu lösen. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen.

Am 30. Januar 1018 wurde der Frieden von Bautzen, dem Hauptort des Milzenerlandes, zwischen dem Reich und Gnesen geschlossen. Die 15jährigen Kampfhandlungen und zugleich das Bündnis zwischen dem Reich und die Peene-Clans wurden beendet. Der Friede bedeutete eine definitive Rückkehr zu einer kooperativen, gegen Byzanz gerichteten Universalpolitik auf der Grundlage des Gnesener Konzepts Ottos III. Die Daglinger behielten die Lausitz und das Milzenerland und der Kaiser verpflichtete sich sogar, Bolsleif Chrobry im Kampf gegen die Rurikiden mit 300 Reitern zu unterstützen. Im Gegenzug verstärkte der Wikingerherzog die ohnehin enge dynastische Bande mit den Ekkehardinern durch seine Heirat mit Oda, der jüngsten Tochter des Markgrafen Ekkehards, unmittelbar nach dem Friedensschluss. Im Sommer des Folgejahres gewann Bolsleif Chrobry mit Hilfe aus dem Reich und Ungarn für kurze Zeit die Herrschaft über Kiew, von wo er als Partner des Reichs den byzantinschen Kaiser Basileios II. bedrohte. Heinrich II. brauchte seinerseits freie Hand für die Unternehmungen im Westen des Reiches, in Burgund und in Italien.

Primärquelle: Herrmann, Der Wendenkreuzzug von 1147

Die Peene-Clans im Kampf gegen die Ost-Heruler (Obotriten)

Es gab zu dieser Zeit weder ein Polen und auch kein einziger Heide an der Peene konnte etwas mit der Bezeichnung "Lutizenbund" anfangen. Als Vorlage dient für diesen Abschnitt, ein Kapitel aus J. Herrmanns Buch "Der Wendenkreuzzug von 1147", der hier vom Slawendogma befreit, berichtig widergegeben wird:

Die vorläufige Beendigung des Krieges zwischen Sachsen und Daglinger im Jahre 1018, an denen die freien ranischen Clans im Wendenland als Bündnispartner des Reiches teilgenommen hatten, ermöglichte nun den Peenewikingern, gegen die christlichen Obotriten (Ost-Heruler) vorzugehen. Angeblich hätten die Obotriten den Peene-Clans im Kampf gegen die Daglinger nicht beigestanden. Warum die Obotriten ihren heidnischen Nachbarn zu Hilfe hätten eilen sollen, wissen wir heute nicht mehr.

Wahrscheinlicher ist hingegen, dass die Peenewikinger, die ohnehin von allen Seiten von christlichen Reichen umgeben waren, gegen die von Nordwesten drohende Gefahr vorgehen wollten. Die christliche Herrscherkaste der Ost-Heruler förderte seit ihrer Rückkehr in die alte Heimat die christliche Missionierung und hoffte, dass der christliche Glaube bei der eigenen heidnischen Bevölkerung Fuß fassen würde, um damit ihre eigene politische Stellung zu stärken und sich dem Reich anzunähern. Genau dieser Entwicklung wollten die Clans im hauptsächlich nördlichen Wendenland entgegenwirken. Die herulische Bevölkerung war jedoch größtenteils heidnisch und stand den Christianisierungsversuchen der sächsischen Missionare - gefördert durch die eigene Oberschicht - ablehnend gegenüber.


Die Billungische Mark ist im Westteil quasi deckungsgleich mit dem Herrschaftsgebiet der Ost-Heruler (Obotriten). Östlich davon herrschten die Peene-Clans als sogenannte Circipanen (= "im Umkreis der Peene"). Andere Clans an der Tollense hatte man einfach nach diesem eher neueren Flussnamen als Zollgrenze benannt.

Die obotritischen Fürsten, allen voran der Nakonide Mistislav, standen mit dem Billunger Herzog Bernhard II. von Sachsen (1013-59) in engen Beziehungen, worunter die Bevölkerung doppelt zu leiden hatte: Sie mussten sowohl ihren eigenen Oberen Dienste und Abgaben leisten als auch an Herzog Bernhard Tribute zahlen. Zudem waren die Billunger alles andere als einfache Verbündete der Heruler, hatten die Billunger doch wiederholt an Feldzügen der Könige und Kaiser des Reiches in das Wendenland teilgenommen und waren selbst einige Male gegen die Obotriten vorgegangen. Die heidnischen Clans konnten somit bei ihrem Angriff auf den christlichen Herulerfürsten Mistislav, und damit indirekt auch gegen Bernhard, auf die umfassende Unterstützung der herulischen Bevölkerung bauen.

Giesebrecht schreibt, dass die "Liutizen" (=Leute) zunächst mit der Zustimmung des Kaisers gehandelt hätten. War eine Schwächung Herzog Bernhards, der mit dem christlichen Herulerfürsten Mistislav verbündet war, doch ganz im Sinne Heinrichs II.: „Der Krieg der Liutizer gegen Mistislav erscheint danach zugleich ein Kampf gegen Herzog Bernhard im Interesse des Kaisers, vielleicht auch auf dessen Geheiß unternommen".

Der Billungerherzog Bernhard nahm bereits an den letzten Feldzügen des Reichs gegen Gnesen nicht mehr teil, kam also seiner Dienstpflicht Heinrich II. gegenüber nicht nach, was den Kaiser natürlich aufbrachte. Die Peene-Clans warfen ihrerseits dem Obotriten Mistislav vor, sie nicht gegen die Daglinger unterstützt zu haben. Es ist also zu schlussfolgem, dass der Billunger Bernhard und der Obotrit Mistislav nicht gegen Gnesen gezogen sind und damit den Zorn des Peene-Clanbundes und des Reiches auf sich gezogen haben. Adam von Bremen berichtet, dass Bernhard ganz Sachsen erregt habe und darüber hinaus Widerstand gegen den Kaiser und gegen das Erzbistum Hamburg-Bremen organisiert hätte. Bernhard stand der ostherulischen Oberschicht somit wahrscheinlich näher als der sächsischen.

Die Clans aus dem Peeneeinzugsgebiet griffen schließlich, gemeinsam mit der herulischen Bevölkerung, den Obotritenfürsten Mistislav und seine Anhänger an. Sie belagerten ihn zunächst in der Schweriner Burg, anschließend musste Mistislav jedoch nach Sachsen fliehen und seine Herrschaft brach zusammen. Kaiser Heinrich II. unternahm, nachdem er von der Vertreibung Mistislavs gehört hatte, nichts.

Das Heidentum setzte sich als Folge im gesamten Herulerland und ganz Wagrien (Altheruler) wieder durch, Kirchen wurden zerstört und Götterstatuen wurden errichtet. Die heidnische Reaktion ging bei der Ausrottung des Christentums erbarmungslos vor. Der dänische König Sven Estridsson (1018/25-1074/76) schilderte dem Chronisten Adam von Bremen einige Details vom Wüten der Heiden:

„Dort, sagte er, wurden sechzig Priester, nachdem die Übrigen wie Vieh geschlachtet waren, zum Hohn aufbewahrt. Der Vorsteher des Ortes, hieß Oddar, er war mein Blutsverwandter. Dieser nun ward samt den anderen in der Weise dem Märtyrertod geopfert, dass man ihnen mit dem Eisen die Kopfhaut in Kreuzform einschnitt und so den Einzelnen das Gehirn öffnete. Darauf wurden diese Bekenner Gottes mit auf den Rücken gebundenen Händen durch die einzelnen Städte der Heiden hindurch geschleppt bis sie starben. So hauchten sie, (...) auf der Mitte ihres Weges ihren siegenden Geist aus."

Man kann anmerken, dass durch die umfassende pagane Reaktion der Heruler und Peenewikinger sich das Netz der Christianisierung, das sich zusammen zu ziehen drohte, fühlbar gelockert hatte. Die völlige Einkreisung des Peeneclanbundes war vorerst gescheitert.


Primärquelle: Herrmann, Der Wendenkreuzzug von 1147

1035: Ranische Clans gegen Dänemark

Als 1039 Kaiser Konrad II. starb, übernahm sein Sohn Heinrich III., der bereits als Zehnjähriger 1028 in Aachen zum König gewählt, gesalbt und gekrönt worden war, die Regierung.

Von den Wenden in Ostelbien hören wir während der gesamten Regierungszeit Heinrichs III. nichts, von Störungen des Friedens finden sich keinerlei Nachrichten. Gewaltsamer ging es an der pommeranischen Ostseeküste her. Seit dem Tod Knuts des Großen (1035) suchten herulische und ranische Clans von Rügen und dem Obotriten- und Peenegebiet unter einem Fürsten Ratibor Dänemark heim. Bei diesem Ratibor handelte es sich vermutlich um einen Nachfahren von Burisleif, denn sein Machtzentrum soll ausgerechnet sich in der Jomsburg oder auf Rügen befunden haben. Der Zeitpunkt nach dem Tode Knuts vermittelt zugleich, dass damit die Gefolgsschaft der Ranischen Wikingerclans erloschen war. Und weil eine der Töchter Burleifs mit dem führenden Jomswikinger Jarl Sigvaldi verheiratet war, haben sich auch diese den Wikingerfahrten gegen Dänemark angeschlossen.


Das rekonstruierte Haithabu

Adam von Bremen berichtet, dass der mächtige Ratibor bei einem dieser Überfälle von König Magnus erschlagen wurde. Ratibors acht Söhne versuchten im Anschluss, den Vater zu rächen, doch wurden sie dabei ebenfalls von den Dänen getötet. Aus Rache kamen die ranischen Peene-Clans mit ihrem ganzen Heer nach Dänemark und drangen plündernd bis nach Ribe vor. Als König Magnus von Dänemark im Frühjahr 1043 von Norwegen in seine dänische Heimat zurückkam, hörte er, dass ein Heer aus dem Wendenland von der Jomsburg (!) aus Dänemark heimsuchte. Er zog ein großes Heer zusammen und schlug dieses Heer vernichtend bei Haithabu im Jahr 1043.

Im selben Jahr zerstörte Magnus Wollin und dänische Truppen besetzten die Stadt an der Odermündung. Brüske schreibt richtig, dass die Festsetzung der Dänen sehr die Autonomie der Liutizen bedrohte, gemeint sind jedoch die nahe der Jomsburg siedelnden Peenwikinger:

„Hier kündigte sich deutlich die für den untergehenden Liutizenbund des 12. Jahrhunderts so gefährliche dänische Expansion entlang der Küste an."

Herrmann entnahm wegen der Erwähnung der Abodriten (Heruler), dass diese wieder über eine eigene, christliche Fürstenherrschaft verfügten. Wegen der erwähnten Jomsburg sind diese jedoch nicht gemeint, denn es betrifft nur jene Clans, die in der Nähe zum Jomgsgau siedelten. Diese als Abodriten zu bezeichnen ist also definitiv falsch. Vorstellbar ist jedoch auch, dass sich durchaus Heruler diesen Kriegszügen angeschlossen haben, weil Ratibor zu dieser Zeit die Oberherrschaft über alle Clans im ehemaligen dänischen Vindland hatte, was vorher schon Jarl Bursileif nachgesagt wurde. Trotzdem würde der Startpunkt Jomsburg kaum alle waffentragenden Heruler erreicht haben, wobei Jomsburg ohnehin bedeutet, dass diese Wiking wie üblich mit einer ranischen Flotte erfolgte.

Dass der Anteil heidnischer Ostheruler kaum eine Rolle spielte dürfte auch an der fortschreitenden Christianisierung in Mecklenburg gelegen haben, denn der Konflikt mit Dänemark war auch ein heidnisch-christlich motivierter Kampf. Nach den Niederlagen gegen die Dänen haben erst im Jahr 1045 die Wenden wieder Einfällen in Sachsen unternommen, die zu einem Gegenschlag Heinrichs III. führen. Die Wenden ergaben sich und versprachen, Abgaben zu entrichten.

Primärquelle: Herrmann, Der Wendenkreuzzug von 1147

Gottschalk unterwirft die warnischen Kessiner und westlichen Peene-Clans

Gottschalk, Enkel des vertriebenen Herulerfürsten Mistislav, wurde früh von seinem Vater Udo der Schule des Michaelisklosters bei Lüneburg übergeben, um ihn christlich erziehen zu lassen und ihn vor den Aufständischen zu schützen. Gottschalks Vater wurde zwischen 1029 und 1032 von einem sächsischen Überläufer ermordet. Helmold sieht den Mord als Folge der Grausamkeit des Getöteten:
„Dieser [Udo] war in Wahrheit kein Christ zu nennen, weshalb er auch wegen seiner Grausamkeit von einem sächsischen Oberläufer hinterrücks ermordet wurde".

Andere Quellen wollen in dem Mord die Gier der Sachsen nach dem Wendenland sehen. Gottschalk verließ, nachdem er vom Tod seines Vaters gehört hatte, das Kloster -eventuell musste er auch vor dem Mörder seines Vaters fliehen. Er ging über die Elbe in seine herulische Heimat, fiel vom Christentum ab und übte wohl Rache an den Sachsen. Damit entsprach Gottschalk dem Wesen eines Apostaten, sprich Wenden, der je nach Lage, die für ihn passende Religion ausrief, um bestimmte Ziele zu erreichen. Helmold gibt an, dass Gottschalk einen Rachefeldzug unternahm:

„Hier sammelte er eine Schar von Räubern um sich und plünderte aus Rache wegen seines Vaters das ganze Land der Nordelbinger, richtete auch unter den Christen ein solches Blutbad an, dass seine Grausamkeit alles Maß überstieg." Im Altnordischen bedeutet Räuber "Ran", woraus Slawisten einen ganz besonders widersinnigen "westslawischen Stamm" konstruierten. Auch die Heruler sahen sich als Ranen, die im Schwarzen Meer etwa als Boranen bekannt wurden.


Der Herulerfürst Gottschalk ist längstens ein Gefolgsmann der Dänen gewesen und war dazu mit dem dänischen Königshaus verschwägert.

Gottschalk geriet in die Gefangenschaft seiner sächsischen Gegner. Der sächsische Billungerherzog Bernhard II. jedoch verbannte Gottschalk nur. Gottschalk musste für insgesamt 15 Jahre ins dänische Exil gehen, wo er als Gefolgsmann König Knuts des Großen in England, das zu dieser Zeit zum Teil der dänischen Krone unterstellt war, diente. Nach dem Tod König Knuts (1035) war Gottschalk Knuts Neffen, Sven Estridsson, dem späteren König von Dänemark, zu Diensten. Gottschalk stand in einem guten Verhältnis zu Sven Estridsson, der nach dem Tode des Königs Magnus im Jahre 1047 in Dänemark zur Herrschaft gelangte. Sigrid, Svens Tochter, erhielt Gottschalk zur Gemahlin. Die Zeit der Vermählung ist unbekannt. Gottschalk war vorher schon einmal verheiratet und hatte von jener unbekannten Gemahlin den später noch eingehender zu behandelnden Sohn Buthue. Mitunter wird behauptet, dass Gottschalk selber der Sohn einer Dänin gewesen sei. Das alles offenbart zugleich einen Hintergrund, der als geschickter strategischer Schachzug der dänischen Herrscherfamilie gesehen werden muss, denn so konnte das Herulerreich als Vindland wieder dänischer Reichsteil werden oder mindestens im Sinne Dänemarks beherrscht werden.

Nach dem Tod des Wendenfürsten Ratibor verließ Gottschalk Sven Estridsson und kehrte - nun endgültig Christ geworden - aus England in seine Heimat zurück. Wie aus dem Saulus ein Paulus wurde, berichtet uns Helmold. Seine endgültige Rückkehr in die Heimat wurde dem Nakoniden Gottschalk erst nach 1043 möglich, nachdem die heidnischen Altheruler und ranische Wikingerclans - maßgeblich durch die dänischen Feldzüge - besiegt waren.

Innerhalb kurzer Zeit gelang es Gottschalk, folgende nördliche Ethnien seiner Herrschaft zu unterstellen: die Altheruler (Wagrier="Seevolk"), die Obotriten (Ost-Heruler), Polaben (unterelbische Langobarden), Lingonen (Semnonen), Warnower (Warnen), vielleicht auch die zu den Liutizen gezählten (!) Kessiner (ebenfalls Warnen) und Zirzipaner (Peenewikinger). Adam erzählt:

"Zur selben Zeit erschien Gottschalk, der nach dem Tod des Königs Knuts und seiner Söhne aus Anglien zurückkehrte, in feindlicher Absicht im Wendenland, fiel alle an und flößte den Heiden großen Schrecken ein"

An anderer Stelle charakterisiert Adam den Führungsstil Gottschalks, der ganz im Sinne des Hamburg-Bremer Erzbistums gewesen sein muss. Die nördlichen Wendenstämme (Ranische Clans) fürchteten Gottschalk wie einen König, brachten ihm Tribute dar, gelobten Treue und unterwarfen sich. Adam schreibt (er hat nur von Sclavi und nicht von "Slawen" berichtet!):

"Im Land der Wenden wurden unsere Angelegenheiten noch mit großem Glücke geführt. Gottschalk nämlich, [...] ein Mann, der wegen seiner Klugheit und Tapferkeit zu preisen war, bezwang, [...] die Heiden so, dass sie ihn als ihren König ehrten, indem sie ihm Tribut zahlten, um Frieden baten und Unterwerfung gelobten."

Um sich gegenüber dem heidnischen Adel und der heidnischen Bevölkerung abzugrenzen und vor allem zu behaupten, suchte Gottschalk den Schulterschluss mit dem sächsischen Billunger Bernhard II., der ihn einst verbannt hatte. Ruth Bork betont die maßgebliche Rolle der Billunger bei Gottschalks Aufstieg. Die Billunger hätten Gottschalk nicht nur durch die einstige Freilassung, sondern auch durch ihre Teilnahme an Kämpfen gegen die Wenden und das Geschlecht des Fürsten Ratibor direkt zum Aufstieg verholfen. Im großem Draufblick haben also auch die Sachsen erkannt, dass Gottschalk ihr Interessens-Statthalter werden konnte, doch letztlich wurde er in der Abfolge nur ein dänischer Gefolgsmann. Gottschalk stand zudem nicht mit den Billungern in engem Einvernehmen, sondern eher mit dem Erzbischof Adalbert von Bremen. Tatkräftig unterstützte Gottschalk die Missionsbestrebungen der Hamburg-Bremer-Metropole. Wahrscheinlich hoffte er auf eine Unterstützung seiner Herrschaft durch das Erzbistum. Unter den Herulern - wie auch unter den ihnen benachbarten Clans - führte Gottschalk nun für die nächsten Jahrzehnte ein straffes und Frieden sicherndes Regiment, so dass er auch seitens der Kirche, vor allem beim Hamburg-Bremer Erzbistum volle Anerkennung und Unterstützung fand.

Adam schreibt bestätigend:
„Unter diesen Zeitverhältnissen hatte unser Hamburg Frieden und das Land der Sclavi war voll von Priestern und Kirchen. Gottschalk also, ein frommer und gottesfürchtiger Mann, und ein vertrauter Freund des Erzbischofs, ehrte Hamburg wie eine Mutter. Er pflegte sie häufig zu besuchen, um seine Gelübde zu lösen. Im diesseitigen Land der Sclavi erhob sich nie ein mächtigerer, nie ein ihm an Eifer vergleichbarer Verbreiter der christlichen Religion. Denn er hatte die Absicht, wenn ihm ein längeres Leben zu Teil würde, alle Heiden zum Christentum zu zwingen, und er bekehrte ungefähr den dritten Teil derjenigen, welche unter seinem Großvater [ Herulerfürst Mistiwoi] ins Heidentum zurückgefallen waren."

Neben zahlreichen Kirchen und Klöstern entstanden die Bistümer Oldenburg für die Altheruler, Ratzeburg für die langobardischen Unterelbier und Mecklenburg für die Obotriten (Ost-Heruler). Gottschalk soll selbst in der Sprache der Sclavi gepredigt haben. Mit anderen Worten war er der Glagoliza-Liturgie mächtig, die jedoch nicht die Sprache der germanischen Heruler war! Waren seit dem Namensgeber des obotritischen Nakoniden-Geschlechts, Nakon, die ostherulischen Fürsten der christlichen Kirche verbunden, so machte sich Gottschalk zum eifrigsten Verfechter des Christentums in seinem Land.

Adam von Bremen hat zwar immer wieder die Macht des kirchentreuen Gottschalk beschrieben, doch andererseits berichtet er, dass der sächsische Billunger-Herzog Ordulf, der Sohn Bernhards II., zwölf Jahre lang, von 1059 bis 1072, zumeist erfolglos gegen die Sclavi gekämpft habe. Zwar brach, nach Adam von Bremen, Gottschalks Macht durch den Aufstand von 1066 zusammen, aber warum kämpfte Ordulf dann bereits vor 1066 gegen die Slavi? So ideale Sachsenfreunde werden die Obotriten unter Gottschalk wohl folglich doch nicht gewesen sein, was dann auch ihre dänische Gefolgschaft begünstigte.

Primärquelle: Herrmann, Der Wendenkreuzzug von 1147

Der große Clankrieg im Peeneland

Bisher wird der Krieg der ranischer Wikinger-Clans, der 1056 und 1057 innerhalb des sogenannten "Liutizenbundes" tobte, von Slawisten als "Bruderkrieg" oder Krieg "westslawischer Stämme" bezeichnet. Doch das ist definitiv falsch und deshalb auch alle slawophilen Schlussfolgerungen daraus. Die regional in Clanbünden organisierten Ranen bestanden größtenteils aus herulisch-skandinavischen Wikingerschwurgemeinschaften, die am längsten im ostelbischen Raum an den Ahnenkulten der Asenzeit festhielten. Ihr Machtkämpfe hatten im nördlichen Wendenland einen anderen Hintergrund, als heute vermutet. Die Nähe zum noch immer existierenden Jomsgau, spielte wohl die größte Rolle, denn mit ihm sind sicher die Clans an der Tollense und die Redarier verbündet gewesen.


König Sven Estridsson - auch er sicherte sich zu seiner Herrschaftszeit bis 1076 die Oberherrschaft über das nördliche Vindland (Wendenland)

Die claninternen Kämpfe 1056/57 schwächte die Abwehrkraft aller ranischen Clans insgesamt, was nachfolgend ihre Unterwerfung mittels Schwertmissionierung begünstigte. Von diesen inneren Auseinandersetzungen zwischen den vier ranischen Großclans als "Liutizen" (=Leute) berichten die Chronisten Adam und Helmold, die allesamt keine "Slawen" dabei erwähnten. Sie benutzten nur die damals benutzten Annalistenbegriffe, die sich nur bei den Redariern von einer Eigenbezeichnung ableiten könnten. Die Zirzipanern und Tollensern leiten sich von Flussnamen ab, die Kessinern von einem ihrer Ahnenkulte, wo der Kessel in Mittelpunkt stand.

Brüske nahm an, dass dieser "Bruderkrieg" mit den Kämpfen der Deutschen gegen die Wenden der Jahre 1056 und 1057 zusammenhänge, die jedoch an der mittleren Elbe gegenüber des Havellandes stattfanden. Diese begannen sogar im Jahre 1055m wobei erneut die Gegend von Werben Schwerpunkt war. Es bleibt dabei unklar, von welcher Seite die Streitigkeiten ausgingen. Es ist denkbar, dass die Auseinandersetzungen von sächsischen Großen initiiert wurden, weil sie in der Zeit der Abwesenheit des Kaisers, der sich in Italien befand, Ruhm für die Unterwerfung der wendischer Grenzregionen ernten wollten. Im Jahr 1055 unterlagen jedoch die Sachsen.

Nach seiner Rückkehr rüstete der Kaiser zu einer großen Strafexpedition gegen die Wenden, doch auch diese endete in einer Niederlage. In den Chroniken heißt es, dass das sächsische Heer an der Havelmündung in dem Winkel zwischen Elbe und Havel von den "Liutizen" eingeschlossen und vernichtet wurde. In der Reichschronik (der Annalista Saxo) steht:

"Die Christen erlitten eine große Niederlage von den Barbaren, welche Liutizen heißen; einige kamen durchs Schwert um, andere auf der Flucht im Wasser und unter diesen wird der Markgraf der Nordmark Willehelm getödtet nicht weit von der Burg, die Prizlava heißt und am Ufer des Flusses Albis (Elbe) liegt, da wo derselbe den Fluß Habola (Havel) in sich aufnimmt."

Diese Schlacht wird auf den 10. September 1056 datiert. Kaiser Heinrich III. starb bald darauf am 5. Oktober 1056. In den folgenden Jahren gelang es den Sachsen, die Wenden wenigstens formal zu „befrieden". Von einer Oberhoheit des Reiches über das Wendenland kann jedoch in keiner Weise die Rede sein.

Des Weiteren schlussfolgert Brüske, dass die Zirzipaner wahrscheinlich 1056 die Entscheidung im Kampf gegen das Reich gebracht hätten und dafür verlangt hätten, den bisher führenden Redariern gleichgestellt zu werden. Er gibt aber auch zu bedenken, dass die südlichen "Liutizenlande" am meisten unter diesen Kämpfen zu leiden gehabt hätten und die Zirzipaner und Kessiner diese Schwäche der beiden südlichen "Liutizenstämme" ausnutzen. Doch die Clans an der Tollense und die Redarier siedelten nicht im Havelland, weswegen diese Überlegungen sicher keinerlei Tragweite hatten. Gleiches gilt auch für die Clans an der Warnow (Kessiner) und der Peene (Ziricpanen), die wegen dem wegelosen Land und den größeren Entfernungen ganz sicher nicht in der Gegend Werben-Prizlava gegen die Sachsen kämpften. Das sind einfach ostelbische Clans aus dem westlichen Havelland gewesen.

Nach Adam von Bremen kämpften die Zirzipaner in den internen Clankriegen allein gegen die anderen drei Stämme und waren anfangs siegreich. Die Kessiner, Tollenser und Radarier riefen daraufhin den Herulerfürsten Gottschalk, den Sachsenherzog Bernhard und den dänischen König (!) zu Hilfe. Mit dieser vereinten Streitkraft gelang es, die Zirzipaner zu besiegen. Die Besiegten kauften sich für viel Geld den Frieden.

Adam schreibt, dass es den zu Hilfe gerufenen christlichen Anführern vorrangig um Beute ging und eben nicht um die Christianisierung der heidnischen Zirzipaner:

„Endlich erlangten die Zirzipaner Frieden, indem sie den Fürsten 15,000 Pfund Silber boten. Die Unseren kehrten triumphierend heim; vom Christentum aber war gar nicht die Rede. Die Sieger waren nur auf Beute bedacht."

Und jetzt kommt der wohl entscheidende Grund: Der Dänenkönig Sven Estridsson wurde offensichtlich nicht nur mit Tributzahlungen für seine Hilfe entlohnt, sondern auch mit (bevölkertem) Land. Das bedeutet Teile des Vindlands kehrten unter die dänische Krone zurück. Und auch die Koalition aus Kessiner, Tollensern und Redariern muss bereits über das Jomsgau mit Dänemark verbündet gewesen sein. Mit anderen Worten: Mit den besiegten Clans an der Peene, kehrte wohl das gesamt nördliche Vindland mit Tollensern und Redariern unter die dänische Krone zurück, wobei die dänische Herrschaft noch zu Sven Estridssons Zeiten von Jomsburg ausgeübt wurde. Und genau das wirkte sich noch zu seinen Lebzeiten 1069 aus, denn es wurde überliefert, dass an einem dänischen Feldzug gegen England Kriegerscharen aus dem Vindland teilnahmen. Diese Gefolgschaft hatte sich Sven Estridsson in seinem Feldzug gegen ranische Wikingerclans gesichert und musste wohl gegen die Peeneclans 1056 von dänischer Seite erneuert werden.

Summa summarum: Der sogenannte "Bruderkrieg" der Liutizen im nördlichen Wendenland, stellte nur die erneute dänische Oberherrschaft zwischen Warnow Peene und Oderhaff sicher, wobei diese über Jomsburg ausgeübt wurde. Der Chronist Helmold von Bosau erzählte ebenfalls detailliert, wie es zu den inneren Auseinandersetzungen kam. Es ging wohl um die Vorherrschaft im "Liutizenbund", den vermutlich traditionell die Tollenser und vor allem die Redarier durch ihr Heiligtum Rethra für sich beanspruchten. Die anderen Stämme waren nun aber nicht mehr gewillt, diese überragende Führungsrolle allein den Redariern zu überlassen.

Helmold schreibt:
Unter diesen [den liutizischen Stämmen] erhob sich ein gewaltiger Streit um die Herrschalt und Obergewalt, weil die Redarier und Tollenser wegen des hohen Alters ihrer Burg und des großen Ansehens jenes Tempels, in welchem das Bild des Radigast (= der Herulerfürst Ardagast) zu sehen ist, herrschen wollten, indem sie sich einen besonderen Grad von Ansehen und Ehre beimaßen, weil sie von allen gentes Sclavorum (Sclavi) wegen der Antworten des Gottes und der alljährlich dargebrachten Opfer wiederholt besucht würden. Dagegen weigerten sich die Zirzipaner und Kessiner Knechte zu werden, ja sie waren entschlossen, ihre Freiheit mit den Waffen zu verteidigen."

Deutlicher geht es wohl kaum, denn es ging um nichts anderes, als die Unabhängkeit der Wikingerclans an Warnow und Peene, die alle anderen Clans der Redarier und Tollenser bereits als Untertanen der Dänen ansahen. Bei Helmold kämpfen im Gegensatz zu Adam nicht die Zirzipaner gegen drei Stämme, sondern sie kämpfen mit den Kessinern gegen die Tollenser und Redarier. Adam von Bremen erwähnte, als er von Gottschalks Missionseifer erzählte, dass die Zirzipaner und Kessiner zum Hamburger Sprengel gehörten und dass sie schon den christlichen Glauben pflegten. Das würde theoretisch bedeuten, dass die zum großen Teil christliche Allianz unter der Führung Gottschalks, Bernhards und Sven Estridssons gegen christliche Stämme hätten kämpfen müssen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Zirzipaner und Kessiner - formal zwar der Hamburger Erz-Diözese zugehörig - noch immer Heiden waren. Mit anderen Worten, ein christlich-heidnischer Gegensatz spielte in diesen ranischen Clankriegen ebenfalls keine Rolle.

Mit diesem Bruderkrieg wurde das frühere Bündnis zersprengt. Zirzipaner und Kessiner, also die beiden nördlichen Stämme, gehörten zwar zum Machtbereich der Heruler, doch die Landnahme Estridssons dürfte sie insgesamt der dänischen Krone unterstellt haben. Für Gottschalk, dem herulischen Gefolgsmann der dänischen Königsfamilie war das sicher kein Problem, den verwandtschaftlich stand er Dänemark wohl näher, als man heute wahrhaben will.

Primärquelle: Herrmann, Der Wendenkreuzzug von 1147

1066: Der Aufstand der Heiden-Clans

Was muss alles zusammen gekommen sein, dass rund 10 Jahre nach den Clankriegen die Heiden-Clans des Herulerreichs 1066 einen Aufstand begannen, der Gottschalks Tod bedeuten würde? Obwohl die nördlichen Clan als besiegt galten und formal zum christlichen Reich der Obotriten (Ost-Heruler) gehörten, war „das heidnische Feuer nur gedämpft, nicht gelöscht", wie Brüske treffend formulierte. Die Schlagkraft dieser tatsächlich durch gezahltes Lösegeld (15,000 Pfund Silber) frei gebliebenen Clans wurde nach diesem Freikauf gestärkt, da es nach Herrmann keine inneren Zwistigkeiten mehr gab. Oder besser formuliert: die Redarier und Tollenser unterstand über Jomsburg den Dänen (tributäre Gefolgschaft plus Kriegsgefolgschaft) , die Peeneclans und warnischen Kessiner den christlichen Obotriten tributpflichtig.

Der Tribut und die Christianisierung brachte die Heiden im Peeneland immer mehr gegen den alternden Gottschalk auf, der offenbar nicht fähig war kompromissfähig zu herrschen und nur noch auf die vollständige Christianisierung setzte. Doch das erhöhte die Abgabenlast, den von den frisch getauften Herulern verlangte jetzt auch die Kirche ihre Pfennige. Und so gehrte es in und außerhalb des Herulerreichs, dass im Süden wieder an der Elbe grenzte.

Viele heidnische Clans sehnten jetzt den Fall des christlichen Nakonidengeschlechts unter Gottschalk herbei und begannen sich aktiv darauf vorzubereiten. Nach wie vor stand das Christentum auf dem Lande nur auf schwachen Beinen, die herulische Bevölkerung und der Klein- und Hochadel hielten weiter an den Ahnenkulten ihrer Vorfahren fest, weswegen die kleine christliche Obotritenkaste verhasst blieb. Trotz mannigfaltiger Versuche der Hamburg-Bremer Diözese, die Herrschaft Gottschalks zu sichern, scheiterte der Obotrite.


Lenzen, der Todesort Gottschalks - Die Stand ist nach den semnonischen Linonen benannt.

Im Jahre 1066 kam es nun zu einem großen Aufstand gegen Gottschalks Obotritenkaste, der von altherulischen Clans und den Peeneclans getragen wurde. Für das Jahr 1066 berichten Adam und Helmold, dass Gottschalk am 7. Juni in Lenzen von Aufständischen erschlagen wurde, die möglicherweise den semnonischen Linonen angehörten. Am 15. Juli steinigte man einige Christen in Ratzeburg. Auch viele christliche Priester und Laien starben. Der Bischof Johann von Mecklenburg fiel in die Hände der Aufständischen, er wurde sogar nach Rethra, außerhalb des Herulerreiches gebracht, wo er den Märtyrertod fand.

Adam berichtet:
„Der greise Bischof Johannes ward ...mit anderen Christen als Gefangener zum Triumphe aufbewahrt. Derselbe nun ward, weil er sich zu Christus bekannte, mit Schlägen misshandelt, darauf durch die einzelnen Städte der Sclavi zur Verhöhnung umhergeführt und, weil er vom Namen Christi nicht abzubringen war, so wurden ihm Hände und Füße abgehauen und der Körper auf die Straße hinausgeworfen, das Haupt aber ward ihm abgeschnitten und die Heiden pflanzten es wie ein Siegeszeichen auf einen Spieß und opferten es ihrem Gott Redigast. Dies geschah in der Hauptstadt der Sclavi, Rethra, am 10. November (1066).."

Was hier beschrieben wird, ist Heiligentopologie: Der Bischof fürchtete mehr noch als seinen eigenen Tod den Abfall der frischgetauften Christen. Denn wenn selbst ein Bischof grausam gefoltert werden konnte, so konnte es augenscheinlich mit der Macht Gottes nicht weit her sein. Derselbige Ansver soll, als er zum Leiden kam, die Heiden angefleht haben, dass doch vorher seine Gefährten gesteinigt werden möchten, weil er fürchtete, sie möchten sonst wieder abfallen. Als nun aber diese die Märtyrerkrone erlangt hatten, da kniete er selbst hocherfreut wie einst Stephanus nieder.

Der dem hier erwähnten Gott Redigast handelte es sich wohl um den früheren Herulerfürsten Ardagast, der einst wohl große Teile der Ost-Heruler aus der Walachei wieder an die Ostsee zurückgeführt hatte. Seine Vergöttlichung verlief offensichtlich nicht als "Sohn Odins", wie es bei Sven Gabelbart bei Swantevit geschah, sondern über altnordisch rāði, dem Eber, als Reittier Freyrs, womit man Ardagast als "Sohn Freyrs" vergöttlichte. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass das altnordische "raðr" auch für Schlange oder Umschlinger steht, was einen bezug zu den Schlangenkulten der Asenzeit herstellt.

Aber auch weit über die Grenzen ihrer Siedlungen drangen die Aufständischen vor, zerstörten die Städte Hamburg und Schleswig und verwüsteten das umliegende Land. Viele Kirchen wurden niedergebrannt, womit der christliche Einfluss des Reiches im Herulerreich für lange Zeit hinweggefegt wurde. Viele gerade getaufte Heruler fielen ins Heidentum zurück und töteten die, welche Christen bleiben wollten. Das Reich war offenbar machtlos.

Der sächsische Herzog Ordulf, Sohn des Billungers Bernhard II., kämpfte zwölf Jahre, nach dem Tod seines mächtigen Vaters, oftmals vergebens gegen die Heruler und konnte nie den Sieg erreichen. Vielmehr wurde er von den Heiden so oft besiegt, dass er auch „den Seinen zum Gespötte ward", schreibt Adam. Zwar scheint Adam einerseits das freundschaftliche Verhältnis zwischen Gottschalk und dem (heiligen) Erzbischof Adalbert, noch einmal betonen zu wollen, wenn er hervorhebt, dass der Tod Gottschalks und der Untergang des Erzbischofs zeitlich fast zusammen gefallen seien, anderseits wird damit auch das abrupte Ende der Heiden-Mission deutlich.

Der Urheber des Aufstandes war vermutlich Blusso, ein Schwager Gottschalks, der später ebenfalls erschlagen wurde. Die dänische Gemahlin Gottschalks vertrieb man zusammen mit anderen Frauen nackt aus dem obotritischen Hauptort Mecklenburg. Von Helmold erfahren wir nur, dass Gottschalks zweiter Sohn Heinrich, den auch Adam erwähnt, zu den Dänen floh, während sein älterer Stiefbruder, Buthue, sich zu den Barden (Langobarden) begab. Buthue, Gottschalks Thronerbe, fand Unterstützung bei den mit seinem Vater befreundeten sächsische Fürsten, welche für ihn kämpften und ihn wieder als Herrscher der Heruler einsetzen. Er blieb recht erfolglos. Helmold begründet dies wie folgt: „weil er [Buthue], einem christlichen Vater entsprossen und ein Freund der Herzoge, bei seinem Volke für einen Verräter an der Freiheit galt."

Auch Gottschalks zweiter Sohn, Heinrich, erfuhr durch die sächsischen Fürsten, wohl durch die Billunger, später noch mehrmals tatkräftig Hilfe. Eigentlich wären nach dem heidnische Heruleraufstand von 1066 alle Voraussetzungen für ein Wiedererstarken des wendischen Wikingerbundes zu alter Machtfülle gegeben gewesen. Der innere Zusammenhalt und damit die Widerstandsfähigkeit nach außen waren jedoch nicht mehr die gleichen wie in früheren Tagen. Offenbar hatte der Clankrieg von 1056/57 einen bleibenden Hass untereinander hinterlassen.

Primärquelle: Herrmann, Der Wendenkreuzzug von 1147

Ostelbiens "ostvandalische" Stämme

Helmut Schröckes Buch über die "Ostvandalen" und ihre Umdeutung zu "Slawen" wird heute von den Mainstream-Historikern totgeschwiegen. In diesem Buch findest sich auch ein Kapitel über den sogenannten "Liutizenbund", deren Angehörige er nordgermanischen Verbänden zuordnet. Die Fundegeschichte dieser Zeit bezieht sich deshalb nicht auf erfundene "Slawen", sondern auf die alteingesessene Bevölkerung, die immer wieder Zulauf aus Skandinavien bekam. Den landseitigen Zulauf aus südöstlicher Richtung bezieht sich nach Schröcke auf zurückkehrende "Ostvandalen", mit denen jedoch hauptsächlich Heruler gemeint sind, die an der Ostsee und am Schwarzen Meer noch als Ranen oder Boranen auftraten. Die Stodoranen im Havelland etwa, werden ebenfalls erst durch die zurückkehrenden Ostheruler entstanden sein und bekamen vor über 1000 Jahren Kontakt zum expandierenden Daglingerreich im Wartheland.

Bevor das bearbeitete Kapitel beginnt noch eine kurze Einführung über die verwendeten Begriffe:

Wilzen: fränkische Fremdbezeichnung für Wilde oder Barbaren im nordöstlichen ostelbischen Raum, dessen Ostgrenze die untere Oder ist.

Abodriten: fränkische Bezeichnung für die aus der Schwarzmeersteppe zurückgekehrten Ost-Heruler in Mecklenburg, die sich nach ihrem Fluß Obitochna nördlich des Asowschen Meeres als Obotriten bezeichneten. Der fränkische Begriff Abodriti fand allgemein auf alle Heruler in Meckelnburg und Ostholstein Verwendung. Die in Ostholstein als Wagrier bezeichneten Altheruler - Immer in ihrer Heimat verbliebener Kernstamm der Heruler - werden so altnordisch als "Seevolk" bezeichnet, was quasi ein Äquivalent zu den Wikingern ist.

Ranen: Altnordische Bezeichnung herulischer Verbände, die sich nach ihrer Meeresgöttin Ran bezeichneten und unter diesem Begriff auch als Seeräuber auftraten. An der Südküste der Ostsee haben sie sich nach der Rückkehr der Ost-Heruler als Wikinger-Clans organisiert.

Liutizen Althochdeutsches Wort germanischer Herkunft für Leute. Wurde als Oberbegriff für eine Bevölkerung östlich des Reiches im ostelbischen Raum verwendet. Der Begriff erfuhr hauptsächlich durch DDR-Slawisten eine Umdeutung und wurde mit den erfundenen "Slawen" gleichgesetzt.




Helmut Schröcke über Ostelbien ab dem 8. Jahrhundert:

Die Stammesgebiete der Wilzen (Welatabi der Chronisten) bestanden nach dem Bairischen Geographen (zwischen 844 und 862, W. Fritze 1952) aus 4 regiones, den Teilstämmen der Kessiner, Zirzipanen, Tollenser und Redarier mit 95 civitates. Der Name der Liutizen taucht als liotida in einem Völkerverzeichnis des Norwegerkönigs Rodulf als aus Skandinavien stammend auf (0.Kunkel 1940). Damit können die skandinavischen Liutizen stammesbildend in rückgewanderten Ostvandalen (Ost-Heruler) gewirkt haben.

Diese aus Skandinavien stammenden Liotida können vielleicht die Erzeuger der Fresendorfer Keramik gewesen sein, die der in Haithabu und Birka gebräuchlichen sehr ähnlich ist (L. Dralle) Dann wären Nordgermanen stammesbildend nicht nur bei den Wilzen gewesen, sondern auch, wie aus der weiten Verbreitung der Fresendorfer Keramik bis Ostmecklenburg folgt, auch bei den Ranen.


Von der Wikingerzeit Vorpommerns

Aus dem Gebiet der Wilzen sind Bartäxte bekannt geworden. Weitere Hinweise auf Wikinger als Bewohner der Hafensiedlung Menzlin an der Peene bei Anklam sind Streitäxte, ein Wikingerschwert, ovale Schalenspangen und die Amulette der Miniaturaxt und des Thorshammerrings, die Gläubige nordgermanischer Religion bezeugen, sowie schiffsförmige Steinsetzungen um Brandgräber (U. Seheknecht 1969). In der Thidrekssage wird das Land der Wilzen als ein Teil Schwedens bezeichnet (Ritter-Schaumburg 1989).

Im Gebiet der Ranen wären diese dann zu unterscheiden von rückgewanderten Rugiern. Es gab jedoch auch immer in Pommern und auf Rügen verbliebene Rugier, deren Name vom nordischen Inselnamen abgeleitet wurde. Rügen stammte über dem dänischen Namen Re von Regin ab, einen einst weitverbreiteten Beinamen Heimdalls. Die Regini auf Britannien haben den gleichen namentlichen Hintergrund.

Im Hause des vergrabenen großen Schatzes in Ralswiek fand man Fresendorfer Scherben. Auf Rügen herrscht die Fresendorfer Keramik vor. So wie die Namen der Fürsten der Obodriten, Drazko und Ceadrag, sind auch die Namen der wilzischen Fürsten Dragovit und Cealadrag nordischer Herkunft und ein Hinweis auf nordische Verwandtschaft oder Herkunft des Geschlechts sowie auf Verwandtschaft mit dem Fürstenhaus der ostherulischen Obotriten. Dragovit wurde 738 von Karl Martell eingesetzt. Er herrschte bis 789, sein Sohn Liub bis 808, dessen Sohn Milegast bis 823 und von da an nach einem Schiedsspruch Kaiser Ludwigs sein Bruder Cealadrag.

789 unternahm Kar! der Große einen Feldzug gegen die Wilzen, die mit den Sachsen verbündet waren, er hatte die Obotriten als Bundesgenossen. Derrex Sclavorum Dragovit legte einen Treueeid ab. Über seine Taufe oder eine Missionierung ist jedoch nichts bekannt. 812 kam es zu Grenzkämpfen mit Franken. 823 schlichtete Ludwig der Fromme auf dem Frankfurter Reichstag einen Streit zwischen den beiden Wilzenkönigen und Brüdern. 928/29 unternahm König Heinrich I. einen Winterfeldzug und nahm Brandenburg ein. Der Chronist Widukind von Corvey berichtet von den Abodriten, Redariern, Hevellern, Daleminziern und Böhmen, dass Heinrich sie sich tributpflichtig gemacht hatte.

Nach dem Sieg auf dem Lechfeld 955 mussten die Wilzen 955 und 957 erneut unterworfen werden. Die Verfassung der Wilzen war ähnlich wie die der Slowenen, Böhmen und der des Daglinger Reichs. Die Herrschaftsnachfolge gebührte dem ältesten Sohn, während das Fürstenrecht der Familie gehörte. Die Herrschaftsübertragung war an die Zustimmung der Volksversammlung, die ein Wahlrecht und auch Überwachungs- und Absetzungsrechte hatte, gebunden.

Nach 983 berichten die Chronisten nicht mehr von Fürsten (M. Hellmann 1960). Aus dem Zerfall des hevellisch-wilzischen Fürstentums nach der ersten Eroberung Brandenburgs 928 entstand der "Liutizenbund", der durch die Redarier maßgeblich beeinflußt wurde. In den Quellen werden die Liutizen erstmalig 991 genannt, ein Oberbegriff für eine heidnische Bevölkerung Ostelbiens. Im Heiligtum der Redarier, das zum Zentralheiligtum im ganzen Gebiet des ehemaligen wilzisch-hevellischen Gebietes aufrückte, wurde der große Wendenaufstand 983 vorbereitet und unter Mitwirkung der Dänen und der beiden Herrscher der ostherulischen Obotriten Mistiwoi und Mizzidrag ausgerufen.

Dem Liutizenbund gehörten alle unabhängigen ostvandalischen Stämme zwischen Eibe und Oder außer den Obotriten und Sorben an. Sein oberstes Entscheidungsgremium bestand nach Thietmar von Merseburg aus den Priores (Adligen, Bevollmächtigten der Stammesfürsten) und den Kriegern. Die Entscheidungen, die vorher dem Orakelspruch des Heiligtums von Rethra unterworfen wurden, mussten einstimmig gefasst werden. Die Mitwirkung der Priester Rethras an den politischen Entscheidungen ist wahrscheinlich. Der große Wendenaufstand 983 hatte einen Rückschlag der gesamten Reichspolitik im Osten zur Folge. 1002 kämpfte Kaiser Otto Ill. mit den Liutizen zusammen gegen die Daglinger.

1056/57 kam es zu inneren Kämpfen im Liutizenbund und die Kessiner und Zirzipanen gerieten in der Folge unter die Herrschaft des Obotritenherrschers Gottschalk, der selbst wieder mit dem dänischen Königshaus verheiratet war. 1066 erhoben sich die Redarier. 1068 gelang es dem Bischof Burchard von Halberstadt, das Heiligtum Rethra zu zerstören, sein Heimritt auf einen heiligen Pferd dürfte jedoch missionarische Kirchenpropaganda gewesen sein.

Die Macht des Liutizenbundes bestand danach nur in kleinerem Rahmen weiter. Sein Schwergewicht verlagerte sich zu den Ranen mit deren Heiligtum Arkona auf Rügen. Die Ranen gehörten anfangs
nicht zum Liutizenbund. Der Obotritenkönig Heinrich unterwarf 1093 die Wilzen und Pommern bis zur Oder und Havel und schloss sie dem Herulerreich an, was aber nur von kurzer Dauer war. Herzog
Lothar von Sachsen unternahm 1114 und 1121 Feldzüge gegen die Kessiner, eroberte ihre Hauptburg Kessin und unterwarf sie. Erst 1157 konnten die Liutizen endgültig unterworfen werden.

Im Stammesgebiet der Wilzen bestanden bis nach 1200 im Gebiet des Tollensesees (Abb. 21) zwei Adelssitze. Der eine auf der Fischerinsel im Tollensesee, zu der von Süden eine Brücke führte, barg das doppelköpfige Götterbild (Abb. 80, Kap. 5.2). Dort bestand eine Siedlung mit mehreren Häusern, einer Werkstatt, die Schläfenringe, Schlösser und Schlüssel, Messer, Sicheln und Nägel herstellte sowie einer mit Verarbeitung von Pelztieren wie Dachs, Fischotter, Biber, Fuchs und Eichhörnchen. Im Adelssitz auf der Insel Hanfwerder im Lieps-See südlich des Tollensesees standen ein Haus von mindestens 7 x 6,4 m Größe sowie weitere mit Bohlen ausgelegte Häuser von Größen bis 5 x 4 m, wahrscheinlich zumeist Blockbauten, hinter einer doppelwandigen Uferbefestigung in Blockbau in einer Reihe. Jenseits davon stand ein Haus in Pfostenbau weise, das offenbar kultischen Zwecken diente. Es barg keinen Herd, aber vor der Außenseite eines Tores, das zum Gräberfeld wies, waren Schädel von einem Pferd und von Rindern vergraben. Unter den Funden sind Bartäxte, eine kleine Prunkaxt, Steigbügel, Sporen, Hufeisen, sowie von der Fischerinsel eine damaszierte Lanzenspitze. Gegenüber der Insel Hanfwerder wurden die Angehörigen des Adelssitzes in Körpergräbern bestattet. Man fand ein Holzkammergrab sowie drei Totenhäuser. Das Gräberfeld war von einer Steinmauer umgeben (V. Schmidt 1984).

Primärquelle: Schröcke, Germanen - Slawen
https://www.abenteuer-flusslandschaft.de...ark-ranger.html