Fieberhölle Kaiser Wilhelmsland

Schlimmster Feind ist wie in Deutsch-Ost, Togo oder Kamerun die Tropengeißel Malaria: »Wo diese Erkrankung herkommt, lässt sich nur vermuten. Wir beschuldigen die recht engen und vollgepfropften Wohnräume der Malaien, dann wiederum schien uns das Trinkwasser verdächtig« vermutet Stationsarzt Schellong.

Alleine 1891 sterben in und um Finschhafen innerhalb von 75 Tagen 13 Deutsche an den Folgen der Malaria. Unter ihnen trotz des Versuchs, dem Schicksal durch die Flucht aufs offene Meer zu entkommen, NGK-Direktor Eduard Wißmann. Nachdem sie jeden zweiten Europäer zu Grabe getragen haben, zieht der halbwegs gesunde Rest nach Stephansort, jetzt zweites NGK-Verwaltungszentrum. Auch der Gottesdienst fordert seine Opfer: Die Rheinische Mission verliert während der ersten acht Jahre die Hälfte ihrer Ausgesandten, den Steylern sterben - »der liebe Gott hat uns schwer heimgesucht« - in 14 Jahren 15 Missionare weg.


Rabaul auf Neupommern

Der Tod macht keinen Unterschied zwischen Herr und Knecht. Besonders schwer leiden die Gastarbeiter, die schlecht ernährt und logiert unter unerbittlichen Bedingungen leiden. 1891 stirbt knapp die Hälfte der rund 1.200 Kontraktarbeiter, worauf die Kolonialopposition im Reichstag die Kompagnie des »reinen Massenmords« beschuldigt. Zur Krankheits- kommt die Arbeiternot. Die jeder Kultur baren Eingeborenen sind nur schwer auf den Plantagen zu halten, was die Kompagnie zur Anwerbung von Chinesen, Malaien, Javanern und Indern zwingt. Solange deren »Wert und Unwert« umstritten ist - »die Zopfträger fröhnen die Nacht über ihrer Spielleidenschaft, können am Tag darauf nicht richtig arbeiten« - , behält sich die Administration das Recht zur Disziplinierung vor. Träg- oder gar Faulheit im Schwarzinselgebiet werden mit dem Entzug von Nahrungsmitteln und körperlicher Züchtigung bestraft, als Erziehungswerkzeug dient das Rattanrohr, was das Verhältnis auf den Plantagen nicht spürbar verbessert.

Mit was sich der Hansemann arg verrechnet hat, ist die Sogkraft des Paradieses auf den Landsmann im Reich. Südliche Hemisphäre und paradiesischer Genuss, die Kokospalme und deren Frucht, eine Natur, die dem Menschen den Broterwerb erleichtertes Land, das für ein paar Küchengeräte, eine Axt oder eine Mundharmonika zu haben ist, für eine Packung Niggheadtabak, den die Farbigen rauchen und kauen!

Es hängen ein paar Junker herum, ein paar aufs kleine oder große Geld hoffende Reserveoffiziere. Doch die Leute kämpfen mit ständigen Fieberanfällen, sind ständig mehr krank als gesund, besonders unangenehm stößt ihnen »die kulinarische Eintönigkeit« auf (Stephan v. Kotze). Anstatt auf dem Platz an der Sonne an eine feste Niederlassung zu denken, zählt man die Tage bis zur Rückwanderung. Jeder Versuch, deutsches Landvolk zu interessieren, scheitert daran, dass die Inseln der Kannibalen schnell verrufen sind. Auf eine gezielte Einwanderungsförderung wie in Deutsch-Ost oder -Südwest muss verzichtet werden, da sich gerade die deutsche Frau »solange es keine bequem erreichbaren Höhenluftkurorte« gibt, auf Kompagnieland nicht längere Zeit aufhalten kann.


Landeshauptmann Curt von Hagen

Zum Standortfluch tragen Geschichten wie jene des Landeshauptmanns Hagen bei, die immer auch die Geschichte eines Otto Ehlers ist. Nur um zu zeigen, mit welchen Schwierigkeiten die Kompagnie tatsächlich zu kämpfen hat, was potentielle Auswanderer schreckt: Krätke, Kapitän zur See Dalimann, Hugo Zöller und Joachim Graf v. Pfeil hatten mit S.M.S. Ysabel und Samoa Buka und Bougainville umfahren, Hugo Zöllner war im Finisterre-Gebirge bis 2.660 m vorgedrungen. Die Kolonialpioniere suchen nach Kohle, Gold oder Herrenlosem, dazu nach kräftigen Eingeborenen, die bereit sind, für sie zu arbeiten. Elf Jahre nach der Machtübernahme bricht die Ehlers-Expedition auf, um Neuguinea auf einer Luftlinie von ca. 170 km zu durchqueren. Die Expedition scheitert, die Einzelheiten sickern dann nur allmählich durch. Otto Ehlers, Schriftsteller und Abenteurer aus Hamburg, und Wilhelm Piering, Unteroffizier der Schutzpolizei in Friedrich-Wilhelms-Hafen, erreichen an Bord der Ysabel von Finschhafen her den in die Bayernbucht des Huoangolfs mündenden Franziskafluss. Von dort brechen sie mit 43 schwarzen Trägern, einer großen Hündin und einer einzigen Ziege auf - mehr wollte man nicht treiben wegen des zu erwartenden Terrains.


Otto Ehlers

Die Expedition hat 31 Trägerlasten zu 20 kg Reis und Tauschartikel dabei, ist mit zwei Jagd-, acht Mausergewehren und zwei Revolvern gerüstet. Ehlers geht ein paar Tage am Franziskafluss entlang, dann über Höhenzüge, die Reise zieht sich vom 14. August bis tief in den November hin. Der Hamburger muss unterwegs seinen Kompass mit Visiereinrichtung verloren haben, das Pfund Reis pro Mann und Tag ist bald aufgebraucht, selbst die treue Hündin verzehrt. Ansonsten nahrungslose Tage zwingen dazu, Gras und Blätter zu essen, was zu ernsten Darmleiden führt. Der eigentliche Tropenkoller besorgt dann den Rest. Auf dem Weg zum Lakekamu-Fluss werden die beiden Weißen (wahrscheinlich) von den Bukapolizisten Ranga und Opia umgebracht. Womit die Geschichte allerdings noch keineswegs zu Ende ist. Im August 1897 - Kurt v. Hagen, Hans Blum, Franz Boluminski und Albert Hahl sind den Mördern von Ehlers und Pierung hinterher - wird Hagen bei Klein-Gorib (wahrscheinlich) von Ranga erschossen. Ein paar Tage später Speeren Einheimische Ranga und Opia zu Tode.

Die Kompagnie stellt die beiden Totenköpfe vor dem Gefängnis von Stephansort aus, muss sie doch zeigen, dass sie wieder Herr der Lage ist. Hagen wird, von Offizieren und Mannschaften der Dampfpinasse Falke begleitet, in Stephansort mit militärischen Ehren zu Grabe getragen, ein Platz nach ihm Mount Hagen genannt. Ehlers bleibt solange ein Star über den Tod hinaus, wie sein Buch von der »Perle der Südsee« Samoa zum Geheimtipp heimischer Globetrotter macht.

Vielleicht wäre die Ehlers-Epedition ganz anders verlaufen, hätte sie mehr Ziegen dabei gehabt. Unter den Lehren, die man daraus zieht, ist so auch, dass deutsche Reisende in Zukunft besser ausgerüstet werden. Die erste Gogol-Expedition, um nur ein Beispiel zu nennen, hat statt einer gleich 40 Ziegen als Mundvorrat dabei.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Deutsch-Neuguinea wird Reichskolonie - Robert Koch kommt

Curt von Hagens Nachfolger Hugo Skopnik beneidet dann schon absolut niemand mehr. Die Kompagnie hat um die elf Mio Mark investiert, trotzdem große Verluste eingespielt. Als die Kosten für die Verwaltung nicht mehr aufzubringen sind, muss Hansemann das Handtuch werfen. Mit der Entkräftung des ksl. Schutzbriefs gehen die Hoheitsrechte der Kompagnie an Kaiser und Reich, 1899 legt Berlin für die Malariakolonie eine Entschädigungssumme von vier Mio Mark hin, zahlbar in zehn Jahresraten. Die Kompagnie bleibt im Südseegeschäft, mit den 150.000 ha Land, die ihr verblieben sind, will sie sich allerdings ausschließlich aufs Handelsgeschäft und den Betrieb von Plantagen konzentrieren.


Simpsonhafen auf Neupommern

Erster Gouverneur wird Rudolf v. Bennigsen aus Bennigsen bei Springe, vormals Finanzdirektor in Deutsch-Ost, dort an der verhängnisvollen Einführung der Hüttensteuer beteiligt. Als erster Sitz des Gouvernements dient Herbertshöhe an der äußeren Blanchebucht, wo es aufgrund eines mäßig feuchten tropischen Seeklimas gesünder als in Kaiser-Wilhelmsland ist. Mit dem Umzug der Administration wird Neupommern zum Gravitationszentrum der gesamten Region. Die Insel ist fruchtbar, liegt verkehrsgünstig und ist von See her leicht zugänglich. Der Archipel hat gute Häfen, von denen Simpsonhafen/Rabaul der beste ist. 1908 entfallen aufs Archipel vier Fünftel des Warenverkehrs Deutsch-Neuguineas.

Kaum im Land, macht sich Bennigsen ans Regieren, wobei er sich an Deutsch-Ost orientieren will. Sein Vorschlag, das dort bewährte Halseisen auch in Deutsch-Neuguinea einzuführen, wird von Berlin abgelehnt, da es zur Entfremdung der Südseeinsulaner gegenüber dem Gouvernement führen könnte. Die Verordnung des ksl. Richters Heinrich Schnee, die Todesstrafe durch Erhängen durch die Todesstrafe durch Erschießen zu ersetzen, wird akzeptiert.

Rückgrat der Wirtschaft ist die Kultur der Kokospalme, Haupterzeugnisse sind Kopra, Kapok, Baumwolle, Kaffee, Holz, Trepang, Perlmutt und Schildpatt, von einiger Bedeutung die prächtigen Federbälge des Paradiesvogels, wie sie Europas Damenhüte schmücken.

Mit der Administration beim Reich muss die melanesische Polizeitruppe aufgestockt werden. Die Polizeijungs hat Bennigsen von der Kompagnie übernommen und mit kakifarbenen Mützen mit rotem Band und Lederschirm, mit roten, von der Seitengewehrkoppel gehaltenen Lendentüchern uniformiert. Für eine richtige Schutztruppe wie in Deutsch-Ost oder Deutsch-Südwest fehlt dem Südseebesitz der Stellenwert, verweigert der Reichstag die Mittel. Die Farbigen erhalten freie Unterkunft und Verpflegung mit einem Quantum Tabak, werden medizinisch versorgt, mit monatlich sechs Mark jedoch ausgesprochen schlecht bezahlt.


Der deutsche Dampfer "Seestern" vor Friedrich Wilhelmshafen (Kaiser Wilhemsland)

In der Truppe gelten die Bukasoldaten vor dem Feind und bei der Arbeit schnell als die Besten, während man von den Burschen von der Gazellehalbinsel am wenigsten hält. Bei der Rekrutierung wird streng darauf geachtet, dass im Aufgebot miteinander verfeindete Völker sind, könnten zu viele Gemeinsamkeiten doch dazu verleiten, dass sich die Jungs eines Tages gegen ihre eigenen Masters erheben. Den deutschen Südseeinsulanern, den Tonponpes, Jawuringes oder Towarkarats, ist der Dienst unter Kaisers Fahne suspekt. Bennigsen versucht Söldner aus Niederländisch-Indien anzuwerben, um die Jahrhundertwende wird der Versuch gemacht, Askaris aus Deutsch-Ost - »mit Weibern wegen der Fortpflanzung« zu importieren. Berlin denkt an die tüchtigen Wanjamwesi, will im Gegenzug Südseeleute in Deutsch-Ost ausbilden lassen. Der Plan muss recht undeutsch an der Organisation scheitern. Die bereits angeworbenen Wanjamwesi verlaufen sich, die 150 Rekruten, die der Dampfer Seestern aus Deutsch-Neuguinea nach Deutsch-Ost bringt, werden aufgrund ihrer Disziplinlosigkeit wieder nach Hause geschickt.


Robert Koch (mit Tropenhelm) mit Gouverneur Rudolf v. Bennigsen (3. von rechts) während der Malaria-Expedition von 1898/99.

»Wir werden die braunen Naturkinder schützen müssen gegen Seuchen und äußere Nöte und sie aus der Trägheit zu ernstem Schaffen zu erheben suchen. Vor allem werden wir auf Mittel sinnen, wie der erschreckenden Volksabnahme zu steuern sei, damit ein neues, kräftiges Geschlecht entstehe« meine Carl v. Beck: 1898 hatte Robert Koch aus Clausthal, Direktor des Berliner Hygienischen Instituts für Infektionskrankheiten , Deutsch-Neuguinea besucht. Kochs Visite war für das Schutzgebiet so richtig wie wichtig, die Anregung dazu von der Kolonialgesellschaft (DKG) gekommen. Der Bekämpfer des Todes hatte »die sich heutzutage wohl nicht mehr oft bietende Gelegenheit, die Volksseuche Malaria an einem Platz zu studieren, wo sie sich ungestört entwickeln kann« gesucht und gefunden, um die Jahrhundertwende kommt es zu ersten Reihenuntersuchungen. Auf den Plantagen kann die Malaria durch Chininausgaben etwas eingedämmt werden, so das Selbstlob der Deutschen. Für eine regelrechte Vorsorge und verbesserte Therapie, wie von Koch vorgeschlagen, fehlt nicht der gute Wille, sondern einmal mehr das Geld.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Kolonien per Flaggenhissung

Parallel zum Geschehen im Kaiser Wilhelmsland und Bismarckarchipel sehen sich die Deutschen im nordwestlichen Pazifik nach weiteren Erwerbungen um. Der Druck geht verstärkt von den Kaufleuten aus, doch »Flagge zeigen« entspricht auch dem Wunsch von Kaiser und Admiralität. Das Reich nimmt, was völkerrechtlich noch frei herumzuliegen scheint, es nimmt planlos und trotzdem nach Plan, wie es seinem bevorzugten Nachzüglerstatus entspricht.

Kapitän zur See Hofmeier hisst S.M.S. Iltis die Flagge auf Yap, Kapitän zur See Plüddemann mit S.M.S. Albatross deutsche Flaggen auf Truk/Chuuk und Kusaie/Kosrae in der Karolinengruppe. Als deren rechtmäßige Besitzer sehen sich die Spanier an. Berlin stellt deren Souveränität in Frage, da es - eine Rechtsaufassung, die auch England unterstützt - Uraltverträge wie den von Tordesillas nach all den Jahren für abgelaufen hält. Auf den Karolinen, einer willkürlich zusammengefassten Inselgruppe zwischen dem 137° bi 164° östl. Länge und 4° bis 10° nördl. Breite, haben Capelle und Hernsheim Geschäfte gemacht, hier hatten Godeffroys Kopraschiffe angelegt. Die Karolinen wollten die Deutschen - als sie sie eines Tages tatsächlich besitzen, wissen sie allerdings nicht recht, was sie damit anfangen sollen.


Als Yap zum deutschen Kolonialreich gehörte, wurde die Insel mit einem Seekabel von Neuguinea her verbunden und zum deutschen Marinekommunikationszentrum ausgebaut.

Im November 1885 bittet Oberhäuptling Kabua im Verein mit den Jaluit-Noblen Lagajimi, Loiak, Nelu und Launa um kaiserlichen Schutz. Was sie leitet, sei der Wunsch, den Handel, der hauptsächlich in deutschen Händen liegt, zu beschützen und dem deutschen Kaufmann bei der Ausübung seines Berufs volle Sicherheit zu gewähren. Vor Jaluit in der Ralikkette der Marshallinseln liegt der Kreuzer Nautilus unter Korvettenkapitän Rötger, als Zeugen treten Rötger und Konsulatsverweser Franz Hernsheim auf.


Was wäre aus Yap (Jap) geworden, wenn es keinen 1. Weltkrieg gegeben hätte? Eine der größten deutschen Südseebasen der deutschen Flotte?

Von Jaluit fährt Rötger nach Mili, Arno Majuro, Maloelap und Liekip weiter, wo Inselhäuptlinge Schutzverträge per Handzeichen unterkreuzeln. 1885 wird die Marshallgruppe deutsches Schutzgebiet. Die Marshallinseln ziehen sich mit zwei parallel verlaufenden Inselketten - die Ratak/Sonnenaufgangsinseln im Osten, die Ralik/Sonnenuntergangsinseln im Westen - östlich der Karolinen hin. Die Gruppe besteht aus fünf Inseln und 29 weit auseinander liegenden niederen Korallenatollen. Auf Jaluit hatte Hernsheim 1878 sei Hauptquartier eingerichtet. Von hier aus unterhielt er Faktoreibetriebe, auf den übrigen Marshallinseln, im Bismarckarchipel und auf den Karolinen. Zu den Marshalls zählte verwaltungstechnisch das Nauru-Atoll, die westlichste Insel der Gilbertgruppe. Die Koralleninsel, gerade mal 41 km südlich des Äquators, hatten die Deutschen 1888 aus strategische Gründen erworben, um sich einmal mehr als Südseemacht zu etablieren. Dass Nauru ein einziger Glücksgriff ist, konnten sie zu diesem Zeitpunkt nicht wissen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Das gekaufte Inselparadies

Die ersten Europäer haben den Platz Pleasant Island, so viel wie angenehme Insel genannt, wofür es lange keine richtige Erklärung gab. Die Nauruer hatten viel mit Walfängern, Seepiraten und ausgesetzten Strandläufern zu tun. Sie selbst lagen untereinander in Fehde, worunter Kaufleute, die hier Handel treiben wollten, litten, worüber sie sich immer wieder beschwerten.


die ehemalig deutsche Phosphatinsel Nauru

Mit der Besitzergreifung durch die Deutschen brechen ganz andere Zeiten an. Zwischen 1848 und 1888 hatten die Leute noch gegen das eigene Ausbluten angekämpft, war die Zahl der Nauruer von 1.400 auf 900 gesunken. Nach sieben Jahren unter des Kaisers Schutz sieht dann alles ganz anders aus: Auf Nauru ist es ruhig, hier wohnen ein deutscher Beamter, sieben Händler und bereits wieder 1.324 Insulaner.

Die Entdeckung von großen hochwertigen Phosphatvorkommen auf Nauru hat dann gewisse Parallelen zu August Stauchs Diamantenfund. Phosphat ist für die Landwirtschaft unentbehrlich, Naurus Phosphat zeichnet sich durch Härte und Reinheit aus. 1906 wird mit dem Abbau begonnen, 1913 werden 125.000 kg im Wert von rund fünf Mio Mark ausgeführt. Bei Kriegsbeginn rechnen die Engländer den Wert der hier noch lagernden Vorkommen auf 15 Milliarden Reichsmark hoch.


Deutsche Kolonialbeamte und Inselbewohner von Nauru 1886

Mit den Gebietsrechten über die Marshallinseln schließt die erste Phase der Kolonialerwerbungen ab. Im Zeitraum von gerade mal 13 Monaten war das deutsche Kolonialreich entstanden, Anfang 1884 hatte der Reichstag noch darüber gestritten, ob man überseeische Besitzungen überhaupt wollte, 1885 zählen Kaiser und Volk zu den Großen unter den Kolonialmächten. Das mit den Karolinen war tatsächlich etwas voreilig gewesen, kommt Spaniern schnell recht spanisch vor. Die Inselgruppe hat Francisco Lazeano für den europäischen Kulturraum entdeckt, ihr Name erinnert an Spaniens Karl II. Nachdem der Pöbel in Madrid die deutsche Gesandtschaft »völkerrechtswidrig« gleich mehrmals bedrohte, bittet Bismarck Papst Leo XIII. um einen Schiedsspruch. Der Pontifex Maximus spricht die Inselgruppe politisch zwar Spanien zu, erteilt Berlin jedoch die Erlaubnis, dort Kohlen- und Flottenstationen anzulegen.

Nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg, in dem sich die Deutschen neutral verhielten, kommen die Karolinen, Marianen (ohne Guam) und Palauinseln doch noch zum Reich. Finanziell ruiniert sieht sich Spanien zum Verkauf gezwungen, als Preis kann man sich auf 16,75 Mio Reichsmark einigen. Viel Freude hatten die Spanier mit dem Besitz zuletzt ohnehin nicht gehabt: 1887 war ihr Gouverneur zusammen mit dem Großteil seiner Beamten auf Ponape erschlagen worden.

Karolinen, Marianen und Palau, um die 800 Inseln nördlich des Äquators und Melanesiens, werden administrativ Deutsch-Neuguinea zugeschlagen, das um die Jahrhundertwende damit folgende Gebiete um-fasst: Kaiser-Wilhelmsland mit vorgelagerten Inseln, der Bismarckarchipel und die deutschen Salomonen, die Ost- und West-Karolinen mit den Palauinseln und die Marianen. 1906 addiert ein Protest Londons dem Gouvernement auch die Marshallinseln zu, was nur mit Ironie betrachtet werden kann. Die Marshalls hatte das Reich von vornherein ohne rechte Begeisterung unter Schutz gestellt, das lokale Management dann der in Hamburg neu gegründeten Jaluit-Gesellschaft übertragen.

Die Gesellschaft, in der die Deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft (»Firma«) sowie Robertson & Hernsheim ihre Interessen auf den Karolinen, Marshall- und Gilbertinseln einbrachten, erhielt das alleinige Recht, Herrenloses in Besitz zu nehmen, vorhandene Guanolager auszubeuten und nach Perlschalen zu fischen. Den Marshallinseln ist ein kaiserlicher Kommissar vorangestellt, der sich bei wichtigen Beschlüssen jedoch mit der Gesellschaft abstimmen muss, die die Kosten für die Verwaltung trägt.


Die deutschen Marianen

Die Gesellschaft breitet sich über ganz Mikronesien aus, hat bald 60 Niederlassungen zwischen Gilbertinseln und Palau. Hauptgeschäft ist der Handel mit Kopra, Kokosnuss, Pandanuss, Brotfrucht, Haiflossen und Perlschalen. Die Dividenden betrugen zuletzt 20 Prozent. Die Inselketten sind damit der einzige Platz, wo Bismarcks favorisierte Organisationsform der Handelskolonie längerfristig funktioniert. Kritisch nur, dass das Unternehmen seine Position dazu benutzt, um Konkurrenten einzuschüchtern. Als sich London 1906 über die enorm hohen Steuern beschwert, die die Jaluit-Gesellschaft von britischen Firmen einfordere, sieht sich das Reich zur Übernahme gezwungen, um Vergeltungsmaßnahmen des Branchenriesen zuvorzukommen. Deutsch-Neuguinea hat der Zufall zusammengebracht. Wer danach sucht, sich darüber halbwegs informieren will, kommt ohne das »Deutsche Kolonialblatt«, die »Deutsche Kolonialzeitung«, die »Deutsche Kolonialpost«, den »Kolonial-Kursbericht«, die kolonialen Jahrbücher der deutschen Kolonialgesellschaft und den »Kolonial-Atlas« nicht aus.

Wo, bitte schön, liegen Gongodogul, Ngaramlungui oder Ngarad, wo das riffgeschützte Babeltaob? Was wird aus Coelococcus carolinensis gefertigt, was aus Coelococcus salomonensis? Auf welcher Insel leben Eamwidamit oder Irutsi? Die Kolonialliteratur überschlägt sich, um den Deutschen ihr Deutsch-Neuguinea, seine Lage und Landschaften, seine stammlich wie sprachlich arg zersplitterten Volksgruppen näher zu bringen: »Wer jemals seinen Einzug nach Herbertshöhe durch den Georgskanal hielt, wird von der Großartigkeit der landschaftlichen Schönheit und der üppigen Fruchtbarkeit dieses gesegneten Landes überrascht sein« (Irmer). »Eingeborenen-Auslegerboote, hochschnäbelige Moons ... an den Ufern ist fast alles Wald, und nur vereinzelt zeigen sich da und dort graziöse Kokospalmen und dabei weißer Sandstrand, der von vielen schwarzen Eingeborenen wimmelt. Und wenn das Auge in die klaren Tiefen taucht, so erblickt es in nächster Nähe die prächtigen, bald tellerförmigen, bald ästigen und wulstigen lebenden Korallenstöcke« (Karl Sapper in der Bukastraße).

Wer die deutsche Südsee bereiste, der konnte zu Hause mitreden, oder schrieb es für die Nachwelt nieder: »Wir sahen große, schöne Gestalten mit auch für europäischen Geschmack hübschen Gesichtern« (Harry Koenig auf Neumecklenburg). »Die Haare tragen sie in feste Troddellocken gedreht und zudem rot und weiß gefärbt. Da sie ihre Zähne schwarz beizen, ihre Zunge, Lippen und Zahnfleisch durch Betelkauen hochrot gefärbt sind, ist ihr Aussehen im höchsten Grade wild und unsympathisch« (Harry Koenig auf dem Festland). »Der Charakter der Yaper zeigt außergewöhnlich viele gute Eigenschaften, mir ist neben den Bewohnern der Insel Nauru kein Volk bekannt, welches an edler Gesinnung mit ihnen wetteifern könnte« (Arno Senfft auf Yap). »Der bösartige, feindselige Charakter des Volkes der Salomonen wird nicht ohne Grund gefürchtet, was allenthalben die zerschlagenen Schädel bezeugen, die benagten Knochen und die sonst in den Häusern sichtbaren Überreste der Verspeisten« (Carl v. Beck).

»Die Weiber im Schwarzinselgebiet sind zur Arbeit geschaffen. Eine von ihnen kann so viel tragen oder heben wie zwei Männer« (Otto Schellong). »Kleidung trägt unser neupommerischer Landsmann gar nicht, dafür unsere neupommerische Landsmännin ... ebenso wenig. Höchstens wird durch eine um die Leibesmitte laufende Schnur bisweilen ein kleines Büschel Blätter gesteckt, die dann vorn herabhängen. Die Männer befestigen aromatisch duftende Kräuter an ihrem Halsband, sodass sie auf den Nacken niederhängen« (Graf Pfeil, der mit Peters durch Ostafrika gezogen war, jetzt für die Neuguinea-Kompagnie arbeitet).


Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Das Ende der Steinzeit

Deutsch-Neuguinea schließt die unentwickeldsten Landschaften des Erdenrunds ein, die eigentliche Kolonisation beginnt von ganz vorne: Wie viele Rindviecher müssen weit draußen im Pazifik als Un¬krautjäger eingesetzt werden, um die gefürchtete Mimosa pudica in Schranken zu halten? Ist mit dem Import von Dolchwespen, der Feinde des aus Ceylon eingeschleppten Nashornkäfers, die eine oder andere Kokoskultur noch zu retten? Wie gewinnt man aus fettarmer Milch gute Butter - fettarm aufgrund des so anderen Futters?


Die Insel Yap

Erforschen, Vermessen, Erschließen und das Organisieren der Dörfer nach deutschem Muster. Die Hebung des Schulwesens und Verbreitung der deutschen Sprache - Deutsch wird im Unterricht nach Möglichkeit gepflegt, Unserdeutsch ist ein Dialekt der Straße). Missionieren, um Gott allen Menschen zu bringen, der Kampf gegen Volkskrankheiten, Blutrache und Kannibalismus. Das Heranziehen zu Steuerarbeit und Wegebau und die Bekämpfung des demografischen Trends. Das Einsammeln von Feuerwaffen und Munition, der Kreuzzug gegen den Alkoholmissbrauch: Deutsch-Neuguinea ist für die Träger der Schutzgewalt eine einzige Herausforderung.

Das Ganze fängt mit ganz spezifischen kolonisatorischen Aufgaben an: Auf den Palauinseln existiert keine geschriebene Sprache, um mit den Leuten dort richtig kommunizieren zu können, muss eine palauanische Grammatik erstellt werden. Im erotischen Paradies ist die wilde Ehe recht gängige Praxis, was eingeschränkt werden muss. Im Zusammenhang dazu, da es die Administration beschäftigt: Wie ist mit einem kolonialdeutschen Pflanzer umzugehen, der zum Islam konvertieren will, damit er sich eine Reihe barbarischer Schönheiten halten kann? Muschel- und Steingeld, Hunde- und Eberzähne wechseln als Zahlungsmittel unter Insulanern auch weiter die Hand. Vom Steingeld, gelegentlich so groß wie ein Mühlstein, weiß man, dass es Diebe nicht einfach forttragen können. Trotzdem muss es jetzt verboten werden, damit die Eingeborenen gezwungen sind, richtiges Geld mit ordentlicher Arbeit zu verdienen.


Die Insel Yap zur deutschen Kolonialzeit

Die Herausforderung fängt im Kleinen an, führt zu ganz Großem, wobei viele der neuen tatsächlich noch die alten Probleme sind: »Wir können und müssen vom Neger verlangen, dass er uns für die Segnungen unserer Wirtschaft und Kultur, die wir ihm bringen, ein Äquivalent bietet, dieses Äquivalent kann aber naturgemäß nur in Arbeitsleistung bestehen«, so eine Denkschrift der Geschäftsleute zur Eingeborenennutzung. »Der Europäer arbeitet und lernt, abgesehen von den ersten sechs Kindheitsjahren, sein Leben lang. Soll es also der Neger besser haben als wir Deutsche im Ausland, die wir uns unsere Kultur und unsere Fortschritte auf dem Gebiete der Religion, der Heilkunde, der Technik und im gesamten Wirtschaftsleben in jahrhundertelangem Ringen erkämpft haben ... sollen dem Neger auch diese Segnungen mühelos in den Schoß fallen?«

In Friedrich-Wilhelms-Hafen, das nach dem Ausbau der Lösch- und Ladeeinrichtungen auch große Seeschiffe anlaufen können, auf den Kokosnussplantagen oder in den Kakaoanlagen kommt man ohne die Towarkores, Tobobos oder Elimos einfach nicht aus: »Der Weiße ist in den Tropen auf die Arbeitskraft der Eingeborenen angewiesen. Er ist das Gehirn, das die Arme und Beine der Eingeborenen in Bewegung setzt. Er muss daher wissen, wie der Eingeborene fühlt und denkt, was er für recht und verboten hält, wenn er durch seinen überlegenen Intellekt die an das Klima angepasste Arbeitskraft beeinflussen, lenken will.«, weiß Richard Thurnwald aus Wien, Ethnologe mit preußischer Staatsangehörigkeit.


Die deutsche Postagentur auf Yap

Das ist zu Zeiten nicht einfach, sind des Kaisers Kinder doch einfach grundverschieden: Die Pingelapesen der Karolinen gelten als recht gute Arbeiter, als Beweis geradezu, dass die Erziehung zur Arbeit funktionieren kann. Die Salomoneninsulaner sind fleißig, intelligent und anstellig, als Plantagenarbeiter und Polizeisoldaten geschätzt. Auf den Marianen gelten die Männer dagegen »als meist recht schläfrig«, sodass man sie zur Arbeit ständig ermuntern muss. Auf den Marianen ist es Aufgabe der Administration, will man es dort zu etwas bringen, »die Eingeborenen aus ihrer Faulheit und Träumerei aufzurütteln« mahnte Thilenius.

Dauerthema neben der Arbeiternot ist der Bevölkerungsfluss, die Statistiken sprechen Bände. 1912 - um eine beliebige Jahreszahl zu nennen - wandern in Deutsch-Neuguinea zwar 571 Personen ein, doch 427 bereits wieder aus. 1914 befinden sich unter denen, die es im Schutzgebiet ausgehalten haben, 172 Landwirte, 172 Kaufleute und Handwerker. Die »produktiven Berufe« sind in der Minderheit, hat man ihnen doch 109 Beamte und 352 Missionare gegenübergestellt.


Für den Alltag unpraktisch: Das Südsee-Steingeld auf Yap...

Die Zahl der Weißen ist völlig unbedeutend geblieben, der Mangel an ebenblütigen Frauen gar gravierend. Noch 1913 kommt auf dem Festland eine Europäerin auf sieben Europäer, was den Weißen, so wird immer wieder herausgestellt, zu Konkubinen, zu Prostituierten oder gar zur kolonialen Mischehe zwingt. »Meine Herren, Sie senden Ihre Söhne in die Kolonien, wünschen Sie, dass sie Ihnen schwarze Schwiegertöchter ins Haus bringen, wünschen Sie, dass sie Ihnen wollhaarige Enkel in die Wiege legen?«, fragte Gouverneur Solf vor dem Reichstag zum Thema Mischlingsbevölkerung.

In Deutsch-Neuguinea leben ein paar weiße Angestellte, die für Großbetriebe wie Hernsheim & Co., die Neuguinea-Kompagnie oder die Hamburger Südsee-Aktien Gesellschaft (früher E.E. Forsayth) arbeiten. Aus Queensland trifft der eine oder andere deutsche Auswanderer ein, der ursprünglich einmal nach Australien wollte, jetzt wieder »zurück nach Deutschland« will. Auf der Gazellehalbinsel gibt es Ansätze für eine kleinbäuerliche Ansiedlung mit Pflanzungen von Kokospalme, Ficus, Hevea und Kakao.


Polizeisoldaten-Training in Deutsch-Neuguinea

Es kommen ein paar Pflanzer, Goldsucher und Abenteurer, immer auch Personen mit zweifelhaftem Leumund, kann sich einer, der in Bochum der Militärpflicht entkommen ist oder den sie am Bodensee gerade suchen, in Delipebinau oder Assongson doch ganz gut verstecken. Friedrich Rose, kaiserlicher Kommissar in Neuguinea, danach Konsul in Apia, jetzt Präsident des Seefischervereins zu Berlin, nennt einzelne Landsleute, die er in den Schutzgebieten getroffen hatte, »den Auswurf Europas«. Nolde addiert 1913/ 14 ein »zweifelhaftes Europäergesindel« hinzu. Die Gouverneure Hahl/Deutsch-Neuguinea und Solf/Deutsch-Samoa denken darüber nach, wie der Bevölkerungsfluss besser reguliert werden könnte. Als eine der ersten Maßnahmen wird unerwünschten Elementen, insbesonders Mittellosen, die hier zur Last werden könnten, aber auch Leuten, die ihren Namen in keiner der europäischen Sprachen schreiben können, die Einreise verweigert.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

"Germania" in Pacifico

Kolonialbeamte, die nach Übersee wollen, heben zuvor die Hand zum Schwur: »Ich M.M. schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass ich Seiner Majestät dem deutschen Kaiser treu und gehorsam sein, meine Dienstpflichten nach Maßgabe der Gesetze und der mir zu erteilenden Instruktionen treu und gewissenhaft erfüllen und das Beste des Reichs und seiner Schutzgebiete fördern will, so wahr mir Gott helfe.«

Ein Kolonialbeamter ist vom Kaiser als Schutzherr der Kolonien angestellt, hat nach § 1 KolBG., § 1 RBG dessen Anordnungen zu folgen. Der Pazifik ist für ausgesprochene Karrieristen kein geeigneter Platz, in der Südsee reist kaum einer nur wegen der Laufbahn an. An Spree oder Elbe verabschiedet, ist sich auf Truk oder Kwajalein dann nicht jeder mehr sicher, was das Beste fürs Reich oder nur gut für das eigene Ego ist. Die Geschichte des Festlands und der Inseln wird mehr als in Afrika von Einzelpersonen bestimmt, darunter eine ganze Reihe auffallender Charaktere.


Ponape zur deutschen Zeit

1901 trifft Vizegouverneur Victor Berg, früher Bezirksamtmann in Kilwa und Mikindani (Deutsch-Ost), in Ponape ein. Dort wird er bei der Arbeit von einem Sekretär, einem Polizei- und einem Hafenmeister unterstützt. Deutsche Einrichtungen schützt die melanesische Polizeitruppe. Ponape ist die größte der Karolineninseln, entspricht von der Fläche her dem Fürstentum Waldeck. Größere europäische Unternehmen fehlen noch, der Handel liegt in Händen der Jaluit-Gesellschaft, die am Hafen eine Zweigniederlassung unterhält. Der Reichsdampfer "Germania" - »die Schiffsverbindung zu der Kultur« - kommt hier sechsmal im Jahr vorbei, Hauptausfuhrprodukt ist die Kopra.

Berg ist ein Mann, der sich sehr wichtig nimmt, sein Verhältnis Kanakern gegenüber dadurch gestört. Kolonialbeamten wird von Allerhöchst die Anweisung mit auf den Weg gegeben, Eingeborene und farbige Gastarbeiter freundlich und human zu behandeln. Berlin weist seinen Vizegouverneur auf den Karolinen so auch zurecht. Warum der Berg auf Ponape bis zum heutigen Tag nicht vergessen ist, hat allerdings einen ganz anderen Grund: Den Berg hatte die Rache der amphibischen Götter getroffen, der Berg war ein rechter Frevler gewesen, so auch an sich selbst gescheitert.

Vor Ponape liegt auf einem Komplex künstlicher Inseln die Ruinenstadt Nan Madol. Nan Madol, nach der Legende von Überirdischen geschaffen, gilt den einen als Machu Picchu, anderen als Venedig des Pazifik. Tempel, öffentliche Gebäude, Kanäle und Gräber ... die Inselbewohner warnen eindringlich davor, hier die Totenruhe zu stören. Im April 1907 befiehlt Berg mit kolonialer Herablassung, das Grab des hochverehrten Iso Kalakal zu öffnen. Am Tag darauf eines jähen Todes gestorben, wird der Beamte - Gott hab ihn selig - bei der spanisch/deutschen Kirche in Kolonia auf Ponape beigesetzt. Der Arztbefund gibt als Todesursache Sonnenstich und totale Erschöpfung an, die Einheimischen bestehen dagegen darauf, dass der Vizegouverneur sterben musste, weil er die Götter von Nan Madol herausgefordert hatte. Neben Berg muss einer wie Gustav Boeder als Negativbeispiel des deutschen Kolonialbeamten gelten. Der Mann aus Strasburg in der Uckermark hatte als Zollamtmann in Togo und Kamerun, danach als Regierungsrat in Deutsch-Ost gedient. Boeder war tropentauglich, das durch und durch. Den Posten des Bezirksamtmanns für die Ostkarolinen würde er trotzdem mit dem Leben bezahlen.


Sicher war es selbst auf Neupommern nicht

Berg und Boeder sind so etwas wie Auslaufmodelle. Franz »Bolo« Boluminski aus Lessen beim westpreußischen Graudenz ist genau das Gegenteil. Der Bezirksamtmann trifft 1910 mit Frau Frieda und acht Polizeisoldaten in Kaewieng auf Neumecklenburg ein. Die äquatornahe Insel gilt als weitgehend unzivilisiert, ist wenig erforscht, von dort lebenden Stämmen wie Hamba, Nokon oder Butam hatte man bisher noch nicht viel Gutes gehört. Es ist noch nicht allzu lange her, dass Neumecklenburgs Bergstämme mit der eigenen Jugend im Clinch gelegen hatten - »nach Kämpfen wurde reichlich Menschenfleisch als Beute in die Berge ge-schleppt«. Der Grund konnte für die Boluminskis nur eine Warnung sein: Auf Neumecklenburg hatten es die Alten nicht kampflos hingenommen, dass ihre an der Küste arbeitende Jugend mehr und mehr zum deutschen Way of Live tendierte. Bolos Idee, die Insulaner jetzt derart beschäftigt zu halten, dass ihnen keine Zeit für Stammeskämpfe und Diebereien verbleibt, ist dann so simpel wie genial: Bolo, der sich samt Kutsche hin und wieder über schlechte Wegstrecken tragen lässt, baut mit den Neumecklenburgern eine rund 100 km lange Küstenstraße, diese mit den erforderlichen Brücken. Boluminski ist ein Kolonialbeamter mit einer geeigneten Südseevision, wofür ihm die Heimat den Württembergischen Friedensorden überreicht.


Franz »Bolo« Boluminski mit seiner Gattin

Die Straße, tatsächlich ohne Parallelen in der gesamten Pazifikregion, wird als Kaiser-Wilhelmstraße eingeweiht. Mit der Unabhängigkeit Papua Neuguineas (1975) würde der Franz dem Wilhelm den Rang ablaufen: Mit der Unabhängigkeit wird die alte Kaiser-Wilhelmstraße, inzwischen eine Art tropische Autobahn, in Erinnerung an Bolo zum Boluminski Highway.

In der aus 343 Inseln bestehenden Palaugruppe kann Stationsleiter Winkler die Macht der Kalits (Zauberer) brechen, ohne dass es wie erwartet zu Blutvergießen kommt, auch das eine koloniale Leistung. Eines Tages sitzen die Kalits geschlossen in der Strafkolonie Laulau auf Saipan (Marianen), hat der Winkler auf den Palauinseln freie Hand. Genau wie der Berg auf Ponape oder der Boluminski auf Neumecklenburg ist auch der Winkler auf Palau unvergessen. Noch heute pflegt der Volksmund dort ein »Sei bloß kein Winkler«, wenn einer zu streng, viel zu streng auftritt.


Der Kolonialbeamte Georg Fritz


Die ehemalig deutsche Insel Sariguan

Auf der Insel Sariguan richtet Georg Fritz aus Alzey, langjähriger Bezirksamtmann in Saipan, eine Strafkolonie ein. Seine acht Gefangenen pflanzen zusammen mit ihren Familien 17.200 Kokospalmen und warten dann ab ... die Palme braucht zehn Jahre, bis sie volle Erträge liefert. Fritz ist ein ausgewiesenes Organisationstalent, neben der Einrichtung der Strafkolonie Sariguan hat er auf den Marianen die Regierungsschule eingeführt.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Der ideale Gouverneur: Albert Hahl


Albert Hahl mit seiner Familie

1902 löst Albert Hahl (32) aus dem bayrischen Gern den gesundheitlich nicht allzu stabilen Bennigsen ab. Hahl hat als kaiserlicher Richter in Herbertshöhe und Vizegouverneur auf Ponape Südseeerfahrung gesammelt, eine einheimische Frau und mit ihr ein Kind.

»Straffe Disziplin und Ordnung, aber auch Ruhe und Frieden, warmes Wohlwollen und jede Art von möglicher Fürsorge für die Eingeborenen und ihr Wohlergehen, wie es von einer kulturell so hoch stehenden Nation wie Deutschland erwartet werden kann« ... Unter Hahl ist es mit den Wildwestmethoden in der deutschen Südsee erst einmal vorbei, gibt es so etwas wie eine vorausschauende Eingeborenenpolitik. Der Bayer, mit dem Wahlspruch Kolonisierung ohne Dezimierung angetreten, macht sich um die wirtschaftliche Förderung und wissenschaftliche Erschließung Deutsch-Neuguineas verdient. Hahl ist ein Glücksfall für das gesamte Schutzgebiet.

Der Bayer hat seinen Sitz zuerst in Herbertshöhe, unter ihm ziehen Administration (Hauptkasse, Bauverwaltung, Vermessungsbureau, Expeditionskorps etc.) und Obergericht nach Simpsonhafen am Simpsonhafen um. Der Platz, der seinen alten Namen Rabaul zurückerhält, hat das günstigere Klima und durch den Hafen die bessere Verkehrsanbindung. Rabaul bleibt Hauptort, bis die deutsche Südsee im Feuer des Ersten Weltkriegs untergeht.

Natürlich hat Hahl die Kolonie nicht alleine regiert. Ihm nachgeordnet sind ein Vizegouverneur und mehrere Referenten, ihm zur Seite steht ein Gouvernementsrat aus fünf amtlichen und sieben nichtamtlichen Mitgliedern mit beratender Funktion. Beim Gouverneur liegt wie die längste Zeit in Deutsch-Afrika die militärische Befehlsgewalt. Die Lokalverwaltung gliedert sich in Bezirksämter und zur Pazifizierung angelegte Regierungs/Polizeistationen. Regiert wird mit Hilfe einheimischer Dorfschulzen (Alkalden) und Häuptlingen der Regierung (Luluais). Nach Luluais schaut man sich unter Einheimischen um, die im Idealfall Lesen und Schreiben können, dazu bereit sind, für die Kolonialmacht zu arbeiten. Als Zeichen ihrer Würde wird ihnen eine Amtsmütze und ein Zeremonienstab gestellt.

Rückgrat der Verwaltung sind die von deutschen Polizeimeistern geführten melanesischen Polizeisoldaten. Parallel dazu steht eine Truppe mit einem hohen Anteil von Söhnen aus lokalen Häuptlingsfamilien im Kleininselgebiet Mikronesien. Die Polizeisoldaten helfen in Friedenszeiten in der Lokalverwaltung aus, wenn Not am Mann ist selbst in Krankenhäusern, zu ihren Hauptaufgaben zählt es, Plantagenarbeiter bei der Arbeit zu halten. Wann immer es zu ihrem Handwerk kommt, schlagen sie gegen Insulaner, denen die deutsche Herrschaft nicht liegt, recht unbarmherzig und mit Todesverachtung zu. Gewachsen scheint ihnen aufgrund ihrer Ausbildung und waffentechnischen Überlegenheit im weitläufigen Inselterritorium kein (farbiger) Gegner. »Die Taktik der Naturvölker und Halbkulturvölker zeigt bei mancher Gelegenheit ihren privaten Charakter und ihr Zu-Kurz-kommen gegenüber Auffassungen, die heute dem einfachen Soldaten geläufig sind« (Carl Georg Friederici, Hptm. a.D. aus Stettin).

Die Schleuder, in Eingeborenenhand eine gefährliche Waffe, Schlagringe, Rochenstachelspeere, die Keule aus einem Hartholzstiel oder der Dolch aus Kasuarknochen gegen zum Teil mit modernen Mehrladern für S-Munition gerüstete Ordnungshüter würden allerdings auch anderswo nichts ausrichten. Die Befriedung macht Fortschritte, kommt »angesichts des außerordentlichen Kulturstandes der Eingeborenen« trotzdem nur ganz langsam voran. Noch 1912 kann ein Plan, die gesamte weiße Bevölkerung von Friedrich-Wilhelms-Hafen (heutige Madang) niederzumetzeln, gerade noch rechtzeitig aufgedeckt, dann auch verhindert werden: »Die Bewohner der hauptsächlich beteiligten Dörfer Siar, Ragetta, Panutibun, Beiiao und Jakob wurden von ihren Plätzen weggenommen und an der Raiküste angesiedelt«.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Die Kolonialpolitik von Albert Hahl


Eine mit Motiven verzierte Eingeborenenhütte auf Palau (1910)

Was unter Albert Hahl in Deutsch-Neuguinea erreicht wurde, konnte sich sehen lassen. In Medalaii wird eine Landungsbrücke gebaut, Koror erhält einen Leuchtturm und Kai, Tarang Island (Yap) ein Krankenhaus, Herbertshöhe eine allgemeine Poliklinik.

Im Barriere Riff wird der »handgemachte« German Channel offen gehalten, damit Schiffe von Pepeliu und Angaur nach Koror fahren können, zwischen Yap, Map und Ruming ein 230 m langer Verbindungsdamm aus Korallenblöcken angelegt.

Am Hauptort arbeitet eine Anzuchtstelle für tropische Nutzpflanzen - ein weißer Leiter, ein weißer Gartenmeister und Unterpersonal, in der Nachbarschaft liegen Versuchsgärten der allgemeinen Art: »Der Gemüsegarten der Regierungsschule für Eingeborene in Rabaul kann sich sehen lassen«. Der Norddeutsche Lloyd baut eine Landungsbrücke in Rabaul, Lloydschiffe stellen die Verbindung zur weiten Welt her, kleinere Dampfer und Segelschiffe besorgen den Lokalverkehr.


Der Motorschoner "Diana" (1908)

Nachdem 1905 ein Orkan mit Flutwelle die Marshallinseln verheerte - im Hafen von Ponape strandeten der Motorschoner der Jaluit-Gesellschaft "Diana" und der Regierungsdampfer "Ponape" - tragen selbst Kokospalmen, die nicht verwüstet wurden, auf Jahre hinaus keine Früchte mehr. Im gleichen Jahr suchen schwere Unwetter auch Saipan heim.

Deutsch-Neuguinea ist ein Zuschussbetrieb, für Berlin eine finanzielle Belastung. Um den Steuerzahler im fernen Mutterland zu entlasten, muss eine Jahreskopfsteuer eingeführt werden, was auch in anderen Schutzgebieten ein besonderer Test für die Kolonialmacht ist. Eingeborene befriedeter Gebiete müssen eine Steuerleistung zwischen fünf und zehn Mark pro Kopf und Jahr erbringen, auf den Marshalls erhebt Bez.-Amtmann Stuckhardt eine Steuer von fünf Mark »für jeden nicht mehr saugenden Hund«. Damit die Kopfsteuer einen Kopfjäger nicht über Maß strapaziert, wird das Aufkommen zwischen Kolonialherren und Häuptlingen geteilt. Die Steuerschuld kann in 15 Tagen abgearbeitet werden.

Auf eine weitere Einnahmequelle lässt die gesteigerte Nachfrage nach Guttapercha hoffen. Guttapercha ist der eingetrocknete kautschukähnliche Milchsaft von Blättern und Rinde aus der Pfianzenfamilie der Sapotaceen. Guttapercha wird zur Isolierung submariner und unterirdischer elektrischer Kabel verwendet, da es Elektrizität nicht leitet, resistent selbst gegen Meerwasser ist. Guttabäume wachsen in Kaiser-Wilhelmsland ...

Parallel zum Geschehen in Küstenabschnitten, wo die koloniale Macht bereits zu spüren ist, brechen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, Missionare und Abenteurer zur systematischen Erforschung des Hinterlands auf. Prominente Aufgaben der von den Behörden oder privat ausgerichteter Expeditionen sind die Aufschließung des Schutzgebiets und dessen Nutzbarmachung behufs Erzielung von Erträgen. Interessant bleibt auch weiterhin, was im ursprünglich Herrenlosen noch herrenlos ist. Tatsächlicher Eingeborenenbesitz muss, so die Verordnung, von Weißen respektiert werden. Reisende sind in klaren Mondnächten beim Kalakolreigen und beim Aumtanz dabei, beim Siva auf Samoa. Sie untersuchen die physische Beschaffenheit der Insulaner, beschreiben den Paddeltanz auf der Garteninsel Ponape und den Speertanz in Möwehafen (Neupommern).

Naturforscher kommen mit Erkenntnissen über Saccharum spontaneum zurück, über die Kuckucksgattung Cacomantis oder die Taubengattung Macropygia. Das Papua-Känguru Macropus papuanus war schon länger bekannt, jetzt hört man erstmals vom Baum-Känguru Dendrolagus bürgersi, das daran zu erkennen ist, dass es kürzere Beine als andere Kängurus hat, dazu einen an der Wurzel nicht verdickten Schwanz. Museale Sammelexpeditionen entführen Artifakten wie Maultrommeln und Brummrohr, schemelartige Kokosschaber und löffelähnliche Schildplattschalen, hin und wieder auch ausgewachsene Menschen, um Erreichtes daheim im Reich zu dokumentieren. Allein nach der Sepik-Expedition erhält das Botanische Museum Berlin-Dahlem vom Botaniker Carl Ludwig Ledermann 6.660 getrocknete Festlandpflanzen.

Die Pioniere riskieren ihr Leben, Hiobsbotschaften lösen Erfolgsgeschichten ab. Die Forscher Hunstein und v. Below ertrinken in einer durch einen Vulkanausbruch ausgelösten Flutwelle an der Küste Neupommerns. Beim Zusammenstoß der österreichischen Albatross-Expedition unter KKpt. Josef Ritter Mauler v. Elisenau mit Salomoneninsulanern sterben fünf Weiße. Bruno Mencke, Erbe eines Zuckerfabrikan-ten aus Braunschweig, zu naturwissenschaftlichen und ethnologischen Forschungen unterwegs, wird mit vier Begleitern auf St. Matthias, nördlich von Neuhannover, ermordet. Aus dem Bericht der dafür fälligen Strafaktion durch die Landeabteilung des Kleinen Kreuzers "Cormoran": »Unternehmung gegen die St. Matthias-Inseln mit Unterstützung der Polizeitruppe beendet. 81 getötet. Auf unserer Seite keine Verluste.«


Die SMS "Comoran"

Der Reisende Wilhelm K. Dammköhler stirbt auf dem Weg vom Huongolf durch das Markhamtal zur Astrolabebucht: »Pfeile mit Widerhaken hatten die Schlagadern zerrissen, ein weiterer steckte in der Brust«. Generell sind Völker des Hinterlands nicht leicht zu berechnen: 1909 wird der Dampfer "Pei-Ho" unter Kapitän Vahsel auf dem Kaiserin-Augustafluss mit einem Pfeilregen empfangen. Korvettenkapitän Siemens, der mit der SMS "Cormoran" ein paar Wochen später dort Flusstiefen auslotet, stellt dagegen die friedliebende Gesinnung der Uferbewohner heraus.

Der Forschungseifer erlahmt hin und wieder, um danach nur umso entschiedener aufzuleben: Karl Lauterbach, Hans Tappenbeck, Hans Klink und Hans Rodatz suchen mit einem Spezialschiff der Bremer Vulkan nach Gold. Rudolf Pöch aus Tarnopol (Galizien) erforscht Neuguineas Hochlandbewohner, studiert die Gesänge der Papua und erbringt erste Nachweise über das Zwergvolk der Kai. Der Ethnologe Richard Thurnwald ist im Auftrag des Berliner Museums für Völkerkunde unterwegs, für Rudolf Schlechters Guttapercha- und Kautschukexpedition legt das Kolonialwirtschaftliche Komitee eine Mio Mark aus. Hahl, Sapper und Döllinger durchqueren Bougainville, "Planet" steuert die Admiralitätsinseln zu wissenschaftlichen Erkundungen an.


Marinegeneralarzt Augustin Krämer während der deutschen Südsee-Expedition

Zwischen 1908 und 1910 findet die weit gerühmte Südsee-Expedition der Hamburger Stiftung für Wissenschaft statt. Die Gesamtleitung haben Friedrich Fülleborn und Marinegeneralarzt Augustin Krämer übernommen. Im ersten Jahr konzentrieren sich die Wissenschaftler auf Festlandküste und Bismarckarchipel, im zweiten auf die Karolinen und Marshallinseln. Hefele, Fülleborn und Vogel durchziehen Neupommern, Friederici führt die Natuna-, Leonhard Schultze (Universität Jena) die amtliche Neuguinea-Grenzexpedition. 1911 bereist Missionar Pilhofer die Huonhalbinsel, im Jahr darauf kümmert sich die Sepik-Expedition des Bergassessors Artur Stolle um das Stromgebiet des Sepik. Als die Forschungsreise zu Ende geht, hat Neuguinea einen April-, Leonhardt-, Schultze-, Frida-, Mai-, Süd- und Dörfer-, dazu einen Töpferfluss, allesamt Zubringer des Sepik.


Die kaiserliche Marine auf dem Kaiserin-Augustafluss...(Bundesarchiv)


Der Sepik alias "Kaiserin-Augustafluss"

Der Sepik beginnt sich für den wichtigsten Zugangsweg ins Landesinnere gegen die Bezeichnung Kaiserin-Augustafluss durchzusetzen, ein Zeichen dafür, dass die Kolonialherren bereit sind, jetzt mehr auf die Leute einzugehen, die vor ihnen hier gewesen sind. Auch dann noch, wenn es darüber zu Irritationen kommen muss: »Der Fluss erhielt den deutschen Namen vor 25 Jahren mit ksl. Genehmigung, jetzt wurde er selbst im amtlichen Kolonialblatt durch Sepik ersetzt. Seine Verwendung ist ein Rückfall in die so oft bespöttelte Fremdwörtersucht der Deutschen und bedeutet einen Abbruch an dem deutschen Gepräge unseres Koloniallandes« kritisierte Karl Schneider, Herausgeber »Jahrbuch über die deutschen Kolonien«.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

1909 ist noch ein regelrechtes Jubeljahr, wohin man auch schaut: Es geht voran. In Simpsonhafen/Rabaul wird das Schulgebäude für Europäer eingeweiht: »Von der Veranda des Obergeschosses genießt das Auge einen weiten Blick über den Hafen sowie über das Meer hinweg nach Neumecklenburg«. Lehrer Jesper unterrichtet in deutscher Sprache.

Am Varzinberg wird der Grundstein zum Bismarckturm gelegt, wie er zu einem Bismarckarchipel nun einmal gehört. Im Anschluss daran kommt die Kolonialelite zum Feiern im Erholungsheim Toma, 380 m über dem Meer, zusammen.


1909 - Feierlichkeiten an der Hernsheimer Landungsstelle zum 25. Jahrestag der Flaggenhissung auf Matupi

Auf Matupi erinnern sie sich der Flaggenhissung durch SMS Elisabeth unter Kapitän zur See Schering und SMS Hyäne unter Korvettenkapitän Langemak vor 25 Jahren, zu den Festlichkeiten ist die Hernsheimer Landungsstelle groß herausgeputzt. Triumphbögen aus Palmwedeln, Fahnen, Girlanden, im Mittelpunkt, von Blumen und Waffen umrahmt, das Bild Kaiser Wilhelms II. Marineinfanteristen von der SMS Cormoran und SMS Planet sind an Land mit dabei, um ein Stück deutsche Geschichte zu feiern. Reden dann, um das Erreichte zu loben, von See her donnern die Geschütze.




Ankunft und Einsatz der melanesischen Polizeisoldaten auf Ponape (1910)

1910 bricht die Sokehs auch Dschokatsch-Rebellion auf Ponape aus. Warum sich die Gewalt ausgerechnet die Garteninsel Mikronesiens aussucht, hat gleich mehrere Ursachen. Für Sprengstoff sorgten die Einführung von Kopfsteuer, Steuerarbeit und Prügelstrafe, dazu kommen eine Landreform, der Zwang zum Wegebaudienst und zur Arbeit auf der Phosphatinsel Augur. Die alles andere als neutrale Kolonialliteratur schimpft die Leute auf Ponape jetzt als hinterhältig und katzenhaft: »Mit den liebenswürdigen Völkern der östlichen Südsee, den Samoanern und Tonganern haben sie wenig gemein«. Georg Fritz sieht -Ad Majorem Dei Gloriam - die katholischen Missionare des Apostolischen Vikariats Karolinen, Marianen und Palauinseln in der Verantwortung, was diese mit frommem Eifer bestreiten.

Aktueller Auslöser ist die Behandlung eines hochrangigen Sokehsnoblen, irritierend ein Insulaner, der, nachdem ihn sein deutscher Vormann verprügelt hatte, am Tag darauf bewaffnet zur Arbeit erschien. Die Spannungen zogen sich ein paar Wochen hin. Im Oktober wird Bezirksamtmann Boeder, als er für Ordnung unter den Bloddy Kanaka sorgen will, zusammen mit Sekretär Branckmann, Wegebautechniker Hafner, Bürogehilfe Hollborn und fünf in deutschen Diensten stehenden Eingeborenen »förmlich abgeschlachtet und auf unmenschliche Weise verstümmelt«. Pater Gebhardt von der Rheinisch-Westfälischen Ordensprovinz der Kapuziner konnte dem Gemetzel, wenn auch leicht angeknackst, knapp entkommen.

Medizinalrat Max Girschner, schon länger auf Ponape und mit den Verhältnissen vertraut, organisisiert die Reaktion mit loyalen Insulanern. Entgegen kommt ihm, dass der Aufstand längst nicht die ganze Insel erfasst. Rabaul, das aufgrund der Verkehrsverbindungen erst nach sechs Wochen von den Vorfällen hört, schickt ein Aufgebot melanesischer Polizeisoldaten unter Polizeimeister Kammerich. Die erste Herausforderung, der sich der neue Gouverneur Max Girschner von Ponape stellen musste, bestand darin, die Verteidigung der Inselhauptstadt Kolonia zu organisieren. Girschners Taten handelte schnell und entschlossen, wie es sich für einen Soldaten gehört. Da der Polizist Karl Kammerich der einzige Vertreter der deutschen Gesetzeshüter auf der Insel war, suchte der Arzt Hilfe bei den Häuptlingen der anderen vier Königreiche von Pohnpei. Drei von ihnen schickten sofort ihre Truppen zu Hilfe von Kolonia, bis zur Belagerung, und Kitti schickte seine Krieger wenig später. Die loyalistischen Einheiten waren 600 Mann stark.

Der Anführer der Rebellen, Samuel, hatte etwa zweihundert Kämpfer mit ein paar Remington-Gewehren und Munition, die während der spanischen Herrschaft aus Militärdepots gestohlen wurden. Ponape hatte früher beträchtliche Bestände an Schusswaffen, und die Kolonialverwaltung versuchte umsichtig, sie von der Insel zu entfernen. Nach einem schrecklichen Sturm, der Ernten zerstörte, waren die Inselbewohner am Rande des Hungertodes. Die Deutschen nutzten die Situation aus und luden die Mikronesier ein, ein Gewehr gegen 35 Mark oder vier Säcke Reis oder 20 Dosen Lebensmittel einzutauschen. Die Eingeborenen erhielten 10 Pfennig für jede Patrone, die sie abgaben. Die Kampagne "Waffen für Lebensmittel" erwies sich als recht erfolgreich - etwa 500 Gewehre und mehrere tausend Patronen wurden gegen Lebensmittel ausgetauscht. Einige der Inselbewohner, darunter auch die aus Sokehs, behielten jedoch ihre Waffen. Doch unfähig, die Unterstützung der verbliebenen Mikronesier zu gewinnen, verschanzten sich Samuels Anhänger auf Sokehs mit unzureichenden Kräften, um die Deutschen und ihre Verbündeten von der größeren Insel zu vertreiben.

Inzwischen fuhr jedoch ein Flotte mit den Kriegsschiffen Condor, Cormoran, Emden und dem Vermessungsschiff Planet unter Flottenkapitän Wilhelm Tägert Richtung Ponape. Die Empörer können sich auch nach Eintreffen der Flotte halten. So zog sich die Rebellion trotz des Einsatzes schwerer Schiffsartillerie über vier Monate hin: »Die gründliche Niederwerfung des Aufstandes hinterließ bei den übrigen Eingeborenen einen nachhaltigen Eindruck«. Am 10. Januar 1911 näherten sich die SMS Emden und SMS Nürnberg Ponape. Am 13. Januar eröffneten sie das Feuer auf Rebellenstellungen auf Sokehs. Eine kombinierte Abteilung bewaffneter Matrosen und melanesischer Polizei landete auf der Insel. Die Rebellen von Sokehs waren gezwungen, sich den Methoden der Guerillakriegsführung zuzuwenden. Da ihre Heimatinsel für ihre Aktivitäten zu klein war, zogen einige der Rebellen auf die größere Insel Pohnpei. Samuels Anhängern gelang es sogar, eine steinerne Festung im "Königreich" nett zu bauen, aber sobald sie fiel, mussten sie sich in die Höhlen von Impeip zurückziehen. Am 13. Februar wurde Samuel gefangen genommen, und am 22. oder 23. Februar 1911 mussten sich seine letzten hungernden Anhänger ergeben. Während der Erstürmung der von einem einzigen großen Felsen gebildeten Halbinsel Dschokatsch waren Obersignalgast Günther, Obermatrose Kneidl und Leutnant zur See Erhard in treuer Pflichterfüllung gefallen. »Den Braven, die hier in deutscher Tropenerde schlummern, muss in der deutschen Kolonialgeschichte gedacht werden«.


Die gefangenen Anführer der Rebellion

17 Haupträdelsführer kommen vor das Erschießungspeloton, den hingerichteten Soumadau und Leperirin wird in der Erinnerung als Märtyrer mit besonderer Verehrung gedacht. 426 Insulaner werden ins Exil geschickt, von wo aus die Gesellschaft, für die sie malochen, monatlich zehn Mark pro Kopf an den Aufstandsfond schickt. Sokehs-Land wird enteignet, Sokehs-Eigentum eingezogen. Polizeimeister Kammerich und seine Polizeijungs hatten nicht schlecht gekämpft, sahen trotzdem nicht immer wie deutsche Polizeisoldaten aus. Im Schwarzinselgebiet war es üblich, Gefangene umgehend christlichen Wachmannschaften zu übergeben, wer Gegner lebend einbrachte, wurde belohnt. Im Kleininselgebiet muss es einen Grund dafür geben, warum man die Melanesen künftig Menschenfressertruppe nennt. Die Administration sieht sich zur Reorganisation gezwungen, Vorbild ist die Polizeitruppe Togos.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Das Stelldichein christlicher Missionare


Ein Missionar der Neuendettelsauer in Kaiser-Wilhelmsland

In Deutsch-Südwest war Sr. Majestät Kreuzerfregatte Elisabeth den Missionaren gefolgt, in Deutsch-Neuguineas altem Protektorat folgten die Missionare der Elisabeth. So jedenfalls die Regel.
Zum Ende der Schutzherrschaft hin arbeiten im Schutzgebiet fünf protestantische Missionsgesellschaften: Die Neuendettelsauer und die Rheinische (Barmer Mission) in Kaiser-Wilhelmsland, die Australischen Methodisten (Wesleyanische Mission) im Bismarckarchipel, die Liebenzeller in Mikronesien und die methodistische Boston Mission auf Nauru.

Auf katholischer Seite wirken die Hiltruper Missionare des Heiligsten Herzens Jesu (Herz-Jesu-Mission) in den Vikariaten Neupommern und auf den Marshallinseln, die Ordensprovinz der Kapuziner auf den Marianen, Karolinen und Marshallinseln. Die katholisch religiöse Männerkongregation der Meppener Maristen (Societas Mariae) auf Samoa und den Nordsalomonen, das Steyler Missionswerk in Kaiser-Wilhelmsland. Dazu kommen die Dienerinnen des hl. Geistes, die Missionsschwestern vom hl. Herzen Jesu und die Luxemburger Schwestern von hl. Franz von Assisi.


Eine deutsche Familie in Kaiser Wilhelmsland mit einheimischer Dienerschaft (1912)

Missionieren, scholarisieren, industrialisieren ... den Sendboten kommt die Schlüsselrolle bei der kulturellen Umerziehung der Bevölkerung zu. Die Missionare mühen sich redlich, um Schutzbefohlenen den rechten Glauben und die rechte Kultur beizubringen. Die Missionen, die staatliche Beihilfen bekommen, unterhalten Hunderte von Dorfschulen, dazu Internate mit deutschsprachiger Bildung. Die (Katechisten-, Handwerker-, Landwirtschafts-, Druckerei-, Haushaltungs- oder Bäckerei-) Schule ist die Werkstatt deutscher Kultur: »Das wichtigste Mittel, um dem Lande einen deutschen Charakter zu geben«. Alle christlichen Gesellschaften engagieren sich im Krankendienst, ohne den die eigentliche Mission nicht möglich ist. Gesteigerter Wert wird auf die Unterhaltung von Waisen-, Arbeitshäusern und die eigene Wohlfahrtspflege gelegt. In der Südsee können Schulabsolventen dann Hilfsschreiber, Telefonvermittler, Lazarettgehilfen und Handwerker werden. Wer Kenntnisse der deutschen Sprache hat, eignet sich als Hilfslehrer auf Außenposten, gibt den besseren Hausjungen und Seemann ab.

Johann Gottlieb Geissler und Karl Ottow von der Utrechtschen Missionsgesellschaft hatten bereits 1855 nach Christi den Boden Neuguineas betreten, um als erste deutsche Missionare unter Neuguineas wildem Papuavolk zu wirken. Mit der christlichen Botschaft kam man nicht so recht voran, die Knechte des Herrn schrieben es sich als persönliche Erfolge zu, wenn sie einen Schiffbrüchigen retten konnten, der früher noch getötet und verspeist worden wäre. Erst 1869 gingen die ersten sechs Insulaner zur Taufe.


Missionare und Missionsschüler von Malalo (Deutsch-Neuguinea)

Parallel zur Schutzerklärung des Kaisers ist es dann Gottes Wille, dass die Missionierung hier die Kolonisation begleite. Die Neuendettelsauer eröffnen eine Station in Simbang bei Finschhafen. Erster lutherischer Missionar wird - »hier bin ich, sende mich« - Johann Flierl aus Buchhof bei Fürnried. Der Pioniermissionar baut Stationen für die körperliche und geistige Erbauung, wird dann als »Bahnbrecher des Evangelischen unter den Papua« geehrt.

Die ersten Landessöhne sind 1899 so weit. Ein Kaboeng und ein Kamungsanga, vom Neuendettelsauer Georg Pfalzer auf die Namen Tobias und Silas getauft, gehen in ihre Dörfer zurück, um dort »in ihrer heidnischen Umgebung als Salz zu wirken, als Licht zu leuchten, wider alle heidnische Unwesen zu zeugen«.

1887 errichtet die Rheinische Missionsgesellschaft in Friedrich-Wilhelms-Hafen eine Station. 1896 wird die neu eingerichtete Apostolische Präfektur Kaiser-Wilhelmsland mit Missionaren der Societas Verbi Divini (SVD) besetzt. Auch die ersten Steyler - Präfekt Eberhard Limbrock, zwei Patres und drei Missionsbrüder - zieht es erst einmal nach Friedrich-Wilhelms-Hafen. Als sie den Platz bereits von Protestanten besetzt vorfinden, siedeln sie auf der Insel Tumleo an. 1904 richtet der SVD seine Hauptstation in Alexishafen ein. Der Hoffmann, Albert aus Zeppenfeld, der Lörks, Josef aus Hanselaer, der Fellmann, Heinrich aus Atzhausen und Keysser, Christian aus Geroldsgrün ... wer sich auf das pazifische Missionsfeld begibt, kann dort mit einer regelrechten Feuerprobe rechnen. Die tiefe Kulturstufe und Fremdheit der Eingeborenen, die generelle Unkenntnis der Sprachen, das mörderische Klima zum aufreibenden Tropendienst: »Sterben müssen wir ja alle, aber es ist doch nicht der Zweck unseres Hierseins«. Im Mai 1891 werden die rheinischen Missionare Friedrich Bosch, Wilhelm Scheidt und Stationsassistent Bodo v. Moisy zusammen mit 13 farbigen Arbeitern auf dem Festland ermordet.

Probleme mit der Kolonialverwaltung, die in den Missionen Gegenregierungen vermutet. Probleme mit Geschäftsleuten, denen mit den geschäftstüchtigen Gesellschaften ernst zu nehmende Konkurrenten erwachsen. Probleme durch Rivalitäten im christlichen Kreis ... Südseeparadies? Von wegen!

Um den kulturellen Egoismus zu finanzierieren, geht es neben der guten Tat auch ums gute Geld, um labora zu Gunsten des ora. Die Missionen legen Reis-, Kokos- und Gummifarmen an, auf denen Bekehrte und zu Bekehrende im Namen Gottes ihr täglich Brot verdienen, sie engagieren sich in Acker- und Bootbau, Handwerk und Viehzucht, halten im Holzhandel des nutzholzreichen Neuguinea das Monopol. Die Neuendettelsauer unterhalten Kokosnussplantagen und Sägemühlen, die Hiltruper eine Brauerei bei Herbertshöhe und eine Plantage bei Weberhafen, die Steyler ein Dampfsägewerk in Alexishafen und eine Postagentur auf Tamara, dazu kommen mechanische Werkstätten und Ziegeleien.


Kolonialimpressionen: Der Reichspostdampfer "Manila" vor der Küste von Kaiser-Wilhelmsland bei Bogadjim an der Astrolabebucht. Rechts die Deutsche Johanna Diehl, links ihre Tochter Hanni mit dem Dienstmädchen Sunani

Wer 1913 im Schutzgebiet nach den Früchten des dem Christentum einwohnenden Triebes zur Ausbreitung sucht, ist dann gleichzeitig enttäuscht und erfreut. Die Barmer haben nach 25-jähriger Tätigkeit nur 83 Gemeindeglieder gesammelt, auf den Salomonen sind von rund 100.000 Insulanern gerade mal 480 getauft. Die Neuendettelsauer zählen dagegen um die 3.000 Christen, die katholische Mission gibt die Zahl der in Mikronesien christlich Getauften mit 5.500 an. Die alten Götter und Dämonen haben von ihrer Ausstrahlung allerdings kaum etwas eingebüßt, die alten Geister spucken noch: »Auf den Karolinen und Palauinseln wird das Werk der Bekehrung durch den Aberglauben und die sittliche Verwilderung der Bevölkerung sehr erschwert«, beklagte Schmidlin. Als durchschlagender Erfolg kann lediglich West-Samoa gelten: 1896 hatten sie in Apia einen ersten protestantischen deutschen Gottesdienst abgehalten, 15 Jahre später können die Inseln aus der Liste der Missionsgebiete gestrichen werden, gilt die Bevölkerung dort als christianisiert.

Primärquelle: Längin, Die Deutschen Kolonien

Überfall in den Bainingbergen

Hin und wieder sind es gerade auch auf dem Missionsfeld die ganz kleinen Dinge, die ganz große Katastrophen auslösen. So am 13. August 1904, einem Samstag: Die Genossenschaft der Missionare vom heiligsten Herzen Jesu, in Frankreich für die äußere Mission gestiftet, arbeitete seit 1881 in Vunapope auf der Gazellehalbinsel. 1897 wurde die deutsche Provinz in Hiltrup gegründet, die als Missionsgebiete die Vikariate Neupommern und Marshallinseln erhielt. Zentralstation und Residenz des apostolischen Vikars bleibt Vunapope bei Herbertshöhe.


Pater Matthäus Rascher

1895 trifft Missionarii Sacratissimi Cordis Matthäus Rascher aus dem bayrischen Sambach auf der Gazellehalbinsel ein. Rascher, der seine vornehmste Aufgabe in der Betreuung von Waisen und befreiten Sklaven sieht, zeichnet sich als Sendbote und Forscher durch gute christliche Arbeit aus und wird Vorsteher der Station St. Paul in den Bainingbergen. Sein Leben ist das eines rechten Christen, der geografisch wie missionarisch Neuland betritt.

Rascher gilt unter den sittenstrengen Bekehrern als einer der strengsten. Kampf dem Sex vor der Ehe und der Ehescheidung: »Geliebt sei überall das heiligste Herz Jesu«, Kampf dem Frauenraub, dem Aberglauben und den Gelüsten nach Menschenfleisch, Anhaltung zur Arbeit. Es kam vor und ist dokumentiert, dass sich ein »Heide« in eine »katholische Konkubine« verliebte und umgekehrt, mit was der Bayer fertig wurde. Viel kritischer eines Tages, dass sich der katholisch getaufte To Mari von Tisch und Bett seiner katholisch getauften Ehefrau trennen will. Den To Mari hatten Hiltruper Brüder einst aus den Händen von Sklavenjägern befreit, danach christlich erzogen.

In Sachen To Mari geht es um die Heilighaltung der Familie, die Verteidigung der Einehe nach dem Lebenslang-Konzept. Als sie den nach katholischem Ritus Getrauten mit einer Geliebten beim Ehebruch ertappen: »Er wollte ein zweites Weib, was Pater Rascher ihm natürlich verweigerte«, wurden beide in Fesseln gelegt und mit heiligem Zorn verprügelt. Die körperliche Züchtigung gilt als unter Völkern niederer Kulturstufe erzieherisch wertvoll und unerlässlich, so auch für die Missionare, was sich im Rahmen des ganz natürlichen Entwicklungsprozesses eines Tages ja ändern würde. Wer sich nach der Bluttat in den Bainingbergen durchs Faktenpuzzle arbeitete, musste trotzdem zur Überzeugung gelangen, dass die prügelnden Gottesmänner ihr Schicksal zumindest mit verschuldeten.


Die ermordeten Schwestern der Missionsstation

Der Seitenspringer tut sich mit rund 300 Buschkanakern zusammen. Beim Überfall auf die Missionsstation St. Paul am Morgen des Samstags vor Maria Himmelfahrt werden zwei Missionare, drei Brüder und fünf Schwestern von »wilden blutgierigen Menschen« ermordet. Das unmittelbar nach der Messe. Schwester Anna Utsch aus Mudersbach haben sie neben dem Tabernakel erschlagen. »Die Unmenschen hatten den Tabernakel mit dem Allerheiligsten heruntergeworfen, aber nicht erbrochen«. Schwester Sophia Schmitt aus dem badischen Mülben wurde auf dem Heimweg von einem Krankenbesuch mit Mordbeilen getötet, Schwester Agnes Holler aus dem niederbayrischen Ruhmannsfelden später auf einer Leinenkiste gefunden. »Das Gesicht nicht verzerrt, sondern freundlich lächelnd«. Unter den Toten sind Rascher, Schwester Agatha Rath aus Senden/Kreis Lüdinghausen und der Trappisten-Laienbruder Aloysius Bley aus dem westfälischen Haltern.


Hinrichtung der Mörder nach der Bluttat in den Bainingbergen

»Die Leiche Pater Raschers hat man gefunden, einige Leichen haben die Wilden mitgeschleppt und aufgefressen«, erzählte Schwester Franziska, MSC. - »Die Mörder der Missionare ebenso wie andere an den Anschlägen Beteiligte wurden zur Rechenschaft gezogen«, sieben Neupommeraner standrechtlich erschossen. Noch 1904 geht Gouverneur Hahl unter dem Applaus der Missionare viel entschiedener gegen die Heidenpraxis der Vielweiberei vor. Fremdgehen ist damit jetzt überall, wo Deutsch-Neuguinea als befriedet gilt, kriminell. Wer sich erwischen lässt, wird mit ein bis drei Monaten Haft bestraft ... Im Inselgebiet Deutsch-Neuguinea kreuzt der Missionsdampfer Gabriel, auf Land sind aufgrund des Verbots der Polygamie die Gefängnisse schnell überfüllt.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Deutsch-Samoa - Die Perle der deutschen Südsee


Gouverneur Wilhelm Heinrich Solf (links, mit Stock in der Hand) auf Samoa

Am 1. März 1900 erklärt Gouverneur Wilhelm Heinrich Solf des Kaisers Schutzherrschaft über West-Samoa. Auf der Landzunge Mulinuu, dem westlichsten Punkt Apias, geht die deutsche Flagge hoch. »Heil Dir im Siegerkranz«, Hurra auf den Kaiser, »sein Wunsch ist es, dass ganz Samoa glücklich werde«, Salut der SMS Cormoran unter Kapitän zur See Emsmann und USS Abarenda. Dazu »Lobet den Herren«, vom Chor der Missionsschule angestimmt.

Mit dem Festakt wird das heiß umkämpfte West-Samoa, »der Edelstein in dem leider nicht allgemein gleich edlen Kolonialschmuck des Reiches« (Reinecke), doch noch Schutzgebiet. Erst jetzt ruhen die auf der Kriseninsel Upolu mit Gott für Kaiser und Reich gefallenen Helden nicht mehr in irgendeiner Erde zwischen Lotofaga und Malie Afega, ist der Boden, der sie deckt, richtig deutsch.

»Nun ist Samoa deutsch geworden, und unsers Ehlers Traum von der Perle der Südsee ist in Erfüllung gegangen. Alofa ia te ve Samoa Siamani: Ich grüße dich, du deutsches Samoa! ... Wir dürfen uns freuen, das schönste Stück Erde nun unser zu nennen. Wir hatten ein Anrecht darauf, denn deutsche Pioniere vor allen andern haben hierher die Kultur getragen, und deutsches Blut hat hier den Boden getränkt; die deutschen Seeleute, die hier gefallen, sie ruhn nun in deutscher Erde. Und wir sind gewiss, auch die Samoaner werden es freudig begrüßen, dass sie jetzt tagata Siamani, Deutsche geworden sind. Denn keine andre der drei Großmächte, die einst um den Besitz Samoas kämpften, genießt solche Sympathie bei den Samoanern wie Deutschland«, schreibt die »Berliner Illustrierte Zeitung«.


Gouverneur Solf mit seiner Ehefrau Hanna

Der Kaiser hat den allgemeinen Landfrieden hergestellt, Hoffnung besteht, dass die Samoaner in Zukunft den Krieg als Mittel der Innenpolitik ächten. Von Samoas edlen Wilden wird erwartet, dass sie dafür ihre Feuerwaffen freiwillig abliefern. Das bis zu Kaisers Geburtstag am 27. Januar 1901, wenn man so will, als eine Art Geburtstagsgeschenk. Blumenhafte Reden im fale tele oder Großen Haus, fa'a samoa für die samoanische Lebensart, ou te alofa ia te oe für »Ich liebe Dich« ... wer auf Samoa einmal talofa lava (hallo) sagte, das war auch der Opposition in Berlin bekannt, fürchtete sich vor dem tofa, goodbye. Die Inselgruppe hatte, nach allem was hier passierte, bereits etwas wie einen historischen Wert, um den Besitz Samoas hatte das Reich am heftigsten gekämpft.

Samoa war eine Obsession der Deutschen.

Tatsächlich gibt jedoch, was die deutsche Brust mit aller höchster Ermächtigung schwellen lässt, weder fürs Nationalvermögen noch als Einwandererland allzuviel her. Der koloniale Nutzwert ist äußerst gering, wer sich ernsthaft mit dem südlichsten deutschen Pazifikterritorium beschäftigt, stellt sich die Frage, warum das Reich nach der Jahrhundertwende noch einmal zugegriffen hatte. Erotik und Exotik allein konnten es nicht gewesen sein. Zur Durchsetzung deutscher Weltgeltung war die Inselgruppe zu unbedeutend, zur Erweiterung deutschen Lebensraums fehlte das Land. Auf Samoa benötigt es eines Kapitals von 10.000 Mark, um eine Familie auf 15 ha Land zu ernähren. Billiger geht es nicht, bietet der Europäer als Händler kleineren Stils doch absolut keine Gewähr, »dass er bei seinen tagtäglichen engen Beziehungen zu den Eingeborenen und bei der ärmlichen Lebensführung, die ihm der Ertrag seines Handels nur gewährt, das Prestige der weißen Rasse unter den Farbigen in genügender Weise wahren kann« (E. Langen).


Der Gouverneurssitz in Apia
Wikimedia Commons, PD-alt-100

Der Insulaner selbst ist trotz langjähriger Bemühungen für die den Handel belebende Gütererzeugung unfähig geblieben oder einfach zu teuer. Samoaner sind, vom Klima und der natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens begünstigt, »im Genuss des Schlaraffenlebens versunken fast jeder Arbeit abhold« , schreibt v. Beck, »Samoaner eignen sich wenig zur dauernden Beschäftigung«, liest man in Meyers Konversations-Lexikon.

»Es sind eben Kinder. Sie singen gerne [wenn auch schrecklich unharmonisch], lachen gerne, fischen gerne, vertun den allergrößten Teil ihres Lebens schlafend.« Schneiden der Nüsse, Trocknen und Verkauf... die meist dicht um ihre Häuser stehenden Palmen machen den Insulaner bei den gängigen Koprapreisen praktisch ein Leben lang zum wohlhabenden Rentner. Denn nur eine volltragende Palme liefert zwischen 70 und 100 Nüsse.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Deutsch-Samoa - Die Plantagenwirtschaft

Wer auf Samoa pflanzen will, ist auf gastarbeitende Chinesen angewiesen, die für zehn Mark im Monat und mit Dreijahresvertrag zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche arbeiten. Die Deutsche Handels- und Plantagen-Gesellschaft (»Firma«) zahlt Dividende. Die Pflanzer bauen bevorzugt Kakao an, denn »über die Rentabilität der samoanischen Kakaopflanzungen besteht kein Zweifel«.


Die deutsche Flaggenhissung auf der Landzunge Mulinuu, dem westlichsten Punkt Apias auf Upolu

Nach der Fahnenhissung werden gummiliefernde Bäume gepflanzt, Favorit bleibt der Urwaldbaum Hevea brasiliensis. Die Kokospalme ist nach wie vor wichtigste Kultur der Eingeborenen. Dazu etwas Tabak und Kaffee, Bananen und Bataten, Taro und Yams für den Eigengebrauch. Nüsse, Kopra, Kakao. Und Gastarbeiter geholt, da die eigentlichen Schutzbefohlenen für des Kaisers Schutz nicht arbeiten wollen ... Die Erwerbung hat, abgesehen von Südseeträumereien, keine logischen Gründe, sondern lediglich einen Grund: »Die Erwerbung Kiautschous, der Marianen etc. und der größeren Inseln der Samoa-Gruppe sind bestimmt, um Deutschland in Krieg und Frieden im fernen Osten einen erforderlichen Stützpunkt zu geben«, erklärt die »Allgemeine Zeitung« in München.

Die Kriege der Zukunft würden Handelskriege sein, Kaiser und Admiralität könnten Samoa als Südseebasis der Kriegsflotte nutzen. Sie sind »Friedenswächter, die die Welt in Ruhe halten sollen«. Der Interessenausgleich hatte sich erheblich verspätet, leicht war es keiner der drei konkurrierenden Mächte gefallen. Nach dem Schiffbruch der Godeffroys, aufgrund eigensinniger Oppositionspolitik, waren die Konsuln Zembsch, Stübel oder Becker ständig gezwungen gewesen, auf sich und Berlins Anspruch aufmerksam zu machen.

Es war vorgekommen, dass die Reichsfahne am palmenreichen Königssitz Mulinuu wehte, das Sternenbanner nicht weit davon in Apia, die britischen Farben auf der Reede. Und immer wieder aktuelle Kriegsgefahr: Nachdem es während der Feierlichkeiten anlässlich des 90. Geburtstags Kaiser Wilhelms I. in einer Bar zum Gedränge zwischen Deutschen und Insulanern gekommen war, wurde gleich vom Affront gegen Kaiser und Reich gesprochen. Ein Geschwader unter Kommodore Heusner lief »wegen Beleidigung und Schädigung der Deutschen« die Bucht von Apia an. 700 Seesoldaten drangen mit sechs Geschützen auf Upolu vor. Die blauen Jungs besetzten das Regierungsgebäude und brannten auf Sawaii das »renegate Dorf« Satupaitea nieder. Von King Malietoa Laupepa wird erwartet, dass er dem Kaiser $13.000 Genugtuung bezahlt.


Der von den Deutschen eingesetzte Samoa-König Tupua Tamasese Lealofi I.

Deutsche Geschichte dann im fernen Pazifik: Der badische Artillerie-Hauptmann Eugen Brandeis erzwingt die Absetzung Malietoa Laupepas und die Anerkennung des Tamasese als König von deutschen Gnaden. Tamasese erklärt sich bereit, künftig mit den Deutschen zusammenzuarbeiten, vor vor Apia liegen fünf deutsche Kriegsschiffe. Malietoa ergibt sich, wird an Bord der SMS Bismarck festgesetzt, wird von SMS Adler übernommen und nach Queensland gebracht, von wo er mit der SMS Albatross über Kamerun zunächst einmal nach Hamburg verschifft wird.

Die Deutschen hatten Samoa somit praktisch okkupiert, die Amerikaner reagierten, indem sie einen Mataafa protegierten. Mataafa, der seinen Stammbaum bei den Göttern beginnen lässt, zog als Gegenkönig in Apia ein. In Washington wurde 1888 ganz offen über einen Krieg mit Deutschland geredet...

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Der nahe Krieg um Samoa

USS Trenton, Flaggschiff der Pazifikflotte, USS Vandalia und Nipsic trafen Ende 1888 vor Apia ein, legten sich dort auf engstem Raum kampfbereit der englischen HMS Calliope, den Kanonenbooten Adler (KKpt. Fritze) und Eber (KzS. Wallis) und der Kreuzerkorvette Olga (KKpt. Frhr. v. Erhardt) gegenüber. Vor Apia war es tatsächlich eng, da die Ankerfläche lediglich 400 m im Geviert betrug.

»Große Frechheiten und arge Ausschreitungen«, so Konsul Knappe, zwangen die Jungs von der Marine erneut zur Tat. In der Nacht vom 17. auf 18. Dezember 1888 stachen vier Offiziere und 140 Mann der Olga in See, um den US Vasall Mataafa im Morgengrauen zu überraschen. Als Leutnant z.S. Spengler mit 90 Mann bei Fangalii landete, lief er dort den Mataafa-Leuten direkt in die Hände. Deren Führer war ein Amerikaner mit Namen Klein, deutschstämmig also... Die Leutnants Spengler und Sieger und 14 Matrosen fielen, 27 wurden schwer, eine ganze Reihe leicht verwundet... Das Köpfen gefallener Feinde, eine üble Samoa-Sitte, wird dadurch gemildert, dass man den Angehörigen unmittelbar nach dem Kampf die Köpfe der Toten zukommen lässt, umworbene Überbringer sind ausgerechnet die Missionare.

Samoa war in der Sprache der Zeit »mit deutschem Heldenblut geweiht«, Knappes Plan allerdings misslungen. Bismarck, von der Aktion überrascht, tobte, prägte das Bonmot Morbus consularis, womit er jene Krankheit der Beamten meinte, die sie daran hindert, sich an Instruktionen zu halten. Die Unruhen dauerten an, 1889 wurden Apias deutsches Konsulat und zwölf weitere Gebäude niedergebrannt. Knappe kehrt aufgrund harscher Kritik in die Heimat zurück.


Samoa 1989 - Ein Hurrican zerschlägt eine Ansammlung kriegsbereiter Schiffe. Wurde hier ein anderer Verlauf der Weltgeschichte verhindert? Ganz sicher ja...

Vielleicht wäre es wegen Samoa tatsächlich zum heißen Duell gekommen, den Krieg zwischen Deutschland, Großbritannien und den USA, doch bereits zu diesem Zeitpunkt blockierte der Himmel: Zwischen dem 15. und 17. März fegt ein Hurrikan über die Samoainseln, dem Südwind können die in Apias nach Norden offener Hafenbucht liegenden Kriegsschiffe trotzen. Geschwaderchef Korvettenkapitän Fritze erkennt die Gefahr, die Schiffe wären auf hoher See sicher sicherer gewesen, hatten dazu genügend Kohle gebunkert. Dass sie trotzdem in Landnähe bleiben, hat mit dem Befehl zu tun, Samoa vor Amerikanern und Engländern zu schützen. Ganz abgesehen davon: Der Fritze gönnt den anderen den »Hafen« nicht.

Mit dem einsetzenden Nordsturm treibt eine ungeheure See in die Bucht. »Unablässig heult der Sturm, brüllen die Wogen, schmettern die Sturzseen auf die Schiffe nieder. Krachend brechen die Masten, treiben im Wasser, werden gegen die Schiffskörper geschleudert. Eine furchtbare Nacht« (Arthur Berger). Die Bark Peter Godeffroy wird aufs Riff geworfen, gleich darauf stoßen Olga und Nipsic zusammen. Der kleine Eber zerbricht an den Korallenbänken des Mittelriffs, sinkt danach schnell mit Mann und Maus ... Korvettenkapitän Wallis, die Leutnants Eckhart und v. Ernsthausen, Assistenzart Dr. Machenhauer, Marineunterzahlmeister Kunze und 68 Mann ertrinken. Die Adler hängt auf dem gleichen Riff, verliert 20 Mann. Mit Eber und Adler gehen USS Trenton und Vandalia verloren. Olga konnte gerade noch rechtzeitig auf Sand gesetzt werden.

»Diese Stunden der Not gereichen den Samoanern zu Ehre und Ruhm, denn trotz der noch bestehenden Feindseligkeiten, trotz der bösen Erinnerungen, die sie schon der Marine verdankten, haben sie in jenen schweren Stunden der Not nicht nur Mitleid im Unglück gezeigt, sondern todesmutig ihr Leben eingesetzt, wenn und wo es galt und möglich war, einen Matrosen den gierigen Armen des Ozeans zu entreißen« (Reinecke). Die edlen Wilden haben fünf Seeleuten der Adler das Leben gerettet, was das Reich mit $15 belohnt. Durch die Katastrophe aufgeschreckt, erklärt eine in Berlin zusammengerufene Samoa-Konferenz die Inselgruppe für neutral und unter dem gemeinsamen Schutz der drei Mächte. Samoa wird als Kondominat verwaltet und genutzt, Malietoa Laupepa, aus dem Exil zurück, zum viertenmal König. Caprivi erklärte, dass die Südsee aus seiner Sicht keinen richtigen Streit mit England oder den USA rechtfertige. An den offenen Gegensätzen sollte es nichts ändern.


Auf Sand gesetzt, überstand die deutsche Olga den Gewalten des Tropensturms

Landungsabteilungen der Kreuzer Bussard und Sperber nahmen Mataafa auf Manono gefangen und mit ins Exil. Nach Laupepas Tod kehrte Mataafa nach Samoa zurück, wo ihn ausgerechnet die Deutschen zum König ernannten. Amerikaner und Engländer stellten ihm Laupepas Sohn Tanuma-fili entgegen, da sie Mataafa jetzt für einen Deutschenfreund halten, der noch dazu katholisch ist.


König Mataafa - er wurde zum Freund von Gouverneur Solf
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Die »Malietaowirren« arteten zum Bürgerkrieg aus, vor Apia tauchte USS Philadelphia auf, an Bord Vizeadmiral Albert Kautz. Der Einwanderersohn aus dem badischen Ispringen erklärte Tanumafili als rechtmäßigen König. Während der Beschießung Apias durch USS Philadelphia, HMS Royalist und Porpoise wurde ausgerechnet das deutsche Konsulat getroffen. Der anglo-amerikanischen Allianz gelang es trotz erheblicher Anstrengungen nicht, den deutschgestützten Mataafa zu schlagen, mit Berlins Drohung, seinen Botschafter aus London abzuziehen, wurden die Feindseligkeiten eingestellt. Die Beschießung Apias sollte ein Nachspiel haben: Aufgrund eines Schiedspruchs von König Oskar v. Schweden müssen die Regierungen der USA und Ihrer Britannischen Majestät Kaiser und Reich eine Entschädigung von $ 40.000 bezahlen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Der Samoa-Kompromiss 1899


Das deutsche Apia

Im November 1899 handelten Vertreter der drei konkurrierenden Mächte an Bord der USS Badger dann den Vertrag über die Teilung Samoas aus. Der Archipel wurde in ein amerikanisches und ein deutsches Schutzgebiet aufgeteilt. Deutschland erhielt West-Samoa mit Sawaii (der größten) und Upolu (der politisch wichtigsten) Insel. Dazu kamen das relativ schwer zugängliche Manono vor Upolus Westkap und die meer-umbrandete Kraterinsel Apolima. Die Amerikaner sicherten sich den kleineren Ostteil, doch mit Pago-Pago auf Tutuila den einzigen gutgeschützten Hafen des Archipels. Deutsch-Samoa umfasst 2.572 qkm, was in etwa der Größe des ernestinischen Herzogtums Sachsen-Meiningen entspricht.


Deutsche Frauen und samoanische Kindermädchen

England, das sich Berlins Stillhalten im Burenkrieg erkaufte, erhielt als Ersatz für seinen Verzicht St. Isabel und Choiseul aus der Salomonengruppe, dazu Grenzkorrekturen zu seinen Gunsten in Togo. Mataafa, dem der Kaiser zur Unterstreichung seiner Würde den goldverzierten Ebenholzstab mit weißem Roßschweif schickte, bedankte sich für die Übernahme, drückte gleichzeitig die Hoffnung aus, dass sich deutsche und samoanische Gesetze miteinander abstimmen ließen.


Vor Apia ankert ein deutsches Kriegsschiff

Die Pazifikkolonie ist befriedet aber nicht beruhigt. Insulaner geben die Losung Samoa den Samoanern aus, um die Unabhängigkeit zu erreichen, formiert sich die unmilitärische Widerstandbewegung Mau.
In Samoa hat das Reich gemessen an den afrikanischen Besitzungen nur die halbe Zeit, um es zu etwas zu bringen. Doch es hat Solf, den ehemaligen Bezirksrichter in Daressalam und Vorsitzenden des Munizipalrats von Apia, als Gouverneur. Die »Cyclopedia of Samoa« sollte eines Tages schreiben, dass Solfes geschafft habe, Samoa zu einer Musterkolonie zu machen, Beweis dafür, dass Deutschland Kolonien führen kann. Exzellenz setzte sich gegen den Widerstand deutscher Pflanzer für seine Samoaner ein, denen er eine gewisse Selbstverwaltung zugestand. Es waren Samoas edle Wilde, die von allen Schutzbefohlenen der Kolonialmacht die wenigsten Zugeständnisse machen mussten. Solf ist ohne Zweifel ein fähiger Mann, der Schönheitsfehler: Die Cyclopedia war unter seiner Schirmherrschaft entstanden.


Die deutsche Polizeitruppe Fita-Fita sicherte die Musterkolonie

Ganz West-Samoa ist deutsch, die Reichswährung eingeführt, an Eingeborenenschulen wird Deutsch als Fremdsprache gelehrt. Tatsächlich gefestigt ist die koloniale Macht jedoch nur auf ein paar Plantagen an Upolus West- und Südküste, in Apia und in dessen Umgebung.

Der Hauptort zieht sich von Kap Matautu bis zur Landzunge Mulinuu hin. Apia ist Sitz des Gouverneurs, Mittelpunkt deutschen Lebens und Haupthandelsplatz. Hier schlägt das wirtschaftliche Herz des Schutzgebiets: Die Deutsche Samoa- und die Safata-Sa-moa-Gesellschaft als Schwesterunternehmen der »Firma«, die Samoa-Kautschuk-Kompanie ... 1913 arbeiten in West-Samoa zehn größere Handelsgesellschaften und 27 kleinere Handelsbetriebe. Apia hat einen hoch gelegenen Gouvernementspalast, fünf Kirchen, fünf Gasthäuser und ein Postamt, je eine Regierungsschule für Europäer und Samoaner. In Papauta, das ganz in der Nähe liegt, unterhält die Londoner Missionsgesellschaft eine Höhere Mädchenschule für Pastoren- und Häuptlingstöchter. Ein Regierungshospital, Hotels, Warenhäuser, Bäcker- und Metzgerläden, eine Funk-Station und ein Ballsaal Tivoli »das Straßenleben macht einen netten Eindruck«. Im Villenviertel Motootua am Fuß des Apiaberges wohnen die meisten Kaufleute, Pflanzer und Gewerbetreibende. Gouvernements-Architekt ist Albert Schaafhausen aus Essen, Chefchirurg Richard Franke aus Burkersdorf.


Ein deutscher Kapitän mit einer samoanischen Frau

Apia hat eine deutsch/englische »Samoanische Zeitung« (Herausgeber: Emil Luebke) und eine Ortsgruppe des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien. Dem Apia Sports Club gehören hauptsächlich Deutsche an, dazu kommen ein Handels-, ein Schützenverein und die Concordia mit eigener Musikkapelle. Großereignis für Deutschsamoaner wie Reisner, Keil, Retzlaff, Eckenweber oder Kohlhase ist jeweils, wenn der im Vierwochentakt fahrende Postdampfer auf Reede liegt, geselliger Höhepunkt des Jahres Kaisers Geburtstag.


Eine Samoa-Karte, die den deutschen Grundbesitz zeigt. Upolu befand sich mehrheitlich in deutschem Besitz

Für Vergnügen und Erholung lockt der La-noto'o oder Goldfischsee, wo sich deutsche Männer mit blumengeschmückten einheimischen Schönheiten zum Picknick treffen. Ou te alofa ia te oe unter mächtigen Banyanbäumen, am Silberstreif eines Wasserfalls, das Feigen- ein Bananenblatt, obendrein ein gehälftetes. So ähnlich muss es im Himmel sein (die samoanische Gesellschaft hat gegen die Ehe einer Landestochter mit einem deutschen Mann nichts einzuwenden. Samoas Deutsche sagen nicht nur ou te alofa ia te oe, sondern auch manuia (Prost). Samoas Wasser, bevorzugt in Zisternen aufbewahrt, schmeckt aufgrund der Wärme schrecklich, fordert den Schuss Whisky oder Gin heraus. Das Reich schickt seinen Kulturpionieren Urdeutsches wie Flensburger und Pschorr, in einem durchschnittlichen Jahr wie 1903 verkonsumieren die Weißen in und um Apia davon rund 75.000 Flaschen, das zu einem Flaschenpreis von 1,50 Mark.


Hier wird Kawa "gebraut"

Als Nationalgetränk Samoas und Ehrbezeugung für jeden, dem es gereicht wird, gilt Kawa, doch Kawa ist für den deutschen Geschmacksnerv etwas zu viel. Das graubraune Gesöff schmeckt wie Seifenwasser, schon der Herstellungsprozess stößt so manchen ab: Bevorzugt Jungfrauen kauen kleine Stückchen einer Pfefferpflanze weich, spucken sie dann in einen flachen Behälter, wo sie bloße Hände unter Zusatz von Wasser zu einem Brei verrühren. Das Resultat wird, nachdem die Kawawurzel-fasern herausgefischt sind - manuia, hinunter damit - getrunken.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien