Die deutsche Südsee


Die Deutsche Südsee - Sie wurde größtenteils mit deutschen Steuergeld zusammengekauft.

Die Südsee, wo sie deutsch geworden ist: Ein »Festland«, tausende über Millionen Quadratkilometer zerstreute Inseln und Inselchen aller Formen und Größen! Viele reden davon, ohne jemals dort gewesen zu sein, wer dort ist, kann Erstaunliches berichten. Schwankende Palmen, einsame Lagunen, breitblättrige Bananenstauden und das tausendfache Gezirp der Zikaden. Menschen dazu, die in selbstverständlicher Nacktheit - »da das Klima die Bekleidung entbehrlich macht« - Phantasie und Romantik beflügeln.

Der Schrei des komischen Lederkopfs, der in den Bäumen klettert, Kakao, Vanille, Mango, Guttapercha und Tabak. Der Königin-Alexandra-Vogelflügler, der - Flügelspannweite fast 30 cm - als weltweit größter Schmetterling die Fachwelt gerade in Staunen versetzt. Die Kochbanane Musa paradisiaca, wie während der Deutschen Gewerbeausstellung von 1896 gezeigt. Die deutsche Südsee: Peleliu, Pinge- oder Rongelab, palmenumsäumt und von der Sonne beschienen. Palau als Inbegriff aller leiblichen Lebensgenüsse ... Beispiele nur, auf was sich selbst einer wie Goethe einmal träumte - »man sollte oft wünschen, auf einer der Südseeinseln als so genannter Wilder geboren zu sein«, um weit weg von allem anderen ein Leben ohne zivile Störfaktoren zu führen.


Peleliu - Die Insel gehört zum Palau-Archipel. Deutschland kaufte 1899 die Insel von Spanien ab.
Babiesan, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Wohin man auch schaut »edle Wilde«, wie vom Südseeschwärmer Adelbert v. Chamisso bekannt gemacht. Drum herum der weite Ozean und ein Kaiserwort, wonach Deutschlands Zukunft auf dem Wasser liege. Es gibt angeblich nur zwei Sorten Menschen: Die einen, die dort bereits leben, die anderen, die dort gerne leben würden!

Der Meyer, Karl auf der S.M.S. Leipzig, der Vogel, Ernst auf der S.M.S. Sperber ... der Kriegsmarine laufen in Ozeanien so viele Leute davon, dass sie jenen ein Kopfgeld anbietet, die sie wieder zurück zur Fahne bringen. Was Goethe nicht schaffte, haben Landsleute geschafft: Der Etscheit, Dominik aus Ehrenbreitstein heiratete eine Mikronesierin, erwarb Ulul in der Trukgruppe und übernahm eine Plantage auf Ponape/Pohn-pei. Friedrich Narruhn aus Nürnberg segelte mit seinem Schoner "Neptun" von Eiland zu Eiland, eröffnete Handelsstationen auf Ponape und Truk. Adolf Nauer, Posthilfsbeamter aus Rottenburg am Neckar, ehelichte die Filomena aus Lepea auf Upolu.


Wuvulu ist eine der westlichen Inseln des Bismarck-Archipels - Zur deutschen Zeit wurde sie auch Tigerinsel oder Matyinsel genannt. Mit dem umtriebigen Heinrich Wahlen wurde die Malaria eingeschleppt, was die Urbevölkerung dezimierte

Der Wahlen, Heinrich, den sie im Bismarckarchipel the Baron nennen, lebt in seinem Maroner Palast mit einem Harem voll Frauen, die man ihm nach Südseesitte schenkte. Allein auf Wuvulu hat Wahlen mit Karl, Dorothea und Margarete drei Kinder. Hugo Schmidt, Pflanzer beim stark europäisierten Apia, der Mineralwasserfabrikant Höflich, Kapitän Hufnagel, als Verwalter der »Firma« Spiritus rector der Samoakulturen, selbst Postmeister Banse, der eines Tages mit einem tödlichen Sturz aus der Kutsche den Sprung in Samoas Lokalgeschichte schaffte ... »Der erste Eindruck, den Neuguinea auf den Ankommenden macht, ist der eines ungeheuren botanischen Gartens, eines Treibhauses. Wo das Auge hinblickt, erschaut es Grün und abermals Grün, selbst im Wasser spiegelt sich die gewaltige grüne Wand des Uferwaldes, der landeinwärts über terrassenförmig aufgebaute Hügelketten und Berge in unverminderter Üppigkeit ansteigt, und dieses ganze Bild ist eingehüllt in den warmen Duft einer feuchtigkeitsgesättigten Atmosphäre. Lockender kann sich kaum ein Land dem Auge darbieten« beschreibt Eugen Werner, der auf der Plantage Jomba nach Kokospalmen und Kautschukbäumen schaut.

»Auserlesener Lieblingsort der Menschheit, bei dessen Schmuck Natur und Kunst sich die Hand gereicht haben« urteilt überschwenglich Hugo Zöller, Forschungsreisender aus Oberhausen bei Schieiden. - »Wie hingezaubert liegt Finschhafen, das lieblichste Stück Erde, das man sich denken kann« jubelt Otto Schellong, Stationsarzt der NGK aus dem westpreußischen Löbau. - »Bunte Blumen und Sträucher ergötzen das Auge« lobt Heinrich Paul Wentzel, Pfarrer der Wesleyanischen Gesellschaft.

Die Lobeshymnen der Deutschen Südsee vor dem 1. Weltkrieg verhießen eine strahlende Zukunft und doch war der Anfang nicht überall so leicht, wie er so vermittelt wurde. Ohne diesem unglückseligen 1. Weltkrieg wären die deutschen Südseeinseln wohl noch heute deutsch, in welcher Verwaltungsform auch immer. Das vermittelt uns Französisch-Polynesien, was ebenfalls noch den Franzosen gehört.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
https://www.wuvulu.com

Ein bedrohtes Südseeparadies


Die Trukinsel mit Blick auf den Tolomanberg. 1898 wurden sie eine Kolonie des Deutschen Reiches. Ab 1909 bestand der Stationsbezirk Truk

Freie Liebe, junge Mädchen, treffend Funga (Blüten) genannt... auf Truk in den Karolinen fehlt ein Wort für Jungfräulichkeit, was ja auch etwas heißt. Männlein und Weiblein in ungeniertem Durcheinander, wer in die Südsee reist, so die gängige Meinung, hat Damenwahl: »Schönste Lebensfreude und harmlose Natürlichkeit, wahrhaft vollendete Geschöpfe« schreibt Franz Reinecke, Redakteur aus Raatz/Kreis Münsterberg. »Oft bis auf Null reduzierte Kleidung, die für sie die gesündeste und beste ist« ergänzt Karl Sapper, Naturwissenschaftler aus Wittislingen/Bayern. »Die Frauen der Pingelapesen auf den Karolinen sind kräftige, schöne Erscheinungen. Das dunkle Haar, stets durchflochten mit Blättern und duftendem Blütenwerk, und die großen leuchtenden Augen stehen den braunen Gestalten sehr gut. Sie leben ohne Sorge wie die Lilien auf dem Felde, tanzen lachend durch das Leben hin, stets heiter wie der blaue Himmel über ihnen« meint Georg Irmer aus Dessau als Landeshauptmann der deutsch gewordenen Marshallinseln.

Heißer Sand und ein rundherum erotisches Land: »Auf Palau können Frauen, in der Blütezeit nicht unschön, bis sie verheiratet sind ein freies Leben führen« (Seidel). - »Es dürfte einer der schönsten und ei-genartigsten Eindrücke sein, die heutzutage geboten werden können, diese kräftigen und teilweise geradezu klassisch schön gewachsenen Menschen mit ihrer prachtvollen braunen Haut in ihren graziösen Tänzen zu bewundern« beschreibt Konteradmiral Gühler seine Eindrücke von den deutschen Südseeinseln. Ihr Schutzpatron: der Kaiser.

Und wer sich in Rabaul oder Herbertshöhe im Schwarzinselgebiet mit Insulanern unterhalten will, kann es mit Pidgin- oder Unserdeutsch versuchen. Unserdeutsch (»Der Dog war gestollen«) hatte sich in den Waisenhäusern entwickelt, ist eine auf dem Deutschen basierende Kreolensprache.

Andere Länder, andere Sitten, kulturelle Besonderheiten: »Unter den Papua ist Küssen unbekannt - sind es doch die Weißen, die den Kuss gerade einführen.« - »Die Damenwelt hält sich Haustiere, Hühner und Schweine, Letztere werden, so lange sie jung sind, von den Frauen wie Schoßhündchen herumgetragen, ja sogar gesäugt.« -»Neupommerns O'Mengen mumifizieren ihre Toten: der in Blätter gehüllte Leichnam wird geräuchert, trocknet ein und wird in der Form von Spindeln in den Häusern aufbewahrt.« - »Auf Samoa wird die Dorfjungfrau vor versammeltem Volke auf dem Dorfplatz defloriert.(entjungfert)« Auf der Rieseninsel Neuguinea, am Rande des Pazifik dem australischen Kontinent zugerechnet, scheinen sie alle gleich zu sein, gibt es in vielen Eingeborenensprachen kein Wort für arm oder reich. Wohlstandssymbol ist das eigene Schwein, wer fünf davon hat, gilt als Persönlichkeit...


Zwei Eingeborene auf der Insel Truk (1910)

Als Emil Nolde, Maler und Graphiker aus Nolde/Schleswig, 1913/14 die deutsche Südsee besucht - »sechs Monate reisten wir, sechs Monate waren wir in Neuguinea«-, treibt ihn die Aussicht, dort noch menschliche Urzustände, urweltliche Ruhe, eine regelrechte Urvolkskultur vorzufinden. Das keineswegs im Nirgendwo, sondern im Umland von Berlinhafen an der Brandenburgküste, an der Sachsen- oder Badenbucht, am Kap Moltke oder Schumannfluss, gegenüber der Preußenreede, unter der Rüdigerspitze oder am Schopenhauerberg in Deutsch-Neuguinea. Den Südseebesitz hat die Verwaltung in die geograflschen Begriffe Melanesien (Schwarzinsel-), Mikronesien (Kleininsel-) und Polynesien (Vielinselgebiet) geteilt, die politisch zwei räumlich weit auseinander liegende Regionen bilden: Deutsch-Neuguinea, was etwas näher erklärt werden muss, und Deutsch-Samoa.

Das Alte Protektorat, wo mit der Kolonisation begonnen wurde, umfasste Kaiser-Wilhelmsland, den Bismarckarchipel und die deutschen Salomonen im pazifischen Großraum Melanesien. 1899 erfolgte der Zusammenschluss mit dem Inselprotektorat Mikronesien: im Mittelpunkt die Karolinen mit den westlich gelegenen Palauinseln, im Norden die Marianen (ohne Guam). 1906 wurde auch die Marshallgruppe mit der Phosphatinsel Nauru dem Gouverneur von Deutsch-Neuguinea unterstellt, was als Neues Protektorat dann bis zum Weltkrieg hält. Deutsch-Neuguinea ist neben dem Festland ein über ein Erdsechstel verstreuter Kleininselhaufen, der, auf Europa projektiert, einen Raum von Island bis zum Ural, vom Nordkap bis zum Balkan bedeckt. Das bei verschwindend kleiner Landmasse und mit weniger Einwohnern als Köln. Zu Optimismus berechtigt, dass sich der (Land)Besitz von Zeit zu Zeit vergrößern könnte, ist nach Harry Koenig (»Elisabeth«) die Erdkruste Westozeaniens doch so unruhig, dass bei Vulkanausbrüchen neue Inseln entstehen, man mit einer ganz natürlichen Vermehrung des Schutzgebiets rechnet.


Emil Nolde mit Ehefrau Ada (1909)

Deutsch-Samoa, die kleinste Kolonie im deutschen Besitz, entspricht der Landschaft des hessischen Vogelbergs. Emil Nolde nimmt an der medizinisch-demografischen Südsee-Expedition des Reichskolonialamts teil. Deutsch-Neuguineas Volksverluste sind alarmierend, fordern eine Untersuchung des Fortpflanzungsgeschäfts, der Gesundheitsverhältnisse und diesbezüglich rassischer Merkmale heraus. Als Nolde in der deutschen Südsee zeichnen und forschen will, ist die Frage noch ungeklärt, »ob die Wilden der tropisch-australischen Monsunregion für die Zivilisation gewonnen werden können, oder ob sie, von der Kultur buchstäblich erdrückt, einfach aussterben würden«, wofür tatsächlich einiges spricht. In Noldes Begleitung reisen seine Frau Ada, der Kolonialarzt Friedrich Külz, früher Regierungsarzt in Togo und Kamerun, der Göttinger Augenarzt Alfred Leber und die Krankenschwester Gertrud Arnthal.

Ob Nolde findet, nach was er sucht? Die Antwort darauf ist ein Ja und ein Nein. Nolde fühlt die Harmonie mit der Natur, malt Strand- und Dorfszenen, porträtiert Eingeborene. Die Südseebühne nimmt ihn derart gefangen, dass es ihm hinterher vorkommt, als habe er, obwohl die Zeit wie im Flug verging, »im unbeschreiblich schönen, wilden Land« zehn Jahre verbracht. Die Exotik mag nicht zu bestreiten sein, das Inselreich ist noch weitgehend ursprünglich. Doch dort, wo die Weißen bereits im Sattel sitzen, befindet man sich - Abortanlagen mit Entwässerung Richtung Meer, Jugendliche, im Reich ausgebildet - in einer Periode des Übergangs, ist es mit der eigentlichen Südseeidylle schon vorbei.

Die pazifischen Inselfluren haben mit Weißen nicht die besten Erfahrungen gemacht, sind auf so edle Entdecker wie Kotzebue oder Chamisso doch »roheste Abenteurer, die Ausgestoßenen aus aller Herren Länder gefolgt« (Irmer). Leute, die vom Schlechten das Schlimmste, dazu Schnaps und Pulver brachten, was zum Verderben und Schrecken vieler Insulaner wurde. Leute mit bewegter Vergangenheit aus der englischen Deportationskolonie Neu-Südwales oder Frankreichs Straflager Neu-Kaledonien, Colonials aus Neuseeland, Wal- und Sklavenfänger, Beachcomber, abgeheuerte Seeleute und Schiffbrüchige wechselten sich ab ... dazu kamen die Händler, die entweder auf ihren Schiffen hocken blieben oder sich an Land niederließen. Seit 1847 liefen Handelsschiffe aus Hamburg und Bremen die Inselgruppe Samoa an.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Kolonialpolitik kontra Südseetraditionen

Wo Traditionen mit europäischen Vorstellungen kollidierten, haben Kolonisation und Mission die indigenen Gesellschaften und deren soziale Strukturen zerstört, was sich auch so erklären lässt: Auf den Marianen war es mit den paradiesischen Zeiten vorbei, als Bezirksamtmann Georg Fritz dort eine Uhr aufhängte, um Insulanern deutsche Pünktlichkeit beizubringen ... auf Truk, als sie die Prügelstrafe als Mittel der kolonialen Strafjustiz einführten ... auf Nauru, als Mann/Frau traditionelle Festlichkeiten zurückstellten, um sich ganz auf Kaisers Geburtstag zu konzentrieren.


Die S.M.S. Seeadler im Hafen von Danzig

In Kaiser-Wilhelmsland war es Schluss mit der (Männer)Idylle, als die Administration auch Frauen erlaubte, sich scheiden zu lassen, zweifellos eine einschneidende Veränderung. Im Gebiet der Marshallinseln würden Paradiessucher künftig enttäuscht, da einige Frauen und Mädchen auf Busenhöhe bereits fein sittsam verhüllt gehen. Auf der Sehnsuchtsinsel Samoa änderten sich die Zeiten, als Kaiser Wilhelm dort Tupu Sili o Samoa, Oberkönig wurde ... im Bismarckarchipel, als man den Kannibalen, um endlich Schluss mit der Menschenfresserei zu machen, das Kanonenboot S.M.S. Albatross (95 Mann, vier Kanonen Kal. 12-cm) und den Kleinen ungeschützten Kreuzer S.M.S. Seeadler (160 Mann, acht 10,5-cm-Schnellfeuerkanonen, fünf 3,7-Revolverkanonen) als Appetitzügler schickte. In der Tat strengen sich die Administratoren, die Hiltruper Brüder des Heiligsten Herzens Jesu, die Schwestern vom hl. Franz von Assisi, die Steyler Gesellschaft des Göttlichen Wortes und so weiter kräftig an, um lokale Essgewohnheiten zu ändern, die Naturkinder europäisch-zivilisiert zu kleiden.

Der Trend artet an Stellen gar richtig aus: »Die Kultur geht der Auflösung entgegen. Der gutmütig-liebenswürdige Charakter der Eingeborenen ist verschwunden, er hat egoistischem, hinterlistigem, habgierigem, wenig verträglichem Wesen Platz gemacht« beklagt Georg Thilenius aus Soden im Taunus, Prof. der Völkerkunde am Hamburgischen Kolonialinstitut.


Die Küste vor der ehemaligen deutschen Station Eitape

»Die Ssissano-Leute und Nossi hatten zwei Weiber aus Warapu gestohlen. Die Warapus hatten dann bei mir Klage erhoben und ich ließ die Ssissano auffordern, die Weiber sofort zurückzugeben. Die Ssissano ließen mir ausrichten, ich solle nur kommen, denn sie hätten jetzt auch ein Gewehr und keine Angst mehr vor der deutschen Polizeitruppe« berichtet der kaiserliche Stationschef Rodatz in Eitape am Berlinhafen. So etwas wäre früher nicht passiert, so etwas war eine Unbotmäßigkeit.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Des Kaisers Südseeuntertanen: Kannibalen und edle Wilde

In Deutsch-Melanesien, -Mikronesien und -Polynesien leben edle Wilde und regelrechte Kannibalen, die sich, lange bevor es zum Unwort wird, mit Kanaker auf einen Nenner bringen lassen. Kanaka, so viel wie Mensch, stand ursprünglich für einen Bewohner Hawaiis. Und dieser geht auf einen mythischen Schöpfungsort namens Hawaiki zurück.


Eingeborene von Hagensberg im ehemaligen deutschen Teil Neuguineas. Hagensberg und der gleichnamige Vulkan (heute Mount Hagen) sind nach dem nach dem ehemaligen Landeshauptmann der deutschen Kolonie Neuguinea, Curt von Hagen benannt
Jialiang Gao, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Inzwischen hatte sich die Bezeichnung in vielen Sprachen für alle Südseevölker durchgesetzt, wer zum Beispiel im Kolonialjargon verkanakert, sinkt auf die Stufe des Insulaners herab. Südseekulturen sind nicht überall gleich, Neu-Deutschland lässt sich an zwei Extremen messen. Auf der einen Seite die klassisch-schönen Samoaner als edelste Form des Polynesier-Völkerbegriffs: »ein begabter und heiterer Menschenschlag, tapfer und mit viel Sinn für die anmutigen Seiten des Lebens«. Der Wikinger der Südsee: »Fettpolster gut, Waden stark, Glatze selten, von den Knien bis zum Bauch tätowiert«. Er ist hellhäutig/ hellbraun und gefällig gebaut, in der Regel von mittlerer Größe. Die Gesichtsform der Samoanerin ist, abgesehen von der oft etwas breiten und flachen Nase, klar europäisch, die Schönheit der Samoanerin herauszustellen, lässt kein männlicher Besucher aus. Mamai tele Samoa, Samoa ist schön. Auf ihre Samoaner sind die Deutschen so stolz, dass Apias Polizeichef, der Berliner Fritz Marquardt, ein paar davon mit nach Deutschland nimmt, um sie bei Hagenbeck in Hamburg, in der Reichshauptstadt und in Leipzig vor- und auszustellen. »Unter allen so genannten wilden Völkern sind die Samoaner vielleicht das körperlich und geistig höchststehende«. meinte der Reichstagsabgeordnete Georg Ledebour.


Eingeborene Frauen von Deutsch-Samoa

Auf der anderen Seite die wilden, kannibalisch-grausamen Melanesier auf den meisten Inseln des Archipels und an der Küste von Kaiser-Wilhelmsland. Dazu die eigentlichen Papua, die - hohe Schmalschädel, gekräuseltes Kopf-, krauses Barthaar, prognathe Kiefer - in steinzeitlichen Clans konzentriert im Innern Neuguineas leben. Es ist gängig, die Inlandbewohner, die keine melanesische Sprache sprechen, Papua, die vom Küstenstrich Melanesier zu nennen.

Unter ihnen der aus der Vermischung entstandene Typus des Papua-Melanesiers: »Die Leute sind rotbraun, haben eine breite Nase und krauses Haar, sind ziemlich gut gebaut, mitunter ganz hübsch«. Dazu der Amelanesier: »Hellbraun, gelblich, mit fliehender Stirn und schnauzenartigem Mund«. Auch ihr Schutzherr: der Kaiser.

Inland- und Küstenbewohner sind unterschiedlich gebaut, lassen sich schnell erkennen: Die einen haben die kräftigeren Beinmuskeln und besser entwickelten Unterkörper, was vom vielen Bergsteigen kommt, die anderen zeichnen recht umfangreiche Oberkörper aus, weil sie häufig rudern. Da Melanesier in der Mehrzahl »negerartig dunkelhäutig«, Papua kaffee-braun bis kohlenschwarz sind, wird der Raum, in dem sie leben, Schwarzinselgebiet genannt.


Wilhelm Knappe, kaiserlicher Kommissar auf den Marschallinseln

Melanesier, »Gute Schiffer, absolut spitze im Schwimmen, das sie im Wasser laufen nennen, geborene Geschäftsleute, doch lügenhaft, misstrauisch, wild und mit diebischem Sinn«. Sie entsprechen deutschen Vorstellungen aufgrund des allzu starken Kulturgefälles nicht oder nur ganz selten. Wo man sich angeblich näher kommt, kann es ein Missverständnis sein: »Das Vorkommen von Menschenschädeln und Knochen in den Hütten deutet auf Kannibalismus. Als der Gesellschaftsarzt der Neuguinea-Kompagnie bei sich zu Hause einen Schädel aufstellte, war er unter Eingeborenen als Menschenfressender schnell einer der Ihren« schrieb Wilhelm Knappe aus Erfurt, kaiserlicher Kommissar der Marshallinseln an Bismarck. Der Mikronesier, der auf den Inseln nördlich des Äquators lebt, sich um Produkte der Kokospalme, Tabak, Bananen, Ananas, Mais, Bataten und Orangen kümmert oder fischt, hat eine dunklere Haut als der Polynesier, ist jedoch heller als der Melanesier, was sich mit einem stärkeren asiatischen Einschlag erklären lässt. Palauinsulaner etwa werden als rosafleischfarben bis gelblichbraun dargestellt, Yaper als hell olivgelb bis ziegel- oder dunkelbraun.

Die Hautfarbe allein sagt noch nichts über die Menschen aus, wie anderswo auch. Die Leute auf den Marianen neigen zu stumpfsinniger Träumerei, sind außerordentlich bequem, die Palauinsulaner zwar »hinterlistig, leicht erregbar und schwer im Zaun zu halten«, doch auch »intelligent, sauber, arbeitslustig und -willig«, somit nach deutschem Geschmack.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Aus dem Kochtopf der Südsee-Kannibalen

Wenn es auf Erden einen Garten Eden gibt, dann die Südsee mit allem, was Menschen lieben, allerdings - und genau hier beginnt das Problem - auch fürchten. Angst und Schrecken in vielen Hütten, Anarchie, Mord und Raub vor gewaltigen Naturkulissen. Blutrünstige Stechfliegen, die Strapazen des Urwalds und das bleiche Gespenst des Fiebers: »Das Klima an der Küste ist fürchterlich, selbst die [gastarbeitenden] Chinesen sterben weg«.


Ein Papua-Stamm im deutschen Teil Neuguineas. Fotografiert von Lajos Bíró, der zwischen 1896 und 1902 die Region bereiste

Des Kaisers Südseeparadies kann eine Hölle sein, im Stillen Ozean ist es nicht still, ganze Landschaften, in denen ans Paradies nur noch das Adamskostüm und die Schlange erinnern. Vielleicht, so der eine oder andere Besucher, hat das Paradies ohnehin nie im Pazifik gelegen, war von Goethe - »Uns ist ganz kannibalisch wohl,/ Als wie fünfhundert Säuen« über Chamisso bis zum Reisenden Zöller alles nur romantisierendes, realitätsfernes Getue.


Lajos Bíró untersucht unter freien Himmel Eingeborene aus Deutsch Neuguinea

Wer den Leuten dort einmal in den Kochtopf schaute, dem wiederum entkommen konnte, zeigt sich entsetzt: »Die Lust nach Menschenfleisch ist so groß, dass sie auch in friedlichen Zeiten auf Mord und Totschlag ausgehen, um sich ein Mahl zu verschaffen. Mit den unglücklichen Opfern hat man kein Erbarmen. Nachdem sie diese durch Brechen der Gliedmaßen hilflos gemacht haben, zerlegen sie dieselben noch lebend. Die Fleischstücke werden in Bananen- oder andere Blätter eingewickelt, mit Freudengeheul weggetragen und zwischen heißen Steinen mit Taro und Yams gebraten.«

Die Kanaker von Melanesien haben - Mann, Frau und Kind - ihre Nachbarn und Besucher zum Fressen gern, sind »genau wie manche unsrer neuen Brüder im Innern Afrikas entsetzlich grausame Menschenfresser« beklagte sich Wentzel. »Die gefangenen Feinde werden geschlachtet und mit den erbeuteten Leichen verzehrt, denn Menschenfleisch ist für die Eingeborenen der höchste aller Genüsse. Sie behaupten, es schmecke besser als das Fleisch des Schweines« berichtet der Ethnograf Paul Wirz, Fachautor in Sachen Papua. Handelsvertreter Friedrich Schuhe, der einem Schmaus auf Nusa beiwohnte: »Wenn sie einen benachbarten Stamm überfallen, was sehr häufig vorkommt, geht es nach der Schlacht nie ohne großen Festschmaus ab, bei dem sich der Sieger die gefallenen Gegner schmecken lässt«.

Essen und Gefressen werden, nichts Erfundenes, sondern ein Stück Wirklichkeit! Wie in Deutsch-Kamerun die Menschenaffen, sind es in der Südsee die Menschenfresser, die im Reich auf großes Interesse stoßen. Viel weniger wichtig ist, dass die Melanesier auch animalische Nahrung lieben, Spezialitäten wie Schildkröte, Schwein, Hund, Huhn oder Fisch, wie der Seeigel und die Larve des Borkkäfers.


Die Insel Nusa - Noch vor 100 Jahren war sie von Kannibalen bewohnt

Ein Bericht über Kannibalen im Großraum Deutsch-Neuguinea liegt auch über drei französische Deserteure vor, die nach Finschhafen entkommen konnten. Die französische Regierung verzichtete auf ihre Auslieferung, worauf diese drei Männer einen Neuanfang in der deutschen Kolonie wagten: "Als ihnen nun von der deutschen Landeshauptmannschaft anheimgegeben wurde, sich irgendwo im Bismarck-Archipel anzusiedeln, traten sie in den Dienst der früheren Firma Fr. Scholle und gingen als Händler auf die Insel Nusa, nordwestlich von Neu-Mecklenburg, dem ehemaligem Besitz der Brüder Hernsheim. Gangloff erzählt, dass sie im ersten Jahr ihrer Niederlassung von den Nusa-Leuten und den angrenzenden Insulanern ununterbrochen bekriegt wurden. – Wöchentlich zwei- bis dreimal wurden sie angegriffen und mussten ihr Leben verteidigen und häufig gelang ihnen die Rettung nur durch eilige Flucht unter Aufgabe ihrer wenigen Habseligkeiten. Nach ungefähr einem Jahr wurden die beiden Gefährten Gangloffs bei einem Überfall von den Kanaken erschlagen und nach Kanakersitte freundlichst verzehrt. Gangloff, allein übriggeblieben, verließ den Schauplatz seines bisherigen entbehrungsreichen Lebens und ging auf die Insel Kung, wo er unter dem Schutze des Chiefs des Dorfes, in welchem er jetzt noch wohnt, sich eine Hütte baute und nach und nach für eigene Rechnung rund 30 Hektar Land erwarb. Auch auf Kung hat Gangloff unter der Feindschaft der vier anderen Dörfer viel zu leiden gehabt. Dreimal wurde ihm seine Hütte niedergebrannt und ebenso oft hat er sie wieder aufgebaut. Aus dieser Zeit rühren auch sechs Speerstiche her, deren Naben jetzt noch sichtbar sind. Um sich mit den Kanaken auf guten Fuß zu stellen, heiratete er später ein Kanakenmädchen und lebt seit dieser Zeit mit den Kanaken in Frieden. Aus dieser Ehe stellte uns der Vater seinen vier Jahre alten Sohn vor, auf den er sehr stolz zu sein schien.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
https://ewnor.de/wak/1096_wak.php?page=8
http://www.nhmus.hu/en/xplore/photorepor...ld_of_cannibals

Der Fortschritt verdirbt die Fortpflanzung

Als Emil Nolde aus Nolde/Schleswig die Inseln der Kannibalen wieder verlässt, meinte er: »Die Eingeborenen sind ein herrliches Volk, soweit sie nicht schon durch die Berührung mit der Kultur der Weißen verdorben wurden.« Wo sie deutsche Normen akzeptierten, kamen sie ihm bereits unerträglich, verlogen und verseucht vor. Ganz abgesehen davon war für einen wie ihn ein Wilder mit Hut, Schirm und Hose kein Wilder mehr, sondern ein Beispiel für die langsam verschwindende Urvolkskultur.

Die alarmierenden Volksverluste und demografischen Lücken, die die Kolonialverwaltung weiterhin ernstlich berührt, Nolde überhaupt erst in die Südsee brachten? Es wurde jetzt viel über das Aussterben der Naturvölker geschrieben, über Volkshygiene und Praktiken der Insulaner, über deren Beziehungen zur Kolonialwirtschaft, für die sie als Arbeiter, eines ferneren Tages auch als Konsumenten, den »kolonialen Hauptwert« stellen.

Als fortpflanzungshinderlich erwies sich dort, wo Frauen allzu leicht zu haben sind, dass sich die Männer als Fremdgänger vergnügten: »Die Frauen welken schnell, sind nicht attraktiv für den Sinngenuss suchende Männer, die sich Prostituierte suchen«. An der Festlandküste scheint ein Gebärstreik fürs Minus zu sorgen, mit dem das weibliche Geschlecht gegen die Kolonialmacht protestiert. Ohne die Frauen geht es nicht, gerade sie müssten schon mitmachen. »Auf den Palauinseln muss der Ehemann seine Frau für jeden Beischlaf bezahlen. Ein inniges Familienleben hat sich bei solcher Lebensweise nicht herausbilden können, daher pflegen die meisten Ehen unfruchtbar zu sein.«


Das Ebon Atoll - Bei den Insulanern wurde zur deutschen Kolonialzeit die Geschlechtskrankheit Syphilis festgestellt.

»Auf den Marshallinseln stehen Mann und Frau den Mitgliedern der Häuptlingsklasse frei zur Verfügung. Die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten bringt einen ungeheuren Rückgang der Geburtsziffer mit sich, auf Ebon sind nahezu 100 Prozent der Insulaner syphilitisch.«

Gebärstreik, die Ernährungssituation, Infektionskrankeiten, Alkoholmissbrauch trotz Prohibition ... Volksverluste anstelle von Volksvermehrung geht alle an, sind »die Lebensfrage für die Zukunft Deutsch-Neuguineas« alarmierte Gouverneur Albert Hahl die Öffentlichkeit. Kolonialarzt Külz will die Sache so auch weiter verfolgen, wird dann jedoch vom Krieg überrascht.


Babeldoab mit seinen steinernen Relikten aus der Besiedelungszeit der Insel. Ab 1899 war diese Insel deutsches Schutzgebiet.

Wie sich der deutsche Pazifikinsulaner, der auf Ngatangal Bananen pflückt, am Fluss Ngermeskang auf der Insel Babeldaob lebt oder sich am Rutschfels Papaseea hinter Faleata vergnügt - wurde das Paradies dort nur selbst erträumt? »Den Himmel denken sie sich als eine schöne, fruchtbare, sehr warme Insel, auf der alle Lieblingsfrüchte in seltener Größe und in Hülle und Fülle gedeihen und wo unzählige Scharen von Fischen und Schildkröten ihnen zuschwimmen. Wie bei den Arabern bevölkert auch die Fantasie unserer Kanaker ihren Himmel mit einer überreichen Schar schöner Frauen« urteilte Irmer.

Der Himmel als mythische warme Insel? Damit stehen die Kanaker nicht allein in der Welt, die meisten Schöpfungsmythen erzählen zuerst von einer Insel, auf der die Schöpfung begann und diese wurde auch immer als Rücken einer Schildkröte beschrieben...

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Der König der Südsee

»Fa'avae i le Atua Samoa«... der Samoaarchipel ist laut Wappenspruch auf Gott gegründet. Zur Inselgruppe am 171. Längengrad zählen neben Sawaii und Upolu Tutuila und Manua. Sawaii hat, so die Legende, der Schöpfergott zur Wiege polynesischen Lebens gemacht. Ganz Samoa ist - moa steht für Erdkern, aber auch für Huhn, es soll Leute geben, die Samoa als heiliges Huhn verstehen - vulkanischen Ursprungs. Erdkern ist jedoch wegen der Mythologie Samoas wohl auch als Weltenei zu verstehen.

Auf Samoa wurde es christlichen wie unchristlichen Südseereisenden beim Vorbeischauen eine Zeit lang relativ leicht gemacht, wurde dort doch eine Weissagung weitererzählt, nach der eine neue Lehre durch den Himmel brechen würde. Die ersten Weißen werden so auch entsprachen Papalagi - sprich: Papalangi - Himmelsdurchbrecher genannt. Helle Hautfarbe gilt als Zeichen edler Herkunft, auch wenn es zu Zeiten Verwirrung stiftet. Die Lehre vermittelt jedoch so nicht anderes, als das weiße Menschen aus dem Himmel erwartet wurden.


Johann Cesar Godeffroy

Unter den frühen Kaufleuten, die es auf Samoa zu etwas bringen, ist ein Hanseat, der sich auf die Initialen JCGS kürzeln lässt: JCGS für Johann Cesar Godeffroy & Sohn. JCGS, wie es allerdings auch für Jesus Christus Gottes Sohn stehen könnte, da es irgendwie zum Thema passt. Die Godeffroys, aus alter Hugenottenfamilie, gehören inzwischen den Reformierten an, was im lutherisch dominierten Hamburg nicht immer einfach ist. Doch gerade an ihnen kommt kein Mensch mehr vorbei, seit sie aufgrund einer Erbschaft und persönlicher Tüchtigkeit etwas aus sich machten.

Die Godeffroys sind einflussreiche Politiker, als Kaufleute und Intriganten gleichermaßen genial, der Gustav G. hat es in der Elbmetropole zum Senator, der Adolph G. zum ersten Generaldirektor der Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) gebracht.

Schillerndster und lange Zeit erfolgreichster der Brüder ist Johann Cesar VI. Godeffroy, 1813 in Hamburg geboren, jetzt wohnhaft im Hirschparkhaus Elbchaussee Nr. 499 in Blankenese (Adolph Woermann ist in der gleichen Straße zu Hause). JCGS war mit 17 in das vom Großvater gegründete Geschäft eingetreten, hatte es dann weiter ausgebaut. Das Handels- und Reedereihaus Joh.Ces. Godeffroy & Sohn ist eine Weltfirma, JCGS als »König der Südsee« Inbegriff des hanseatischen Großkaufmanns.

Der Stadtstaat profitiert von JCGS, JCGS von Hamburg. 1861 gründet er ein natur-und kulturgeschichtliches Museum, das die Hansestadt zur ersten Stadt der Wissenschaft in deutschen Landen macht. Die Godeffroys sind reich, wenn auch bei weitem nicht so reich, wie viele glauben.


‎Trotz kurzer deutscher Kolonialzeit, blieb ein bleibender Eindruck auf Apia (Samoa): Am Sonntag, dem 3. Juli 1932, marschierten die letzten deutschen Siedler und ihre samoanischen Nachkommen, mehr als 400 Menschen, zum neu renovierten deutschen Denkmal in Mulinu'u in Apia, um einen Gedenkgottesdienst zu feiern und Kränze niederzulegen. Die Apia Brass Band führte den Weg an und spielte einen alten deutschen Kavalleriemarsch, "Drei Lilien".‎

Die Südsee, deren Wellen JCGS mit nach oben spülten, ist ein verklärter Raum auf der anderen Seite des Globus. Wer einmal von Hamburg nach Apia fuhr, dann wieder zurück, weiß, wie groß die Welt tatsächlich ist. In der Südsee waren die Wenigsten gewesen, davon hatte man lediglich gehört, geträumt oder gelesen. An Neuguinea, so genannt, weil es frühe Entdecker an das afrikanische Guinea erinnerte, führt die Toresstraße vorbei, durch die Käpt'n Bligh nach der Meuterei auf der Bounty schipperte. Über einen Besuch der Diebesinseln, nach der Habsburgerin Maria Anna jetzt Marianen, hatte ein Christoph Carl Fernberger v. Egenberg aus dem niederösterreichischen Ybbs im Jahre des Herrn 1623 ins Raißbuch geschrieben: »Disse leit sein ganz schwarz und wolgestalt von angesicht, von persohn ein wenig lenger und ganz nackhent ... ob sie zwar schwarz sein sie doch wol gebilt, aber sehr geil den sie weißen uns dass wir solten Unzucht mit ihnen dreiben, wie es auch von etlichen besehenen.«

Nachrichten dann von Otto v. Kotzebue und Adelbert v. Chamisso, von den Insulanern nur Cotabu und Camito genannt, die mit der ksl.-russischen Brigg Rurik mehrere Südsee-Atolle ansegelten. Berichte der österreichischen Novara-Expedition unter Kommodore Frhr. v. Wüllerstorf-Urbair im Rahmen der letzten Weltumrundung eines Segelschiffes. Vermischtes von verschiedenen Reisenden, die entdeckten, forschten oder nur reif für die Inseln waren. Sich in der Südsee auf einzelne Entdecker festzulegen, fällt schwer, da einige Plätze gleich mehrmals entdeckt wurden.


Die Nordküste von Upolu

Anno 1855 schickt JCGS den für seinen Südseehandel zuständigen August Unshelm nach Samoa. Der Mann sieht, was dort wächst, stellt sich vor, was dort wachsen könnte, schätzt den Wert des Archipels dazu richtig ein. In der an Upolus Nordküste liegenden, durch Korallenklippen gebildeten hakenförmigen Bucht von Apia könnten Schiffe ankern. An Land, wo während des Großteils des Jahres Passatwinde mit kühlenden Brisen die Tropenhitze mildern, ist das Klima gesund. Auf Upolu oder Tutuila müssten sich Zwischenstationen für den langen Handels- und Auswandererweg nach Australien einrichten, so auch etwas verdienen lassen. Auf Samoa ließe es sich leben.

JCGS schickt ein erstes Handelsschiff, legt eine Faktorei bei Apia an, um gezielt am Südseegeschäft zu partizipieren. 1859 tauchen in Zentral- und Westozeanien die ersten Kriegsschiffe Preußens auf, 1860 sind über 60 Prozent des Handelsverkehrs hier in deutscher Hand.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Godeffroys vorkoloniales Handelsimperium


Theodor Weber - Leiter der Godeffroyischen Niederlassungen in der Südsee und erster deutscher Konsul in Apia

Nach Unshelms Tod übernimmt ein Theodor Weber, gerade mal 20 Jahre alt, Godeffroys Südseegeschäft. Unter Webers Führung expandiert JCGS von Samoa aus in alle Richtungen, seine Agenten ziehen zu weitgehend unerschlossenen Gestaden, seine Schiffe laufen Inseln an, die noch kein Europäer betreten hat. Weber kann den Handel mit Kopra revolutionieren. Hatte man das Fruchtfleisch bisher ausgepresst in Fässern auf die lange Schiffsreise geschickt, wobei viel verloren ging, wird es durch Trocknung jetzt haltbarer gemacht. Weber erwirbt viel Land, das er mit deutschen Einwanderern besiedeln will, ein erstes Projekt verhindert der Deutsch-Französische Krieg.

JCGS unterhält Handelsstationen auf den Palau-, Ellice- und Gilbertinseln, auf Tonga im Süden und den Marshallinseln im Norden, auf den Karolinen und im (künftigen) Bismarckarchipel. Sein Einflussgebiet reicht von Chile bis nach Hinterindien. Er handelt mit Kopra, Kokusnussöl, Perlmutt, Schildpatt und Seegurke/Trepang. Schildpatt sind getrocknete Hornplatten der Schildkröte, Seegurken sehen zwar wie Gurken aus, sind allerdings kein Gemüse, sondern ein im Westpazifik in großen Mengen auftretender Stachelhäuter. Mit Seegurken, die als Delikatesse und - getrocknet - als Aphrodisiakum gelten, lässt sich in Asien viel Geld verdienen.


die S.M.S. Gazelle - nach ihr wurde die Gazelle-Halbinsel auf Neupommern (New Britain) benannt.


Die Gazelle-Halbinsel mit dem aktiven Vulkan Tavurvur. Ab 1885 war der gesamte Bismarck-Archipel deutsches Schutzgebiet
Taro Taylor, Wikimedia Commons, CC BY 2.0

JCGS erntet Baumwolle, Kaffee und das Erfrischungsmittel Zuckerrohr, pflanzt Kokospalmen auf eigenen Plantagen. Mittelpunkt seines Südseeimperiums bleibt der Samoaarchipel, der 1871 bereits von 36 deutschen Schiffen angelaufen wird. Auch sonst tut sich etwas, das deutsche Ansprüche stärkt: 1874 steuert S.M. Gedeckte Korvette Gazelle unter Kapitän zur See V. Schleinitz während einer wissenschaftlichen Erdumrundung den Bismarckarchipel an. 1876 unterzeichnet König George Tupou I. von Tonga einen Freundschaftsvertrag mit den jungen Reich.


Jaluit - Das Atoll wurde am 13. September 1886 ein deutsches Protektorat und hatte mehrere Kaiserliche Kommissare.


Jaluit unter deutscher Flagge

1878 erwirbt Kapitän zur See Karl Bartholomäus v. Werner (S.M.S. Ariadne) Mioko und Makadau im Schwarzinselgebiet, zumindest geht er davon aus, beides erworben zu haben Gleich darauf kommt es zu einem denkwürdigen Vertrag, der den Deutschen den Hafen von Jaluit als Bunkerstation überschreibt. Jaluit - sprich Dschalut - in einen Korallenatoll der Marshallinseln ist eine der Perlen Mikronesiens, die Feierlichkeiten sind der Stunde so auch angepasst: Die Insulaner führen ihre Kriegstänze auf, Werner lässt die Kanonen der S.M.S. Ariadne donnern, worauf die farbigen Vertragskontrahenten - so Augenzeugen - höllische Angst überfällt. Am 11. Mai 1894 wird Jaluit bis März 1898 vom kaiserlichen Kommissar Georg Irmer verwaltet, anderen Angaben zu Folge weilte er bereits im Dezember 1893 auf Jaluit.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
https://www.infomarshallislands.com/atolls-a-l/jaluit-atoll/
https://marshall.csu.edu.au/Marshalls/ht...man2/admin.html

Deutsche im Südseerausch


Blick auf den Hafen von Apia - Hier gaben sich deutsche Handelsschiffe schon zur vorkolonialen Zeit ein Stelldichein

Der Erfolg der Godeffroys hatte Begehrlichkeiten geweckt. Neben ihnen suchen bald weitere Deutsche das so riskante wie einträgliche Südseegeschäft. Wer 1873 die Inselgruppe der Marianen besucht - »wie an einer Schnur aufgereiht, wie ein gefrorener Wurm« oder an der Bucht von Apia steht, kann mit etwas Glück die Peter Godeffroy unter Kapitän zur See Wendt oder die Cesar Godeffroy unter Kapitän zur See Decker aus Hamburg sehen, die Tutuila unter Hptm. Witt und die Susanne Kaüitän zur See Loser der Firma Capelle & Co, die Elise unter Kapitän zur See Hernsheim oder die Franziska unter Kapitän zur See Rohlfs der Firma Hernsheim & Co, um nur einige der Schiffe und Namen zu nennen.


Das Likiep-Atoll gehörte einmal dem deutschen Unternehmer Adolph Capelle

Adolph Capelle aus Meinholz/Hannover hatte sich auf Ebon, dem südlichsten Atoll der Ralikkette, selbständig gemacht, in Mikronesien Plantagen und Verarbeitungsstationen für Kokosnüsse angelegt. Nach der Eheschließung mit der Pazifikinsulanerin Sophia war Capelle der erste Europäer, der auf den Marshalls eine Familie gründete. Das Likiepatoll in der Ratakreihe war inzwischen das Seine.


Adolph Capelle

Kapitän zur See Eduard Hernsheim, Jahrgang '47, gebürtiger Mainzer, hatten Insulaner einmal das nackte Leben gerettet, nachdem sein Schoner R.I. Robertson in der Ryukyugruppe havarierte - der Kaiser schickte, von der guten Tat angetan, Geschenke als Dank via Kanonenboot. Hernsheim gründete Handelsposten auf den Marshall-, Gilbert-und Karolineninseln, eröffnete eine Faktorei auf Matupi, aus der eines Tages die Südseefirma Hernsheim & Co als Aktiengesellschaft hervorgehen würde. Franz Hernsheim, zeitweise mit Bruder Eduard unterwegs, lässt sich auf dem Jaluitatoll nieder, wo er das Reich als Konsul vertritt. Als 1887 die Jaluit-Gesellschaft in Hamburg gegründet wird, ist der umtriebige Franz mit dabei.


Die Kokuspflanzungen von Adolph Capelle

Deutsche Niederlassungen liegen netzartig über einem Teil der pazifischen Inselwelt, das Potential ist riesig. Nicht alle Unternehmer haben das gleiche Glück wie die Hernsheims oder die Godeffroys. Der mit einer Polynesierin verheiratete August Hartmann wird ermordet, nachdem er es auf Kosrae und Truk zu etwas brachte. Von anderen verliefen sich die Spuren noch bevor sie auf sich aufmerksam machen konnten, nicht auszuschließen ist, dass der eine oder andere auf dem Speiseplan der Kannibalen landete.

Der Pazifische Ozean ist nicht pazifiziert, die deutsche Vorherrschaft im Handel nicht festgeschrieben. Bestes Beispiel dafür ist das Südseeherz Samoa, wo sich neben Godeffroy auch englische und amerikanische Kaufleute etablierten. Der Samoaarchipel wird für die Unterhaltung eines Versorgungshafens dann von drei Mächten begehrt. Es ist der Kolonialdisput um die Samoainseln, der - die Weltpolitik im Blick -London und Washington vergangene Differenzen vergessen lässt. Als die Bordkapelle eines amerikanischen Kriegsschiffes vor Apia das God save the Queen anstimmt - an Land tobt der Bürgerkrieg -, wird den in Hörweite ausharrenden Deutschen klar, dass sie es künftig mit einer angloamerikanischen Allianz zu tun haben würden.

Primärquelle. Längin, Die deutschen Kolonien
http://paleric.blogspot.com/2017/09/a-ma...ny-on-guam.html

Die Suche nach einem Samoa-König

Seit uralten Tagen wird Samoas öffentliches Leben durch Matais oder Chiefs, den Repräsentanten einflussreicher Familien bestimmt. Die in aller Welt als liebenswürdig gepriesenen Insulaner brauchten keine zentrale Macht, wussten nicht, was ein König ist. Auf ihren Inseln wurden hin und wieder Kriege geführt, die ihre Höhepunkte in der Vorbereitung und in Zeremonien hatten. Irgendwie war es hinterher immer wieder zu einer Einigung gekommen, erst jetzt wurde man von der innenpolitischen Realität überrollt.

Den um sie buhlenden Fremden passt das System Samoa nicht, da sie mit einer einzigen Person, nicht mit zahlreichen Repräsentanten verhandeln wollen, am besten mit einem King oder König. Den auf Korrekturen drängenden Deutschen, Engländern oder Amerikanern fehlt das Gefühl dafür, ob nun der Taimua, der Puletua, Tumua, Zupua, Faipule oder Tuioana für die Königswürde der Richtige ist. Doch jeder hat seinen Favoriten, auf den er setzt und mit Waffen und Munition versorgt.

Das Jeder-gegen-jeden spiegelt sich in der Spaltung der Samoaner in eine Pro-Reich-, Pro-USA und Pro-England-Partei, wobei die Engländer, für die ein Malietoa Laupepa arbeitet, den größten Zulauf haben. Über die Frage, wer im Paradies der Malietoa oder König ist, kommt der Archipel nicht mehr zur Ruhe, herrscht etwas wie permanenter Kriegszustand. Die Fremden und deren Missionen paktieren je nach Lage der Dinge, die Kriegsschiffe der interessierten Mächte beobachten sich.


die S.M.S Augusta im Deutsch-Französischem Krieg 1870-1871

1877 - auf den Inseln leben um die 40 Deutsche, der größere Teil der Plantagenbetriebe ist in ihrem Besitz - sieht es so aus, als wollten die Engländer und/oder Amerikaner annektieren. Theodor Weber, Repräsentant Godeffroys, dazu deutscher Konsul in Apia, kann sich gegenüber der Opposition zeitgemäß in Szene setzen. Ungemein hilfreich dabei, dass die Glattdeckskorvette Augusta unter Korvettenkapitän Hassenpflug (sechs 15-Pfünder, vier 12-Pfünder) in der Nähe ist. Kaum ist die Augusta ausgelaufen, geht das Ringen weiter. Die Deutschen fürchten um die Dominanz ihrer Plantagenbesitzer und Händler. Deren Ausfuhrwert hat sich in Jahresfrist zwar von 680.000 auf 733.600 Mark erhöht, nichtdeutsche Kaufleute haben die Ausfuhr im gleichen Zeit-raum jedoch von 60.000 auf 118.000 Mark nahezu verdoppelt.


die S.M.S. Ariadne unter Kapitän Bartholomäus von Werner

Anno 1878 erhalten die USA einen Handels- und Freundschaftsvertrag, als Antwort darauf legt Kapitän zur See v. Werner mit der S.M.S. Ariadne die Hafenplätze Falealili und Saluafata unter Beschlag, schon im Jahr darauf erzielt das Reich die Gleichberechtigung. Mit der S.M.S. Bismarck vor Apia - »um geordnete Zustände unter den Samoanern herzustellen« bestätigen Samoas Chiefs den deutschen Besitz. Als Pfand dafür, dass man sich an Abmachungen halten würde, erhält Berlin Saluafata und Falealili als Flotten- und Kohlenstationen.


1879 wurde Saluafata deutsche Flottenbasis


Falealili im Jahr 2019 - 1879 war es offiziell deutsch.

Im September 1879 zeigen die Vertreter Deutschlands, Großbritanniens und der USA dem formal weiterhin unabhängigen Samoa dann wie Weltgeschichte tatsächlich funktioniert. Ein Malietoa Talavou sieht sich gezwungen, den drei Konsuln die Jurisdiktion über Apia, dessen Umland und so genannten Hafen zu überschreiben. Das erste von mehreren Samoaabkommen macht Apia zur fremdländischen Munizipalität, die Inselgruppe zu einer Art kollektivem Protektorat. Samoa gehört dort, wo es wichtig ist, jetzt allen drei Mächten. Wie das arbeiten soll, wissen allerdings selbst die Konsuln nicht so recht.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Unter dem Schirm der Marine

Der maritime Großkonzern Joh. Ces. Godeffroy & Sohn ist im Warenverkehr mit Kolonialprodukten der Südsee weiterhin führend. 1877 haben 23 Schiffe von Godeffroys Handelsstationen 275.000 Zentner Südseeprodukte im Wert von 6,103 Mio Mark nach Europa transportiert, 1878 sind es bereits 29 Schiffe und 330.000 Zentner im Wert von 7,021 Mio Mark. Das Geschäft floriert, dass JCGS aufgrund eines Bankenkrachs und schlechter Investitionen in Europa finanzielle Probleme hat spürt man lange nicht, dann jedoch umso verheerender. Dem »König der Südsee< fehlt es an Kapital und -gebern, Johann Cesar VI., »der 20 Jahre lang glänzend und ruhmreich den Stürmen des großen Weltmeeres trotzte«, erliegt den Wellen des Geschicks.

1878 geht aus Godeffroy & Sohn die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft der Südseeinseln - kurz »Firma«- hervor, in die JCGS seine Südseeländereien und -unternehmen einbringt. An der dramatischen Schieflage der Godeffroys ändert es nichts. Der Niedergang des Handelshauses muss Londons auf Expansion hoffenden australisch-neuseeländischen Kolonien in die Karten spielen. Um die Gefahr einer Liquidation abzuwenden - »dem deutschen Volke das Südseegeschäft zu erhalten«, bildet sich eine Seehandelsgesellschaft, die bereit ist, die Unternehmungen der »Firma« weiterzuführen. Treibende Kraft ist der Geheime Kommerzienrat Adolf v. Hansemann, Voraussetzung, dass das Reich bereit ist, für die Verzinsung aufzubringenden Kapitals eine Garantie bis 350.000 Mark zu stellen.


Adolph von Hansemann

Bismarck, der voraussieht, dass mit dem jähen Absturz der Godeffroys viel deutsches Land in fremde Hand kommen könnte, unterstützt den Plan des Hansemann, JCGS streut im Hintergrund kräftig Gerüchte. Im Reichstag sehen die Konservativen die Chance für eine aktive Kolonialpolitik, während sich die Liberalen die Grundsatzfrage »Wollen wir überhaupt Kolonien?« stellen. Als es zur Abstimmung kommt, wird die Vorlage mit 128:112 Stimmen abgelehnt. »Ludwig Bambergers unglückselige Rede war schuld«. Bismarcks Niederlage löst überall dort Genugtuung aus, wo man Deutschlands koloniales Streben mit Argwohn verfolgt. Für einen wie Hansemann ist allerdings nicht nur der Godeffroy bankrott, kommt die Entscheidung der Volksvertreter einer Bankrotterklärung für überseeische Besitzungen gleich. Ironie dann in einer ironiereichen Geschichte, dass das Südseesuperlativ Samoa allein das Marinekonto bis 1889 mit jährlich rund 700.000 Mark belastet.

Anstelle des Reiches springt privates Kapital aus dem alten Kreis der Seehandelsgesellschaft ein, um zunächst einmal die englischen Gläubiger zu beruhigen. Im Mittelpunkt der Rettungsaktion steht weiterhin der Hansemann. Der Hansemann, Direktor der Berliner Disconto-Gesellschaft, ist, wenn es zu kolonialen Bestrebungen kommt, einer der weitblickendsten und erfolgreichsten Pioniere. Ihm verdankt das Reich eines Tages nicht nur den Südseebesitz, sondern auch den Bergbaubetrieb in Otavi und den Bau der Otavibahn in Deutsch-Südwest, Kiautschou die Deutsch-Asiatische Bank zur Förderung von Bergbau- und Eisenbahnunternehmen.

Mit dem Zusammenbruch von Godeffroy & Sohn muss der deutsche Einfluss in Samoa weiter schwinden. Nach dem Tod Malietoa Talavous, von den drei Konsuln als Gegenleistung für Handelsabkommen als König akzeptiert, brechen wiederum Unruhen aus. »Angefeuerte Malietoaleute beleidigen und berauben Deutsche, ohne sich zur Genugtuung zu verstehen.« S.M.S. Bismarck, nachdem das Südseeklima an Bord acht Tote forderte eigentlich auf Heimatkurs, steuert erneut Apia an.


Malietoa Laupepa - suchte trotzt Samao-Akte nur noch Anschluss an den Engländern

Die Spannungen bleiben: Malietoa Laupepa, einmal mehr als König ausgerufen, driftet »trotz des Wohlwollens Deutschlands« in englisches Fahrwasser ab, die Annexionsgesuche häufen sich. »Malietoa vergaß seine Zugeständnisse und Verträge, sodass Konsul Stübel am 13. Januar 1885 die deutsche Flagge hisste, um zu zeigen, dass wir auch noch da waren«, so Augustin Krämer, ksl. Marinegeneralarzt und Südsee-forscher. Mannschaften der S.M.S. Albatross dringen auf neutralem Apiagebiet vor, 1886 kommt das deutsche Geschwader unter Admiral Knorr ...


Die S.M.S. "Bismarck"
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0


S.M.S. Sperber
Bundesarchiv, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0

Die Ablehnung der Samoa-Akte hat im Reich erst für Wirbel, dann für eine etwas lebhaftere Kolonialbewegung gesorgt. Hansemanns Vorstoß, die Nordostküste Neuguineas von Reichs wegen zu erwerben, weist Bismarck »bei voller Sympathie für das Projekt« zurück, da er Teile Neuguineas, nach Grönland immerhin die größte Insel der Welt, in den Interessensphären Großbritanniens und der Niederlande sieht. Berlin schätzt die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen der Kulturvölker für den Augenblick noch höher als die Erhebung über wilde und halbwilde Staatswesen ein. Was der Kanzler dem Hansemann versprechen kann, dann auch zu Optimismus berechtigt, ist zum Konsularschutz der Schirm der Marine. Strafaktionen der schwimmenden Macht zur schnellen Ehrenrettung werden schnell zur Routine. Die S.M.S. Habicht vor Neumecklenburg, die S.M.S. Alexandrine bei den Gilbert-Inseln, die Landungsabteilung der S.M.S. Sperber auf dem Atoll Butaritari. Die S.M.S. Bussard auf Manono, Vergeltungsschläge durch der S.M.S. Hyäne und S.M.S. Carola nach der Ermordung von zwei Deutschen auf den Hermitinseln!

Die Frieden stiftende Wirkung der Marine greift dazu viel weiter aus, langen doch selbst Plantagenarbeiter ganz anders hin, wenn ein Kriegsschiff in der Nähe steht: »Ganz allgemein gesprochen macht das Zeigen der deutschen Flagge, das Erscheinen unserer Kriegsschiffe an der Küste auf die Eingeborenen großen Eindruck. Als Kuriosum zu erwähnen ist, dass wenn es Schiffe mit recht vielen und dicken Schornsteinen sind, dann ist gleich leichteres Arbeiten mit den schwarzen Krausköpfen festzustellen. Ein so großes Schiff macht Aufsehen und verfehlt seine Wirkung nicht.« ... Besser ein Tyrann als drei Tyrannen, so jedenfalls Samoas Noble: 1884 bitten Oberhäuptling Malietoa Laupepa als Führer der deutschfeindlichen Partei, Tupua Tamasese Titiamaea und 48 Chiefs Königin Victoria darum, Samoa zur britischen Kolonie zu machen, um einer deutschen Übernahme zuvorzukommen. 1884 ist das Jahr der kolonialen Zeitenwende in Berlin, wie es in Samoa aus deutscher Sicht weitergehen soll, so auch völlig offen.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Erste Flaggenhissungen im Bismarckarchipel

Neuguineas Westhälfte gilt als alter niederländischer Kolonialbesitz, der Osten gehört (noch) keiner zivilisierten Macht. Das englischaustralische Queensland, das als nächstgelegene britische Kolonie den Deutschen den Weg dorthin verlegen will, proklamiert den Osten Neuguineas samt umliegenden Inselgruppen als natürliche Domäne. London lehnt den Alleingang der Tochterkolonie ab, da es gerade anderweitig beschäftigt ist. Großbritannien hat Ägypten annektiert, um sich die Kontrolle über den Suezkanal zu sichern, streitet sich dazu mit Russland über Interessensphären in Ost- und Mitteleuropa. Ganz abgesehen davon ist Premierminister Gladstone unter jenen, die den Deutschen einen Platz an der Sonne gönnen.

Wie beim Scramble for Africa ist es wichtig, wer im noch nicht Okkupierten was entdeckt und erforscht. Reisende wie der Edelmann Kapitän zur See Schleinitz oder der Zoologe Theophil Studer hatten sich während der »Gazelle«-Expedition (1874-76) bereitz im Bismarckarchipel und in der Salomonengruppe vorgearbeitet. Otto Finsch führte zwischen 1879 und 1882 mit Unterstützung der Humboldt-Stiftung anthropologische ethnologische und zoologische Forschungen in Mikronesien und Melanesien durch. Zu Flaggenhissungen, wie sie die Welt vor vollendete Tatsachen stellen, war es aufgrund von Berliner Bedenken trotzdem nicht gekommen.


Matupi um 1900

1883 trifft der Mecklenburger Gutsbesitzer Gustav v. Oertzen, zuletzt Konsulatssekretär in Apia, als Reichskommissar auf Matupi ein. Die Insel in der geräumigen Blanchebucht gehört den Deutschen (noch) nicht, doch gerade von dort hatte man »den Klagegeschrei des deutschen Unternehmergeistes« bereits mehrmals gehört. Matupi ist vulkanischen Ursprungs, das Seewasser dort so schwefelhaltig, dass Oertzens weißes Boot vor der Landung gelb anlaufen musste.

Als Pionier des Bismarckarchipels gilt ein Richard Parkinson aus Augustenburg auf der Insel Alsen. Ein Mann und viele Geschichten, die erzählt und immer wieder weitererzählt werden. Parkinson ist der Sohn des Herzogs von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg und einer Schustertochter, wird allerdings, da die Verbindung geheim bleiben muss, dem herzoglichen Stallmeister Parkinson zugeschrieben.
Richard Parkinson traf 1876 als Angestellter Godeffroys auf Samoa ein, heiratete dort Phoebe Poe, die Schwester der legendären Queen Emma, nachmalige Frau Kolbe. 1882 ließ er sich an der Blanchebucht nieder, pflanzte dort Kokospalmen und Baumwolle, reiste viel in der Gegend herum und wurde Stationsvorsteher der Neuguinea-Kompagnie.


Otto Finch

1907 erscheint sein Klassiker »Dreißig Jahre in der Südsee« bei Strecker & Schröder in Stuttgart. Im Frühjahr 1884 schickt Hansemanns Konsortium zur Vorbereitung und Errichtung einer Südseekompagnie Otto Finsch von Sydney nach Neuguinea. Der »rühmlichst bekannte« Forscher aus Warmbrunn reist mit dem Dampfer Samoa unter Kapitän zur See Dalimann, ist nach offizieller Lesart im Dienst der Wissenschaft unterwegs, tatsächlich jedoch, um Land für die kolonialpolitische wie wirtschaftliche Besitzergreifung zu erwerben, und zwar so viel wie möglich.

Finsch macht fünf Fahrten entlang der Nord- und Ostküste der Insel, meldet Berlin dann die Entdeckung hinreichend fruchtbarer Böden, bedeutender Flüsse und guter Häfen. Auf seinen Reisen hatte er allerhand Land erworben, eine historische Leistung, auf die die Kolonialtreiber mit Beifall reagieren. Neuguinea, wie er es gesehen hatte: Die Insel ist reich an Pflanzen und arm an Tieren. Ficus, Taro, Jams, Bananen und Süßkartoffeln, eine üppige Vegetation mit tropischen Regenwäldern. Raubtiere fehlen ganz, an ihrer Stelle verwilderte Schweine, Beutelbären, Tauben, Papageien und der Paradiesvogel (Kasuar). Krokodile im Flusssystem, Riesen- und giftige Seeschlangen. Unter den Meerestieren von besonderer Bedeutung Trepang, Seeperlmuscheln und Haifische (wegen der Flossen). In der Metropole konstituiert sich nach den Bestimmungen des preußischen Landrechts die Neuguinea-Kompagnie (NGK) mit namhaften Vertretern des Großhandels und -kapitals. Dem Vorstand gehören Hansemann und Bismarcks Bankier Gerson v. Bleichröder an, Geschäftsführer ist Arthur Salomonsohn. Die Kompagnie weist sich als Kolonialgesellschaft für den Erwerb von Land zur Einrichtung eines Staatswesens in der Südsee aus, mit eigenen Hoheitsrechten doch unter dem Schutz des Reiches.

Im Juni 1884 hatte Bismarck dem gespaltenen Reichstag noch seine Abneigung gegenüber Kolonien nach dem System Land erwerben, Auswanderer herbeiziehen, Beamte anstellen, Garnisonen errichten versichert. Im August beauftragt er Oertzen mit allerhöchster Genehmigung »zunächst im Archipel von Neubritannien und dem außerhalb der berechtigten Interessensphären der Niederlande und Englands liegenden Teile der Nordküste von Neuguinea, überall, wo deutsche Niederlassungen bereits bestehen oder in Ausführung begriffen sind«, alsbald die deutsche Flagge zu hissen. Kein Widerspruch, so das Auswärtige Amt, hält der Kanzler doch auch weiterhin an der von ihr favorisierten Organisationsform der von privilegierten Gesellschaften getragenen Handelskolonie fest.

Ende Oktober trifft S.M.S. Elisabeth unter Kapitän zur See Schering von Angra Pequena her vor Neuguineas wilder Küste ein. Zwischen dem 3. und 10. November hissen Schering und Korvettenkapitän Langemak (S.M.S. Hyäne) die Reichsflagge auf Matupi - mit einer Faktorei der Firma Hernsheim & Co, auf Mioko (alter Godeffroy-Besitz, jetzt DHPG) und Makadau/Neulauenburg (Hernsheim), im künftigen Friedrich-Wilhelms-Hafen in der Astrolabebucht und in Finschhafen nordöstlich von Huongolf.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Etablierung der deutschen Kolonialmacht nördlich von Australien


Eingeborene auf der deutschen Salomoneninsel Bougainville

Kapitän zur See v. Wietersheim zeigt mit dem Kanonenboot Adler Flagge auf Choiseul und Bougainville, womit die nördlichen Salomonen - »von Bord mit 21 Schüssen salutiert« Teil des deutschen Einflussgebiets sind. Zwischendurch wird mehr als nur Flagge gezeigt: »Bei der Wallisinsel war vor etwa anderthalb Jahren der deutsche Schoner Mioko aller Wahrscheinlichkeit nach von den Eingeborenen überfallen, die Mannschaft getötet und gefressen, das Schiff ausgeraubt und verbrannt worden. Alle Versuchen, der Räuber habhaft zu werden, hatten sich die Inselbewohner durch schleunige Flucht entzogen. Wir folgten der S.M.S. Hyäne in die Bucht, die nach beiden Seiten einen reizenden Blick auf die waldigen Berge bot, und sahen, wie die Leute der Hyäne die Hütten der Eingeborenen in Brand steckten und ihre Kanus und sonstiges Eigentum zerstörten. Die schlauen Schufte selbst zu fassen, gelang nicht... in den Hütten wurden übrigens Blätter aus dem Logbuch der Mioko, auch Instrumente u.a.m. gefunden«, berichtet Harry Koenig von der S.M.S. Elisabeth.

Australien, besonders Queensland, fällt es schwer, sich mit den Deutschen vor der Hausttüre abzufinden, Gladstone kann gar nicht anders, als sich zu engagieren. Her British Majesty's Kriegsschiffe stecken den Nordosten Neuguineas von der Huonbucht bis zur Ostspitze als Interessenzone ab. Bismarck protestiert, da an Stellen dort bereits die deutsche Flagge weht, wobei er was nicht unbedingt vorauszusehen war, den Reichstag nahezu geschlossen hinter sich hat.

Die Abstimmung mit Großbritannien, dann auch mit den Niederlanden, wird auf diplomatischem Weg erzielt, was in der Region ein gewisses Maß an Stabilität erzeugt. Die Australier haben ihren Anspruch auf den australischen Inselgürtel nicht aufgegeben, doch davon erst später. Neuguinea ist dreigeteilt, den Deutschen fiel das nordöstliche Gebiet etwa vom 141° bis 148° als Kaiser-Wilhelms- oder Festland zu. Das Reich hat auf den Südosten des Hauptkörpers der Insel verzichtet, behielt jedoch die landschaftlich schöne Huonbucht.


Die ehemals deutsche Huonbucht

Den Schutzbrief erteilt der Kaiser, nachdem alles so gut gelaufen ist, den Herren Hansemann, Bleichröder und Salomonsohn im Mai 1885. Die Jurisdiktion schützt das Reich, jedoch ohne sich dort eine stehende Garnison zu leisten. Der Besitz ist in privater Hand, das Regieren bleibt der Kompagnie überlassen. »Es ist kein Mensch so unverständig, nicht zu wissen, dass man im ersten Jahre von einem neu gepflanzten Baum keine Früchte brechen kann«, so Mijnheer Raule, Generaldirecteur de Marine, einst in Sachen Groß-Friedrichsburg zu seinem Kurfürsten, was Bismarck dem Sinne nach jetzt nur wiederholt. Vorausgesetzt wird, dass die NGK, die den Schutz des Kaiser genießt, das Land wirtschaftlich nutzbar macht, den Handel und die friedliche Zivilisierung der Eingeborenen fördert. In der Zukunft wird vom Kompagniegeschäft mit G. hirsutum L. oder G. barbadense, Kopra, Kaffee und anderen tropischen Produkten eine Vermehrung des heimischen Nationalreichtums erwartet.



Natürlich ist nicht ganz auszuschließen, dass die Aufgabe die Möglichkeiten einer privaten Erwerbsgesellschaft übersteigt. Für den Augenblick scheint die politische Rücksichtnahme - nicht Kaiser und Reich sind die Eigner, sondern eine Gruppe um einen Herrn Hansemann - aufgrund der englisch-australischen Rivalität jedoch das einzig Richtige zu sein. Südseebilder dann, die Selbstdarstellung einer Epoche: Unter den deutschen Farben wird New Britain zu Neupommern, New Ireland zu Neumecklenburg, Duke of York zu Neulauenburg und das Neuguinea vorgelagerte Inselgebiet auf Oertzens Vorschlag hin zum Bismarckarchipel. Auf der Gazellehalbinsel heißen teils tätige Vulkane künftig Vater, Nordsohn, Südsohn und Mutter, wie es recht symbolhaft für das neue Verhältnis steht. An den Kraterhängen flattern Bismarckhühner, der Varzinberg erinnert an des Kanzlers Gutsherrschaft in Pommern. Drum herum rauscht die Bismarcksee bis zu den Gestaden von Kaiser-Wilhelmsland. Dort ragt das alpenartige Bismarckgebirge mit dem 4.508 m hohen Wilhelmsberg auf. Erster Landeshauptmann wird der als Vizeadmiral verabschiedete Frhr. v. Schleinitz (50) aus Bromberg, erste »Kompagniehauptstadt« Finschhafen. Da es dort noch kein entsprechendes Gebäude gibt, richtet sich der mit Frau Margot, den vier Kindern, einem Privatlehrer und einem Diener angereiste Schleinitz auf einem Hulk am Ufer ein.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Kaiser-Wilhelmsland - Der schwere Anfang

Das Kompagnieland bleibt in zwei Jurisdiktionen aufgeteilt. Kaiser-Wilhelmsland: Die Küstenlänge infolge der Landzersplitterung ca. 800 km, unendlich viele Koralleninseln und Riffe, zwei riesige Buchten, im Osten der Huongolf im Westen die Astrolabebucht. Im Inland herrscht Gebirge vor, Ebenen lediglich im äußersten Norden. Das Klima ist tropisch-ozeanisch mit hoher Luftfeuchtigkeit, das Land etwa halb so groß wie Preußen.

Der Bismarckarchipel: Rund 200 Inseln »jeder Größe« in einer von Neuguinea nach Norden bis zum Äquator, im Osten zu den Salomonen laufenden Gruppe. Die Landfläche entspricht der Größe Bayerns zu zwei Dritteln. Hauptinsel ist das lang gestreckte Neupommern. Zum Archipel zählen verwaltungstechnisch die nördlichen Salomonen, etwa so groß wie Württemberg. In Berlin führen Hansemann als Leiter des Direktoriums, Generalkonsul Rüssel und Baurat Lent die Geschäfte. Organ sind die »Nachrichten über Kaiser-Wilhelmsland und den Bismarckarchipel«.


Der Beginn mit einer Barackensiedlung im Fieber-Dschungel

Schleinitz hatte während der Gazelle-Expedition Erfahrungen mit Land und Leuten entlang der Küsten des Archipels gesammelt, dann selbst noch für Kannibalen ein gutes Wort: »Gefangene, Getötete und Erbeutete werden zwar durchaus verspeist, trotzdem, bei längerem Zusammensein mit diesen Leuten kann man sich einer gewissen Sympathie kaum verschließen. Die Leute erwiesen sich gegen uns im Ganzen scheu und zurückhaltend, doch nicht feindselig, denn die Pfeilschüsse, mit denen eins unserer Boote empfangen wurde, werden auf Rechnung der durch das Erscheinen noch nie gesehener weißer Männer erzeugten Überraschung zu setzen sein, da das spätere Verhalten auch hier ein ganz friedliches war.«



Papua-Dorf im deutschen Kolonialgebiet

Schleinitz' zweiter Südseeaufenthalt lässt sich mit dem ersten jedoch nicht vergleichen. Neuguineas Hinterland hat sich seit den Tagen der legendären ersten Menschen Ivi und Kerema Apo kaum verändert. Neuguinea ist von jeglicher Zivilisation unberührt, hat für Europäer, die hier leben müssen, erst einmal etwas von einer Strafkolonie. Unmittelbares Problem des Freiherrn aus Bromberg ist, dass es für ihn noch nicht viel zu verwalten gibt. Auf 253.645 qkm Kompagniebesitz stehen gerade mal zwei Wohn-, zwei Büro-Wohnhäuser, ein Lager-und ein Arbeiterhaus, leben grob geschätzt rund 380.000 Eingeborene. Um die eigene Position auszubauen, müssten Schiffe mit allem Möglichen aus der Heimat eintreffen. Am Festland führt keine der großen Schiffsrouten entlang, ein Dampfer auf Welthandelskurs, der hier vorbeikommen will, nimmt einen kostspieligen Umweg in Kauf: Schleinitz und Frau Margot werden das Gefühl nicht los, dass Berlin sie vergessen hat.

Um die Zeit zu überbrücken konzentriert sich Schleinitz, was seinen wissenschaftlichen Interessen entgegenkommt, auf die Erforschung der geografischen Umwelt, besonders der Küstengewässer. Das Aufstellen von Hoheitszeichen - ein Pfosten, ein Schild mit der Aufschrift »Kaiserlich Deutsches Protektorat« - allein bringt noch nichts, den kräftig mäandernden Kaiserin-Augustafluss befährt er, um ins Landesinnere zu kommen, mit dem Dampfer Ottilie. In des Blaubluts Begleitung Astronom Schrader, Botaniker Hollrung und der Geologe Schneider: Kolonialpioniere, die ins Hinterland wollen, so lehrt die Geschichte, sollten immer zuerst den Flussläufen folgen.


die S.M.S. Alexandrine kreuzte mehrfach im deutschen Südseegebiet

Zurück an der rundum lebensfeindlichen Küste sterben Margot v. Schleinitz und der Diener an Fieber. Schleinitz meldet sich zu einem Erholungsurlaub ab, demissioniert und kehrt nicht mehr nach Finschhafen zurück. Die Kompagnie hat Probleme mit den ihr zugesprochenen Rechten und Pflichten, Hansemann & Co. fehlt es an Kapital und Moral. Der Geheime Postrat Krätke sieht sich als neuer Landeshauptmann im Riesengebiet vor Aufgaben gestellt, die selbst für zehn Krätkes viel zu groß, viel zu heikel wären. An eine geregelte Kolonisationsarbeit ist auf Jahre hinaus nicht zu denken. Die Herrschaftssicherung gegen Eingeborene und Einfälle fremder Schiffe, die Regelung von Grundeigentum und die Einführung einer Gerichtsbarkeit! Plantagenbau in Küstennähe, der Handel mit Produkten von Eingeborenen, die hauptsächlich vom Fischfang, von der Jagd und vom Hackbau leben!

Im Kompagnie-Besitz legen »kräftige, kriegerische und leider auch oftmals hinterlistige Stämme« den Fremden Fallen, in Neuguinea und auf dem Archipel ist es Schwarz gegen Weiß. Kaufmann Joseph Hass auf Neumecklenburg, Aufseher Ludwig Müller bei Hatzfeldhafen umgebracht, Händler Hans Mätzke auf den Admiralitätsinseln, Gerichtsschreiber Georg Müller auf dem Festland ermordet. Die Händler der NGK-Station Wuvulu erschlagen und aufgefressen. Wuvulu hatte Korvettenkapitän Janke (Spezialschiff Möwe) gerade erst eröffnet.


die neuaufgestellte Polizeitruppe in Deutsch Neuguinea

Die Kolonialmenschen müssen sich, wenn es irgendwo brennt, auf die Schiffsartillerie und Landungskorps der im Pazifik kreuzenden Kriegsschiffe verlassen: Strafexpedition dann der S.M.S. Albatross - »nachdem eine größere Anzahl von Wilden dem Mausergewehre zum Opfer gefallen war, verschwanden sie wieder im Busch«. - Strafaktion der S.M.S. Alexandrine nach der Ermordung von zwei Deutschen. - Gefecht mit mehreren Verwundeten nach dem Überfall auf einen Möwe-Vermessungstrupp bei Berlinhafen. - Strafaktion gegen die Tolai auf Neupommern. 1887 erzwingt die Sicherheitslage die Aufstellung einer ständigen bewaffneten Macht. Gedacht ist an fünf Weiße und 36 Schwarze, zur Ausbildung reist Lt. Steinhäuser aus der Heimat an. Ein Polizeijunge muss gesund, kräftig und ordentlich sein. Vorausgesetzt wird, dass er sich in Zeiten, die ihm neben dem Schießen verbleiben, seinen Sold durch Plantagenarbeit und im Wegebau verdient.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien

Queen Emma auf Neupommern

Die Kompagnie führt Pferde, Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Hühner aus Australien und Ponys aus Java ein. Auf Kompagnieland wird die Reichsmarkwährung Zahlungsmittel. Es läuft also, aber es läuft nicht gut, in der Heimat treffen mit der Neuguineapost wenig erfreuliche Nachrichten ein. 1889 schließen Kompagnie und Reich ein kündbares Sonderabkommen, nach dem Berlin künftig von der NGK finanziert den Kommissar für die Verwaltung des Schutzgebiets stellt.


Stephansort in Kaiser Wilhelmsland

Nach der neuen Regelung kommt der Regierungsrat Friedrich »Fritz« Rose, zuletzt in der landwirtschaftlichen Verwaltung tätig. Der Rose hat viele böse Gerüchte gehört und will Frieden mit den wilden Stämmen schließen. »Die Kanaker«, so der Mann aus Höxter, »sollen sich zwar unweigerlich jeglicher Beschädigung unseres Lebens, Eigentums etc. enthalten, aber durchaus nicht rechtlos sein.« Während Roses Amtszeit erhält Stephansort an der Astrolabebucht eine Krankenanstalt für Europäer, weicht das Eingeborenendorf Kokopo am Fuß des Vunatali auf Neupommern dem Europäerort Herbertshöhe.


Herbertshöhe auf Neupommern

1892 wird der NGK-Verwaltungssitz nach Friedrich-Wilhelms-Hafen verlegt. Für den Beamten des Kaisers heißt es allerdings schon wieder Abschied nehmen, da ihn die Kompagnie nur noch sporadisch bezahlte. Die NGK übernimmt noch einmal das Ruder, als Landeshauptmann reist der Gerichtsassessor Georg Schmiele an. Mit Schmiele in der Verantwortung richtet der Norddeutsche Lloyd eine Seeverbindung zwischen Neuguinea und Singapur ein, wird an der Eisenbahnlinie von Stephansort nach Erimahafen gebaut. Ansonsten passiert wenig Konkretes.


Queen Emma

Über Schmiele wäre die Geschichte dann auch schnell hinweggegangen, hätte er sich nicht mit Queen Emma angelegt. Mit Queen Emma, Produkt einer Verbindung zwischen einem amerikanischen Seemann und einer Samoa-Prinzessin, legt man sich in der Südsee nicht an. Emmas Firma E.E. Forsayth hat ein weit reichendes Handelsnetz aufgebaut, ihre Ralum Plantage auf der Gazellehalbinsel ist das bedeutendste Wirtschaftsimperium des Archipels. Wer es in Deutsch-Neuguinea zu etwas bringen will, ist auf Emmas Wohlwollen angewiesen, ihr Herrenhaus Gunantambu ist der gesellschaftliche Mittelpunkt Neupommerns.


Im "Deutschen Klub" von Rabaul

Aktenkundig wird, dass Schmiele die Ehe zwischen Queen Emma und Hptm. a.D. Paul Kolbe verhindern will. Emma beachtet den Landeshauptmann nicht, im Berliner AA trifft ihre Nachricht »Ich habe Herrn Kolbe geheiratet« ein. Der Kolbe, Stationsvorsteher für den Bzk. Bismarckarchipel und Salomonen, ist ihr dritter Ehemann. Als Schmiele den Kolbe disziplinieren will, schimpft ihn dieser einen Feigling - »gleichzeitig schlug er nach mir mit dem Reitstock«, meldet Schmiele an Caprivi. Schmiele besteht auf ein Duell, wozu er die Erlaubnis seiner Vorgesetzten einholen muss. Der Mann geht an Bord des Reichsdampfers Lübeck, zum Schusswechsel kommt es trotzdem nicht, da er kurz darauf während eines Zwischenstopps auf der Reede vor Batavia eines ganz natürlichen Todes stirbt.

Auf Schmiele folgen Marineoffizier Hugo Rüdiger und der preußische Oblt. a.D. Kuno v. Hagen, die Kompagnie administriert doch es geht nicht voran. Auf Kompagnieland bringen Jahre des Experimentierens nur wenig, anstelle von deutscher Normalität ein Gewaltpotential, das sich nicht brechen lässt.

Die Kompagniebeamten sind schlicht unfähig oder krank, bzw. durch Krankheiten stark geschwächt oder beides. Im Küstenbereich des Festlands machen tropische Krankheiten und klimatische Grausamkeiten das Leben zur Folter. Neuguinea hat das ungesundeste Klima im deutscher Überseebesitz. Mit Fieber, Dysenterie (rote Ruhr) und Cholera setzt bei Weißen das Sterben hier bereits mit der Ankunft ein. Was in der Heimat nur ein Bagatellfall wäre, rafft auf der Rieseninsel den Menschen schon hin. Zur Faustregel für Nachziehende wurde, dass es der Deutsche auf dem Festland im Bestfall zwei, drei Jahre aushalten kann. Danach muss er das Klima wechseln, um am Leben zu bleiben.

Primärquelle: Längin, Die deutschen Kolonien
https://pngaa.org/emma-coe-known-as-quee...inea-1878-1944/