Kelten und Keltenwahn

»Keltisches« hat leider noch immer Konjunktur. In Fernsehdokumentationen und Zeitschriften, bei »Keltenfesten« in Museen oder auf dem Dorf, in Buchhandlungen und nicht zuletzt auf unzähligen Web-Seiten - doch mit kaum einem ethnischen Etikett sind derart widersprüchliche Vorstellungen verbunden. Denn schon seit Jahrzehnten hat sich die Forschung ganz offiziell von jeglichen Gedanken verabschiedet, bei den sogenannten Kelten handelte es sich um ein ethnisch geeintes Volk.


Eines der vielen Keltenfeste - das Keltenfest im Keltendorf von Sünna. Ein Fest um ein Volk was es nicht gab und deshalb auch keine vorzeitlichen "Keltendörfer" existierten.

Über "Kelten" in Thüringen: In Sünna in Thüringen hat es nie "Kelten" gegeben, man hat nur die Teurii als "keltisch" etikettiert, die nachfolgenden fast ähnlich klingenden Teuriochaimai werden dazu für "Germanen" gehalten. Dass diese Kategorisierung Unsinn ist, belegt die Übersetzung der Teuriochaimai in „Heim der Teurier“, es ist eben immer der gleiche Stamm und seine Nachfahren gemeint. Und was bedeutet nun dieser Name, wenn er doch germanisch ist? Noch vom älteren indogermanischen *tauros hergeleitet für Stier, wird ein Stamm beschrieben, der wie die Kimbern den Stier als ehernen Totem verehrte! Dem dürfte noch ihr Äußeres Rechnung getragen haben, womit sie wohl in der Vorstellung der Griechen mindestens barbarische Hörnerhelme getragen haben.


Der Bogen dessen, was »keltisch« sein soll, spannt sich weit, von Irish Folk, Highland-Games und Ogam-Schrift, Artus, Merlin und Morgane über wilde Widersacher römischer Legionen, Druiden bei grausigen Ritualen, »Braveheart« und Stonehenge bis hin zu »Fürstengräbern« mit kostbarem Goldschmuck und zu Baumhoroskopen. Die Aufzählung ließe sich beliebig verlängern. Doch woher rührt diese Vielfalt? Wie kann all das mit diesem einen Begriff gemeint sein - und kann das richtig sein? Dessen ungeachtet kannte kein einziger als "Kelte" gehaltener Mensch nicht einmal diesen Begriff, der als Fremdbezeichnung in den Köpfen griechischer Gelehrter entstand und von den Römern weiter verwendet wurde. Er war gleichbedeutend, wie jener der "Barbaren" und endete zu Caesars Zeiten willkürlich am Rhein.

Auf die "Keltische Frage" gibt es heute viele Antworten. Einige sind ganz einfach: Stonehenge etwa ist eine Anlage aus der Bronzezeit, viel älter als vermeintliche Kelten und Druiden, trotz allem neuheidnischen Brimborium, das sich alle Jahre wieder dort abspielt. Das »keltische Baumhoroskop« - wahlweise auch »Baumkalender« - war eine Auftragsarbeit, frei erfunden für ein französisches Frauenmagazin.

Komplizierter ist die Frage, wie dieser bunte Strauß von Assoziationen entstanden ist. Eine Ursache ist, dass der Begriff »keltisch« auf ganz unterschiedlichen Gebieten verwendet wird: Sprachwissenschaft, Archäologie, Musik, Volkskunde, Kunstgeschichte und noch einige Fächer mehr benutzen ihn für unterschiedliche Epochen und verschiedene Regionen; alle haben ihre eigenen Definitionen und oft mehr als eine. Ein weiterer Grund liegt in der langen und windungsreichen Geschichte, wie der »Öffentlichkeit«- das heißt denen, die lesen konnten, Zugang zu Geschriebenen hatten und es weiterverbreiten konnten - die Kunde von den Kelten vermittelt wurde. Von den frühesten Zeugnissen griechischer Gelehrter über die Chronisten römischer Geschichte- und die hummanistischen »Wiederentdecker« der Antike bis zum Altertumskundler unserer Tage: Jeder gibt seine Sicht der Dinge wieder, ob er nun als Forscher redlich um Erkenntnis ringt, unerhörte Eigenmächtigkeiten rechtfertigt wie Caesar oder die heroischen Urahnen seiner Nation schildert. Hinzu kommt, dass die Betroffenen selbst weitgehend stumm bleiben. Caesar berichtet zwar vom Gebrauch der griechischen Schrift bei den Galliern, aber auch von einem religiösen Verbot, »wichtige Dinge« aufzuschreiben.

Dies zu berücksichtigen ist ein Grundpfeiler wissenschaftlicher Forschung: Zu fragen, woher die Informationen stammen, was der Autor wissen konnte, was er vielleicht auch verschweigt, warum er es gerade so darstellt, und wen oder was er damit erreichen will. Das gilt in anderer Form auch für die Archäologie, deren Quellen nicht selbst sprechen. Sie müssen interpretiert werden unter Beachtung ihrer Möglichkeilen, Grenzen und Lücken, verbunden mit der kritischen Frage, auf welchen - vielleicht auch unbewussten - Vorstellungen diese Interpretationen ruhen.

Den Boden, auf dem man steht, immer wieder zu überprüfen, ist eine weitere Prämisse. Nach außen entsteht so leicht der Eindruck, man wisse ja doch nichts Genaues. Das ist in vielen Bereichen tatsächlich der Fall, aber schon eine genauere Bestimmung dessen, was man nicht weiß, ist ein Fortschritt wie auch der Abschied von überholten Vorstellungen. Vergleicht man dann die aktuelle Situation mit der vor einigen Jahrzehnten, so wird der Zuwachs an Erkenntnis deutlich.


Brennus mit dem Flügelhelm der Asen - Der Heerführer hatte nicht mit den "Kelten" Rom erobert, sondern führte den Stamm der Senonen an, die einfach für sich selbst standen und ursprünglich südlich des heutigen Paris siedelten. Den Senonen haben sich noch weitere Kriegerscharen anderer Stämme angeschlossen. Im Indogermanischen kann ihr Name von jenem mehrdeutigen *sen- abgeleitet werden, was neben *seno- für Senone noch für folgendendes steht: vernichten oder töten, der Rüstung berauben oder für die dem getöteten Feind abgenommene Kriegsbeute. Dem Kriegszug des Bellovesus (Schwestersohn von Ambicatus) nach Italien schlossen sich ebenfalls schon die Senonen an.
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Am Anfang steht kaum mehr als bloße Erwähnungen von Leuten, die keltoi genannt wurden, in den Beschreibungen der damals bekannten Welt eines Hekataios oder Herodot: Man wusste so wenig, wie man mit ihnen zu tun hatte. Das änderte sich mit Beginn des 4. Jh. v.Chr. dramatisch, zumindest für Etrusker, Veneter, Picener, Römer und andere im nördlichen und mittleren Italien, als vermeintlich "keltische" Scharen massiv in die Poebene drängten und bald auch darüber hinaus. Man hatte wohl andere Sorgen, als darüber zu schreiben, zumindest ist uns unmittelbar aus dieser Zeit fast nichts überliefert.

Die Griechen konnten sich diese Kelten noch aus sicherer Entfernung und eher aus philosophischer Warte betrachten. Ephoros von Kyme bezeichnete sie sogar als »Griechenfreunde«, vielleicht ein - zu seiner Zeit schon nicht mehr ganz aktueller - Reflex einstmals einträglichen Handels mit ihnen. Um 350 v.Chr. nennt der Philosoph Platon dann zwei Eigenschaften, die den Kelten für Jahrhunderte anhängen sollten: kriegerisch und versoffen -so wie Barbaren halt sind.

Sein Schüler Aristoteles, der Lehrer Alexanders des Großen, vertrat die in der Antike noch lange aktuelle Lehre, dass Körper und Charakter der Völker von der Klimazone bestimmt werden, in der sie leben. Demnach seien die Kelten wie alle Bewohner kalter Gebiete stolz, aber unbedacht, unfähig zur Bildung von staatlichen Gemeinwesen und zur Herrschaft über ihre Nachbarn. Furchtlos bis zum Unverstand, ziele ihre ganze Erziehung auf Krieg und Abhärtung schon der kleinen Kinder. Von dem, was Pytheas von Massilia um 320 v. Chr. von seiner Seereise nach Britannien, vielleicht sogar Skandinavien berichtete, kennen wir nur einige Zitate bei späteren Autoren - die ihn meist für einen Lügenbeutel hielten -, ebenso von der angeblich systematischen Aufzeichnung der Sitten von Iberern, Ligurern und "Kelten" bei Timaios von Tauromenion.

Seit der Wende zum 3. Jahrhundert v.Chr. konnten auch die Griechen verstärkt persönliche Erfahrungen mit Kelten sammeln, spätestens aber der Überfall auf die altehrwürdige Orakelstätte von Delphi mit seinen Schatzhäusern 280 v.Chr. begründete ihren Ruf als gottlose Frevler, die sich um ihrer Raubgier willen an allem vergreifen. Dieser Schock scheint tief gesessen zu haben, da sich noch viel spätere Autoren darauf beziehen.

Erst von Polybios (ca. 200-120 v.Chr.) sind größere zusammenhängende Teile seines Werks überliefert. Er schildert knapp und trocken die Einwanderung der "Kelten" nach Italien (um 400 v.Chr.), die Kämpfe mit Etruskern und Römern sowie Hannibals Feldzüge in Italien. Seine eher beiläufig eingestreuten Bemerkungen bieten ein teilweise widersprüchliches Bild: Einerseits Streit um Beute, maßloses Trinken, zu Zeiten »epidemische Kriegswut«, Lärm und Gepränge, Kopflosigkeit, Untreue und Hinterliest, aber auch Vernunft, Umsicht und Tapferkeit. Er versuchte Geschichte objektiv zu erklären, ohne pauschale Verunglimpfungen. Eine kurzer Exkurs schildert die italischen "Kelten" als in sehr einfachen Verhältnissen lebend, wobei die Mobilität des Vermögens (Gold und Vieh) und große Gefolgschaften geschätzt würden. Dieses beinahe halbnomadische Bild wird wohl eher die Verhältnisse kurz nach der Einwanderung widerspiegeln. Über ihre Herkunft weiß er wenig.

Zumindest heute ist klar, dass mit "Kelten", "Gallier", "Galater" im Grunde alles das Gleiche gemeint ist. Heute ist "Kelten" (gr. keltoi), als griechische Fremdbezeichnung der Oberbegriff, Gallier (lat. galli) meint die Bewohner Galliens (des heutigen Frankreich) und Oberitaliens. Beides versuchte man mit »die Großen, Erhabenen, Mächtigen« zu deuten, doch da sie Fremdbegriffe sind, ist der Stellenwert dieser Deutungsversuche äußerst gering. Galater (gr. galatai, aus lat. galli) heißen zumindest seit Timaios (Anfang 3. Jh. v. Chr.) die in Kleinasien siedelnden "Kelten" (Galater-Brief des Paulus). Um das vorzeitliche Chaos perfekt zu machen: Die Griechen nannten auch Germanen "Keltoi", manchmal noch lange nachdem Caesar sie genauer von den Galliern unterschieden hatte. "Keltoi" ist die früheste überlieferte Fremdbezeichnung durch Hekataios, gegen 500 v. Chr.. Nach Strabon hießen zunächst nur die Bewohner um Narbonne so, laut Caesar heißen die Gallier zwischen Garonne, Rhone und den Belgern in der Landessprache celtae. Doch dafür gibt es außer Caesar keine Belege und auch keine weiteren Zeitzeugen. Ihre vermeintlichen Nachbarn die "Germanen" kannten sie unter diesem Namen nicht, obwohl man bei den Belgern manche Stämme "germanisch-keltisch" wären.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Die antiken Gelehrten über die "Kelten"

Poseidonios (ca. 135-50 v. Chr.) wurde schon zu Lebzeiten als Kapazität, nicht nur für "Kelten", geschätzt, auch weil er den Süden Galliens selbst bereist hatte. Sein Werk ist nur in ausführlichen Auszügen späterer Autoren erhalten. Vor allem Diodor, Strabon und Athenaios, aber auch Caesar haben seine "keltische Ethnographie" benutzt.

Am ausführlichsten zitiert ihn Diodor - auch wenn er ihn nicht nennt und immer wieder kürzt. Hier findet sich der Hang zum Alkohol wieder -aber auch die Geschäftemacherei der römischen Weinhändler und die Freude an auffälligem Ringschmuck. Die bis - oder gerade - heute immer wieder abgedruckte Beschreibung der gekalkten Haare und des Schnauzbartes, der Hosen und bunt gemusterten Mäntel, von Lanze, Schild, Schwert und Helm stammen von hier, ebenso die Erwähnung von Druiden und Barden. Auch Menschenopfer - samt ihrem religiösen Hintergrund - und Kopfjägerei werden beschrieben, die Todesverachtung mit dem Glauben an eine Wiedergeburt erklärt.

Bei Athenaios (ca. 200 n. Chr.) hat sich Poseidonios' Beschreibung der Tischsitten erhalten, bei der deutliche Reminiszenzen an homerische Helden anklingen. Insgesamt sind diese Schilderungen nicht pauschal abwertend, auch wenn der Autor aus seiner Abneigung gegen das Sammeln von Köpfen und Menschenopfer kein Hehl macht. Er beschreibt sie als Menschen, die anders sind, weil sie aus einer anderen -soll heißen: weniger gesegneten - Gegend des Erdkreises kommen, und die vielleicht, trotz allem, den früheren, glücklicheren Zeitaltern des Menschengeschlechtes noch näher sind.

Caesar ist der Erste, der alle Winkel Galliens mit Poseidonios im Hinterkopf aus eigener Anschauung beschreiben kann - und dabei diskret das betont, worüber er mehr sagen kann als dieser. Die Völkerkunde steht bei ihm jedoch im Dienste eines anderen Zweckes: Er muss die Ereignisse, Land und Leute so darstellen, dass seine ungeheuren Eigenmächtigkeiten in Gallien dem Senat in Rom als zwingende Notwendigkeit erscheinen, ohne die Realität über Gebühr zu verbiegen - eine Aufgabe, die er höchst souverän und gekonnt löst. Zwar dient ihm hier das gallische Bedrohungsszenario als Rechtfertigung seines Eingreifens, doch schildert er die durch ständige Parteienkämpfe zerrissene Stammesorganisation als im Grundsatz den römischen Verhältnissen nicht allzu fern, die Gallier als nicht dumm und deutlich lernfähig, kurz so, als ob Gallien nur der ordnenden römischen Hand bedürfe, um ein wertvolles Mitglied des Imperiums zu werden. Die neue Bedrohung, die »neuen Gallier« waren nun die "Germanen" von jenseits des Rheins, die zuvor bei den Griechen ebenfalls als "Keltoi" bezeichnet wurden.


Wird immer wieder als Historienstoff aufgegriffen: Die rebellische Boudica, die heute als britannische "Keltin" bezeichnet wird. Tatsächlich haben nicht einmal die Römer die Bewohner Britanniens als "Kelten" bezeichnet! Sie führte nur die aufständischen Icener und Trinovanten an. Die Icener verehrten eine eisenzeitliche Kriegsgöttin namens Andraste, die Boudica um Hilfe für ihren Aufstand anrief. Der Hase und die Raben waren Andrastes Symboltiere, der Hase dabei ein Fruchtbarkeitssymbol, was auf weitere Funktionen der Göttin hindeutet. Der Hase lässt sich als Mondhase mit den Mond verknüpfen, womit Andraste auch eine Mondgöttin sein könnte. Andraste lässt sich über die geflügelte Nike mit Freya gleichsetzen

Bei Strabon (63 v. bis 26 n. Chr.) ist diese Verwandlung abgeschlossen. Er schildert erst die früheren Verhältnisse nach Poseidonios, bevor er die aktuellen Korrekturen anfügt: Früher wilde Kerle, sind sie nach der römischen Unterwerfung heute brave Untertanen, fleißig und produktiv - Schwerter zu Pflugscharen als Erfolgsmodell. Etwa gleichzeitig entstand das große Geschichtswerk des Livius, so etwas wie das offiziöse Standardwerk der römischen Geschichtsschreibung zur Zeit des Augustus und noch lange danach. Ihm geht es darum, Aufstieg und Größe Roms sowie deren Ursachen darzustellen. Die Gallier dienen ihm dabei als negatives Gegenbild, als Folie, vor der er besonders die moralische Überlegenheit Roms herausstreichen kann. Ethnologisches wie Sitten und Gebräuche, "keltische Kultur" überhaupt interessieren ihn nicht, würden auch nur sein Konzept stören. Sie sind die Barbaren schlechthin, stereotyp kriegswütig, trunksüchtig, disziplinlos und ohne Ausdauer, und schneiden auch im Vergleich mit anderen Gegnern Roms wie Iberern oder Numidern am schlechtesten ab.

Damit steht Livius, soweit wir sehen können, prinzipiell in der Tradition römischer Geschichtsschreibung seit Fabius Pictor (ca. 200 v. Chr.), die geprägt war von den nicht enden wollenden Kriegen gegen diese Gallier. Waren sie doch mit einem Paukensehlag, der Einnahme Roms 387 v.Chr., in die römische Wahrnehmung eingebrochen - ein Trauma, das noch bis in die Zeit nach Livius im Bewusslsein blieb. Immer wenn man sie nach langen und wechselvollen, meist als existenzbedrohend empfundenen Kämpfen besiegt glaubte, tauchten wieder welche auf: Als Hilfstruppen Hannibals, mit den Kimbern - die man lange für "Kelten" hielt - oder zum Schluss noch die Helvetier, von Caesar wohlkalkuliert übertrieben dargestellt. Aber niemand scheint sie negativer gezeichnet zu haben als Livius, so dass man beinahe persönliche Antipathie vermuten könnte.

Damit dürfte wenigstens ein Teil des Bildes der »alten Kelten« fixiert gewesen sein, denn ihre Nachfahren, Livius' Zeitgenossen, waren ja bereits römische Untertanen. Die Aura des düster Geheimnisvollen umgab allerdings noch die Opferstätten und grausigen Kulte der Druiden und Wahrsager, die im 1. Jahrhundert n.Chr. mehrfach verboten wurden und von denen noch Tacitus aus Britannien berichtet. Das »kanonische« Druidenbild mit weißen Gewändern, auf heiligen Eichen mit goldener Sichel Misteln schneidend, stammt vom älteren Plinius (gestorben 79 n.Chr.). Den Sanktionen zum Trotz hört man bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. gelegentlich von gallischer Wahrsagerei; am Ende rühmt man sich als Angehöriger der römischen Oberschicht sogar der Abstammung von Druiden, wie etwa der Dichter Ausonius (4. Jh.n.Chr.).

Von den Gelehrten war jedenfalls kein einziger in der Lage dass entstandene Bild der "Kelten" als vermeintliches Volk in Frage zu stellen, die wenigsten haben sich dazu wie Poseidonios ein persönliches Bild von den gallischen und oberitalischen Stämmen gemacht. Und nicht einmal dann, als man von Stamm zu Stamm von namentlich unterschiedlichen Gottheiten erfuhr. Der Einfachheit halber haben die Römer sie funktionell mit ihren Gottheiten, wie Mars oder Jupiter gleichgesetzt, doch tiefgründiger haben dabei kaum nachgeforscht, man sie schließlich unterworfen und begonnen ihre die führenden Familien-Clans ihrer Stämme zu romanisieren.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Halloween und das Fest Samain

Am 31. Oktober gefeiert, wurde Halloween in den letzten Jahren in ganz Mitteleuropa immer populärer. Das heute als »keltisch« bezeichnete Fest kam mit irischen Einwanderern im 19. Jh. nach Nordamerika und von dort - stark umgeformt - wieder nach Europa zurück. Sein Markenzeichen, den Kürbis, kannten die altirischen Stämme allerdings noch nicht, denn er wurde erst von Christoph Columbus nach Europa gebracht.

In Irland war es im 19. Jh. Brauch, am Vorabend vor Allerheiligen - all hallows'eve = Halloween - gewaltige Feuer zu entfachen, um böse Geister zu vertreiben. Verbindungen zum altirischen Samain liegen zwar nahe, lassen sich aber nicht sicher belegen. Man glaubte, dass an Samain Verstorbene, Feen und Elfen ins Diesseits gelangen konnten. In Irland wurde dieses Fest vor Einführung des julianischen Kalenders um 450 n.Chr. übrigens erst am 22. Dezember gefeiert.

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Newgrange, der weiße Hügel stellt nach heutiger Ansicht einen Eingang in einen Feenhügel (Sid) dar. Dieser Feenhügel symbolisiert einen weißen Asen-Dilmun.

Wie bei allen vier altirischen Festen wurde angenommen, dass auch zu Samhain die Menschen einen Zugang zu den Wesen der Anderen Welt haben, besonders zu den Bewohnern der Síd , den sogenannten Elfenhügeln, die an diesem Tage offenstehen. Es war deshalb nicht ratsam, sein Haus zu verlassen, um nicht mit diesen Repräsentanten der Vorzeit zusammenzustoßen. Was ein Sid darstellte, offenbart uns heute der berühmte runde megalithanlage Newgrange, die gälisch Síd Fionnachaid genannt wird. Newgrange wird dabei als Eingang in den Sid in den"weißverblendeten" Hügel gedeutet, dessen Äußeres dem eines weißen Asen-Dilmun entsprach.


Eine Nachbildung des Killycluggin Stone - der Name bedeutet im Irischen "das Holz des glockenförmigen Steins" - wird als kultisches Abbild von Crom Cruach interpretiert. Das Original war einst in mehrere Stücke zerbrochen und befand sich teilweise vergraben in der Nähe eines bronzezeitlichen Steinkreises, in dem das kugelförmige Objekt wahrscheinlich stand.
Kenneth Allen, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-2,0

Dem Unterweltsgott Cenn Crúach („der blutige Kopf“) wurden zu Samhain Blutopfer dargebracht, um ihn und die anderen chthonischen Gottheiten um Fruchtbarkeit anzuflehen. Bei der Anbetung des Cenn-Crúach-Idols zu Samhain starb Tigernmas und nahm drei Viertel der Iren mit in den Tod. Cenn Crúach weist als rundes Objekt auf ein Weltenei. Der Unterweltsgott wird auch Cromm Cruach genannt und stand als Sonnengottheit mit den Totengott Tigernmas in Verbindung, dessen Todestag auf den Samain (Samuin) fiel. Dabei handelte es sich um den Vorabend des 1. Novembers. Tigernmas wird mit der "Herrenmäßige" übersetzt und mit Hades und Pluto gleichgesetzt. Hades wiederum entspricht dem ägyptischen Totengott Osiris, der laut seinem Mythos ebenfalls starb.

Eine besondere Verbindung hatte Samhain mit den Túatha Dé Danann, denn an diesem Tag war die zweite Schlacht von Mag Tuired, in der sie die Fomori besiegten. Deshalb können sie zu Samhain die Sídhe, in die sie später von den Milesiern verbannt worden waren, ohne weiteres verlassen. Die Túatha Dé Danann sollen von einer "Danu" genannten Muttergottheit abstammen, deren Name zur Asenzeit für einen dreibeinigen Dilmun stand. In diesem Sinne wird auch heute ihr Name mit "fließendes Wasser" gedeutet und entspricht seiner Hauptfunktion fließendes Flusswasser zu reinem Soma aufzubereiten. Die Túatha Dé Danann können also nur für eine Kriegerkaste stehen, deren Ahnen-Kontingent einst aus dem Inneren eines Dilmuns stammte. In diesem Sinne sind ihre Bezüge zu Feen, Elfen und Zwerge nur unverstandene Ableitungen von ihren Ahnen, die in der Regel als Jungvolk an den Küsten abgesetzt wurden. "Sid" wird zwar walisisch mit „Hügel, auf dem der Fürst sitzt“, übersetzt, wobei dieser Hügel auch als „Thron“ angesehen wird.

Angeblich seit 700 v.Chr. wurden zu Samhain in Tara die feis Temhra („Fest von Tara“) begangen, eine der wichtigsten altirischen Versammlungen. Ebenfalls fand das große Treffen von Ulster in Mag Muirtheimne an diesem Tage statt. Die Anwesenheit jedes Mannes aus Ulster war bei sonstiger Todesstrafe durch den König verordnete Pflicht.


Der Hügel von Tlachtga ähnelt von der Ausgestaltung einem sogenannten Himmelsauge, wie es noch als "Cup and Ring" Marker bekannt ist.

Auf dem Hügel von Tlachtga (Hill of Ward bei Athboy, County Meath) wurde das Samhain-Feuer entzündet, von dem die einzelnen Familien das Herdfeuer mitnahmen. In den Erzählungen Echtrae Nerai („Neras Abenteuer“), Airne Fingein („Fingeins Nachtwache“) und Aislinge Oenguso („Oengus' Traumgesicht“) wird über die Verbindung der Sagenhelden mit der Anderen Welt am Vorabend des Samhain-Festes berichtet.

Auch in der römischen Mythologie gab es Tage, an denen die Unterwelt offenstand (mundus patet) und deshalb wichtige Tätigkeiten, wie Militärisches, Schiffsfahrten, Hochzeiten, unterlassen werden sollten. Einer dieser Tage war der 8. November.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten
Wikipedia
Stiehler, Diener und Krieger
https://thelawrence.ie/2021/06/28/tlachtga-abhaile/

Die Etablierung des heutigen "Kelten"-Bildes"

Das Mittelalter hatte an den antiken "Kelten" kein Interesse. Hier kannte man Artus und Merlin, die in der Fassung von Geoffrey of Monmouth im 12. Jh. ziemlich schnell als mittelalterlicher »Idealkönig« bzw. weiser Seher und Zauberer auf dem Kontinent Karriere machten. Geoffrey lässt Merlin Stonehenge erbauen - die unglaublich zählebige Verbindung Stonehenge, dann auch Megalithbauten allgemein, und weiß gewandeter Seher, später dann Druide, hat also wohl hier ihren Ursprung.


Der Zauberer Merlin - Er war kein "Kelte", sondern nach Geoffrey der britannische Heerführer Ambrosius Aurelianus, der die Sachsen und Angeln im 5. Jahrhundert in der Schlacht von Mons besiegte. Um 1135 übernimmt Geoffrey von Monmouth in seiner Historia Regum Britanniae Merlin als vaterlosen Knaben und die Sage um Vortigerns Burg, bezeichnet ihn aber als Sohn eines Inkubus (Dämon) und einer Nonne königlicher Abstammung.

Als »Kelten« hat man Artus und Merlin sicher nicht gesehen, und auch die heute oft geradezu als »urkeltisch« betrachteten Bewohner der britischen Inseln hätten mit diesem Begriff nichts anfangen können. Man war vielleicht Ire oder Waliser, aber kein »Kelte«, denn dieses Etikett ist ein Produkt späterer Sprachforscher. Die Autoren der Antike sowie des Mittelalters haben die Britannier nie als Kelten oder Gallier bezeichnet.

Erst mit Humanismus und Renaissance, die das Ende des klösterlichen Bildungsmonopols, die Verbürgerlichung der Bildung und die Wiederentdeckung der Antike am Ende des Mittelalters brachten, rückten auch die "Kelten" wieder ins Blickfeld. Man dichtete auf Latein und suchte in Klosterbibliotheken nach Abschriften antiker Dichter und Philosophen. Der Buchdruck ermöglichte die schnelle Verbreitung von neu entdeckten Schriften oder solchen, die von vor den Türken aus Konstantinopel geflohenen Gelehrten mitgebracht worden waren. Dabei stieß man auch auf Caesar, Tacitus und andere, die den Blick in die Vergangenheit aus bis dahin unbekannter Perspektive ermöglichten und das Interesse an der eigenen Vergangenheit weckten.

Man begann, sich auch für heimische Altertümer aller Art zu interessieren. Dazu gehörten nicht nur Handschriften, Monumente und Inschriften, sondern auch Sprachen. Der schottische Humanist George Buchanan (1S06-1582) und der walisische Gelehrte Edward Lhwyd (1660-1709) konnten die Verwandtschaft der zeitgenössischen britannischen Sprachen mit dem antiken Gallisch herausarbeiten. Unwissenschaftlich wurde jedoch diese Sprache als »Keltisch« bezeichnet, womit zunächst nur eine Gruppe von miteinander verwandten Sprachen so bezeichnet wurde. Die Verallgemeinerung dieses Begriffs führte nachfolgend zu einem völlig falschen Geschichtsbild über Stämme, die sich zwar sprachlich verstanden, doch von ihrem Wesen immer nur für sich selbst standen und unterschiedlichen Gottheiten folgten.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Verallgemeinerungen und Fälschungen

Im 18. Jh. wurde aus der Fremdbezeichnung "Kelten" ein ethnischer Begriff für alle, die eine "keltische" Sprache sprachen oder jemals gesprochen hatten - eine Verallgemeinerung, die sich vermutlich durch das zunehmende Interesse einer breiteren Öffentlichkeit nach und nach von selbst ergab. Denn dem Rationalismus der Aufklärung, der auch der wissenschaftlichen Sprach- und Geschichtsforschung zugute kam, folgte als Gegenbewegung die Romantik und ihre das Gefühl betonenden Vorläufer, ausgehend von Rousseaus Aufruf »Zurück zur Natur«, weg von den Verkünstelungen der Rokoko-Zeit und hin zur unverbildeten natürlichen Empfindung. Die glaubte man vor allem in Volksliedern, -märchen und Mythen zu finden - je älter desto besser.

Da veröffentlichte der schottische Lehrer James Macpherson seine »Fragments of Ancient Poetry«, 1765 als Gesamtausgabe unter dem Titel »The Works of Ossian, the Son of Fingal«, angeblich von ihm aufgefundene und aus dem Gälischen übersetzte Dichtung aus dem 3. Jahrhundert. Dichtung war es in der Tat, allerdings seine eigene, gesponnen um einige Versatzstücke echter Überlieferung. Die geniale Fälschung hatte genau den Ton dramatisch-gefühlsschwerer, nebelfeuchter Wehmut getroffen, nach dem das gebildete Publikum verlangte, und löste eine Welle der Begeisterung in ganz Europa aus. Ihr fielen auch Herder und Goethe anheim, in dessen »Leiden des jungen Werther« der Protagonist dem »Ossian« einen Gutteil seiner fatalen Gemütsverfassung verdankt.


Der sogenannte Druide, als Angehöriger einer Priesterkaste. Die Etymologie des Namens ist ungeklärt, man versucht ihn bisher als "Eichenkundiger" zu deuten, denn auch die Eiche (vom idg. *dru für Baum oder Eiche) symbolisierte den Lebens- und Weltenbaum bei alteuropäischen Stämmen. Gleiches wird heute auch über die erfundenen "Slawen" behauptet, die ebenfalls die Eiche als heiligen Baum verehrten. Nach Maximos von Tyros, einem griechischen Philosophen wurde Eiche als Symbol des Himmelsgottes angesehen. Das kann das germanische ""dru" untermauern, denn es bedeutet "lärmen", was sich mit Fróður einem Namen des Himmelsgottes Odin als "Lärmender" verknüpfen lässt. Das Äußere der Druiden ähnelte dem Bildnis Odins als alter Wanderer mit Stab, begleitet von seinen Raben

Besonderes Interesse galt nicht nur Barden wie Ossian, sondern vor allem den Druiden. Ihnen verliehen das von Caesar überlieferte Schriftverbot samt langer Lehrzeit den Nimbus von Trägern geheimen Wissens und tiefer Weisheit - ein Bild, das ja schon in der Spätantike wurzelte. Die Ausübung ihrer Amtsgeschäfte in der Natur und die Deutung ihrer Zeichen in Hainen und Wäldern verhieß unergründliche, wissende Verbundenheit mit ihr und ihren Kräften. All dies machte die Druiden nicht zuletzt als Gegenentwurf zur Kirche besonders interessant in der Blütezeit aufklärerischer Geheimgesellschaften wie der Illuminaten oder Freimaurer. So entstanden bald »Druidenorden« wie der »Order of the Bards, Ovates, and Druids« 1717 in London.

Die Keltenbegeisterung führte in Großbritannien zu einer Aufwertung der »keltischen Vergangenheit« und zu ihrer verstärkten Erforschung. Sie drang aber auch zu den bislang davon unberührt gebliebenen Unterschichten in Irland und den anderen "keltischsprachigen" Gegenden durch, propagiert von Enthusiasten aus dem Bürgertum. Sie bewirkte die Ausbildung einer neuen Selbstwahrnehmung und eines neuen Selbstbewusstseins als »Kelten«, die es bis dahin nicht gegeben hatte, natürlich auch in Opposition zur englischen Unterdrückung.


Keine "Kelten": Die Helvetier stammen aus einem Raum nördlich des Bodensees und besaßen rund um die Heuneburg mit Pyrene und der Alten Burg ein spektakuläres politisches Machtzentrum.

Die politische Dimension des »Keltentums« wurde im Zeitalter der Nationalstaaten immer deutlicher. Schon im 16. Jh. hatten schweizerische Humanisten die Helvetier als Vorfahren entdeckt, deren Kampf gegen die Germanen man als Parallele zum Widerstand der Eidgenossen gegen die Habsburger betrachtete. Kardinal Richelieu (1585-1642) erstrebte ein Frankreich in den »natürlichen« Grenzen des alten Gallien bis zum Rhein. In der Schweiz konnte »helvetisch« Romanen und Deutschschweizer vereinen, der Rückgriff auf die alten Britannier bot einen neutralen Oberbegriff für England und Schottland, und Caesars belgae standen Pate für eine 1790 neu gegründete Nation aus germanischsprachigen Flamen und Französisch sprechenden Wallonen. Napoleon I. griff ebenfalls gern auf die Gallier zurück, was ihn jedoch nicht hinderte, sich bei Gelegenheit ebenso in die Tradition des Gallierbezwingers Caesar oder der Merowinger zu stellen. Erst Napoleon III. interessierte sich ernsthaft für die gallische Vergangenheit und veranlasste groß angelegte systematische Ausgrabungen.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Archäologische Funde differenzieren das "Kelten"-Bild

Mit der Archäologie kam Mitte des 19. Jh. ein ganz neuer Faktor für die Betrachtung der »keltischen« Vergangenheit ins Spiel. Bis dahin war man für die vorrömische Zeit kaum über die grobe Abfolge von Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit hinausgekommen - beinahe alles Vorrömische wurde pauschal als »celtisch« angesehen. Über die Dauer dieser Epochen hatte man nur ganz ungefähre Vorstellungen. Das änderte sich nun mit Ausgrabungen in halb Europa Schlag auf Schlag, und zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag die Stufengliederung der mitteleuropäischen Eisenzeit vor, wie sie im Grundsatz bis heute gültig ist.

Mit der Zuweisung der Funde »a' la La Tene« als »gallisch« respektive »keltisch« hatte dieser ursprünglich sprachwissenschaftliche Ordnungsbegriff nach der ethnischen nun noch eine archäologische Bedeutung bekommen, was sich noch als problematisch erweisen sollte. Der ständige Zuwachs an Fundmaterial, aber auch an Kenntnissen und verfeinerten Untersuchungsmethoden erweiterte in der Folge das »Keltenbild«.


Warum die Waffenschmiede der La Tene-Zeit ein solches Schild so verzierten, wie es sich heute darstellt, wird kaum noch hinterfragt. Der in der Mitte befindliche "Schildbuckel" ist jedoch nicht irgendwelcher Zierrat, sondern entspricht prinzipiell der Gestaltung der "Cup and Ring" Marker auf Felswänden. Während "Cup and Ring" ein sogenanntes Himmelsauge innerhalb einer Himmelsschale darstellt, steht der runde Schildbuckel für sein irdisches Gegenstück, einem Dilmun der Asen, als Herkunftsort der Ahnen. Zusammen sind es die zwei Teile aus denen sich ein teilbares Weltenei zusammensetzt.

Augenfälligstes Beispiel ist das Handwerk, das in den klassischen Quellen praktisch nicht vorkommt, anhand der Funde aber in vielen Bereichen ein erstaunliches Niveau erkennen lässt. Mit dem erstarkenden Nationalismus wandte sich das breitere Interesse in Deutschland den Germanen zu, bis hin zur Anbiederung so mancher Archäologen an die braunen Machthaber. Danach war Germanisch-Völkisches diskreditiert, und die deutsche Vor- und Frühgeschichtsforschung warf sich überwiegend auf die eher technische Gewinnung von Daten durch Ausgrabungen und Analysen von Fundmaterial.


Eine Triskele der La Tene-Zeit - Dabei handelte es sich um ein dreispeichiges Sonnenrad, dass sich im Inneren eines Saugkopfes einer Himmelsscheibe drehte. Davon leitet sich auch ab, warum man die Himmelsscheiben der Asen noch als "Himmelswagen" bezeichnete. Die Speichen wurden mitunter unverstanden als Tierwesen (hier Pferdeköpfe) gedeutet.

Gerade die immer stärkere Beiziehung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden vertiefte die schon angeklungene Zweigleisigkeit: einerseits ein »archäologisches« Bild der »Kelten«, das vor allem durch zunehmenden Einblick in deren technische Fertigkeiten auf allen Gebieten geprägt ist und den in jüngerer Zeit immer öfter erkennbaren, teilweise als recht makaber empfundenen rituellen Praktiken in der Totenbehandlung oft mit einer gewissen Ratlosigkeit gegenübersteht, andererseits ein aus folkloristisch-mystisch-esoterischen Elementen bunt zusammengewürfeltes populäres Bild.


Eine Drachenschlange war auch zur La Tene-Zeit immer mit dem Element Wasser verbunden

Ein Hauptbestandteil dessen ist die irische (schottisch-walisisch-bretonische) Folklore mit ihren zum Teil eminent politischen Facetten. Hier hat die zeitweise beachtliche »keltische Propaganda« vor allem im Zuge der diversen Unabhängigkeitsbestrebungen in Irland, der Bretagne und andernorts, aber wohl auch ein geschicktes Tourismus-Marketing dafür gesorgt, dass alles Irische schlechthin für »keltisch« gehalten wird, wodurch dann manches Nichtkeltisch-Irische irrtümlich als »keltisch« rückinterpretiert wird.

Ein gewichtiges Element ist natürlich der »Druiden-Komplex«, dem zeitgemäß die eigentlich nur ganz selten und spät als dubiose Wahrsagerin überlieferte »Druidin« zur Seite gestellt wird. Die Anziehungspunkte dürften im Grunde die gleichen sein wie im 18. Jahrhundert: weise Träger uralten, universal-kosmisch-ganzheitlichen und geheimen Wissens, einflussreich, aber integer, souverän, notfalls streitbar, aber auch der Einheit von Mensch und Natur verpflichtet - die Gandalfs der Vorgeschichte, deren Traditionslinien bis in die Jetztzeit konstruiert werden.


Fantasy-Welten, die nah und fern des geschichtlichen Hintergrundes aus Europa sind, selbst wenn es die gleiche Geschichte ist. Links Tolkiens weißgewandeter Gandalf als Druide in "Herr der Ringe" - Rechts die geplante neue afrikanische "Zwergenkönigin" in der neuen Amazon-Serie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht"... Die Vorgeschichte von "Herr der Ringe" hat damit den Vorfahren des weiße Zwergenkönigs Thorin Eichenschild durch eine Diversity-Kunstfigur ersetzt. Der Südafrikaner Tolkien würde sich im Grab umdrehen...

Besonders wirre Vorstellungen entstehen heute durch den wahllosen Eklektizismus der Fantasy-Welten in Bild und Wort, der Versatzstücke ganz verschiedener zeitlicher und kultureller Herkunft beliebig durcheinander wirft. Das macht es denen, die sich für den archäologisch-historischen Hintergrund interessieren, besonders schwer, sich zu orientieren.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Wie man jene wahrnahm, die Fremde als »Kelten« bezeichneten

Wer oder was sind den nun die »Kelten« gewesen, wenn sie selbst nicht einmal diese Fremdbezeichnung gekannt haben? Herodot hat schon diesen Begriff genutzt, obwohl er nie selbst in Westeuropa war. »Die Donau, die bei den Kelten und der Stadt Pyrene entspringt, fließt mitten durch Europa. Die Kelten aber wohnen jenseits der Säulen des Herakles und den Kynesiern benachbart, die in Europa am weitesten im Westen leben. Die Donau, die Europa in ihrer ganzen Länge durchfließt, mündet ins Schwarze Meer, wo die Kolonisten aus Milet die Stadt Istria bewohnen. Die Donau ist vielen bekannt, weil sie durch bewohntes Land fließt.«


Die Heuneburg als Pyrene, oder Pyrene als Heuneburg - Herodot wusste jedenfalls, dass sich dieser Ort, der Helvetier an den Quellen der Donau (Ister) existierte.

Die Stadt Istria ist noch nach dem alten Donaunamen Ister benannt, ein uralter Name, der sich von Ištar ableitet! Die sogenannten Säulen des Herakles wurden mit Gibraltar verknüpft. Die Kynesier (Kyneter) sind im Südwesten Portugals bezeugt, ein Küstenfahrer wäre nach ihnen zunächst auf die sogenannten Keltiberer gestoßen, eine weitere Fremdbezeichnung für iberische Stämme. Herodot benutzte offenbar zwei Quellen: eine Küstenbeschreibung und eine von Donaufahrern. Pyrene wurde lange mit den Pyrenäen verbunden und als Irrtum Herodots gesehen. Im Lichte alter und neuer Grabungsergebnisse ist wohl nur die Heuneburg gemeint. Die Gegend wurde von Helvetiern bewohnt, die sich selbst nicht als »Kelten« bezeichneten und ihn auch für ihre Nachbarn nicht verwendeten. Sie kannten ihre Nachbarn nur unter ihren Eigenenamen, wie etwa die Latobrigi.


Die von Herodot benannten Kyneter als Cunetes im Südwesten Iberiens. Ihren Namen will man heute von "Hund" (*kwon) herleiten. Ihre Identifizierung als Strabons Conii (auf der Karte Counei) ist wohl nicht nachweisbar, es handelt sich eher um zwei verschiedene Stämme. Der Name der Cunetes könnte auch auf Schlangenkultler (Ahnenkult) hinweisen.

Die »Kelten« sind die erste Völkerschaft nördlich der Alpen, deren Name von griechischen Gelehrten als Fremdbezeichnung überliefert ist - aber wen haben die Informanten Hekataios' und Herodots damit wirklich bezeichnet? Wenn dieser - vielleicht aus verschiedenen Quellen schöpfend - »Kelten« bei den Donauquellen und jenseits von Gibraltar, also an der iberischen Atlantikküste ansiedelt, dann müssen für die griechischen Seefahrer, die den Meeresküsten und Flüssen entlang Handel trieben, gemeinsame Merkmale die Eingeborenen an Donau und Atlantik als keltoi kenntlich gemacht haben. Das wird - für Händler und Reisende von
größter Bedeutung - vor allem die Sprache gewesen sein, die aber nicht unbedingt die Muttersprache all derer gewesen sein muss, mit denen die Griechen und ihre Dolmetscher sich auf »Keltisch« verständigten: Es könnte ja auch die überregionale Verkehrssprache gewesen sein... Doch letztlich entstammt die Sprache gallischer oder germanischer Stämme nur einer alteuropäischen Ursprache, dem sogenannten »Proto-Indoeuropäischen«, aus der sich regionale Dialekte ableiteten. Die Römer trafen zwar Stämme in Gallien an, die sich alle untereinander verständigen konnten, ja selbst mit rechtsrheinischen, die Caesar aus politischen Gründen den »Germanen« zuordnete. Die größten Unterschiede dieser Stämme traten jedoch, dann zu Tage, wenn man nach ihren Gottheiten fragte, die sich in den vielen Fällen namentlich unterschieden. Die Römer ordneten danach ihnen nur ihre eigene Gottheiten als Doppelnamen zu, was in der Regel ihre Funktionen verdeutlichte. An den Gottheiten dieser Stämme - soweit sie bekannt sind - kann man jedoch auch erkennen, dass fast jeder Stamm für sich selbst stand, es sei einer hatte sich von einem anderen abgespaltet, was eine gemeinsame Herkunft offenbart. Man kann jedenfalls keine Treverer mit den Karnuten, oder Helvetier mit den Vindelikern in einen »keltischen Topf« werden. Selbst dann nicht, wenn sich ihre Ahnenkulte ähnelten oder ihre eigenen Gottheiten auf frühere gemeinsam bekannte Asen zurückgehen.

Mit den »keltischen« Wanderungen werden in den Quellen zwar weitere Kennzeichen genannt, die aber oft gar nicht unbedingt auf »Kelten« beschränkt (Spindelschild, Halsring, Kopfjagd) oder nicht zwingend waren (Schnauzbart, Kleidung, Nacktkampf), jedenfalls meist recht klischeehaft daherkommen. Zudem vereinnahmte man nicht selten auch »Germanen« als »Kelten«; die Bewohner Britanniens dagegen werden mit Ausnahme der Belger, die kurz zuvor eingewandert seien, in keiner Quelle als Gallier oder »Kelten« bezeichnet. Von weiten Teilen der keltike, etwa Süddeutschlands, Böhmen und Österreichs, hatte man so gut wie keine Nachrichten. Der »keltische« Volksbegriff war in der Antike also eher verschwommen. Zudem fehlen die Stimmen der Betroffenen: Wir wissen nicht, ob und wer von ihnen sich oder andere als »Kelten« betrachtete oder nicht - und warum. Weil dem so ist und sich auch rückwirkend nichts ändert, ist es deshalb geboten sich nur an die überlieferten Stammesnamen zu halten und dabei klären, ob es tatsächlich Eigennamen sind und wenn ja, was sie wirklich bedeuten. Denn fasst man alles zusammen, was bis heute über diese Namen geäußert wurde, muss einfach das Allermeiste entsorgt werden. Die wenigsten Forscher haben bisher erkannt, dass diese Stämme nur mit ihren Ahnenkulten, Gottheiten und Schöpfungsvorstellungen verbunden sind.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Die ethnische Zuordnung des »Kelten«

»Keltisch« im archäologischen Sinn bedeutet heute im Allgemeinen zur späten »Hallstatt«- und vor allem zur »Latene-Kultur« gehörig. Eine solche »archäologische Kultur« ist zwangsläufig durch das Fundmaterial definiert, bestimmte Formen und Verzierungen von Keramikgefäßen, Schmuck, Waffen, auch Grab- und Kultbrauch. Organisches Material wie Stoffe, Leder oder Holz bleiben allerdings selten erhalten, so dass etwa aus einer Grabausstattung viele Informationsträger fehlen. Ob man nun auf Grund einer »keltischen« Gewandschließe den Träger als »Kelten« ansprechen kann, ist ohnehin nicht relevant, wenn es sich bei diesem Begriff um eine Fremdbezeichnung handelt. Es kommt also darauf an, in welchem Stammesgebiet der Fund gemacht wurde.


Das Keltenmuseum von Hochdorf - Die wichtigsten ausgestellten Funde stammen aus dem nahen Hügelgrab der Helvetier, weswegen das Museum eigentlich nur ein Helvetier-Museum ist. Warum die Helvetier? Hekataios von Milet gab aus der Zeit um 500 v. Chr. an, dass die Helvetier nördlich der griechischen Kolonie von Massilia lebten. Wie weit nördlich wusste er nicht. Durch Münzen aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. ist aus dem Oppidum Heidengraben ein Adliger (König?) namens Atullos bekannt. Ptolemäus und dem römischen Historiker Tacitus zufolge, lebten die Helvetier um 100 v. Chr. noch im Gebiet zwischen Donau, Rhein und Main. Nichts weißt heute daraufhin, dass die Helvetier aus einer anderen Gegend eingewandert wären. Deswegen werden sie sich dort formiert haben, wo sie von den Römern und Griechen lokalisiert wurden.
Mussklprozz, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0


Der runde Hochdorfer Grabhügel (550 vor Christus) - Das Oberhaupt herrschte wohl vom Hohenasperg aus über seinem Clan
Aerial video capture, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-4.0

Besonders an den Rändern des keltischen Einflussgebietes oder wo dieser Einfluss nur für einige Generationen vorhanden war, ist die ethnische Zuordnung auf Grund der Sachkultur somit schwierig und zwischen Akkulturation und Einwanderung kaum zu unterscheiden. Auch Sprachreste, vor allem wenn sie nur vereinzelt vorliegen, können in die Irre führen: So ist die Herkunft von Orts- oder Gewässernamen nicht immer sicher bestimmbar, eine Weiheinschrift kann auch von einem Auswärtigen stammen oder man bediente sich für eine »öffentliche« Inschrift einer überregionalen Sprache, wie etwa im Mittelalter des Lateinischen. Andererseits sind etwa die Galater in Anatolien über Jahrhunderte hinweg, historisch gut bezeugt, der archäologische Niederschlag ist dafür jedoch recht spärlich. Offenbar hat man hier schon recht bald ortsübliches Sachgut benutzt, während die Sprache noch ein halbes Jahrtausend später gesprochen wurde.


Die Galater in Kleinasien - Sie sind die Nachfahren der Volcae (Volker), die laut Caesar im herkynischen Wald siedelten, womit ein Gebiet gemeint sein soll, was vom Schwarzwald bis Thüringer Wald, über das Erzgebirge und dem Böhmerwald, sowie bis zu den Karpaten reichte. Der Volcae-Begriff wurde wohl wegen dieses Großraums auch als historischer Oberbegriff verwendet, der die Helvetier und Boier mit einschloss. Als abgetrennter Teilstamm der Volcae werden die Tektosagen im Raum Toulouse angesehen. In Galatien teilten sich die angeworbenen 20000 Volcae-Krieger wieder in Stämme auf: die Tolistobogier (Tolistobogii), die Tektosagen (Tectosages), mit ihren Teilstämmen der Ambitouti, Toutobodiaci und Voturi und die Trokmer.

Die auf den ersten Blick ganz selbstverständlich scheinende Gleichsetzung von Sprache, »Volk« und »archäologischer Kultur«, die anhand des Fundmaterials definiert wird, kann also sehr problematisch werden: Die Verbreitung der Sprachen deckt sich nicht überall mit der Sachkultur und was die »Volkszugehörigkeit« ausmachen könnte, ist nicht schlüssig definiert oder in den archäologischen Quellen nicht erkennbar und damit irrelevant.

Anthropologische Untersuchungen und neuere Gen-Analysen zeigen außerdem, dass auch von dieser Seite von einem einheitlichen »keltischen Volk« keine Rede sein kann.

Muss man also sagen: »Die Kelten« gab es eigentlich gar nicht? Wegen des Fremdbegriffs ja, wegen der willkürlichen römischen Volksgrenze ja und wegen der problemlosen Verständigung zwischen vermeintlich »keltischen« und »germanischen« Stämmen ebenfalls ja. Dazu kommt noch, dass die meisten alteuropäischen Stammesnamen etwas völlig anderes erzählen, als heute gedacht. Sie beziehen sich eben nicht auf ihr Äußeres, ihrer Haarfrisur oder sonstige banale Dinge aus dem angedichteten Wald- und Wiesenkosmos verquerer »Kelten«-Romantiker. Ihre Namen erzählen von den Schöpfungsorten ihrer Ahnen, ihrer Gottheiten oder auch ihres funktionellen Hintergrundes (Kaste) innerhalb früherer Clan-Verbände.


Das restaurierte Inventar vom Hochdorfer Fürstengrab weist auf einen rituellen Kesselkult dieses Stammes hin
marsupium photography, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-2.0

Gleich zu Beginn seines Berichtes über den gallischen Krieg beschreibt Caesar die Dreiteilung Galliens in das Kernland, dessen Bewohner sich celtae nennten, die Belgica und Aquitanien, und weiter, dass sie sich alle nach Sprache (!), Einrichtungen und Recht unterschieden. Allein diese beiden Sätze, oft zitiert und selten wirklich gelesen, sollten davor bewahren, »die Kelten« pauschal als ein »Volk« zu betrachten. Und an diesem Forschungsstand hat sich bis heute nichts geändert, weswegen »Keltische« Museen nur eine völlig falsche Vorzeitgeschichte vermitteln, selbst wenn sich aus Bequemlichkeit »keltisch« als falscher Oberbegriff eingebürgert hat. Wer zu faul ist, die Unterschiede der Stämme herauszuarbeiten, soll es sein lassen, denn eine »keltische« Kategorisierung versperrt nur den Blick auf die wahre Herkunft alteuropäischer Stämme.

Am ehesten könnte man noch von einem variablen und dynamischen Kulturkomplex sprechen, der von unterschiedlichen Clans-Gesellschaften getragen wurde und dessen Hauptbestandteil neben etlichen Elementen der Sachkultur sowie - durch die griechisch-römische Brille allerdings nur undeutlich erkennbar - einigen geistig-religiösen Vorstellungen vor allem die nach Caesar unterschiedliche Sprache war. Variabel und dynamisch, weil nicht alle Elemente immer und überall vorhanden waren. Das lässt räumliche und zeitliche Grenzen verschwimmen.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten
Wikipedia

Die Clans zur Hallstatt-Zeit

Hallstatt ist ein Sonderfall: Kein anderes Gräberfeld wurde bereits so früh in solch großem Maßstab so systematisch ausgegraben und so akribisch - und ästhetisch ansprechend! - dokumentiert. Schwierigkeiten macht die sehr dichte Belegung des Friedhofs: Überschneidungen und Störungen älterer Gräber waren für Ramsauer nicht leicht zu erkennen, so dass sich im Nachhinein Ungereimtheiten zeigten.

Zeitlich reichen die Bestattungen von der ausgehenden Urnenfelderzeit ca. 800 v. Chr. bis in die Frühlatenezeit, ca. 450/400 v. Chr., sie sind durchgehend birituell, d.h. Brand- und Körperbestattung waren zugleich üblich. Kulturell wie geographisch lag Hallstatt im Schnittpunkt von West- und Osthallstattkreis, wie das gleichzeitige Vorkommen von Schwert und Kampfbeil belegt. Fremde Formen und Materialien wie Bernstein und Elfenbein zeigen vielfältige Fernbeziehungen an.


Die westlichen und östlichen Hallstatt-Clans - Dazu müssen auch die Helvetier gezählt werden, als diese noch nördlich des Bodensees siedelten. Östlich der Helvetier schließt sich jener Großraum an, wo aus Hallstatt-Clans die Noriker entstanden.

Bemerkenswert ist die Struktur der Hallstatt-Clans, die sich in den Gräbern andeutet: Einer dünnen Herrscherkaste stand ein breite, wohlhabende Händler-, Handwerker- und Bauernkaste gegenüber. Die weiblichen Skelette lassen einseitige Belastungen wie vom Tragen schwerer Lasten erkennen, während bei den Männern starke Wucherungen die Überlastung der Oberarme beim Hauen anzeigen. Offenbar konnten die körperlich hart arbeitenden Bergmannsfamilien die Früchte ihrer Plackerei bis in ein im Durchschnitt erstaunlich hohes Alter selbst genießen. Das erinnert an die Bergknappen des Mittelalters, deren Spezialwissen ihnen oft große Unabhängigkeit und Wohlstand innerhalb der oberen Kasten in den Clans ermöglichte.


Die "Alte Burg" im Land der Helvetier, nahe der Heuneburg

Der ganzjährige Bergwerksbetrieb erforderte Planung und Logistik, denn Hallstatt bot kaum Ressourcen und war bis in die Neuzeit nur über Saumpfade oder per Boot erreichbar. Nahrungsmittel, Bau- und Arbeitsmaterial mussten von außerhalb kommen. Die Knieholzschäftungen der Pickel etwa sind alle so gleichmäßig, dass bereits Jahre vorher gezielt ins Wachstum der Äste eingegriffen worden sein muss: Ein Schlaglicht auf engste Abstimmung der Hilfs- und Zulieferdienste mit der Produktion.


Wehringen bei Augsburg - Hier wurde das älteste Wagengrab der Hallstattzeit gefunden. Die hier herrschenden Clans könnten den Vorfahren der Vindeliker angehört haben.

Da nur verhältnismäßig wenige Fundstellen der Hallstattzeit mit modernen Mitteln untersucht sind und schriftliche Quellen fehlen, ist das Bild, das sich von dieser Epoche entwerfen lässt, so nuancenreich wie fragmentarisch. Eine Karte der Hallstatt-Kultur zeigt jedoch einen Kulturbruch, wenn die Urnenfelderkultur durch Brand- und Körperbestattung ersetzt wurde. Dass heißt, dass sich um diese Zeit eine neue Kriegerkaste im Hallstätter Kulturraum durch setzte, die durch griechische Einflüsse die Helvetier hervorbrachte und östlich davon die Noriker.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Gab es zur Hallstattzeit Einfälle von östlichen Reitervölkern?

Die Eisenzeit ist die Hallstattzeit, denn aus archäologischer Sicht begann in Europa die breitere Nutzung des neuen Metalls durch alteuropäische Clans. Sie läutet den vielleicht glanzvollsten Abschnitt der mitteleuropäischen Vorgeschichte ein, der erst durch die Eroberungen der Römer sein Ende finden sollte.


Bronzene Funde wie diese aus der Hallstattzeit, belegen wohl einen Kuhkult dieser Clans. Die Kuh ziert ein schalenförmiges Gefäß.

Für die Erforschung der Hallstattzeit hat die Archäologie das Monopol, denn abgesehen von den erwähnten kurzen Notizen bei Hekataios und Herodot sind für diese Zeit keine schriftlichen Nachrichten überliefert. Als Paul Reinecke zu Beginn des 20. Jahrhunderts sich anschickte, seine bis heute gebräuchliche Stufengliederung der mitteleuropäischen Bronze- und Eisenzeit aufzustellen, diente ihm als Richtschnur für den Beginn seiner Eisenzeit, also für den Beginn der Stufe Hallstatt A, das erste Auftreten von Eisengegenständen. Heute lässt man die Eisenzeit und damit die eigentliche Hallstattzeit erst mit der breiteren Verwendung von Eisen in der Stufe Hallstatt C, der älteren Hallstattzeit, beginnen. Die Stufen A und B werden dagegen zur Urnenfelderzeit gerechnet. Diese hat ihren Namen nach der von der Ungarischen Tiefebene bis ins Pariser Becken vorherrschenden Beisetzung der verbrannten Toten zumeist in tönernen Urnen auf Gräberfeldern mit manchmal Hunderten von Bestattungen. Der Übergang zur Körper- und Brandbestattung ist zugleich ein sicheres Indiz, dass sich in Europa wieder einmal vorzeitliche Machtverhältnisse verändert haben.

Der Beginn der Hallstattzeit im 8. Jh. v.Chr. markiert zudem den Übergang zu Hügelgräbern, die nun mit viel reicheren Beigaben in Form von Waffen, Schmuck und großen Sätzen aufwändig verzierten Tongeschirrs ausgestattet werden. Zuvor war es üblich gewesen, wertvolle Dinge in Gewässern oder Mooren als Opfer oder vielleicht auch als Selbstausstattung fürs Jenseits zu versenken, was nun ausbleibt. Doch ob nun als Grabhügel oder in Mooren versenkt, bei beiden Bestattungsriten wurde auf eine Wiedergeburt gehofft und beide Bestattungsritten entstammen Ahnenkulten der Asenzeit.

In dieser Zeit des Umbruchs enden nun auch die meisten befestigten Höhensiedlungen, nur auf dem Land ändert sich wenig. Das Wetter und ein kühleres feuchtes Klima wird heute als Begründung angesehen, dass zugleich die meisten Seeufersiedlungen aufgegeben wurden.


Ein helvetischer Streitwagen, wie er im Opidium Elsachstadt auf der Schwäbischen Alb gefahren wurde. Der Streitwagen wurde wohl von östlichen Reiter-Clans in Mitteleuropa eingeführt.

Zaumzeug östlicher Art deutet auf Kontakte mit historisch bezeugten Reitervölkern aus dem Osten hin. Kontakte, die zugleich auf kriegerische Einfälle von Skythen und Kimmeriern hindeuten. Diese Episoden haben jedoch weit weniger kulturelle Einflüsse hinterlassen, als gedacht. Jedenfalls gibt es nach vereinzelten bronzezeitlichen Vorgängern nun häufiger zweispännige Streitwagen als repräsentative Grabbeigaben in hölzernen Grabkammern. Und hier lässt sich in der Tat an Reitervölker anknüpfen, denn Kimmerier und Skythen nutzten zu ihrer Zeit den Streitwagen. Nach übereinstimmenden griechischen und assyrischen Quellen zogen die Kimmerier zwar ab dem späten 8. Jahrhundert v.Chr. über den Kaukasus nach Anatolien, wo sie das Reich der Phryger zerschlugen und jahrzehntelang eine Bedrohung für die griechischen Städte Kleinasiens und das Lyderreich wurden, doch ob das ganze Volk der Kimmerier die Krim verließ, ist nicht geklärt.

Wegen den Kimbern und dem Namen der kimbrischen Halbinsel wurden zudem Thesen aufgestellt, wonach ein kleinerer Teil der Kimmerier noch vor 800 v.Chr. Richtung Mitteleuropa vorgedrungen sei. Das würde das Aufkommen des Streitwagens in Mitteleuropa erklären, er könnte aber auch durch kurz darauf nachfolgende skythische Einfälle eingeführt worden sein. Weiter ungeklärt ist auch die Etymologie des Namens der Kimmerier, die bestenfalls über das indogermanische *g̑ʰimo gedeutet, mit "Schneeleute" übersetzt werden könnten. Das altnordische Gimir für "Feuriger" als Name des siebten Himmels, könnte jedoch eher ein Volk mit roten Haaren beschreiben, wie man auch die Skythen schon beschrieben hatte.

Insgesamt zeigt sich nach bescheidenen Anfängen in der Urnenfelderzeit eine zunehmende Differenzierung in den Grabausstattungen, ein Trend zum Prunkgrab, der sich noch deutlich steigern sollte.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten
https://www.derstandard.at/story/1343744...t-der-salzleute
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhal...e0b364daad.html

Die Hallstatt-Clans und die Swastika

Mit Beginn der Stufe Hallstatt D im 7. Jahrhundert v.Chr. enden viele Traditionsstränge, die die ältere Hallstattzeit noch mit der Urnenfelderzeit verbunden hatte. Vor allem in den reicheren Gräbern werden die Toten nun vorwiegend unverbrannt beigesetzt, das zuletzt eiserne Hiebschwert , das seine spätbronzezeitlichen Ahnen nicht verleugnen konnte, verschwindet weitgehend zugunsten meist aufwändig verzierter Dolche mit "Antennengriff". Neben die Nadeln als Gewandschließen treten nun Fibeln, die wie heutige Sicherheitsnadeln funktionieren und zuvor schon in Italien und auf dem Balkan bekannt sind. Fibeln sind jedoch auch in Osteuropa als Hinterlassenschaft ostvandalischer Clans bekannt.




Ausgrabungen auf dem schwäbischen Hohmichele 1936/37. Das Hauptgrab stellte sich als antik geplündert heraus.


Kleine Fragmente einer bestickten Wolltextilie wurden im Grabhügel von Hohmichele entdeckt. Das Grab enthielt einen vierrädrigen Wagen in dem eine Frau lag und viele andere Gegenstände, darunter Überreste von Wolltextilien, die mit gold-schwarzen Swastikas bestickt waren. Das ungestörte Grab wurde auf die Mitte des sechsten Jahrhunderts v. Chr. datiert.

Bekanntestes Charakteristikum sind jedoch die leider meist schon im Altertum beraubten Fürstengräber mit Halsring und anderen Objekten aus Gold, aufwändig mit Metall beschlagenen vierrädigem Wagen und importierten griechisch-etruskischen Utensilien für Gelage nach griechischem Muster, darunter Bronzekessel, Trink- und Mischgefäße sowie Sitz- und Liegemöbel. Die Grabhügel erreichen nun nicht selten Durchmesser von 50 und mehr Metern und beherbergten neben der zentralen Grabkammer, die oft noch von einer tonnenschweren Steinpackung überdeckt wird, weiter weniger reiche Nachbestattungen. Größtes bekanntes Beispiel ist der Magdalenenberg bei Villingen mit gut 100 m Durchmesser und 125 Gräbern mit insgesamt 136 Bestattungen.




Ein Prunkwagen aus dem 6. Jahrhundert v.Chr. mit Swastikas aus dem Großraum der Noriker (Naturhistorisches Museum in Wien)

Eine größeres Phänomen alteuropäischer Clans ist die Verwendung der Swastika als weitverbreitetes Symbol. Originale Stofffetzen aus dem Grabhügel bei Hochdorf hat man für das Museum neu nachgefertigt und zeigen, dass sich die Herrscherkaste mit Gewändern kleidete, die mit unzähligen Swastikas gemustert waren. Dazu kommt noch die Verwendung der Swastika als Symbol auf Prunkwagen, auf Schmuck oder als Kennzeichen für die eigene Reiterei. Die Swastika ist jedenfalls nicht typisch für das, was man als "keltisch" heute bezeichnet, sondern ist ein Weltphänomen, was selbst in der neuen Welt von Indianerstämmen in Amerika verwendet wurde.




Swastikas aus Gallien


nachproduzierte Swastika-Borden nach Originalresten aus dem Hochdorfer Grabhügel

Auch wenn man heute so tut als gebe es keinen gemeinsamen Hintergrund, stammt dieses Zeichen als Sonnenradsymbol aus der Asenzeit. Es ist also ein technisches Symbol, dass am Himmel rund um die Erde gesehen wurde und kann mit dem Himmelsauge Surya in Indien erklärt werden, dessen Symbol eine Swastika war. Im Inneren eines Himmelsauges konnte man eben immer wieder ein drehendes Sonnenrad auf der Erde beobachten, dessen Speichen in den ältesten Darstellungen als gekrümmt abgebildet wurden.


Der Bourcq-Diskus mit Swastikas (5. Jahrhundert v.Chr.) - gefunden im Stammesgebiet der Remer, nördlich von Reims

Die Wohnsitze dieser Oberhäupter vermutete man schon damals in den nächstgelegenen befestigten Höhensiedlungen und bezeichnet sie als "Fürstensitze", obwohl man nicht einmal wusste, ob die Stammesführer einen solchen Titel trugen. Bei Ausgrabungen wurden zudem Kleinfunde und Gefäßscherben aus dem Mittelmeerraum entdeckt. Herausragendes Beispiel ist aus mehreren Gründen die Heuneburg bei Hundersingen an der oberen Donau. Heute ist noch eine ganze Reihe weiterer Anlagen bekannt, von denen jedoch kaum eine auch nur annährend genauso gründlich untersucht wurde.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Gab es Gegensätze unter den Hallstatt-Clans?

Gegensätze unter den Clans der Hallstattzeit will man heute nur im westlichen Teil der Hallstattkultur erkennen, der hauptsächlich Südwestdeutschland mit angrenzenden Teilen Ostfrankreichs, der Schweiz und Bayern umfasst. Der Ostteil stellt sich heute der Forschung als ein Gebiet dar, was in eigenständige Regionalclans zerfiel, die bis nach Slowenien und Westungarn ihre Machbereiche ausdehnten. Der Übergang dieser Großräume lässt sich heute nicht exakt bestimmen und wird heute irgendwo in Bayern gesehen.


Die römische Provinz Noricum - Das vorrömische Noricum entstand im sogenannten Osthallstattkreis, dessen Bewohner heute sogar abgesprochen wird, zu den "Kelten" zu gehören. Ein enormer Fortschritt gegen diesen unsäglichen Keltisierungswahn der alteuropäischen Bevölkerung!

Auffallendster Unterschied zum Westhallstattkreis ist der kriegerische Habitus der östlichen Bestattungen, die anstelle vereinzelter Lanzen und prächtiger Dolche mit Kampfbeil und Lanze, Helm, Schild, gelegentlich einem Körperpanzer aus Bronzeblech und statt des Zeremonialwagens mit Zäumung für ein Reitpferd versehen sein können. Das könnte also insgesamt auf einen letzten Nachhall vorangegangener Einfälle östlicher Reitervölker hinweisen, deren Verbände in diesem Großraum sesshaft wurden.

Goldene Halsringe oder Ähnliches fehlen, und anstelle des griechischen Symposion-Geschirrs finden sich die mit typischen Figurenfriesen verzierten Situlen, auf denen nicht selten das Fest, für das sie selbst gebraucht wurden, dargestellt ist. Überhaupt sind figürliche Darstellungen im östlichen Teil verbreitet, während im Westen geometrische Zierweisen dominieren.

Umstritten ist bisher die Frage, ob die Träger der östlichen Hallstattkultur überhaupt als "Kelten" zu betrachten oder eher den südöstlich benachbarten Illyrern zuzurechnen sind. Wegen der Definition und Abgrenzung in dieser Zeit, werden jedoch noch mehr Probleme aufgeworfen, zumal auch die Illyrer nur ein Phantomvolk sind und der Name der griechischen Mythologie entstammt. Die richtige Weg ist also im Osthallstattraum nach den Vorfahren zu suchen, aus denen später die von den Römern festgestellten Stämme der Noriker, Alauni, Ambisontes, Saevates, Ambidravi, Ambilini, Ambilici und Taurisker entstanden. Dass die Noriker die Kraft hatten, all diese Stämme zu unterwerfen, weist relativ sicher daraufhin, dass sie einer machtvollen Kriegerkaste der vorrömischen Zeit entstammten.

Einige dieser Stammesnamen orientierte sich an Flussnamen, es stellt sich also die Frage, ob sie zuvor in das Land als Verband eingewandert waren oder sich aus älteren zerfallenen Clans zu neuen Stämmen formierten. Dafür spricht der indogermanische Bezug zum Begriff *ambʰi, der überwiegend mit Diener oder Gefolgsmann gedeutet wird. Der Oberlauf der Salzach wurde zum Beispiel lange Zeit nur als Isonta bezeichnet und zwar weil man ihn als Namensgeber der Ambisontes ansah. Tatsächlich hieß der Oberlauf der Salzach nur Igonta, weswegen der Stammesname auch anders zu deuten ist. Ableitend vom indogermanischen sont können wir dieses Wort über *sent mit reisend oder gehen übersetzen, was auf eine nomadische Lebensweise dieser Clans hindeutet. Einfacher ist es bei den Ambidravi und Ambilici, deren Clans an der Drau und Gail siedelten. Mit der Herleitung vom indogermanischen *ambʰi könnte man zumindest alle "Ambi"-Namen als teilweise Eigennamen ansehen.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten
https://www.zobodat.at/pdf/MGSL_151_0111-0125.pdf

Herrscher und Herrscherkasten der Hallstatt-Clans


Besonders reiche hallstattzeitliche Bestattungen wurden bereits im 19. Jh. als »Fürstengräber« bezeichnet, wobei »Fürst« in seiner allgemeinen Bedeutung als »Erster« zu verstehen ist, um irreführende Assoziationen mit spätmittelalterlichen Verhältnissen zu vermeiden. Dessen ungeachtet haben sich die Anführer der Hallstatt-Clans niemals so genannt.


Die Sphinx aus dem Grafenbühl bei Asperg - Sie wurde in der griechischen Kolonie Tarent hergestellt. Auf 500 v. Chr. datiert, stammt es noch aus jener Zeit, als die Vorfahren der Helvetier an der oberen Donau herrschten.
Wuselig, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Für die Interpretation dieser Prunkbestattungen und Siedlungen des 6. und frühen 5. Jh. v. Chr. mit mediterranen Prestigegütern entwarf Wolfgang Kimmig seit den 1960er Jahren ein Modell, das einen intensiven Diskurs anregte. Kurz zusammengefasst ist ein idealer »Fürstensitz« eine befestigte Höhensiedlung in repräsentativer Schutzlage mit weitem Ausblick und einem suburbium (Unterburgsiedlung), nicht zu klein und verkehrsgünstig gelegen, an einer überregionalen Handelsroute oder wenigstens mit Zugriff auf wichtige Ressourcen. Das Fundspektrum sollte u.a. griechisch-etruskisches Importgeschirr, Edelmetall und Exotika wie Bernstein oder Korallen enthalten.

Um die bisher erkannten »Fürstensitze« gruppieren sich in Sichtweite »Fürstengräber«, Großgrabhügel mit einer etwa 15-20 m² großen zentralen Grabkammer aus massiven Bohlen, darin ein vierrädriger Wagen, Dolch, Halsring oder ähnliche Standesabzeichen aus Gold sowie griechisch-etruskisches Importgut mit Geschirr und womöglich Sitz- oder Liegemöbeln für ein Trinkgelage nach griechischem Muster (symposion).


Originalgetreue Nachbildung einer osthallstättischen Kriegerausrüstung mit rekonstruierten Möbeln, wie sie auf den Bronzesitulen zu sehen sind, 7. Jh. v.Chr.

Solche »Fürstensitze« verteilen sich auf ein Gebiet in Südwestdeutschland, der Nordschweiz und Ostfrankreich, das als Kernzone der westlichen Hallstattkultur gilt. Praktische Einschränkungen ergeben sich aus dem sehr unterschiedlichen Forschungsstand. Die Diskussion entzündete sich an dem Gesellschaftsmodell, das diesem Phänomen hinterlegt wird. Kimmig sah hier »Dynasten«, eine Aristokratie mehr oder weniger nach dem Muster mittelalterlicher Feudalherren. Tatsächlich muss jedoch von einer Clangesellschaft mit Herrscherkasten ausgegangen werden, wo der einzelne Anführer noch lange nicht den Stellenwert hatte, wie im Feudalismus hatte. Die Kriegerkaste übernahm den Schutz und kämpfte Konflikte aus, die Priesterkaste pflegte die Ahnenkulte und die Bauern und Handwerkerkaste versorgte den gesamten Clan. Dazu kam noch die Kaste der Unfreien, in der sich unterworfene und versklavte Menschengruppen wiederfanden.

Diskutiert werden die Erblichkeit des Herrschaftsanspruchs und der Grad der Hierarchisierung der Gesellschaft- ob es sich nicht etwa, so ein Gegenentwurf, eher um lokale "Häuptlinge« aus persönlichem Verdienst handelte, die ihre Legitimation laufend beweisen mussten. Andere schlossen aus der Auswertung der Grabausstattungen, die vor allem vom Lebensalter abhinge, auf eine »Herrschaft der alten Männer« (Gerontokratie) wie im Griechenland Homers. Leider ist solchen Fragen anhand rein archäologischer Quellen nur schwer beizukommen.


Die Ipf bei Bopfingen - Auf dem Berg befand sich der Sitz eines vorhelvetischen Clans zwischen 1200–800 v. Chr. Die noch sichtbaren Reste von Befestigungen wurden erst Ende des 5. Jahrhundert v. Chr. errichtet, wofür sicher die frühen Helvetier in Frage kommen.


Kimmig zufolge hatte erst der Kontakt mit der überlegenen griechischen Zivilisation, das Bemühen um Nachahmung griechischer Sitten, vermittelt durch das um 600 v. Chr. gegründeten Massalia (Marseiile), dieses Phänomen hervorgerufen. K. Spindler sah gar einen breiten Strom griechischer Waren mit Handelskarawanen von dort zur Heuneburg ziehen. Dafür ist der tatsächliche Fundniederschlag aber zu gering. Auch setzt der Südimport erst seit Mitte des 6. und im 5. Jh. v. Chr. im größerem Maß ein, während etwa der »Musterfürstensitz« Heuneburg bereits seit ca. 600 v. Chr. existierte; andere Anlagen beginnen allerdings später.

Wo die konkreten mediterranen Vorbilder der frühen Anlagen zu suchen sind, ist mehr entschieden. Die Tatsache, dass einige Generationen zuvor in Etrurien eine in mancher Hinsicht vergleichbare Entwicklung stattfand - ebenfalls nicht lange nach dem Aufkommen der Eisenverhüttung dort -, gibt zu denken, zumal Kontakte über die Alpen mindestens seit der Urnenfelderzeit nachweisbar sind. Europäische Nord-Süd Wanderung Richtung Griechenland fanden wohl immer statt, wobei um 1200 v.Chr. jene vermutet wird, die als "Dorische Wanderung" definitiv zu Kontakten mit dem mykenischen Griechenland führten. Ein andere Wanderung war die der Italer und setzte sich über die Boier und Volcae fort mit den Zügen von Cerethius, Brennus oder Bolgios. Das waren bereits frühe Völkerwanderungen alteuropäischer Clans und setzte sich aus den Bevölkerungsüberschuss zusammen, der in ihrem angestammten Siedlungsgebiet nicht mehr ernährt werden konnte.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten
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Was rheinische und böhmische Wagengräber uns erzählen könnten

Im Laufe des 5. Jh. v.Chr. vollzieht sich innerhalb weniger Jahrzehnte ein Wandel, dessen Hintergründe und innerer Ablauf die Forschung seit Generationen beschäftigt. Zu konstatieren ist zunächst, dass die »Fürsten-gräber« der Westhallstattzone samt den dazugehörigen Sitzen innerhalb weniger Generationen enden. Das Phänomen verlagert sich nach Nordwesten in die Mittelgebirgszone, ins Mittelrheingebiet: Neue Prunkgräber finden sich nun von Hunsrück und Eifel bis zum Glauberg in Hessen. Gleichzeitig entsteht dort und wenig später in der Champagne und in Böhmen mit dem Latenestil die Formensprache, die wie nichts anderes Kennzeichen der kommenden Jahrhunderte wurde.


Die Boier auf eigenen Münzen - Biatek war ein berittener Anführer

Die Austauschbeziehungen zur Mittelmeerwelt, die zuvor hauptsächlich über die Rhone-Schiene und Massalia liefen, verlagern sich nun ebenfalls und führen jetzt über die Alpen nach Oberitalien und Etrurien. Fast meint man, hier bereits eine Vorphase der bald in vollem Umfang einsetzenden Einwanderung in die Poebene zu erkennen. Einige Misserfolge gegen die griechischen Kolonien Unteritaliens könnten eine Umorientierung der etruskischen Städte auf die Landverbindungen im Norden bewirkt haben. Jedenffalls ist deren Ausgriff in die Poebene feststellbar, wo Niederlassungen wie Felsina (Bologna) oder Spina an der Pomündung entstehen. Damit kommen sie in unmittelbare Berührung mit den Venetern, die als direkte Vermittler in den osthallstättischen Bereich fungieren, wie an der Situlenkunst abzulesen ist, und in die Nähe des Golasecca-Gebietes in Tessin und Lario, deren Bewohner die dortigen Alpenübergänge ins Schweizer Mittelland und an den Hochrhein zu nutzen wussten.


Gibt es einen Zusammenhang zwischen den rheinischen und böhmischen Wagengräberfunde? Und wenn ja, müssen die Boier als Nachfahren dieser Clans angesehen werden?

Geht es allein nach den Fundorten von frühen hallstättischen Wagengräbern fällt eine böhmische und linksrheinische Konzentration auf, die vielleicht von einem gemeinsamen Hintergrund erzählen: Dem Einbruch eines Reitervolkes bis westlich des Rheins. In Böhmen, dem alten Beheim haben sich später die Boier angesiedelt, deren Name man nicht richtig deuten kann. Entweder weist er auf eine Kriegerbezeichnung und ist urindogermanisch mit Rindern oder Stieren verknüpft. Das indogermanische *bʰōi wird jedoch direkt mit einem Eber verknüpft, womit wir einen Hinweis erhalten, dass sie sich als "Volk des Ebers" nach dem Reittier Freyrs benannt haben könnten. Die Boier würden jedenfalls so einen wanisch-frühwandalischen Hintergrund erhalten und als diese später nach Oberitalien abwanderten, haben sie bei den Venetern Anschluss an einem Volk gefunden, was ebenfalls einen ursprünglich wanischen Hintergrund hatte.

Die Herkunft der Boier wird heute in einem Gebiet zwischen Rhein, Main, Donau vermutet, doch das wäre der gleiche Großraum in dem sich die Helvetier formiert haben. Nordwestlich der Helvetier befindet sich jedoch zwischen Rhein und Eifel jenes Gebiet, in dem eine größere Zahl von Wagengräbern gefunden wurden. Es lässt sich also durchaus die Theorie aufstellen, dass die rheinischen Vorfahren der Boier, von den frühen Treverern aus ihren rheinischen Sitzen verdrängt wurden und ab dem 4. Jahrhundert v.Chr. nördlich der Helvetier zu einem Teil nach Böhmen zogen und zum anderen Teil nach Norditalien, wo sie in Felsina ein neues Machtzentrum errichteten. Warum Böhmen? Sind also an Moldau und oberer Elbe verwandte Clans des gleichen Reitervolkes zurückgeblieben, dass einst bis westlich des Rheins vorstieß? Nachdem die rheinischen Boier in Böhmen ankamen, haben sie im 2. Jahrhundert v.Chr. expandiert und das südliche Schlesien für sich erobert. Die Wagengräberfunde in beiden Großräumen könnten jedenfalls diese Theorie untermauern, dazu lässt sich ihr Name vielleicht noch mit Búri einem Schöpfer der Asen verknüpfen, womit ihr Name auf jeden Fall ein Eigenname wäre und von der Herkunft ihrer Ahnen aus einem Himmelsstier erzählt. Ihre rheinischen Sitze befanden sich zudem in einer Region, wo vermehrt Burbach-Hydronyme auftreten.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten

Die Hunsrück-Eifel-Clans als Vorfahren der Treverer

Als wirtschaftliche Basis für das schnelle Aufblühen der Hunsrück-Eifel-Clans mit ihren neuen Oberhäuptern werden seit längerem die Eisenvorkommen dieser trotz einer gewissen klimatischen Gunstphase immer noch eher kargen Region verdächtigt. Schon länger vermutete man daher von den Etruskern neu erworbene Kenntnisse, die erst die Nutzung des lokal anstehenden Roteisensteins ermöglicht hätten. Allerdings ist zum einen dessen Verhüttung nicht grundsätzlich verschieden oder schwieriger als die des sonst verwendeten Brauneisensteins, zum anderen kommt dieser dort ebenfalls vor. Unterschiede in der Qualität des erzeugten Eisens ergeben sich zu dieser Zeit ohnehin wohl eher aus der individuell unterschiedlich guten Beherrschung des Verfahrens. Der Teufel steckt hier jedoch im Detail, so dass das »Gewusst wie« durchaus zeitweise einen Vorsprung gebracht haben mag. Der alleinige Grund kann dies jedoch kaum gewesen sein.

Der im Gegensatz zur Hallstattzeit betont kriegerische Habitus mit aufwändiger Waffenausstattung kann mit Blick auf die Charakteristika der folgenden Jahrhunderte allerdings auch eine Mittelbeschaffung auf weniger friedlichem Weg vermuten lassen. Eine damit verbundene religiöse Neuausrichtung, die man aus den Veränderungen in Kunst und Grabbrauch erschließt, muss dem nicht entgegenstehen - eher im Gegenteil.


Zwischen Mosel und Rhein formierten sich einst die Treverer- sie könnten aus den Nachfahren der Hunsrück-Eifel-Clans entstanden sein. Die weißen Kreise stehen für Wagengräber, schwerpunktmäßig im linken Rheinland und Böhmen, wo die Boier nachgewiesen wurden.

Als Grund für das Ende der Welt der alten Hallstatt-Clanführer werden in erster Linie interne Probleme erwogen, seien es nun Auseinandersetzungen konkurrierender Clanführer oder - da es unter diesen offenbar keine(n) Sieger gab, wahrscheinlicher - gesellschaftliche Umwälzungen, die in die Kastenstruktur der bisherigen Clans eingriffen. Vielleicht, so eine Vermutung, hatten die Clanführer die Zurschaustellung mediterraner Pracht und elitärer Absonderung übertrieben und sich ihrer Gesellschaft so entfremdet, dass diese aufbegehrte.

Hierüber kann vorläufig nur ebenso spekuliert werden, wie darüber, welche Rolle die Verlagerung von Handelswegen, Konkurrenz aus dem neuen »Eisenrevier« von Hunsrück und Eifel, vielleicht sogar deren direkter Zugriff, oder Veränderungen der »politischen Großwetterlage« am Mittelmeer gespielt haben könnten.

Für eine Invasion großen Maßstabes von außerhalb gibt es jedenfalls keine Anzeichen. Die Alltagskeramik der Siedlungen verändert sich kaum, meist kann sie nur als »Späthallstatt/Frühlatene« angesprochen werden. Die meisten Siedlungen der Späthallstattzeit bleiben bewohnt und werden erst im Laufe der Frühlatenezeit aufgegeben, vermutlich im Zuge der Wanderungen. Auch Grabhügel werden zunächst weiterhin angelegt oder auch weiterbenutzt, bisweilen sogar solche der Bronzezeit oder gar des Endneolithikums. Das allerdings könnte gewisse Verwerfungen andeuten: Vielleicht musste man sich auf solche Ahnenstätten und Vorfahren stützen weil man sie brauchte und »neue Ahnenkulte« nur deshalb nicht verfügbar waren, weil sie nicht benötigt wurden. Das lässt zugleich die Aussage zu, dass die alteuropäischen Clans im Grunde die gleichen Ahnenkulte zelebrierten: den Sonnenkult, inklusive eines Mondkultes, den Erdmutterkult und den Schlangenkult.

Auf die Hunsrück-Eifel-Clans bezogen dürfte ihr Aufstieg sicher durch eine regionale Konkurrenzmacht gefördert worden sein. In der gleichen Region werden später schließlich die Treverer fassbar, die durchaus als Nachfahren der Hunsrück-Eifel-Clans angesehen werden können. Und diese werden auch jene Macht gewesen sein, die die benachbarten Boier vertrieben und verdrängt haben. Nicht weil sie grundsätzlich andere Ahnenkulte betrieben, sondern anderen Gottheiten folgten. Obwohl diese bis nach Oberitalien gelangten, ist von den Boiern nicht bekannt, dass sie etwa Taranis oder Teutates gefolgt wären.


Die Prunkgrab von Waldalgisheim gefundene Kanne mit den Darstellungen von Taranis und dessen Pferd
Prof. Michael Schönherr ,Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0

Es spielte also weit weniger eine Rolle, ob die führende Kriegerkaste ihre Dominanz vergrößert hatte oder von einer benachbarten Kriegerkaste bezwungen wurde, die keine anderen Kulte vorweisen kann. Wenig später werden mit der Stufe Latene B die in ihrer Ausstattung beinahe standardisiert wirkenden Flachgräber üblich, von einzelnen Prunkgräbern wie Waldalgesheim abgesehen. Die Funde in Waldalgesheim belegen jedenfalls, dass das Wagengrab zu jenen Clans im Rheinland gezählt werden muss, die treverischen Gottheiten bereits im v. Jh. v.Chr. folgten. Diese Clans verzierten ihre Kult-, aber auch Profanobjekte und Schmuck gerne mit ihren drei Hauptgöttern: Der Widderkopf repräsentiert den Schutzgott Teutates, zu dem auch die liegenden S-Spiralen als symbolische Widderhörner gehören, der Menschenkopf mit Mistelblättern steht für Esus, Taranis, Herr über den Himmel und die Fruchtbarkeit, passt zum von den Treverern hochverehrten Pferd. Auf der ähnlich gestalteten Kanne von Reinheim ist ein Pferd mit Menschenkopf dargestellt.

Der Osthallstattkreis reagiert offenbar uneinheitlich. Während in seinem Nordosten, etwa in der Südslowakei und im nordwestlichen Karpatenbecken, bereits im 5. Jh. v.Chr. Latene-A-Formen auftauchen, läuft in Slowenien derweil die Hallstattkultur anscheinend unberührt weiter, um stellenweise erst im 3. Jh. v.Chr. von den Latene-Clans okkupiert zu werden.

Primärquelle: Ade, Willmy, Die Kelten