Wer zog die Luftwaffe vom Süden der Kursker Front ab?

Die Verlangsamung des Angriffstempos der Wehrmacht am Südteil der Kursker Front war maßgeblich durch unglaubliche Vorgänge bei der Luftwaffe mit verursacht worden. Als die Offensive der 4. deutschen Panzerarmee General Hoths vor ihrer Entscheidung stand, ließ plötzlich die Luftunterstützung der Deutschen nach. Dies war um so erstaunlicher, als die Luftwaffe während des Unternehmens Zitadelle wohl mit wenigen Ausnahmen zum letzten Mal an der Ostfront die Luftüberlegenheit besaß.


Das 1. Stuka Geschwader während der Schlacht bei Kursk - Der Schwerpunkt wurde vom erfolgreichen Südflügel auf dem steckengebliebene Nordzange von Kluges verlegt, wo der Angriff eingestellt wurde. Der Jagdschutz wurde gar nach hinten verlegt, wodurch die angeschlagene Rote Luftwaffe zum Ende der Schlacht sogar die Luftüberlegenheit gewann. Ohne diese sinnlosen Befehle, wäre das nie geschehen und der Durchbruch der Südzange bereits vor dem 9. Juli geschehen. Danach hätte Hitler diese Schlacht nicht mehr abgebrochen.

Doch den Angriffsverbänden der Heeresgruppe Süd nutzte dies wenig, da das 8. Fliegerkorps schon am 7. Juli 30 Prozent seiner Bomber, 50 Prozent seiner Schlachtflugzeuge und 40 Prozent der Jäger zur Unterstützung von Models 9. Armee im Norden abgeben mußte. Das bedeutete eine durch nichts gerechtfertigte Schwächung. Wer hinter dieser Maßnahme steckte, ist unbekannt. Als wenn dies nicht schon ausreichen würde, wurden am 9. Juli, also nur zwei Tage vor der Panzerschlacht von Prochorowka, die restlichen Bomber des 8. Fliegerkorps auch vollständig der 9. Armee zur Verfügung gestellt. Ihr Angriff war im Unterschied zum südlichen Teil von Zitadelle von den Sowjets längst gestoppt worden. Dort nutzten die zusätzlichen Flieger nichts mehr.
Außerdem wurden zufällig zahlreiche Jagdflugzeuge von Kursk an die weit entfernte Mius-Front geschickt. Es hat bestimmt gute Gründe gegeben!


An der Einsatzbereitsschaft deutscher Jagdflieger lag es nicht, sie mussten nur die sinnlosesten Befehle ausbaden, die während der Kursker Luftschlachten die eigene Luftherrschaft verschenkten...Eichenlaubträger Heinz Schmidt - Im August 1943 errang er 38 Siege in den Schlachten bei Belgorod, Charkow und dem Donbass, und am ersten Herbsttag schoss er sein 170. Flugzeug ab. Seit dem 5. September 1943 gilt er nach einem Luftkampf bei Markor in Südrußland als vermißt.

Auch die Bf-109-Jäger des erfolgreichen I. JG 52 hatte man schon einige Tage vorher nach hinten verlegt. Dort, in Poltawa, wurden sie sicher dringend benötigt! Gerade als es darauf angekommen wäre, verfügte die siegreiche Heeresgruppe Süd bei Kursk über nur noch ein Drittel ihrer Fliegerkräfte bei Angriffsbeginn. Dies konnte sich nur negativ auswirken. Einzig richtig und möglich wäre statt dessen gewesen, jedes irgendwie einsatzfähige deutsche Flugzeug, das Bomben tragen konnte, in aller Eile in die erfolgversprechende Durchbruchsschlacht am Kursker Südflügel zu werfen. Diese Schwerpunktbildung hatte die Luftwaffe früher zur Perfektion entwickelt. Jetzt, nach mehreren Kriegsjahren, sollte man alles verlernt haben?

Auch dieses Vorkommnis während der großen Offensive bei Kursk wirft Fragen auf. War es nicht vor Moskau im Dezember 1941 ähnlich gewesen? So kam es, dass die gerade noch hart bedrängten sowjetischen Flieger durch den Glücksfall des Abzuges der Luftwaffe aufatmen konnten und am Ende von Zitadelle gar die Luftherrschaft innehatten. Den Preis zahlten vor allem die deutschen Nachschubkonvois und die sich nach dem Ende von Zitadelle wieder auf ihre Ausgangspositionen zurückziehenden Angriffstruppen. Dabei ging viel wertvolles Material verloren, das wegen der russischen Luftangriffe nicht mehr rechtzeitig nach hinten abtransportiert werden konnte.

Primärquelle: Georg, Verrat an der Ostfront II

Wie wird heute die Schlacht von Kursk gewertet?

Jahrzehntelang wurde das Unternehmen Zitadelle bei deutschen und alliierten Historikern als verlorene Entscheidungsschlacht des Krieges angesehen. In letzter Zeit tendiert die moderne deutsche Historikerzunft zu betonen, dass die Schlacht bei Kursk trotz ihres Umfanges eine große, aber kaum entscheidende Schlacht gewesen sei, die von der sowjetischen Nachkriegspropaganda maßlos übertrieben worden sei. Der Ausgang des Unternehmens sei genauso vorprogrammiert gewesen, wie auch die Entscheidung des Krieges damals schon längst festgestanden habe. Anglo-amerikanische Historiker behaupten darüber hinaus auch, dass es nur die Landung der Alliierten auf Sizilien gewesen sei, die die wirkliche Entscheidung im Osten zugunsten der Russen bewirkt habe, da Deutschland seine Reserven von dort nach Süden habe werfen müssen. Da sind Geschichtsklitterer am Werk!

Auf diese Weise kann der unbestreitbare Vorteil der Roten Armee, über Ort und Zeitpunkt der letzten deutschen großen Offensive in Russland lange im voraus aufs genaueste Bescheid gewusst zu haben, wunderbar verkleinert werden. Tatsächlich war es bei Kursk den Deutschen mit Ausnahme der Ardennen-Schlacht im Dezember 1944 zum letzten Mal gelungen, ihre gesamten strategischen Reserven für eine offensive Operation zusammenzuziehen. Im Juli 1943 hatten die Deutschen bei Kursk versucht, mehr als eine Million Mann sowjetischer Truppen einzuschließen und zu zerschlagen. Das Reich benötigte dringend weitere Arbeitskräfte, um seine Kriegsproduktion wieder auf die Höhe zu bringen. Hinter den Frontlinien lagen schon zahlreiche Züge bereit, um die zu erwartenden sowjetischen Kriegsgefangenen zur Arbeit nach Deutschland abzutransportieren.


Orel im Juli 1943. Bereits am 5. August rollten die Sowjets in die Stadt, was ohne Abbruch von "Zitadelle" niemals so geschehen wäre...

Zitadelle war von der Konzeption her eine Offensive, die zur eigenen deutschen Verteidigung dienen sollte. Nach einem deutschen Sieg hoffte man mindestens zehn gepanzerte Großverbände freisetzen zu können. Damit sollte zum ersten Mal eine echte strategische Reserve geschaffen werden - schnell verladbar und zum Einsatz auf anderen Kriegsschauplätzen. Ein ohne Verrat wahrscheinlicher deutscher Sieg bei Kursk wäre also kein verlorener Sieg geworden. Er hätte es Deutschland ermöglicht, im Osten einen defensiven Krieg zu führen und im Westen und Süden die Anglo-Amerikaner vom Betreten der Festung Europa abzuhalten.

Der Ausgang der Schlacht von Kursk - taktisch zwar ein deutscher Sieg, strategisch nichts anderes als eine Niederlage - hatte dies alles vertan. Unwidersprochen ist, dass nach Kursk die strategische Initiative im Osten unwiderruflich an die Sowjetunion überging. Bis Kriegsende sollte dies so bleiben. Die Wehrmacht errang allerdings einen Teilerfolg, denn in Kursk, besonders in der berühmten Panzerschlacht bei Prochorowka, wurde nicht der deutschen Panzerwaffe das Genick gebrochen, wie es die Russen nach 1945 jahrzehntelang erfolgreich propagiert hatten.


Vier deutsche Soldaten am 5. Juli 1943 - Sie hatten keine Kenntnis, wie viele deutsche Verräter auf Kosten ihrer Leben für den Feind arbeiteten...

Statt dessen wurde nach dem Ende der Sowjetunion bekannt, dass die wirklichen Verluste der Russen bei Kursk nicht ohne Grund wie ein Staatsgeheimnis geheimgehalten worden waren. Sie waren so hoch, dass die Rote Armee Totalverluste von mehr als 1600 Panzerkampfwagen erlitten hatte. Bei Kursk und Orel fielen bis zu 300000 Sowjetsoldaten. Stalin erreichte die polnische Grenze nicht im Sommer 1943, sondern erst ein Jahr später. So verhinderte der Ausgang der Schlacht um Kursk die effektive Bildung einer deutschen strategischen Einsatzreserve. Man kann es auch so ausdrücken: Nicht der anglo-amerikanische Vorstoß nach Sizilien entschied die Schlacht um Kursk, sondern Kursk ermöglichte erst die alliierten Landungen in Süditalien 1943 und in Frankreich 1944. Durch den Abbruch von Zitadelle nahm Hitler auch den Druck von den Sowjets und erlaubte es ihnen, ihre angeschlagenen Woronesch- und Steppenfronten zu reorganisieren. Von nun an hatte das sowjetische Oberkommando die freie Wahl, wo es die geschwächten deutschen Frontabschnitte angreifen wollte.

Primärquelle: Georg, Verrat an der Ostfront II