Land und Leute geben weiterhin mehr Fragen auf, als beantwortet werden können. Im Jahre 30 nach der Unterzeichnung des Schutzvertrages kennen die Kolonialherren viele der zu schützenden Völker noch nicht. Wen sie glauben zu kennen, mit wem sie den meisten Umgang haben, sind die Duala-Leute, die als Küstengesellschaft an Kameruns Eingangspforte sitzen. Man kann dann danach suchen, doch ausgerechnet über die Duala (»ziemlich hässlich und auch ihr Charakter lässt viel zu wünschen übrig«) verlieren die Deutschen kein gutes Wort.
Duala Leute auf der Landungsbrücke in Duala
»Die Duala sind faul, unverschämt, lügnerisch und unzuverlässig. Zu allem Überfiuss haben sie natürlich nicht das Gute, was sie am Weißen kennen lernten, angenommen, sondern das Schlimme« (Kurt Hassert aus Naumburg/Saale, Professor der Geografie). - »Dualaneger ..., ein intelligenter, aber verdorbener Stamm« (RKA). Tatsächlich nehmen die Duala, die in vorkolonialer Zeit vom reichlich gewinnabwerfenden Zwischenhandel lebten, sich jetzt als Kleinpflanzer mit dem Anbau von Mais und Yams, Maniok und Makabo abplagen, im Kreis der ksl. Untertanen eine Ausnahmestellung ein. Aufgrund ihrer Kontakte mit europäischen Händlern und Missionaren im Umgang mit Weißen vertraut, als die Deutschen kamen, stellen sie jetzt die Kräfte für Bürobetriebe und Missionen ...
Der sogenannte Markt von Viktoria
Wenn es nach den Kolonialherren geht, sollen Söhne angesehener Familien der Tradition entsprechend eines Tages die Führung des Landes übernehmen. Natürlich unter deutscher Administration. Probleme zwischen Kolonialherren und zu Kolonisierenden gehen auf jenen Tag zurück, an dem vertragschließende Kings beim Ruf nach der deutschen Hand an den Bau von Schulen, Krankenhäusern oder Straßen dachten, die Deutschen an die völkerrechtliche Okkupation. Der Reichsschutz war nicht für null Komma nichts zu haben. Da sich die Kameruner nicht anderweitig erkenntlich zeigen konnten, wurde der Schutzvertrag so gut es ging zur Ausbeutung von Land und Leuten genutzt, was sich am Auffallendsten in der Bodenpolitik niederschlug. Landflächen, die die Pflanzungsgesellschaften Soppo, Bibundi oder Victoria in deutschen Tagen bearbeiten, hatten, als Europa nach Afrika kam, bereits Eigentümer gehabt. Auf Grund und Boden der Pflanzungen Scipio, Boufamba, Lisoko oder Esser-Oechselhäuser bestanden Nutzungsrechte farbiger Kameruner. Grundsätzlich sollte der tatsächliche Besitzstand eingeborener Stämme und Sippen respektiert werden.
Der Hafen von Duala mit dem Dampfer "Herzogin Elisabeth". Die Stadt soll »hygienisch notwendig« saniert werden. Geplant ist, Europäer- und Eingeborenensiedlungen durch freie Zonen räumlich voneinander zu trennen, »ist diese Art der Sanierung in den Tropen doch allgemein als die eindeutig wirksamste anerkannt« (RKA).
Während die Überlassung von Eingeborenenland an Weiße der Genehmigung durch die Verwaltung bedurfte, konnte Herrenloses relativ problemlos erworben werden. Wer herrenloses Land suchte, fand allerdings herrenloses Land, konnte die indigene Gesellschaft doch nicht überall sein, nicht jeden Fußbreit bewirtschaften. Mit der Kronlandverordnung von 1896 wurde die Übertragung von Eingeborenenland zwar theoretisch erschwert, herrenloser Boden im Gegenzug jedoch unter Aufsicht der Krone gestellt. Hier war es, wo die Kolonialherren mit zwei großen Landkonzessionen für kapitalkräftige Gesellschaften dann besonders kräftig zuschlugen.
Nachdem die Kolonialverwaltung erfahren hatte, dass in Kameruns Südostteil Ausländer Gummi und Elfenbein ausbeuteten und über den Kongo ausführten, kam es 1898 zur Gründung der Gesellschaft Süd-Kamerun mit Sitz in Hamburg und Brüssel. Die Gesellschaft erhielt 77.000 qkm »Kronland« zur Nutzung und Erschließung durch Handel, den Bau von Faktoreien und Stationen und die Anlage von Plantagen auf 20 Jahre. Die Gesellschaft verpflichtete sich dafür, einen Anteil des Reingewinns an den Landesfiskus abzutreten. In Molundu wird die Hauptniederlassung eingerichtet, Faktoreien in Bomedai und im Ndsimu-Gebiet liefern Kautschuk und Elfenbein für den Export. Die Gesellschaft kann die Wasserstraße des Kongo-Ssanga nutzen, muss aufgrund der Kongoakte jedoch mit ausländischen Firmen konkurrieren. Das scheint nicht immer einfach zu sein. Um konkurrenzfähig zu bleiben, überlässt ihr Noch-Gouverneur Puttkamer 1905 weitere rund 1,5 Mio ha als Eigentum. Auf Gegenleistungen kommt es ihm nicht an.
Das Europäer-Krankenhaus in Duala (1910)
1899 werden der Gesellschaft Nordwest-Kamerun, in der die Pionierhäuser Woermann und Jantzen & Thormälen aufgehen, 90.000 qkm in einem noch zu schaffenden Kronland überschrieben. Die Gesellschafter verpflichten sich zum Bau von öffentlichen Wegen und Eisenbahnen, zur Ein-wie Ausrichtung von Dampfschiffverbindungen und Forschungsexpeditionen. Am Kreuzfluss, im Banyanland und in Bali werden Faktoreien eröffnet, die dem Export von Kautschuk, Ebenholz und Ölpalmprodukten zuarbeiten. Als die erwartete Rendite ausbleibt, bietet die Gesellschaft ihren Landbesitz der Kolonialverwaltung zum Rückkauf an. Das RKA widerruft die erteilte Konzession.
Ausbildung der Schutztruppe Kameruns im Busch
1903 erlässt Puttkamer ein Gesetz, wonach Eingeborenenland im öffentlichen Interesse in Zukunft enteignet werden kann. Der rigorosen Landnahme sind damit kaum mehr Grenzen gesetzt, da Kolonialgesell-schaften und weiße Siedler Grund und Boden »fast umsonst« erhalten. Puttkamers Bodenpolitik eskaliert den Landkonflikt, Dualas schicken am Gouverneur vorbei einen Protestbrief nach Berlin. Vom »allerdurchlauchtigsten Reichstag« ignoriert, werden die Initiatoren in Kamerun mit Kettenhaft bestraft. Sozialdemokraten und Zentrum protestieren, worauf Puttkamer in die Heimat gerufen wird. Dort sind es nicht seine Puttkamereien, sondern ein Verhältnis mit einer ihm allzu nahe stehenden Lebedame, das zum Stolperstein seiner Karriere wird. Von der Disziplinarstrafkammer des auf öffentliche Moral bedachten Reiches zu einem Strafgeld von 1.000 Mark verurteilt, kehrt er nicht wieder nach Buea zurück.
Der Befehlshaber der Schutztruppe General Zimmermann
Bereits Ende August 1914 brachen Engländer, Franzosen und Belgier fast gleichzeitig von allen Seiten in Kamerun ein, stießen aber überall auf erfolgreichen Widerstand, wenn es ihnen auch an einzelnen Stellen gelang, langsam vorwärts zu dringen. Im September 1914 erschienen die ersten englischen Schiffe an der Küste vor dem Hafenplatz Duala. Es gelang den Engländern, sich in Besitz dieses wichtigen Punktes zu setzen und von dort, wenn auch äußerst langsam, längs der Bahn in Richtung auf Jaunde vorzudringen.
Der Krieg in Kamerun beginnt...
Die Offiziere der Südabteilung im Oktober 1914
eine deutsche Urwaldstellung...
...und ein deutsches Buschlager
Dorthin verschob sich nunmehr der Schwerpunkt der Verteidigung, die Gegend von Jaunde wurde zum Brennpunkt des Kampfes. Ein Gegenstoß Zimmermanns gegen die Engländer wurde zwar abgeschlagen, hatte aber doch den Erfolg, dem Gegner längeren Aufenthalt zu bereiten.
stehend von links: Ldstm. Klose, Uffz Topp (+), San.-Uffz Keppke, Uffz Fischer, Kriegsfreiwilliger Gefreiter Leschner, Ersatzreservist Rager sitzend von links: Sergeant Maaßen (+), Vizefeldwebel Schulz, Hauptmann Harttmann, Offz.Stv. v.Baeckmann, Ob.Art.Maat Hötte liegend von links: Uffz Vorwerk, Uffz Wolf
Im Laufe des Jahres 1915 verschlimmerte sich die Lage der Deutschen in dem Bergland von Jaunde zusehends. Zwar hielt die eingeborene Bevölkerung treu zu den Deutschen. Aber die Munition ging zu Ende. Im Oktober und November umklammerten die Franzosen von Osten, die Engländer von Norden und Westen immer enger die deutsche Stellung. Unterdessen war im Norden der Kolonie bereits im Sommer der wichtige Punkt Garua gefallen, der Feind drang von hier aus weiter nach Süden vor.
Ein deutscher Güterzug mit Geschützen
Im Dezember 1915 wurde die Lage so bedrohlich, dass Major Zimmermann erwarten musste, völlig abgeschnitten zu werden. Er fasste den Entschluss, sich nach der in der Südwestecke Kameruns an der Küste liegenden kleinen Kolonie Spanisch-Guinea durchzuschlagen.
Urwaldmarsch deutscher Truppen
Jaunde Rekruten
Das einzige Auto in Kameruns Krieg (Dienstwagen des Gouverneurs)
Im Februar 1916 trat die kleine Schar in guter Ordnung hier auf das neutrale Gebiet über. Die Europäer wurden nach Spanien, die Eingeborenen nach der gegenüber Kamerun liegenden Insel Fernando Po gebracht. Ganz im Norden Kameruns hielt sich in einer einsamen Bergfestung noch eine einzige deutsche Kompagnie bis zum März 1916, wo sie sich dann auch den Engländern ergeben musste.
Der Götterberg - Kameruns Wahrzeichen
Der deutsche Gouverneur Exzellenz Dr. Ebermaier
Die deutsche Schutztruppe bestand größtenteils aus einheimischen Afrikanern
3,7 cm-Gebirgsgeschütz vor Akoasim
Die letzte Parade in Kamerun am 27. Januar 1916 unter Major Rammstedt
Es muss als ein Zeichen eines besonderen Vertrauensverhältnisses gewertet werden, dass ein Teil des Volksstammes von Jaunde freiwillig seine Heimat verließ und sich dem Abmarsch in das spanische Gebiet anschloss. Nichts widerlegt mehr die im Versailler Vertrag erfundene Lüge, dass Deutschland nicht imstande gewesen sei, zu kolonisieren, und deshalb seiner Kolonien hätte beraubt werden müssen. Kamerun war auch die einzige Kolonie, die Hitler ernsthaft wiederhaben wollte.
Die internierten deutschen Kameruntruppen auf Fernando Poo (1916)
Nachdem der Kampf um Kamerun vorüber war, war aber die Geschichte um die deutsche Kameruner Kolonialzeit noch nicht beendet. In dem Werk "Ein Werk deutscher Kolonisation auf Fernando Poo" geht es um die Übersetzung einer spanischen Schrift, die Anfang 1919 in Madrid erschienen ist und zum ersten mal die Schicksale der bei dem Rückzug der Deutschen aus Kamerun im Februar 1916 auf das spanische Mum-Gebiet übergetretenen Schutztruppe und der den Deutschen freiwillig gefolgten Kamerun-Eingeborenen behandelt. Die Unterbringung, Verpflegung und sonstige Versorgung der über 17.000 Menschen auf der Insel Fernando Po stellte eine organisatorische Leistung ersten Ranges dar, so dass dieser Bericht seinerzeit weit über die Grenzen Spaniens in der neutralen Presse gebührende Beachtung fand.
Die Schriftleitung des Deutschen Kolonialblattes hielt es daher für angebracht, diese deutsche Übersetzung im nichtamtlichen Teil zu veröffentlichen, "...überzeugt, dass ihr Inhalt in Deutschland um so mehr großes Interesse wachrufen wird, als über die hier geschilderten Vorgänge bei uns noch wenig bekannt geworden ist". Da auch heute noch in den Massenmedien vielfach die Meinung vertreten wird, dass Deutschland unfähig gewesen sei, zu kolonisieren und das Hauptziel der deutschen Kolonialpolitik die Ausbeutung der Eingeborenen gewesen sei, ist es erforderlich, die damaligen Ereignisse, die ja ein Teil der deutschen Kolonialgeschichte sind, ins Gedächtnis zurückzurufen. Dabei wird auf den Bericht des damals auf Fernando Poo als Kompaniechef eingesetzten Leutnants Max Köhn in Nr. 44 des Mitteilungsblattes "Der letzte Geschichtsabschnitt der deutschen Schutztruppe in Kamerun" verwiesen.
Auszug aus dem "Deutschen Kolonialblatt" 1919: Nach dem Rückzug der Deutschen aus Kamerun, hatten ihre 6000 farbigen Soldaten mit doppelt so großem Anhang an Frauen und Kindern, sowie 3000 anderen Eingeborenen des Landes auf Fernando Po eine gastfreundliche Aufnahme gefunden. Sie haben dort unter Anleitung und Aufsicht ihrer wenigen deutschen Herren und unter der fürsorglichen Unterstützung der spanischen Regierung Dörfer, Europäerniederlassungen, Farmen, Wege, Brücken und alle möglichen anderen Einrichtungen angelegt, die das beste und beredtste Zeugnis ablegen von der langjährigen, verständnisvollen Erziehung der deutschen Eingeborenen zur Arbeit, Ordnung und Sauberkeit; sie haben dort während ihres fast dreijährigen Aufenthalts, fern ihrer Heimat, getrennt auch von den meisten ihrer alten deutschen Herren, sich mit Würde in ihre Lage gefügt, sich willig den Anordnungen der spanischen Regierung unterworfen und doch die Treue und Anhänglichkeit an die deutsche Verwaltung sich bewahrt.[...]
Und noch ein Hintergrund zum neutralen spanischen Kolonialgebiet ist interessant: Im Buch "Krieg in Kamerun: Die deutsche Kolonie im Ersten Weltkrieg" von Uwe Schulte-Varendorff geht der Autor davon aus, dass es den Deutschen gelang, längere Zeit Munition von den Spaniern zu beziehen und das sogar, als längst eine alliierte Blockade vor der Küste verhängt wurde.
28.10.2020 21:02 (zuletzt bearbeitet: 24.04.2023 21:26)
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